Leistung (Schule)

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Als Schulleistung wird die intellektuelle, physische und künstlerische Leistung bezeichnet, die zum Erlernen eines schulischen Lernstoffes notwendig ist. Auftrag der Schulen ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Erlernen des selbstständigen Denkens und Handelns. Dies beinhaltet auch das Üben und Anwenden der vermittelten Inhalte sowie das Aneignen von sozialen Kompetenzen. Die Leistungsbewertung wird meist durch Noten, die sich innerhalb verschiedener Skalen bewegen oder durch Leistungsbeschreibungen ausgedrückt. Die ebenfalls im Auftragskanon der Schulen verankerte Vermittlung von Werten und Wertvorstellungen, wie sie im Grundgesetz, in den Landesverfassungen und in § 1 des Schulgesetzes niedergelegt sind, entzieht sich weitestgehend einer Leistungsfeststellung. Wertvorstellungen werden entsprechend zwar gefördert, aber nicht benotet.

Leistung lässt sich nach Wolfgang Klafki aus pädagogischer Sicht definieren als „Ergebnis und Vollzug einer zielgerichteten Tätigkeit, die mit Anstrengung verbunden ist und für die Gütemaßstäbe anerkannt werden“[1] und die somit beurteilt wird. Dieser Definition entsprechend ist der Begriff der Schulleistung definiert als ein von der Schule gefordertes und vom Schüler zu erbringendes Ergebnis seiner Lerntätigkeit einerseits sowie des damit verbundenen Lernprozesses andererseits. Sie wird weitgehend unabhängig von besonderen Lernbedingungen des Schülers nach einer Norm gemessen. Weder der Anteil der Lehrer-Schüler-Beziehung an der Lernmotivation, noch familiär günstige oder hemmende Voraussetzungen sollen bei der Leistungsbewertung berücksichtigt werden. Die Leistung umfasst also im pädagogischen Sinne sowohl Anstrengungen, die aufgrund von schulischen Leistungsanforderungen unternommen werden, als auch deren Ergebnis [2].

Der Didaktiker Eiko Jürgens ergänzt diese Begriffsdefinition und unterscheidet für sein Konstrukt fünf Komponenten, welche Merkmale für einen pädagogischen Leistungsbegriff beinhalten. Schulische Leistungen sind demnach[3]

  • norm- und zweckgebunden
  • anlage- und umweltbedingt
  • produkt- und prozessorientiert
  • individuelles und soziales Lernen und
  • problemmotiviertes und vielfältiges Lernen.

Von diesen Komponenten ausgehend, entsteht ein dynamischer Leistungsbegriff, welcher stets eine individuelle, eine soziale und eine kriteriumsorientierte Bezugsnorm beinhaltet. Dies führt gleichzeitig dazu, dass nicht nur das Ergebnis einer Tätigkeit bewertet, sondern vielmehr der Entstehungsprozess in den Mittelpunkt der Leistungsbeurteilung gerückt wird. Aber auch dabei sollen die Leistungen der Schüler insbesondere nach ihren Ergebnissen beurteilt werden, die sie im Schulalltag erbringen[4]. In diesem Zusammenhang weist G.E. Becker darauf hin, dass er es pädagogisch und ethisch für fragwürdig hält, aus der Bewertung der Schulleistung den Wert eines Menschen zu ermitteln[5].

Kritik am System der Leistungsbewertung

Die der mangelhaften Leistungen nachfolgende Wiederholung des Stoffes (Sitzenbleiben) wird von den Betroffenen häufig als Auslese empfunden. Auch kann sich in manchen Fällen durch die Leistungsbewertung eine Hierarchie innerhalb einer Klasse ausbilden. Beides wird von einigen Seiten als Nachteil der Leistungsbewertung empfunden. Das Problem der Leistung in der Schule wird seit Ende der sechziger Jahre sowohl in der Pädagogik als auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert[6]. Auch Zensuren waren schon immer Gegenstand reger Diskussionen[7].

Einflüsse auf die Schulleistung

Schulische Leistungen stellen ein komplexes Gefüge aus verschiedenen Bedingungen dar, die in einem dynamischen Zusammenspiel untereinander wirken:

Persönlichkeit des Schülers

Zum Ergebnis eines Leistungsprozesses tragen nicht nur kognitive Faktoren (wie Intelligenz oder Wissen), sondern in hohem Maße auch individuelle, nicht-kognitive Bedingungen bei. Hierzu zählen beispielsweise Leistungsmotivation, Angst, Selbstbild, Fähigkeitsselbstkonzept, Extraversion/Introversion, Interessen, Emotionen, Frustrationstoleranz, Willenskontrolle, Werthaltungen, Attribuierungsverhalten, Beliebtheit etc. Je nach Art und Weise der Wechselwirkung aktueller Bedingungsfaktoren (persönliche Probleme oder Sorgen) und früherer Entwicklungsbedingungen (z.B. Erziehung) wirkt sich diese nicht nur auf die außerschulische Welt des Schülers, sondern auch auf seine Leistungssituation aus.

