Goldenes Kalb

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Der Tanz um das goldene Kalb - Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180)
Darstellung aus der Schedelschen Weltchronik
Darstellung von Nicolas Poussin

Das goldene Kalb war laut biblischer Überlieferung ein Götzenbild, das die Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten gemeinsam mit Aaron schufen, während Mose auf dem Berg Sinai die zehn Gebote erhielt.

„Als das Volk sah, dass Mose noch immer nicht vom Berg herabkam, versammelte es sich um Aaron und sagte zu ihm: Komm, mach uns Götter, die vor uns herziehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus Ägypten heraufgebracht hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Aaron antwortete: Nehmt euren Frauen, Söhnen und Töchtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her! Da nahm das ganze Volk die goldenen Ohrringe ab und brachte sie zu Aaron. Er nahm sie von ihnen entgegen, zeichnete mit einem Griffel eine Skizze und goss danach ein Kalb. Da sagten sie: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägypten heraufgeführt haben. Als Aaron das sah, baute er vor dem Kalb einen Altar und rief aus: Morgen ist ein Fest zur Ehre des Herrn. Am folgenden Morgen standen sie zeitig auf, brachten Brandopfer dar und führten Tiere für das Heilsopfer herbei. Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken und stand auf, um sich zu vergnügen.“

Ex 32,1–4 EU

Mose zerschlug nach seiner Rückkehr den Götzen und die Gesetzestafeln; anschließend wurden von den Leviten auf Anweisung Moses 3000 Menschen erschlagen (Ex 32,25-28 EU).

Bei der in vielen Schichten entstandenen Erzählung vom Goldenen Kalb handelt es sich nicht um die Schilderung einer historischen Begebenheit, sondern in ihrer letzten deuteronomistischen Bearbeitung um eine ätiologische Erzählung, die den Untergang des Nordreiches nachträglich erklärt.[1]

Goldenes-Kalb-Symbolik

Ein Kalb ist ein junger Paarhufer, etwa bei Rind und Rotwild. Das goldene Kalb der Bibel wird meist als Rind identifiziert (vgl. Bilder). Stierkulte sind um den mesopotamischen Wettergott Hadad und den ägyptischen Apis-Stier belegt. Das Gilgamesch-Epos kennt einen Himmelsstier. In Bethel stellte ein Stierbild JHWH dar.[2][3][4]

Die im hebräischen Urtext verwendete Vokabel עֵגֶל (egel) bezeichnet einen bis drei Jahre alten Stier. Da die Stierkulte in der Bibel negativ gewertet wurden, verwendeten die Übersetzer das Wort Kalb, um die Verehrer eines „Kälbchens“ damit zu verspotten.[5] JHWH wurde zunächst als Stier dargestellt und verehrt. Dies wird in Exodus 32, 1-6, der ältesten Textschicht, erzählt. Die spätere, deuteronomistische Textschicht Exodus 32, 7-14 liefert dann nachträglich die negative Beurteilung.[6]

Weitere Goldene Kälber in der Bibel

Auch der erste König des Nordreichs Israel, Jerobeam I., schuf in Bethel und Dan Heiligtümer JHWHs mit einem Goldenen Kalb als Sitz Gottes und sein Abbild.[7]

„So ging er mit sich zu Rate, ließ zwei goldene Kälber anfertigen und sagte zum Volk: Ihr seid schon zu viel nach Jerusalem hinaufgezogen. Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten heraufgeführt hat. Er stellte das eine Kalb in Bet-El auf, das andere brachte er nach Dan. Dies wurde Anlass zur Sünde. Das Volk zog sogar bis nach Dan, vor das eine Kalb.“

1. Kön. 12,28–30

Die goldenen Kälber waren ein Verstoß gegen das erste Gebot:

„Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation;“

2. Mose 20,2–5

Das absolute und ausformulierte Bilderverbot ist dabei eine Entwicklung aus späterer Zeit. Auch ursprünglich wurde JHWH im Jerusalemer Tempel nicht figürlich dargestellt.[8]

Auch wegen der Konkurrenz zu Jerusalem, der Hauptstadt des israelitischen Südreichs Juda, werden Jerobeam I. und alle ihm nachfolgenden Könige Israels von den deuteronomistischen Geschichtsschreibern immer wieder und an vielen Stellen scharf verurteilt. Nach ihrer Ansicht, die das Deuteronomium und das deuteronomistische Geschichtswerk, die beiden Bücher der Könige und die der Chronik, prägt, darf JHWH ausschließlich im Jerusalemer Tempel angebetet werden. König Josia von Juda zerstört die alternativen JHWH-Heiligtümer.[9]

