Henriette Amalie von Anhalt-Dessau (1720–1793)

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Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau von Joachim Martin Falbe im Schloßparkmuseum von Bad Kreuznach
Die Töchter des Friedrich Heinrich von Oranien, Statthalter der Niederlande
Rittergut Bangert bei Kreuznach um 1860, Sammlung Alexander Duncker

Henriette Amalie Prinzessin von Anhalt-Dessau (* 7. Dezember 1720 in Dessau; † 5. Dezember 1793 ebenda) war die jüngste Tochter des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau aus dem Haus der Askanier und der Anna Luise Föhse.

Vorfahren

Ihre Großmutter Henriette Catharina von Oranien-Nassau (1637–1708) war eine niederländische Prinzessin aus dem Haus Oranien, die 1659 den Großvater Johann Georg II. von Anhalt-Dessau heiratete. Als Fürstin beteiligte sie sich am Aufbau und an der Entwicklung des relativ armen Fürstentums. Im Jahr 1660 erhielt sie das Dorf Nischwitz als persönlichen Besitz, welches 1673 in Erinnerung an ihre Herkunft in Oranienbaum umbenannt wurde. Ab 1683 ließ sie hier Stadt, Park und Schloss Oranienbaum als ihre persönliche Residenz errichten. Nach dem Tod ihres Gatten Johann Georg II. im Jahr 1693 ließ sie Schloss Oranienbaum zum Witwensitz ausbauen, den sie bis zu ihrem Tod bewohnte. Das Ehepaar hatte mehrere Kinder, darunter ihren Vater Leopold I. und dessen Schwester Fürstin Henriette Amalie von Nassau-Dietz (1666–1726). Ihre gleichnamige Tante war eine geborene Prinzessin von Anhalt-Dessau, die den Fürsten Heinrich Casimir II. von Nassau-Dietz (1657–1696) geheiratet hatte. Fürstin Henriette Amalie erbte nicht nur aus dem Nachlass ihrer Mutter Henriette Catharina bedeutende niederländische Gemälde, sondern auch das Schloss Oranienstein, dessen Gestalt sie wesentlich prägte und in den Jahren 1704 bis 1709 durch den Architekten Daniel Marot barock gestalten ließ. Auch war sie Namenspatronin ihrer Nichte und Tochter ihres Bruders, Henriette Amalie von Anhalt-Dessau (1720–1793), die wegen ihres deckungsgleichen Namens oft mit ihr verwechselt wird. Nicht nur den Namen, sondern auch ihren Kunstsinn, ihre Sammelleidenschaft und ihre Managementfähigkeiten scheint sie von Großmutter und Tante geerbt zu haben.

Leben

Als 21-Jährige gebar sie 1741 den unehelichen Knaben Heinrich August vom neun Jahre älteren Sohn des Jagdzeugmeisters Wilhelm Gustav Werner und weigerte sich, den Vater des Kindes zu heiraten. Dies führte sie in die Verbannung. Während der folgenden elf Jahre lebte sie als Stiftsdame in einem freiweltlichen Frauenstift in Herford. Ihr Vater Leopold I., der selbst zwei uneheliche Kinder zeugte, versuchte auch weiterhin, seine Tochter standesgemäß zu verheiraten, jedoch alle Heiratspläne scheiterten. Sie lebte in dieser Zeit mit dem um fünfzehn Jahre jüngeren Baron von Rackmann zusammen, der durch ihre Intervention 1788 in den Reichsfreiherrenstand als Baron von dem Bangardt erhoben wurde. Der Name Bangert (=Baumgarten) wurde der Kreuznacher Bezeichnung des Ritterguts Bangert entlehnt, abgeleitet von dessen zahlreichen Obstbäumen.

