Hans Prinzhorn

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Hans Prinzhorn als Abiturient (1904)

Hans Prinzhorn (* 8. Juni 1886 in Hemer, Westfalen; † 14. Juni 1933 in München) war ein deutscher Psychiater und Kunsthistoriker. Nach ihm ist die Sammlung Prinzhorn benannt, eine Sammlung von Malereien psychisch Kranker. Prinzhorns lebensphilosophischer Ansatz orientierte sich an der Philosophie Ludwig Klages’.[1]

Ausbildung

Prinzhorn studierte Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Tübingen, München und Leipzig, wo er 1908 promovierte.

Prinzhorn begab sich nach England. Er hegte den Wunsch, Sänger zu werden, und wollte in England eine Gesangsausbildung absolvieren. Während des Ersten Weltkrieges erhielt Prinzhorn als Assistent eines Militärchirurgen eine medizinische und psychiatrische Weiterbildung.

Anlage der Sammlung und erste Buchveröffentlichung

Brief der Psychiatriepatientin Emma Hauck 1909, von Prinzhorn als Beispiel für „Kritzeleien“ angeführt, Sammlung Prinzhorn
Aus der Sammlung Prinzhorn: August Natterer (Neter): „Hexenkopf“ (Vorder- u. Rückseite), ca. 1915

1919 wurde Hans Prinzhorn Assistent von Karl Wilmanns an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Seine Aufgabe war es, dort eine Sammlung von Bildwerken Geisteskranker zu betreuen, die von Emil Kraepelin angelegt worden war. Als Prinzhorn die Heidelberger Universitätsklinik 1921 verließ, umfasste seine Archivierung mehr als 5000 Gemälde, geschaffen von ≈450 Patienten der psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, den in der Terminologie der Mediziner so genannten Fällen.

1922 veröffentlichte Prinzhorn sein erstes und einflussreichstes Werk, das Buch Bildnerei der Geisteskranken,[2] reich illustriert mit Bildmaterial aus der Sammlung der für geisteskrank befundenen Patienten. Während Prinzhorns psychiatrische Fachkollegen reserviert auf sein veröffentlichtes Werk reagierten, zeigten sich Kunstliebhaber, Kunstexperten und Psychologen von den dokumentierten Patientenarbeiten tief beeindruckt. Das Buch, in dem sich der Verfasser mit den Grenzbereichen künstlerisch individueller Formen der Expressivität und den Gestaltungsmerkmalen psychisch Kranker auseinandersetzte, bildete einen der ersten Versuche, deren Schöpfungen zu analysieren.

Folgejahre

Prinzhorn arbeitete in der Folge für kurze Zeit an Sanatorien in Zürich, Dresden und Wiesbaden. Ab 1925 führte er eine psychotherapeutische Praxis in Frankfurt am Main. Prinzhorn verfasste weitere Bücher, die nicht den Erfolg seines Erstlingswerkes erreichen konnten. Seine Hoffnung, eine feste Anstellung an einer Universität zu erlangen, wurde nicht erfüllt.

Desillusioniert durch seine berufliche Erfolglosigkeit und das Scheitern dreier Ehen übersiedelte Prinzhorn zu einer Tante nach München. Zurückgezogen lebte er von gelegentlichen Vorträgen und dem Verfassen von Texten. Politisch stand Prinzhorn in seinen letzten Lebensjahren dem italienischen Faschismus Mussolinis und dem Nationalsozialismus nahe. Er publizierte zwischen 1930 und 1932 eine Artikelserie Über den Nationalsozialismus.[3]

1933 verstarb Prinzhorn in München an Typhus.[4]

Nachleben und Museum

Bald nach dem Tod des Psychiaters und Kunsthistorikers Hans Prinzhorn wurde die Sammlung Prinzhorn auf einem Dachboden der Heidelberger Universität verstaut. 1937 wurden einige Arbeiten aus der Sammlung in einer nationalsozialistischen Propagandaausstellung, der Feme-Schau Entartete Kunst, in München präsentiert und zum Vergleich mit Werken von Künstlern der Klassischen Moderne missbraucht, um Werke des Deutschen Expressionismus in Gegenüberstellung zu diffamieren.

2001 wurde der Sammlung Prinzhorn ein eigenes Museum im Universitätsklinikum Heidelberg, das Museum Sammlung Prinzhorn, Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg, Voßstraße 2, in einem umgebauten ehemaligen Hörsaal, gewidmet. Hier dient die Sammlung weiterhin erkenntnistheoretischer, wissenschaftlicher Erforschung.[5]

Regelmäßig wechselnde Ausstellungen finden hier statt, in die bei den Eröffnungsfeierlichkeiten, mit wissenschaftlich profunden Erörterungen zur jeweiligen Thematik, von Klinikern oder Kunsthistorikern eingeführt wird.

Der Marburger Kunstverein organisierte im Jahr 2009 eine Ausstellung unter dem Motto: - „Wahnsinn!, Arbeiten aus der Lebenshilfe und der Sammlung Prinzhorn aus Heidelberg“ -. Mehrere der geistig behinderten aktiven Kunstschaffenden, deren Arbeiten in dieser Ausstellung gezeigt wurden, waren damals bei der Vernissage persönlich anwesend.

Seit 1965 wird jährlich die Hans-Prinzhorn-Medaille von der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks verliehen. Zu den Preisträgern gehören neben anderen Leo Navratil, Alfred Hrdlicka, Hans Küng und Lothar-Günther Buchheim.

Sonstiges

Prinzhorn-Geburtshaus in Hemer

In seiner Geburtsstadt Hemer sind nach Hans Prinzhorn die städtische Realschule und die dortige Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit differenzierten Behandlungsaufgaben in der Pflicht- und Vollversorgung benannt worden. Träger der Klinik ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe; sie ist auch eine Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstitution. Ferner gibt es im dortigen Felsenmeermuseum des Bürger- und Heimatvereins ein (weitgehend aus Kopien bestehendes) Prinzhorn-Archiv. Der von Ludwig Klages geprägte Literaturwissenschaftler Yukio Kotani setzte sich für das Bekanntwerden der Arbeiten Prinzhorns in Japan ein.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Röske, Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn (1886-1933), Bielefeld: Aisthesis 1995. ISBN 3-927670-90-1
  • Bettina Brand-Claussen, Das "Museum für pathologische Kunst" in Heidelberg. Von den Anfängen bis 1945, in: Wahnsinnige Schönheit, Prinzhorn-Sammlung, Ausstellungskatalog Osnabrück, Kulturhistorisches Museum u.a., Heidelberg: Wunderhorn 1997, S. 6-23.
  • Bettina Brand-Claussen, Thomas Röske, et al.: Air loom: der Luft-Webstuhl und andere gefährliche Beeinflussungsapparate, Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Heidelberg: Wunderhorn 2006. ISBN 978-3-88423-237-8
  • Bettina Brand-Claussen & Thomas Röske (Hrsg.) Künstler in der Irre, Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg, Heidelberg: Wunderhorn 2008. ISBN 978-3-88423-306-1
  • Werner Mirbach, Psychologie und Psychotherapie im Leben und Werk Hans Prinzhorns (1886-1933),Frankfurt:Europäischer Verlag der Wissenschaften 2003 (= Band 20 der von Helmut.E.Lück herausgegebenen "Beiträge zur Geschichte der Psychologie") ISBN 3-631-51381-X
  • Peter Prange: Prinzhorn, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 730 f. (Digitalisat).

Film

  • Christian Beetz (Regie): Zwischen Wahnsinn und Kunst. Die Sammlung Prinzhorn. D, 2007, 75 Min. Adolf-Grimme-Preis 2008[7]

Bearbeitung für die Bühne

  • Carlos Cortizo: Ordnung durch Störung - Störung durch Ordnung, Tanzstück inspiriert durch die Künstler und Kunst der Sammlung Prinzhorn Nürnberg 2009[8]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Werner Mirbach
  2. Hans Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken (7. Aufl.). Springer, Heidelberg 2011.
  3. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 467.
  4. Gerhard Roth: Geleitwort zu Hans Prinzhorn-Bildnerei der Geisteskranken. In: Hans Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. - 5. Aufl. - Wien/New York: Springer, 1994. S. IV.
  5. Siehe dazu die ausführliche Literatur-Liste zum Artikel auf der Diskussions-Seite
  6. Yukio Kotani: Wozu regt mich Hans Prinzhorn an? – Persönlichkeit und Weltoffenheit. In: Hestia. Jahrbuch der Klages Gesellschaft 1986/87, ISBN 9783416020138, S. 80-89
  7. "Adolf Grimme Preis 2008" und Beetz-Homepage zum Film
  8. http://www.i-camp-muenchen.de/files/suche_show.php?satz=439&folge=&seite=2&rubrik=archive