Johannes Kuhlo

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Johannes Kuhlo 1936
Widmung (euphonisch) und Unterschrift von Johannes Kuhlo

Karl Friedrich Johannes Kuhlo (* 8. Oktober 1856 in Gohfeld, heute Löhne; † 16. Mai 1941 in Gadderbaum, heute Bielefeld) gilt, zusammen mit seinem Vater Eduard Kuhlo, als Gründer der evangelischen Posaunenchorbewegung in Deutschland.

Leben

Elternhaus und Jugend

Johannes Kuhlo kam als Sohn des evangelischen Pastors Eduard Kuhlo (1822–1891) zur Welt, der der neupietistischen Erweckungsbewegung angehörte und so genannte Jünglings- und Jungfrauenvereine gründete, um junge Menschen von Alkohol und Unsittlichkeit fernzuhalten und sie stattdessen religiös zu unterrichten. Auf der Arbeit seines streng bibeltreuen Vaters konnte Johannes Kuhlo später aufbauen.

Johannes Kuhlo eignete sich seit 1865 das Altposaunen­spiel autodidaktisch an. 1870 stieg er auf ein Flügelhorn um. 1871 gehörte er zu den Initiatoren der Gründung des Gymnasial-Posaunenchores am Evangelisch-Stiftischen-Gymnasium Gütersloh.

Studium und Pfarramt

Nachdem er 1875 am Evangelisch Stiftischen Gymnasium in Gütersloh sein Abitur abgelegt hatte, studierte er ab 1876 Evangelische Theologie in Leipzig. 1877 wechselte er nach Erlangen, sowie schließlich nach Halle (Saale) und Münster. Während seines Studiums wurde er Mitglied der Wingolfsverbindungen in Erlangen und Leipzig.

Anschließend war er „Oberhelfer“ im Rauhen Haus in Hamburg. Mit 26 Jahren wurde er 1882 in Hüllhorst bei Lübbecke ordiniert. Drei Jahre später heiratete er die Pfarrerstochter Anna Siebold aus Schildesche (heute zu Bielefeld). 1892 übernahm Kuhlo auf Wunsch von Friedrich von Bodelschwingh, ebenfalls Wingolfit aus Halle, das Pfarramt in den von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel und wurde Vorsteher der Diakonenanstalt Nazareth. Die dort ausgebildeten Diakone ließ er Blasinstrumente spielen und erreichte so eine flächendeckende Verbreitung der Posaunenmusik in den Gemeinden.

1927 verlieh ihm die Theologische Fakultät Erlangen die Ehrendoktorwürde.

Einsatz für die Musik

Kuhlo war zeit seines Lebens musikalisch engagiert. Zusammen mit dem Bielefelder Instrumentenbauer Ernst David konstruierte er das nach ihm benannte Kuhlohorn. Bereits als 25-Jähriger war er nach vielen Bläsertreffen und -schulungen so bekannt und erfolgreich, dass er den Beinamen „Posaunengeneral“ erhielt. Er selbst bezeichnete sich als „Mitarbeiter am Psalm 150“ („Lobet den Herrn mit Posaunen!“).

1899/1900 mobilisierte er für Kaiserhuldigungen in Westfalen tausende von Sängern und Bläsern, die unter seiner Leitung spielten. Von 1920 bis 1931 existierte das „Kuhlo-Horn-Sextett“. Ab 1926 amtierte er als Reichsposaunenwart des damaligen „Reichsverbandes der Evangelischen Jungmännerbünde Deutschlands“. 1933 fungierte er kurzzeitig als „Reichsposaunenführer“. Nach der Ausgliederung der Posaunenchöre aus den Jungmännerbünden und der Neustrukturierung im „Verband evangelischer Posaunenchöre Deutschlands“ innerhalb der Reichsmusikkammer wurde er 1934 dessen Ehrenpräsident.

Der 1936 anlässlich der Vollendung von Kuhlos 80. Lebensjahr organisierte 1. Reichsposaunentag in Bielefeld und Bethel litt unter starken Schikanen durch die örtlichen NS-Machthaber.