Vermutlich um in der Nähe ihres Sohnes zu sein, der zu einer Frankfurter Bankiersfamilie in Pflege gegeben worden war, erwarb sie zunächst in Bockenheim bei Frankfurt eine große Liegenschaft, auf der später die Villa Passavant, dann die ehemalige Francke-Schule und schließlich das heutige St. Elisabethen-Krankenhaus errichtet wurden. Die Hofgebäude nutzte sie einige Jahre als Residenz, um von hier die Fertigstellung ihres 1753 erworbenen sog. Schlösschens zu überwachen. Nach dem Tode der Prinzessin diente diese erste Liegenschaft als Altersruhesitz für ihren langjährigen Liebhaber, bevor sie 1804 an den Bankier Johann Georg Meyer und von diesem dann 1820 an Samuel Passavant verkauft wurde. 1938 erwarb dann die Stadt Frankfurt das Anwesen und erbaute die ehemalige Francke-Schule. Heute sind von dieser Liegenschaft nur noch einige spärliche Mauerreste an der Ginnheimer Straße und die 1829 von Friedrich Christian Hess errichtete Gartenvilla der Familie Passavant (heute als Kindergarten „Die Arche“ des St.Elisabethen-Krankenhauses genutzt) erhalten.

1753 erwarb die Prinzessin ein Gut, zu dem ein herrschaftliches Haus und eine Orangerie gehörten. Sie ließ umfangreichen Ackerbau betreiben und wurde bald durch Kauf und Anpachtung aller großen Güter in Bockenheim die größte Grundbesitzerin am Ort. Sie führte die Seidenraupenzucht ein, hielt Bienen, ließ Apfelwein keltern und verkaufte Orangen aus ihrem Gewächshäusern. Sie ließ Spargelkulturen, Obst- und Gemüseplantagen sowie Maulbeerplantagen für ihre Seidenraupen anlegen und veranlasste auf ihren Gütern sowohl Schafhaltung als auch Rinderzucht.

Investitionen in Kreuznach

Kronenberger Hof in Bad Kreuznach, heute Gebäudeteil eines Gymnasiums
Bockenheimer Schloss, Kupferstich von Johann Friedrich Morgenstern von 1820
Stadtresidenz Palais Dietrich in Dessau, ihr letzter Wohnort von 1792 bis 1793
Gedenkplatte am heutigen Eingang des Von-Bernus-Parks

In Kreuznach erwarb sie 1771 zusätzlich ein Anwesen, das später auch Rittergut Bangert nach ihren Lebensgefährten Baron von Bangert benannt wurde. Nach ihrem Tode 1793 erwarb 1802 Andreas van Recum (1765–1828) diese Liegenschaft. Das Anwesen in der heutigen Form wird auch als Puricelli-Schloss bezeichnet (heute Schlossparkmuseum). Ein großes Porträt der Prinzessin in diesem Museum zeugt u.a. heute noch von ihren Aufenthalten und Eigentumsrechten in Kreuznach.

Die Prinzessin erwarb in Kreuznach aber nicht nur das Rittergut Bangert, sondern dort auch Adelshöfe aus dem 17. Jahrhundert wie den Simmerner Hof, den Kronenberger Hof [1] und wurde 1766 Eigentümerin des Hundheimer Hofs [2], der darauf Dessauer Hof genannt wurde und in dem heute der Oberbürgermeister und sein Büro selbst residieren. Mit dem Musterlandgut Domäne Bangert bewies sie sich als innovative Agrarunternehmerin. Ihre Investitionen in Kreuznach[3] sind ohne Hinweis auf ihre gefühlsmäßige familiäre Verbundenheit, besonders zu ihrer Großmutter Henriette Catharina von Oranien-Nassau (1637–1708) und Tante Henriette Amalie von Anhalt-Dessau (1666–1726), nicht erklärbar. Ihre Verbundenheit mit dem Haus Oranien wollte auch sie manifestieren und die Tradition der Marie von Oranien-Nassau (1642–1688), gestorben in Kreuznach, wieder aufnehmen, die zeitweise in diesem Anwesen während der Sommermonate residiert hatte.

Hauptwohnsitz Bockenheim bei Frankfurt am Main

Die Prinzessin bewirtschaftet ihre ausgedehnten Güter in Bockenheim selbst, nicht durch Verwalter. Sie war begeisterte Landwirtin, offen für Reformen und penibel in der Buchhaltung. Durch sparsames Wirtschaften und finanziellen Weitblick schuf sie sich die Basis für ein unabhängiges und standesgemäßes Leben. Man sagte von ihr, sie sei fünfmal so reich wie der reichste Bauer am Ort. Mit ihrem Vermögen unterstützte sie zahlreiche Künstler, indem sie deren Werke erwarb.

1771 erweiterte sie ihr Landhaus durch Anbauten zum Schloss. In der „Galerie“ im ersten Stock des Gebäudes fanden die annähernd 700 Kunstwerke einen Platz. Neben dem Schloss wurde ein „Marmorbad“ angebaut.

1771/72 In diesem Zeitrahmen starb ihr geliebter Sohn früh, mit ca. 30 Jahren, an der Schwindsucht.

1790 erwarb sie ein repräsentatives Frankfurter Stadthaus in der Großen Eschenheimer Gasse.

Flucht und letzter Wohnsitz

Bevor 1792 die französischen Revolutionstruppen näher rückten und am 27. Oktober General Adam-Philippe de Custine Frankfurt eroberte, floh Henriette Amalie mit ihrem Hab und Gut in ihre Heimatstadt Dessau und bezog dort das Palais Dietrich, eine von ihrem Vater für seinen Sohn Dietrich (der bereits 1769 verstorben war) gebaute Stadtresidenz, wo sie ein Jahr später starb. In Dessau wurde sie ohne Beisein der Familie beigesetzt.

Ihr Vermächtnis: die Amalienstiftung

Nach ihrem Tode gelangte ihr Besitz in die Amalienstiftung, die sich der Hilfsbedürftigen Dessaus annehmen sollte. Die Sammlungsbereiche konnten nur begrenzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, da sie, wie beispielsweise ihre Naturaliensammlung, sehr umfangreich waren. Mit über 4000 Bänden besaß sie eine beachtliche Bibliothek mit den wichtigsten Werken der Geistesgeschichte, Naturkunde und Belletristik. Von ihren über 700 Bildern verwahrt die Anhaltische Gemäldegalerie Dessau heute noch 482 Gemälde.

Ihr sog. „Bockenheimer Schlösschen“ wurde am 12. September 1944 durch Luftangriffe zerstört. Später wurde dort ein großes Mietshaus errichtet. Übrig blieben nur Reste des ehemaligen Schlossparks, der u.a. durch neuen Straßen- und Wohnbau verkleinert, jetzt Von-Bernus-Park heißt.[4] Die Erinnerung an Henriette Amalie Prinzessin von Anhalt-Dessau reduziert sich heute auf Hinweise in der Gedenktafel an einem neu geschaffenen Eingangsbereich ihres vormaligen Schlossparks.

Literatur

  • Manfred Großkinsky (Hrsg.): Sammlerin und Stifterin – Henriette Amalie von Anhalt-Dessau und ihr Frankfurter Exil. Katalog zur Ausstellung im Haus Giersch Frankfurt und in der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau (dort unter dem Titel Die verstoßene Prinzessin – Kunst, Karriere und Vermächtnis der Henriette Amalie von Anhalt-Dessau). Haus Giersch, Frankfurt / Anhaltische Gemäldegalerie, Desau 2002, ISBN 3-935283-04-0 bzw. ISBN 3-00-010315-5
  • Walther Schmidt: Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau. Die Begründerin der Fürstlichen Amalienstiftung in Dessau. Funk Verlag Bernhard Hein, Dessau 2009, ISBN 978-3-939197-38-6

Einzelnachweise

  1. Kronenberger Hof in Kreuznach
  2. Hundsheimer Hof späterer Dessauer Hof Kreuznach
  3. Die Investitionen in Kreuznach der Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau
  4. 2013-Sanierung des 300 Jahre alten Parks (FNP)

Weblinks

Commons: Henriette Amalie Prinzessin von Anhalt-Dessau – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien