Matthäus (Apostel)

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Darstellung des Evangelisten Matthäus im Book of Lindisfarne (London, British Library, Ms. Cotton Nero D. IV.), insulare Buchmalerei, etwa 715–721

Das erste der vier Evangelien des Neuen Testaments wird seit den Zeiten der alten Kirche einem nicht näher bekannten Matthäus (hebr. מתתיהו Matitjahu „Geschenk JHWHs“) zugeschrieben. Gleichzeitig wurde dieser Autor mit dem Apostel Jesu identifiziert. Diese Identifikation ist nach heutiger Forschung nicht mehr haltbar. Wahrscheinlich war er ein Judenchrist, der sein Evangelium für seine Gemeinde in Syrien schrieb. In der Kunst und im Brauchtum wird Matthäus sowohl als Evangelist als auch als Apostel verehrt und dargestellt. Sein Zeichen ist der Mensch.

Namensgebung

Biblischer Befund

Im Matthäusevangelium fehlt im Gegensatz zur Briefliteratur eine namentliche Nennung des Verfassers, sodass die Benennung wahrscheinlich nicht auf diesen zurückgeht. Vermutlich erfolgte die Benennung im 2. Jahrhundert im Zuge der Sammlung der Texte und des Beginns der Kanonisierung des Neuen Testaments. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass mit dieser Benennung nicht ein sonst unbekannter Schreiber, sondern der Herrenjünger gemeint war. Diese Identifizierung geht wahrscheinlich auf einen Zusatz im Evangelium in der Aufzählung der Jünger zurück, bei der im Matthäusevangelium im Gegensatz zu den entsprechenden Aufzählungen der anderen Evangelisten bei der Nennung des Namens Matthäus der Zusatz „Zöllner“ genannt wird (Mt 10,2-4 EU). Zwar wird auch in den anderen synoptischen Evangelien die Berufung eines Zöllners beschrieben, doch hat dieser dort immer den Namen Levi, während er hier den Namen Matthäus trägt (Mt 9,9 EU).[1]

Altkirchliche Tradition

In der altkirchlichen Tradition ist Papias von Hierapolis derjenige, mit dem die Tradition der Benennung des Evangeliums in Verbindung gebracht wird. Eusebius von Caesarea (Kirchengeschichte 3, 39, 16) zitiert diesen damit, dass Matthäus eine Sammlung von hebräischsprachigen Logien zugeschrieben wird, die dann allerdings übersetzt wurden „ein jeder so gut er konnte“.[2] Darüber hinaus sind noch einige weitere altkirchliche Dokumente erhalten, die Matthäus in ähnlicher Weise ein hebräisches nicht mehr erhaltenes Urevangelium zuschreiben. Dieses wurde demnach entweder verwendet, um eine bessere Verbindung zwischen den griechisch- und den hebräischsprechenden Christen herzustellen oder aber um die Botschaft Jesu unter den Juden zu verbreiten.[3]

Legenden

Da der Apostel und der Evangelist für die gleiche Person gehalten wurden, gibt es keine Legenden, die sich nur auf einen der beiden beziehen, sondern nur solche, die sie beide in Personalunion behandeln.

Demnach soll er um das Jahr 42 Palästina verlassen haben, um in Äthiopien, Mesopotamien oder Persien als Missionar zu arbeiten.[4] Ort und Zeit des Todes sind unbekannt. Einige Texte sprechen von einem natürlichen Tod, während andere von Enthauptung, Erdolchung am Altar oder Verbrennung in Syrien oder Arabien sprechen, weshalb er in der lateinischen und griechischen Kirche als Märtyrer verehrt wird.[4]

Vor 1084 gelangten angeblich seine Gebeine in nicht bekannter Weise nach Paestum, von wo aus sie in ebendiesem Jahr nach Salerno überführt wurden. Dort wird Matthäus seither als Stadt- und Bistumspatron verehrt.

Bedeutung

Bis in die frühe Neuzeit galt das Evangelium nach Matthäus als das wichtigste Evangelium überhaupt. Gemeinsam mit dem Evangelium des Johannes wurde es als eines angesehen, das von einem Apostel geschrieben wurde und damit eine höhere Authentizität hatte als die beiden von Lukas und Markus, die gemäß der Überlieferung nur Schüler von Aposteln waren.[5] Aus diesem Grund wurde das Evangelium an die erste Stelle der vier Evangelien gesetzt, entweder mit den anderen beiden synoptischen, oder zusammen mit dem Johannesevangelium.

Wissenschaftliche Beurteilung

Udo Schnelle führt zwei Beobachtungen an, die gegen eine Gleichsetzung von Jünger und Evangelist sprechen: Zum einen die Tatsache, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass ein Augenzeuge der Taten Jesu als Basis seiner Darstellung auf die Schriften eines anderen zurückgreift. Hiermit bezieht er sich auf die Zwei-Quellen-Theorie, die in der neutestamentlichen Wissenschaft breit akzeptiert ist.[6] Der zweite Punkt, der gegen eine solche Gleichsetzung spreche ist, dass die Namensänderung des Zöllners Levi zu Matthäus in (Mk 2,14 EU) zu (Mt 9,9 EU) ein sekundärer Prozess sei, der für einen Augenzeugen nicht nachvollziehbar sei. Der Grund für diese Inanspruchnahme sei der Versuch, die Gemeinde an ihn zu binden, der gegenüber ein Herrenjünger dieselbe Autorität habe wie Jesus selbst.[6]

Hinzu kommt, dass den alttestamentlichen Zitaten, die im Evangelium zu finden sind, nicht hebräische Texte zugrunde liegen, sondern welche aus der griechischen Septuaginta.[2]

Auch die Papias-Notiz kann nicht mehr genutzt werden, um Informationen über den Autor des Evangeliums zu erhalten. Sie wird vielmehr als reine legendarische Notiz ohne historischen Wert gesehen.[7]

Persönlicher Hintergrund

Mit Verweis auf (Mt 13,52 EU) und (Mt 23,34 EU) wird argumentiert, dass Matthäus in seiner Gemeinde als Lehrer tätig war. Dies lässt, in der Zusammenschau mit dem Umgang mit der Schrift und den teilweise katechetisch ausgerichteten ethischen Unterweisungen, auf einen hohen Bildungsgrad des Autors des Evangeliums schließen.[6]

Religiöser Hintergrund

Die Frage, ob Matthäus als Juden- oder als Heidenchrist anzusehen ist, wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Für eine Verortung als Judenchrist sprechen die Bejahung des Gesetzes in (Mt 5,17-20 EU), die häufigen Bezüge zum Alten Testament, zum Beispiel in (Mt 1,22 EU) und der Hinweis darauf, dass in seiner Gemeinde noch der Sabbat gehalten wird in (Mt 24,20 EU).

Für eine Verortung als Heidenchrist spricht der Heilsuniversalismus im Evangelium (Mt 28,18-20 EU), das Nichtbefolgen der Ritualvorschriften (Mt 15,11 EU) und die Polemik gegen die Pharisäer (Mt 5,20 EU).[8]

Peter Fiedler sieht eine in letzter Zeit wieder stärkere Tendenz, Matthäus als Juden wahrzunehmen.[9] Insbesondere wehrt er sich gegen Argumentationen, die vortragen, es habe eine feste jüdische Gemeinde gegeben, die sich nach dem jüdisch-römischen Krieg konstituiert habe, ein Vorläufer des rabbinischen Judentums gewesen sei und die als „die Synagoge“ oder „den Synagogenverband“ bezeichnet werden könne. Von diesem Synagogenverband würde dann versucht werden die Position des Evangeliums abzugrenzen. Stattdessen müsse von einer Vielzahl unterschiedlicher Strömungen ausgegangen werden, wodurch auch die Bewertung der Haltung zur jüdischen Überlieferung komplexer wird.[10]

Rahmen der Abfassung

Da das Evangelium nach Matthäus von dem des Markus abhängt, muss Matthäus seines nach dem Jahr 70 verfasst haben. Der wahrscheinlichste Ort der Abfassung liegt in Syrien, dafür spricht die Ähnlichkeit zur palästinischen Gesetzesauslegung und die Aufnahme der Heiden in die christliche Gemeinde.[11] Ein Bezug zur Jerusalemer Urgemeinde und damit auch zur Zerstörung des Tempels ist aus der Perspektive des Matthäus nicht erkennbar, sondern nur an solchen Stellen des Evangeliums vorhanden, die er von Markus übernommen hat. Auch der Bezug zu Petrus beispielsweise mit dem Felsenwort in (Mt 16,18 EU), der nach (Apg 12,17 EU) Jerusalem verlassen hat und nach (Gal 2,11 EU) in Antiochien war, lässt auf Syrien schließen. Diese Stadt wird heute oft als wahrscheinlichster Ort der Abfassung genannt und Petrus eben genau auf Grund des Streites mit Paulus und der damit verbundenen Entscheidung zum Verhältnis von Heiden- und Judenchristen als wichtige Bezugsperson des Evangelisten angesehen, auch wenn er diesen nicht persönlich kannte.[12]

Als Gemeinde gilt dementsprechend eine solche als wahrscheinlich, die vor allem von Juden geprägt war, die jedoch der christlichen Botschaft positiv gegenüberstanden. Neben diesen Juden gab es allerdings auch schon Heiden, die sich zum Christentum bekehrt hatten. Die Mitglieder verhielten sich gegenüber den jüdischen Gesetzen so, wie es das Ergebnis des Apostelkonzils vorsah: Die Juden hielten sich an die Gebote und ließen ihre männlichen Kinder beschneiden, während die anderen dies nicht taten.[13]

Ikonographie

In der Bildenden Kunst bleibt die Darstellung des Evangelisten und Apostels seit den frühen Buchmalereien aus dem 8. Jahrhundert recht konstant. Er wird als älterer Mann mit ergrautem, welligen Haar, mit grauem oder weißem Bart dargestellt. Von diesem Bild weichen allerdings Darstellungen aus den Anfängen der byzantinischen Kunst und einige in der byzantinischen Tradition stehende Darstellungen ab, bis sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts auch dort das Erscheinungsbild eines älteren, bärtigen Mannes verfestigt hat. Bekleidet ist er in der mittelalterlichen Kunst mit einem langärmligen tunikaähnlichen Gewand und der Toga.[4]

Wird der Märtyrertod des Apostels dargestellt, so trägt er in Ausnahmefällen auch ein Messgewand wie Albe, Kasel oder Dalmatik, jeweils nach der Mode der Zeit.

Als Evangelist wird er mit den üblichen Attributen dargestellt, das heißt als Schreibender an einem Pult, mit Schreibfeder, mit Buch oder auch mit Buchrolle. Sein vom Tetramorph abgeleitetes Evangelistensymbol, der Mensch oder Menschensohn, wird in figürlichen Darstellungen der bildenden Kunst als menschliche Gestalt, sowohl ohne Flügel als auch geflügelt, das heißt in der Erscheinungsform des Engels dargestellt. Wird die göttliche Inspiration des Evangelisten dargestellt, so fallen bei Matthäus die Person des Inspiranden und das Attribut des „Engels“ zusammen, wie beispielsweise in dem Bild von Rembrandt von 1661.[4]

Attribute in Darstellungen des Matthäus als Apostel sind Hellebarde oder Schwert sowie die Utensilien eines Zöllners, wie Geldbeutel oder Zählbrett.

Patronate

Matthäus ist der Schutzpatron der Buchhalter, der Geldwechsler, der Finanz- und Bankleute und der Zöllner. Angerufen wird er in Fällen von Trunksucht.

Matthäus ist der Stadtpatron von Salerno und Patron des Bistums Salerno.

Gedenktag

Die evangelische Kirche feiert am 21. September den „Tag des Apostels und Evangelisten Matthäus“, auch in der katholischen Kirche wird am 21. September das Fest des Apostels Matthäus gefeiert. In der orthodoxen Kirchen findet das Fest am 16. November statt.

Brauchtum

Mit Matthäus sind eine Reihe von Bräuchen, Wetterregeln und Redensarten verbunden. Ist jemand bankrott, so ist im Volksmund bei ihm Matthäi am Letzten.

Der 21. September, der Matthäustag, gilt im Bauernkalender als Winteranfang und ist ein Orakeltag für die Wettervorhersage:

  • Wie’s Matthäus treibt, es vier Wochen bleibt.
  • Tritt Matthäus stürmisch ein, wird bis Ostern Winter sein.
  • Wenn Matthäus weint statt lacht – er aus Wein oft Essig macht.
  • Die Wintersaat gar wohl gerät, wenn man sie bis Matthäus sät.

In den Niederlanden und in Belgien wird der Matthäustag gelegentlich „Wintertag“ genannt.

Literatur

Weblinks

Commons: Matthäus (Evangelist) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Engel und Hl. Matthäus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Matthäus, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1, Leipzig 1998, S. 11–12.
  2. a b Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1. Leipzig 1998, S. 12.
  3. Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Matthäus, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1, Leipzig 1998, S. 14.
  4. a b c d Christof Dahm: Matthäus (griech. Maththaíos). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 1030–1032, hier 1031.
  5. Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Matthäus, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1, Leipzig 1998, S. 1.
  6. a b c Udo Schnelle: Einleitung in das Neue Testament. Göttingen 2011, 7. Auflage, S, 262.
  7. Peter Fiedler, Das Matthäusevangelium, Stuttgart 2006, S. 19.
  8. Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 2011, 7. Auflage, S, 263.
  9. Peter Fiedler, Das Matthäusevangelium, Stuttgart 2006, S. 19.
  10. Peter Fiedler, Das Matthäusevangelium, Stuttgart 2006, S. 23–24.
  11. Eduard Schweizer: Das Evangelium nach Matthäus. 1986, S. 4.
  12. Peter Fiedler: Das Matthäusevangelium. Stuttgart 2006, S. 19–20.
  13. Peter Fiedler, Das Matthäusevangelium, Stuttgart 2006, S. 20.