Gott gedenkt der Goldenen Kälber

Dan und Ephraim aus den Stämmen Israels (die beiden Stämme, in denen die Goldenen Kälber aufgestellt wurden) wurden bei der Aufzählung der Stämme Israels nicht mehr aufgeführt. Dan und Ephraim wurden durch Joseph und Levi ersetzt:

„Und ich hörte die Zahl derer, die versiegelt wurden: hundertvierundvierzigtausend, die versiegelt waren aus allen Stämmen Israels: aus dem Stamm Juda zwölftausend versiegelt, aus dem Stamm Ruben zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, aus dem Stamm Asser zwölftausend, aus dem Stamm Naftali zwölftausend, aus dem Stamm Manasse zwölftausend, aus dem Stamm Simeon zwölftausend, aus dem Stamm Levi zwölftausend, aus dem Stamm Issachar zwölftausend, aus dem Stamm Sebulon zwölftausend, aus dem Stamm Josef zwölftausend, aus dem Stamm Benjamin zwölftausend versiegelt.“

Offenbarung 7,4–8

Gott gedenkt seiner Worte, dass er Götzendienst bestrafen und den Namen eines solchen Stammes unter dem Himmel austilgen würde:

„Ihr habt bei ihnen Scheusale und Götzen aus Holz und Stein, aus Silber und Gold gesehen. Es soll keinen unter euch geben, weder Mann noch Frau, weder Sippe noch Stamm, der heute sein Herz vom Herrn, unserem Gott, abwendet und anfängt, den Göttern dieser Völker zu dienen. Es soll bei euch keine Wurzel wachsen, die Gift und Wermut hervorbringt, das heißt keinen, der beim Hören der Worte dieser Verwünschung insgeheim folgenden Gegensegen über sich spricht: Mir soll nichts geschehen, wenn ich aus eigenem Entschluss etwas tue, damit Wasserfülle die Dürre beendet. Der Herr wird sich weigern, ihm zu verzeihen, er wird schnauben vor Zorn und Eifersucht gegen einen solchen Menschen. Jede Verwünschung, die in dieser Urkunde aufgezeichnet ist, wird auf ihn lauern und der Herr wird seinen Namen unter dem Himmel auslöschen“

5. Mose 29,16–19

„Der Herr antwortete Mose: Nur den, der gegen mich gesündigt hat, streiche ich aus meinem Buch.“

2. Mose 32,33

Solange sie auf Erden waren (unter dem Himmel) fehlten die Stämme Dan und Ephraim aus den Stämmen Israels. Der Prophet Ezechiel schrieb, dass sie im tausendjährigen Reich wieder unter die Stämme Israels aufgenommen würden Ez 48 EU

Goldenes Kalb bei der Occupydemonstration, Frankfurt 2011

Rezeption

Karl Anton Wolf: "Das Goldene Kalb - Die Technik als Apokalypse", Donaupark Wien.

Vom Bild des Goldenen Kalbes leitet sich die Redensart ab vom Tanz um das goldene Kalb, als Sinnbild für eine Verehrung von Reichtum und Macht.

Vielfach dient es in der Darstellenden Kunst bis zur politischen Kultur der Gegenwart als sprechendes Symbol für einen kritikwürdigen ethischen und moralischen Verfall.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Goldenes Kalb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Goldenes Kalb, 1.2. Der fiktive Charakter und der historische Bezug der Erzählung
  2. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Stierbilder, 3. Stierbilder als Bilder Jahwes
  3. Keel, O.: Das Recht der Bilder, gesehen zu werden. Drei Fallstudien zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder (OBO 122)., Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1992, S. 169ff
  4. Koenen, K.: Bethel. Geschichte, Kult und Theologie (OBO 192)., Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2003, S. 99ff
  5. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Goldenes Kalb, 2. Der Terminus עֵגֶל „Kalb / Jungstier“
  6. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Goldenes Kalb, 1.3. Zur Entstehung der Erzählung
  7. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Bethel, 5. Gottheiten und Kultbilder
  8. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Bilderverbot, 3.3. Ein JHWH-Bild in Jerusalem?
  9. http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/ Stichwort: Deuteronomium