Auf Kuhlo geht die „Klavierschreibweise“ für Trompeten und Hörner zurück, bei der die Noten klingend, also in der wirklich erklingenden Tonhöhe geschrieben werden. Diese hatte er eingeführt, damit das Zusammenspiel von Gemeinde, Orgel, Chor und Posaunenchor problemlos möglich ist. Die gleichzeitige Abgrenzung zum weltlichen Bereich, besonders der Militärmusik (s. Transponierendes Musikinstrument), war dabei durchaus mit beabsichtigt. Kuhlo wollte verhindern, dass die Mitglieder der Posaunenchöre bei transponierend spielenden Blaskapellen anheuerten, die er wegen ihres Bierkonsums und ihres Repertoires als verwerflich ansah.

Kuhlo war Herausgeber mehrerer Notenbücher für die Posaunenchöre und des Buches „Posaunenfragen“, das die Arbeit der Posaunenchöre grundsätzlich behandelte. Kuhlos Klangideal beruhte in der Auffassung, dass die Posaunenchöre möglichst genau einen Vokalchor imitieren sollten. Deshalb bevorzugte er Hörner aller Art und verschmähte insbesondere Trompeten. Nach Kuhlos Tod wurde diese Auffassung gründlich revidiert, zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt.

Kuhlo und der Nationalsozialismus

Seit seiner Vikariatszeit bei Pfarrer Julius Möller in Alswede (1882) galt Kuhlo als Wahlunterstützer und Anhänger des kaiserlichen Hofpredigers Adolf Stoecker (1835–1909), der später durch offenen Judenhass die Arbeiterschaft für konservative Kreise gewinnen wollte. So äußerte sich auch Kuhlo antisemitisch und versuchte, diese Haltung durch Bibelzitate zu begründen.

Im Jahr 1933 wurde Kuhlo Mitglied der NSDAP und blieb es bis zu seinem Tod 1941. Seine NSDAP-Mitgliedskarte (im Bundesarchiv Berlin) trägt das Eintrittsdatum 1. Mai 1933.[1][2] Seine NSDAP-Mitgliedschaft und sein Eintreten für Adolf Hitler, zu dessen Wahl er in einem Zeitungsartikel aufrief und den er im Juli 1933 auf dem Obersalzberg besuchte, werden äußerst kritisch betrachtet. „So habe Kuhlo bereits 1932 anlässlich der Reichspräsidentenwahl Hitler in Erweckungskreisen hoffähig gemacht, erläutert der Bielefelder Kirchengeschichtler Matthias Benad. In seine Notensammlungen nahm Kuhlo eine Posaunenfassung des Horst-Wessel-Liedes auf. Vor dem ‚Führer‘ blies er sogar auf dem Obersalzberg Choräle. Hitler, habe Kuhlo verbreitet, sei ein frommer Christ und lese die Herrnhuter Losungen, berichtet Benad.“[3]

Kuhlo alias Kruhlow, die literarische Figur

Der österreichische Autor Heimito von Doderer porträtiert Kuhlo in seinem Roman Die Wasserfälle von Slunj als „lutherischen Pastor, dem man daheim den Spitznamen eines ‚Posaunengenerals‘ angehängt hatte, denn Pastor (oder wie man in seiner Heimat sagte ‚Paster‘) Kruhlow war das Haupt einer über ganz Deutschland verzweigten Vereinigung der Posaunenbläser.“ (S. 313) „Kruhlow“ und seine Gattin sind im Roman Teil einer „Vergnügungs-Reisegesellschaft von neun aktiven Posaunen, also neun Herren, zum Teil mit ihren Damen“ (ebd.), die eine Schiffsreise durch das Mittelmeer unternimmt.

Schriften

  • Posaunenfragen beantwortet von P. Johannes Kuhlo-Bethel. 3. Auflage. Gütersloh 1909 (4. Auflage 1933, Reprint hrsg. von Horst Dietrich Schlemm, Wahlsburg 1990).
  • Unsere Posaunenchöre in Minden-Ravensberg. In: Eduard Schoneweg: Minden-Ravensberg. Ein Heimatbuch. 2. Auflage. Bielefeld 1929, S. 345–348.
  • Pastor Eduard Kuhlo. Der Vater der Jünglingsvereine und Posaunenchöre in Minden-Ravensberg. In: W. Heienbrok sen.: Zeugen und Zeugnisse aus Minden-Ravensberg. Zweiter Band, Bethel b. Bielefeld 1931, S. 115–125 (Mitverfasser: Heinrich Budde).
  • Antwort von Pastor D. Kuhlo in Bethel auf Briefe betr. Reichspräsidentenwahl. [Bethel b. Bielefeld, 1932]
  • Richtigstellung der Legenden über meine Begegnung mit Adolf Hitler. Bethel b. Bielefeld, 6. Januar 1934

Notenliteratur

Jubilate und weitere Choralbücher

Nachlass

Der persönliche Nachlass von Johannes Kuhlo befindet sich seit 1985 im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld (Bestand 3,16) die Archivbestände aus der Tätigkeit in Bethel werden im Hauptarchiv Bethel verwahrt.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Ehmann: Johannes Kuhlo. Ein Spielmann Gottes. Stuttgart 1951, Luther Verlag, 6. Auflage Bielefeld 1981, ISBN 3-7858-0181-5.
  • Helmut Ludwig: Johannes Kuhlo. Der Posaunengeneral. Brunnen Verlag, Gießen/Basel 1966 (Digitalisat).
  • Hubert Kolland: Kuhlo, Johannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 255 f. (Digitalisat).
  • Christof Windhorst: Eduard und Johannes Kuhlo. In: Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen, Heft 12: Beiträge zur Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts – Erweckungsbewegung und Kirchenkampf. Löhne 1987, S. 85–103.
  • Joachim Thalmann (Hrsg.): Johannes Kuhlo. Mitarbeiter am Psalm 150. Luther-Verlag, Bielefeld 1991, ISBN 3-7858-0336-2.
  • Johannes Kuhlo. In: Horst Dietrich Schlemm (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte evangelischer Posaunenarbeit, Lieferung 2: Zwölf Männer prägten die Posaunenarbeit. Gütersloh 1991, ISBN 3-579-03021-3, S. 28–44.
  • Wolfgang Schnabel: Johannes Kuhlo. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 790–793.
  • Wolfgang Schnabel: Drei große Förderer der evangelischen Posaunenchorbewegung. Johannes Kuhlo, Adolf Müller, Wilhelm Ehmann. Brockmeyer, Bochum 1994, ISBN 3-8196-0241-0.
  • Gerald Sommer: Von Dampfern, Unterseebooten und Wracks. Schiffahrtsmetaphern in Doderers Kurzprosa. In: Gerald Sommer, Kai Luehrs-Kaiser (Hrsgg.): „Schüsse ins Finstere“: Zu Heimito von Doderers Kurzprosa (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft; 2). Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2076-6, S. 155–172 (zu Kuhlo/Kruhlow, bes. S. 167–172).
  • Wolfgang Schnabel: Geschichte der evangelischen Posaunenbewegung Westfalens. 1840–2000. Luther-Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-7858-0446-6.
  • Holger Spierig: Er hat Bethel mit Bläserklang erfüllt. Vor 150 Jahren wurde ‚Posaunengeneral‘ Johannes Kuhlo geboren. epd-Wochenspiegel, Ausgabe West, Nr. 40 (5. Oktober 2006), S. 6.
  • Nils Niemann: Bläserklang im Gottesdienst. Ein Streifzug durch 3000 Jahre Gotteslob. Braunschweig 2006, ISBN 3-00-019677-3.
  • Wolfgang Schnabel: Johannes Kuhlo (1856–1941): Preuße, Pfarrer, Posaunengeneral. In: Jürgen Kampmann (Hrsg.): Protestantismus in Preußen, Bd. IV Vom Ersten Weltkrieg bis zur deutschen Teilung. Frankfurt a. Main 2011, ISBN 978-3-86921-036-0, S. 31–48.

Weblinks

Commons: Johannes Kuhlo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Reinhard Neumann: Pastor Johannes Kuhlo (1856–1941). Seine politischen Einstellungen als Vorsteher der Westfälischen Diakonenanstalt Nazareth von 1893–1922 und darüber hinaus. In: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte, Bd. 102, 2006, S. 367–403, insbesondere S. 393.
  2. Reinhard Neumann: Die westfälische Diakonenanstalt Nazareth 1914–1954. Luther-Verlag, Bielefeld 2010, S. 170.
  3. Holger Spierig: „Er hat Bethel mit Bläserklang erfüllt.“ Vor 150 Jahren wurde ‚Posaunengeneral‘ Johannes Kuhlo geboren. epd-Wochenspiegel, Ausgabe West, Nr. 40 (5. Oktober 2006), S. 6.
  4. Hauptarchiv Bethel