Konrad Henlein

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. Oktober 2016 um 11:02 Uhr durch Reinhardhauke (Diskussion | Beiträge) (HC: Ergänze Kategorie:Gauleiter (NSDAP)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Konrad Henlein
Nach dem Anschluss des Sudetenlandes, zwischen Franzensbad und Eger am 3. Oktober 1938 Von rechts: Wilhelm Keitel, Konrad Henlein, Adolf Hitler, Walter von Reichenau, SS-Chef Heinrich Himmler und Heinz Guderian, im Vordergrund Günther von Kluge

Konrad Ernst Eduard Henlein (* 6. Mai 1898 in Maffersdorf, Königreich Böhmen; † 10. Mai 1945 in Pilsen, Tschechoslowakei) war ein sudetendeutscher Politiker. Nachdem er 1925 in Asch hauptamtlicher Turnlehrer des größten Vereins im Deutschen Turnverband in der Tschechoslowakei geworden war, gestaltete er den Verband zu einer politischen Bewegung um. Er übernahm 1931 die Führung des Gesamtverbandes und gründete 1933 unter Beteiligung verschiedener Rechtsparteien die Sudetendeutsche Heimatfront, die spätere Sudetendeutsche Partei (SdP), als Sammlungsbewegung der Deutschen Turner und Nachfolgepartei der nationalsozialistischen DNSAP. Während die SdP unter seiner Führung große Wahlerfolge feierte, knüpfte Henlein enge Kontakte zur NSDAP und forcierte 1938 in Absprache mit Adolf Hitler die Sudetenkrise. Mit der Einverleibung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich amtierte Henlein ab Oktober 1938 als Gauleiter und Reichsstatthalter im neuen Sudetengau. Ungeachtet einer Beförderung zum SS-Obergruppenführer 1943 trat er politisch bis 1945 nicht mehr hervor.

Leben

Konrad Henlein wurde als Sohn des Buchhalters Konrad Henlein und dessen Frau Hedwig geboren, die ihrerseits die Tochter eines Tschechen und einer Deutsch-Böhmin war.[1] Als Henlein am 26. Januar 1939 seinen Aufnahme-Antrag in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei stellte, gab er jedoch zur Volkszugehörigkeit der Mutter an, dass diese „deutscher Volkszugehörigkeit“ sei und dass ihr Geburtsname „Dworatschek“ laute.[2] Doch erst am 18. April 1941 wurde augenscheinlich die bis dahin bestehende tschechische Namensform der Mutter, Hedvika Augusta Dvořáčková, auch offiziell in den Namen „Hedwig Auguste Dworatschek“ germanisiert.[1]

Zeit vor dem Nationalsozialismus

Der gelernte Bankangestellte Henlein trat 1916 in die österreichisch-ungarische Armee ein, nahm am Ersten Weltkrieg teil und geriet 1918 in italienische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1919 war er zunächst ehrenamtlich in der deutschnationalen Turnbewegung tätig, 1925 übernahm er eine Turnlehrerstelle in Asch. Nachdem er 1931 Führer des Sudetendeutschen Turnerbundes geworden war, versuchte er, die Turnbewegung als politische Kraft auszubauen.

Am 1. Oktober 1933 gründete Henlein in Eger die „Sudetendeutsche Heimatfront“ (SHF). DNSAP und Deutsche Nationalpartei hatten sich kurz zuvor aufgelöst, um einem Verbot durch die tschechoslowakische Regierung zuvorzukommen. Es beteiligten sich viele ehemalige Funktionäre und Politiker dieser Parteien an der Gründung der neuen Bewegung. Die SHF fand unter den Deutschen in Böhmen rasch eine breite Basis, obgleich bis Mitte der 1930er Jahre die sozialdemokratische und die kommunistische Partei mehr Anhänger hatten.

Henlein äußerte sich in seinen Reden zunächst im Sinne einer aktivistischen Politik; er betonte seine Loyalität zum tschechoslowakischen Staat, innerhalb dessen er die Mitbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechte der deutschen Minderheit stärken wolle. Unter Historikern ist bis heute umstritten, inwieweit es sich hierbei um Überzeugung oder – wie von Henlein später behauptet – um taktisches Verhalten handelte.[3]

Am 19. April 1935 musste sich die SHF in Sudetendeutsche Partei (SdP) umbenennen. Diese wurde in den Folgejahren mit massiver Unterstützung der NSDAP systematisch ausgebaut. Bei den Wahlen 1935 gewann die SdP 44 der 66 deutschen Sitze im Prager Parlament. Im November 1937 unterwarf sich Henlein in einem Schreiben an Hitler dessen expansiver Politik – möglicherweise nachdem Agenten aus Berlin eine Revolte in der SdP gegen ihn angezettelt hatten.[3] Ziel war ab diesem Zeitpunkt unverhohlen der Anschluss der Sudetengebiete an das nationalsozialistische Deutsche Reich.

