Institut für Demoskopie Allensbach

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Institut für Demoskopie Allensbach (IfD)
Rechtsform GmbH
Gründung 16. Juni 1948
Sitz Allensbach
Leitung Renate Köcher
Mitarbeiterzahl Festangestellte: ca. 95
Nebenberufliche Interviewer: ca. 2000
Umsatz 9,1 Mio. Euro (2008)
Website www.ifd-allensbach.de
Sitz des Instituts für Demoskopie Allensbach

Das Institut für Demoskopie Allensbach – Gesellschaft zum Studium der öffentlichen Meinung mbH (IfD) mit Sitz in Allensbach am Bodensee wurde laut Handelsregisterauszug am 16. Juni 1948[1] von Elisabeth Noelle-Neumann gegründet und ist das älteste Meinungsforschungs-institut in Deutschland. Seit 1988 ist Renate Köcher Geschäftsführerin, bis 2010 an der Seite der Gründerin. Das Institut hat Niederlassungen in Bonn und Berlin. Unter den 95 Mitarbeitern befinden sich 25 Wissenschaftler. Die rund 2000 nebenberuflichen Interviewer werden aus allen Gesellschaftsschichten rekrutiert. Es gilt als dem konservativen politischen Spektrum zugehörig. Neben der Meinungsforschung arbeitet das Institut auch im Feld der Medienforschung (u.a. mit den Studien Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse (AWA), Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA), TOPLevel). Als einziges deutsches Institut arbeitet Allensbach nicht mit Zufallsstichproben sondern mit Quotenverfahren, erzielt damit allerdings ähnliche Ergebnisse wie seine Konkurrenten.[2]

Kritik

Als einziges der fünf großen deutschen Meinungsforschungsinstitute gibt Allensbach bei der Sonntagsfrage Werte für die Parteien im Dezimalstellenbereich an, obwohl der Fehlerbereich bei dieser Art von Erhebung im Bereich von zwei bis drei Prozentpunkten liegt. Für öffentliche Kritik sorgten Umfragen zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 1992 und Landtagswahl in Baden-Württemberg 1996, bei denen das Institut die Umfragewerte der Partei Die Republikaner viel zu niedrig ansetzte. Allensbach prognostizierte 4,5 bzw. 4 Prozent Stimmenanteil. Die tatsächlichen Wahlergebnisse der Republikaner lagen jedoch bei 10,9 und 9,1 Prozent. In einem Interview zu den Vorfällen sagte Renate Köcher sinngemäß, sie habe aufgrund aufsteigender Werte in den Umfragen ein höheres Ergebnis erwartet. Man habe aber zu dem Zeitpunkt nicht sicher wissen können, ob dieser aufsteigende Trend verlässlich sei. Man habe sich deshalb entschlossen, nur mit den Rohdaten (4,5 Prozent) an die Öffentlichkeit zu gehen. Ein anderes Vorgehen wäre im Nachhinein als Versuch ausgelegt worden, die Republikaner hochzureden.[3] Dieses Vorgehen stieß in der Publizistik und Wissenschaft auf Kritik.[4] In einem Interview mit dem SWF entgegnete Köcher: „Wir wollten nicht durch die Veröffentlichung der Umfragedaten vor der Wahl eine Sensation schaffen in dem Sinne, daß (sic!) dann jeder nur noch über die Republikaner gesprochen hätte.“[5]

Kurz vor der Bundestagswahl 2013 behauptete Bernd Lucke, einer der damaligen Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), in einem Interview mit dem Handelsblatt, dass Allensbach Rohdaten vorlägen, die die AfD bei deutlich über fünf Prozent sähen. Renate Köcher wies die Vorwürfe zurück, und antwortete, dass die AfD bei den Rohzahlen noch nie annähernd bei fünf Prozent gewesen wäre.[6] Das Meinungsforschungsinstitut Forsa, dem Lucke denselben Vorwurf machte, erwirkte daraufhin am 17. September 2013 vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen Lucke, in deren Rahmen diesem unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro verboten wurde, seine Aussage zu wiederholen.[7]

Auch die Nähe zwischen Elisabeth Noelle-Neumann und Helmut Kohl führte zu negativen Kritiken.[8]

Hans Magnus Enzensberger bezeichnete 1965 das Institut als Orakel vom Bodensee, da er eine „strukturelle Ähnlichkeit mit den mantischen Praktiken der Alten Welt“ sah. „Demoskopische Befragungen werden im Allgemeinen in Auftrag gegeben: Der Unwissende bringt den Priestern von Allensbach seine Opfergaben dar und stellt seine Fragen. Die Pythia antwortet nicht auf eigene Faust, sie gibt die Fragen an eine höhere Instanz weiter, an die Stimme Gottes, die im Jargon der Demoskopen „repräsentativer Querschnitt“ heißt.“[9]

Literatur

Seit 1947 erscheinen im mehrjährigen Rhythmus die Allensbacher Jahrbücher für Demoskopie; anfangs im Verlag K. G. Saur in München, herausgegeben von Elisabeth Noelle-Neumann.

Das 12. Allensbacher Jahrbuch wurde am 3. März 2010 in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Herausgeberin Renate Köcher vorgestellt:

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Handelsregisterauszug Baden-Württemberg Amtsgericht Freiburg HRB 380016. Abgerufen am 21. Mai 2016.
  2. Jochen Groß: Die Prognose von Wahlergebnissen. Ansätze und empirische Leistungsfähigkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, ISBN 978-3-531-17273-6, S. 281.
  3. „Solide ermittelt“. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1996, S. 27 (online1. April 1996, Interview).
  4. Dieter Roth 2009: Demoskopie und Politik - Zum Verhältnis und den Missverständnissen zwischen zwei stark kritisierten Professionen. In: Jürgen Winkler (Hrsg.) Politik-Wissenschaft-Medien, ISBN 3-531-16621-2, S. 250f.
  5. „Meinungsforschung – Unheil aus der Urne“. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1996, S. 26 f. (online1. April 1996, Interview).
  6. „AfD-Chef Lucke spinnt hochgradig“, 30. August 2013, abgerufen am 30. August 2013
  7. Zoff um Umfragedaten: AfD kassiert Schlappe im Rechtsstreit mit Forsa, Spiegel Online, 17. September 2013
  8. Dieter Roth 2009: Demoskopie und Politik - Zum Verhältnis und den Missverständnissen zwischen zwei stark kritisierten Professionen. In: Jürgen Winkler (Hrsg.) Politik-Wissenschaft-Medien, ISBN 3-531-16621-2, S. 249.
  9. Orakel vom Bodensee Hans Magnus Enzensberger über das „Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1958-1964“ DER SPIEGEL 37/1965