Familie und soziales Umfeld

Zu den familiär bedingten Auswirkungen auf Leistung zählen soziale Herkunft, Milieu bzw. Bildungsschicht, Erziehungsstil, Art und Ausmaß der Förderung des Kindes, Leistungserwartungen der Eltern etc. Allein schon durch die Übertragung der elterlichen Erbinformationen wird die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten beeinflusst. Gleichzeitig trägt die aktuelle Situation in Familie und Freundeskreis zur Leistungsfähigkeit bei. Neben der Familie spielen die Zugehörigkeit zu Peergroups und weitere wichtige Bezugspersonen eine entscheidende Rolle.

Schulische Voraussetzungen und Lehrerpersönlichkeit

Soziale Zusammensetzung, Klassenstärke und Atmosphäre stellen sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht leistungsbeeinflussende Bestandteile dar. Zusätzlich kommt es auf Merkmale des Lehrers, seinen Unterrichtsstil sowie die Berufserfahrung an, ob eventuelle Schwierigkeiten (enorme Klassengröße, Konkurrenzdenken innerhalb der Klasse u.Ä.) kompensiert werden können.

Weitere Faktoren: Motivation, Interaktionseffekte, Schlaf

Die oben aufgeführten Punkte stehen in beständigem Austausch miteinander. So entwickeln sich Schulleistungen aus einer Interaktion zwischen Lehrer und Schüler. Deshalb ist es von wesentlicher Bedeutung, wie Lehrer Leistungsverhalten wahrnehmen, beurteilen und beeinflussen. Ebenfalls wirkt das Zusammenspiel Eltern und Schule bzw. Lehrer in beiderlei Richtungen. Eine direkte Verbindung besteht zur extrinsischen oder intrinsischen Schülermotivation. Intrinsische Motivation kann als Indikator für schulische Leistungsbereitschaft angesehen werden, wohingegen extrinsische Motivation (häufigste Form der Schülermotivation) dieser entgegenwirken kann. Neuere Studien zeigen zudem, dass die tägliche kognitive Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern mit der Qualität und der Dauer ihres Schlafs in der Nacht zuvor zusammenhängen. Den Untersuchungen zufolge erbrachten die Schulkinder am nächsten Morgen bessere Leistungen, wenn sie gut geschlafen hatten. Sie zeigen ebenfalls bessere Leistungen, wenn sie so lange wie für sie persönlich üblich geschlafen hatten. Negativ wirkte sich weniger oder deutlich mehr Schlaf als gewöhnlich aus. [8].

Übertritt als besondere Leistungssituation

Kritisches Lebensereignis

Der Wechsel auf eine andere Schulart stellt für manche Schüler ein kritisches Lebensereignis dar, das folgende Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen mit sich bringt:

  • Der Schüler muss sich an eine neue Situationen anpassen.
  • Der Übertritt kann die psychosoziale Entwicklung beeinflussen.
  • Sowohl die leistungsbezogenen und sozialen Anforderungen und der Bewertungsmaßstab ändern sich.
  • Manchmal verändern sich die Bewertungen im Zuge des Bezugsgruppenwechsels, damit kann sich auch das Selbstkonzept ändern.

Psychische und physische Belastung

Das Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts für den Übertritt kann zu einem Notendruck führen. Dieser Druck kann durch die Erwartungen des sozialen Umfelds verstärkt werden, insbesondere, wenn die Eltern einen höheren Bildungsweg wünschen. Dies kann ein Spannungsfeld zwischen Eltern, Lehrer und Kind erzeugen, das sich in Einzelfällen in negativen Interaktionen äußert. Manchmal kann es zwischen den Mitschülern zu einem Konkurrenzdenken kommen. Außerdem reagieren einzelne Kinder mit einer Belastungssymptomatik, die sich beispielsweise in Bauchschmerzen, Kopfschmerzen aber auch Verhaltensauffälligkeiten niederschlägt.

Probleme der Leistungsbewertung für den Übertritt

Das Resultat der Untersuchung von Ditton ergab 1992 eine verminderte Leistungsfähigkeit bei Unterschichtschülern und eine ebenso klaren Vorsprung in der Leistungsfähigkeit von Schülern aus der oberen Mittelschicht. Ein Schüler aus der oberen Mittelschicht bekommt aber bei gleicher Note die gleiche Empfehlung für das Gymnasium wie der Schüler aus der Unterschicht.

Leistungsmessung

Hauptartikel: Schulnote

Hauptartikel: Leistungsbeurteilung (Schule)

Sinnvolle Leistungsmessung in Schulen setzt voraus, dass man Standards für Leistungen in der Schule hat, beispielsweise in Form von Bildungsstandards, und dass man Leistung messen kann. Maßstäbe für Leistungen in der Schule gab es auch ohne von der Schulbehörde verbindlich festgelegte Normen. Sie ergaben sich aus den Interpretationen des Lehrpersonals, mit denen die Vorgaben der Behörden im Alltag erfüllt wurden (siehe: Schulgesetze).

Der Zweck der Leistungsmessung in Schulen besteht nicht im Schülervergleich oder einer Hierarchiebildung unter den Mitschülern. Nach Vorgabe der Notenbildungsverordnung (NVO), etwa von Baden-Württemberg [9] soll die Schulnote den aktuellen Leistungsstand eines Schülers in einem bestimmten Bereich widerspiegeln. Es kommt ihr die Aufgabe zu, möglichst objektiv den Lernfortschritt des einzelnen Schülers zu dokumentieren. Maßstab für die Beurteilung durch den Lehrer sind die Zielvorgaben des Lehrgangs und die entsprechende Einschätzung des individuellen Leistungsstands, nicht der Schülervergleich. Im pädagogischen Sinne dient die Notengebung darüber hinaus der Rückmeldung des festgestellten Leistungsniveaus an den Lernenden und seine Eltern. Der Lehrperson hilft sie über das Erfassen der einzelnen Schülerleistung und derjenigen der Lerngruppe, den Lernverlauf zu verfolgen, den eigenen Lehrerfolg zu bestimmen und über entsprechende Maßnahmen über den weiteren Bildungsprozess zu entscheiden. Die Schulnote bietet die Möglichkeit, eine Leistung knapp und allgemein verständlich zu bewerten.

In der internationalen Literatur über schulische Leistungsmessung wird die Unterscheidung zwischen summativer und formativer Leistungsmessung (formative classroom assessment) betont (z.B. Black & Wiliam 1998; Maier 2010). Eine summative Leistungsmessung erfasst das Wissen und Können von Lernenden am Ende einer Unterrichtseinheit oder eines Bildungsabschnitts und damit den aktuellen Leistungsstand. Formative Leistungsmessungen finden vor oder während des Lehr-Lernprozesses statt und dienen überwiegend der Optimierung des Unterrichts bzw. sind Grundlage für individuelle Fördermaßnahmen (z.B. Maier, Hofmann & Zeitler 2012). Formative Leistungsmessung umfasst folgende Komponenten (z.B. Black & Wiliam 2009):

  • Lehrer und Schüler verständigen sich über die Ziele von Unterricht und Kriterien zur Bewertung der Leistungen
  • Während des Unterrichts werden Situationen mit diagnostischem Potenzial arrangiert (Fragen, Aufgaben, kleinere Tests etc.)
  • Schüler werden an der Messung und Beurteilung ihrer eigenen Leistungen aktiv beteiligt (peer and self assessment).
  • Die diagnostischen Informationen werden zur Optimierung des weiteren Lehr-Lern-Prozesses genutzt

Je nach Schulfach, Thema bzw. Vorwissen der Schüler können unterschiedliche Instrumente und Verfahren der formativen Leistungsmessung zur Anwendung kommen. Beispiele hierfür sind curriculumbasierte Lernverlaufsdiagnosen (z.B. Strathmann & Klauer 2010), Aufgaben mit Diagnosepotenzial (z.B. Sjuts 2007) oder standardisierte Verfahren zur Erfassung des Vorwissens (z.B. Hamburger Schreibprobe).