Zwischen dem 12. und 13. September 1938 startete Henlein den „Ersten Septemberaufstand“, den Versuch eines Staatsstreiches in den Grenzbezirken. Diese Rebellion wurde aber durch die tschechoslowakische Armee und Polizei rasch erstickt. Die SdP, die noch am 11. September in Gesprächen mit der Regierung stand, wurde verboten. Die gesamte SdP-Führung flüchtete nach Deutschland, wo Henlein die Bildung des „Sudetendeutschen Freikorps“ veranlasste, dessen Kommandeur er wurde. Dieses „Sudetendeutsche Freikorps“ wurde organisatorisch den SS-Totenkopfverbänden unter Theodor Eicke zugeordnet und Ende 1938 von diesen eingegliedert.

Am 21. September 1938 kam es zum „Zweiten Septemberaufstand“, der im Bezirk Asch (dem westlichsten Grenzbezirk der Republik) begann. Weil die tschechoslowakische Regierung eine Provokation Hitlers mit dem Ziel, die tschechoslowakische Seite zu Kriegshandlungen hinzureißen, fürchtete, verhielten sich Polizei und Militär passiv. Bis zum 23. September gelang es der SdP-Guerilla, den gesamten Bezirk Asch zu beherrschen. Am 30. September wurde das Münchner Abkommen geschlossen, vor dem die tschechoslowakische Regierung kapitulierte. Am nächsten Tag okkupierte die deutsche Wehrmacht etwa ein Drittel des tschechischen Landesteils. Nach dem Münchner Abkommen war Henlein ab Anfang Oktober 1938 zunächst Reichskommissar für die sudetendeutschen Gebiete und wurde am 30. Oktober 1938 Gauleiter des Sudetengaus. Er erhielt am 9. Oktober 1938 die Befugnis, die Uniform eines SS-Gruppenführers zu tragen; er war nun SS-Ehrenführer und politisch dem „Stab RFSS“ unterstellt. Er stellte im Januar 1939 seinen NSDAP-Aufnahmeantrag und erhielt die Mitgliedsnr. 6.600.001. Wenig später trat er auch der SS (SS-Nr. 310.307) aktiv bei und wurde am 21. Juni 1943 zum SS-Obergruppenführer befördert.

Nach der Ergänzungswahl am 4. Dezember 1938 zu dem im April 1938 gewählten Reichstag, kam Henlein als Abgeordneter für das Sudetenland in den nationalsozialistischen Reichstag, dem er bis zum Ende der NS-Herrschaft im Frühjahr 1945 angehörte.[4]

Nationalsozialismus

Henlein (ganz rechts) im Sep. 1939 in Polen, während Hitler und Himmler eine erbeutete Regimentsfahne der polnischen Armee begutachten.

Nach der Besetzung des tschechischen Rumpfstaates durch deutsche Truppen war er ab dem 16. März 1939 kurz Chef der Zivilverwaltung der Tschechoslowakei. Anfang Mai 1939 wurde er nach der Neugliederung des Reichsgaus Sudetenland zum Reichsstatthalter berufen und blieb in dieser Funktion, ebenso als Gauleiter, bis zum Kriegsende. Von Mitte November 1942 bis Mai 1945 war er zudem Reichsverteidigungskommissar.[4]

Während des Zweiten Weltkrieges trat er kaum noch politisch in Erscheinung. Von Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, soll er für unzuverlässig befunden worden sein. Eine Ablösung scheiterte jedoch am engen Verhältnis Henleins zu Hitler. Offenbar war Henlein jedoch weitgehend entmachtet, arbeitete eine Zeit lang als britischer Spion und pflegte Kontakte mit Wilhelm Canaris.[3][5]

Henlein nahm sich am 10. Mai 1945 in amerikanischer Gefangenschaft das Leben.

Literatur

Weblinks

Commons: Konrad Henlein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Ralf Gebel: „Heim ins Reich!“: Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938–1945). München 1999, S. 43 (Auszug auf Google Books).
  2. NS-apologetisch: Karl Höffkes: Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des Dritten Reiches. 2. Auflage. Grabert Verlag, Tübingen 1997, ISBN 3-87847-163-7, S. 139–141.
  3. a b c Heinz Höhne: „Kohen“ ist nicht zu fassen – Zwei Studien über Konrad Henlein – Spion der Briten und Gauleiter des Sudetenlandes. In: Die Welt-Online vom 21. August 1999
  4. a b Joachim Lilla: Die Vertretung des „Reichsgaus Sudetenland“ und des „Protektorats Böhmen und Mähren“ im Grossdeutschen Reichstag. In: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder, Band 40, Ausgabe 2, 1999, S. 458
  5. Janus: The Papers of Group Captain Malcolm Christie.