Literatur

  • Sabine Czerny: Was wir unseren Kindern in der Schule antun … und wie wir das ändern können. Südwest Verlag, München 2010, ISBN 978-3-517-08633-0.
  • W. Klafki: Probleme der Leistung in ihrer Bedeutung für die Reform der Grundschule. In: Die Grundschule. 10/1975, S. 527-532.
  • E. Jürgens: Leistung und Beurteilung in der Schule: Eine Einführung in Leistungs- und Bewertungsfragen aus pädagogischer Sicht. 4. Auflage. Academia-Verlag, Sankt Augustin 1998.
  • J. Ball, A. Lohaus, C. Miebach: Psychische Anpassung und schulische Leistungen beim Wechsel von der Grundschule zur weiterführenden Schule. In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie. 38 (2006), S. 101-109.
  • L.J. Crocket, A.C. Petersen, J.A. Gruber,: School Transitions and Adjustment During Early Adolescence. In: Journal of Early Adolescence. 9 (1989), S. 181-210.
  • Matthias von Saldern: Schulleistung in Diskussion. Schneider, Hoherengehren 2002.
  • U. Trautwein, O. Lüdtke: The Big-Fish-Little-Pond Effect. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. 19 (2005), S. 137-140.
  • Klaus Ulich: Einführung in die Sozialpsychologie. Beltzverlag, Weinheim/Basel 2001.
  • Helmut Heid: Was „leistet“ das Leistungsprinzip? In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 88, 1992, 2, S. 91–108.
  • C.-L. Furck: Das pädagogische Problem der Leistung in der Schule. 5. Auflage. Belz, Weinheim 1995.
  • Reinhold S. Jäger: Von der Beobachtung zur Notengebung. 4. Auflage. Verlag Empirische Pädagogik, Landau 2004.
  • Reinhold S. Jäger: Beobachten, beurteilen und fördern! Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Verlag Empirische Pädagogik, Landau 2007.
  • Werner Sacher: Prüfen – Beurteilen – Benoten. 2. Auflage. Klinkhardt, 1996.
  • Franz E. Weinert: Leistungsmessungen in Schulen. Beltz Pädagogik, 2001.
  • Black, P., & Wiliam, D. (1998). Assessment and classroom learning. Assessment in Education, 5/1, 7-74.
  • Black, P. & Wiliam, D. (2009). Developing the theory of formative assessment. Educational Assessment, Evaluation and Accountability, 21/1, 5-31.
  • Maier, U. (2010). Formative Assessment – Ein erfolgversprechendes Konzept zur Reform von Unterricht und Leistungsmessung? Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13/2, 293-308.
  • Maier, U.; Hofmann, F. & Zeitler, S. (2012). Formative Leistungsdiagnostik – Grundlagen und Praxisbeispiele. Schulmanagement-Handbuch 141. München: Oldenbourg.
  • Sjuts, J. (2007). Kompetenzdiagnostik im Lernprozess - auf theoriegeleitete Aufgabenstellung und -auswertung kommt es an. mathematica didacta, 30/2, 33-52.
  • Strathmann, A.M. & Klauer, K.J. (2010). Lernverlaufsdiagnostik: Ein Ansatz zur längerfristigen Lernfortschrittsmessung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 42, 111-122.

Fußnoten

  1. Klafki, W.: Probleme der Leistung in ihrer Bedeutung für die Reform der Grundschule, in: Die Grundschule, 10/1975, S. 528
  2. Böhm, W., Hehlmann, W.: Wörterbuch der Pädagogik, 16. Aufl., Stuttgart 2005, S. 403 f.
  3. Jürgens, E.: Leistung und Beurteilung in der Schule, 7. Aufl., Sankt Augustin 2010, S. 23-36
  4. Schröder, H.: Didaktisches Wörterbuch, 3. Aufl., München/Wien 2001, S. 217
  5. Becker,G.E.: Unterricht auswerten und beurteilen, Handlungsorientierte Didaktik, Teil III, Weinheim/Basel 2007, S. 11
  6. Schaub, H., Zenke, K.G.: Wörterbuch Pädagogik, 7. Aufl., München 2007, S. 389
  7. Rahn, H.J.: Sollen die Schulnoten abgeschafft werden?, in: Erziehungswissenschaft und Beruf, 56. Jg. (2008), S. 499-512
  8. Köhnen, T., Dirk, J., Schmiedek, F.: Cognitive benefits of last night's sleep: daily variations in children's sleep behavior are related to working memory fluctuations. Journal of Child Psychology and Psychiatry, Volume 56, Issue 2, Seite 171–182, Februar 2015 [1]
  9. Notenbildungsverordnung des Kultusministeriums von Baden-Württemberg, § 1, § 5, Abs. 3, § 8, Abs.1 und 2 (vom 5. Mai 1983, aktuelle Fassung vom 23. September 2015)

Weblinks

Wiktionary: Schulleistung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen