Merck Finck Privatbankiers

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  Merck Finck Privatbankiers AG
Staat Deutschland Deutschland
Sitz Pacellistraße 16

80333 München

Rechtsform AG
Bankleitzahl 700 304 00[1]
BIC MEFI DEMM XXX[1]
Gründung 1. Juli 1870
Website www.merckfinck.de
Geschäftsdaten 2015[2]
Bilanzsumme 1.404,2 Mio. Euro
Einlagen 1.165,0 Mio. Euro
Kundenkredite 155,0 Mio. Euro
Mitarbeiter 314
Leitung
Vorstand
  • Thilo H. Wendenburg (Vors.)
  • Michael Krume (stellv. Vors.)
  • Udo Kröger
  • Joachim Gorny
Aufsichtsrat Georg Frhr. von Boeselager (Vors.)

Die 1870 gegründete Privatbank Merck Finck hat ihren Sitz in München und ist außerdem mit insgesamt 16 Standorten[3] bundesweit vertreten. Sie ist eine Tochter der Kredietbank S.A. Luxembourgeoise (KBL epb) und somit seit 2012 im Besitz der luxemburgischen Holding Precision Capital,[4] die Interessen von Privatinvestoren aus Katar vertritt.[5]

Geschichte

Der Stammsitz in München

Merck Finck wurde unter dem Namen Merck, Christian & Co am 1. Juli 1870 von Heinrich Johann Merck und Adolf Karl-Ludwig Christian gegründet. Weitere Kommanditisten waren die Darmstädter Bank für Handel und Industrie und der Industrielle Theodor von Cramer-Klett. Gemeinsam mit seinem Bruder August, der den ausscheidenden Komplementär Christian ersetzte, hielt der bisherige Prokurist Wilhelm Finck bereits 1879 einen Großteil des Firmenvermögens. Im Zuge dieses Wechsels firmierte das Bankhaus in Merck, Finck & Co um.

Das Kerngeschäft der Bank war die Unternehmensfinanzierung und Emission von Unternehmensanleihen. Das Bankhaus war an der Gründung von Unternehmen, wie der Süddeutschen Bodencreditbank AG 1871, des Bürgerlichen Brauhauses München 1880, der Isarwerke GmbH 1894 und der Münchener Trambahn AG beteiligt. 1890 zeichnete Merck Finck fast 40 % des Grundkapitals der Allianz Versicherungs-AG. Mit den Beteiligungen übernahm Wilhelm Finck als Vertreter des Bankhauses häufig auch ein Aufsichtsratsmandat und brachte damit seinen wirtschaftlichen Sachverstand in den verschiedensten Unternehmen ein.

Sein Wirken wurde 1905 mit der Berufung zum Reichsrat der Krone Bayerns gewürdigt. Diese brachte der Familie auch die Erhebung in den erblichen Adelsstand.

Nachdem sich das Bankhaus über die Jahrhundertwende im Depositen-, Kredit- und Wertpapiergeschäft positiv entwickelt hatte, unterbrach der Erste Weltkrieg den Aufschwung. Der Kapitalmarkt war stark reglementiert. Auch die Phase der Inflation nach Kriegsende verhinderte eine weitere Expansion. Trotz sinkender Einnahmen konnte das Bankhaus seinen Betrieb ohne fremde Unterstützung fortsetzen. Eine weitere Zäsur brachte der Tod von Wilhelm von Finck im Jahr 1924.

Sein Anteil am Bankhaus von nahezu 100 % ging zu gleichen Teilen an seinen Sohn August von Finck senior und seine Töchter Margarete von Stengel und Elisabeth Winterstein über.

Der Tod Wilhelm von Fincks und die Übernahme der Bankgeschäfte durch seinen Sohn leiteten eine neue Ära ein. Merck Finck & Co brachte sich stark bei der Gründung von Flugzeugunternehmen ein: Mit der Udet-Flugzeugbau GmbH, der heutigen DASA, und der Süddeutschen Aero Lloyd AG, einer Vorgängerin der Lufthansa, entstanden erste Luftverkehrsunternehmen in Deutschland. In der Weimarer Republik legte die Weltwirtschaftskrise dem Bankwesen weitere Beschränkungen auf. Dennoch gelang es, sich an den Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, an der Sektkellerei J. Oppmann und an der Gesellschaft für Markt und Kühlhallen in Hamburg zu beteiligen.[6] Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 ergriff Merck, Finck & Co. die Gelegenheit, das Wiener Privatbankhaus S. M. v. Rothschild zu übernehmen („arisieren“). Diese höchst renommierte österreichische Privatbank, Eigentum von Louis Nathaniel von Rothschild, hatte bis 1931 die Österreichische Creditanstalt kontrolliert. Ab Juli 1938 wurde es durch Merck, Finck & Co. kommissarisch verwaltet, 1940 durch das in Wien neugegründete Bankhaus E. v. Nicolai – hier waren Merck, Finck & Co. mit 71 und die Deutsche Industrie Bank Düsseldorf mit 19 Prozent beteiligt – „arisiert“. Louis Nathaniel von Rothschild erhielt die verbliebenen Werte nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, verzichtete jedoch auf eine Wiedererrichtung des Bankhauses S. M. v. Rothschild.

Nach einer Periode zwischen staatlicher Beeinflussung und freiem Unternehmertum unter dem NS-Regime war das Bankhaus Merck, Finck & Co., nicht zuletzt aufgrund der Verstrickung der Eigentümer und leitender Angestellter in die NS-Wirtschaftspolitik, in den Nachkriegsjahren völlig lahmgelegt. Erst 1949 konnte Merck Finck & Co wieder in dem neu aufgebauten Bankgebäude den Geschäftsbetrieb aufnehmen. Das Bankhaus engagierte sich jetzt besonders stark im Wertpapierwesen. Unterstützt von August von Finck junior und später auch Wilhelm Winterstein gelang August von Finck senior so der Wiedereinstieg in den Bankenmarkt.

In den folgenden Jahren expandierte das Bankhaus durch Gründung neuer Niederlassungen auch außerhalb Bayerns. Gemeinsam mit der Familie des Stahlindustriellen Fritz von Waldthausen wurde 1954 das Bankhaus Waldthausen & Co gegründet. Die Geschäfte des Bankhauses Alwin Steffan aus Frankfurt, zu dem schon länger Verbindungen bestanden, übernahm Merck Finck & Co mit dem Tod des Seniorpartners 1963.

Überraschend verkaufte August von Finck junior im Oktober 1990 das Bankhaus für rund 600 Millionen Mark an die britische Barclays Bank Plc.[7] Durch die Steuerreformen der vorangegangenen Jahre hatte man die über Generationen aufgebauten stillen Reserven aufdecken und realisieren müssen. Um die anfallenden Steuern zu bezahlen, waren sogar Teile des über 100 Jahre alten Aktiendepots veräußert worden. Die Barclays-Filialen in Hamburg, Stuttgart und Berlin firmierten in Niederlassungen von Merck Finck & Co um. Da das breite Retail Banking der neuen Muttergesellschaft jedoch nicht mit dem im Bankhaus fest implementierten Private Banking zu vereinbaren war, veräußerte die Barclays Bank Merck Finck 1999 an die KBL European Private Bankers (KBL epb), zu der es seitdem gehört.

2002 erwarb Merck Finck die deutsche Private Banking-Einheit der WestLB, 2005 erfolgte die Akquisition des Private Banking der Westfalenbank AG.

Am 21. Mai 2010 teilte die indische Investmentgesellschaft Hinduja Group mit, dass sie von der belgischen KBC die Sparte KBL European Private Bankers für 1,35 Mrd. Euro übernehmen möchte. Am 16. März 2011 wurde jedoch bekannt, dass die luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) ihre Zustimmung zum Verkauf verweigert. Somit verbleibt Merck Finck bis zu einem neuen Verkaufsabschluss im Besitz des belgischen Finanzkonzernes KBC.[8]

Am 10. Oktober 2011 wurde bekannt, dass die belgische KBC Group ihre Sparte KBL European Private Bankers für 1,05 Mrd. Euro an eine luxemburgische Holding namens Precision Capital verkauft, hinter der Privatpersonen aus Katar stehen. Diese gehören zur Familie Al-Thani, die das politische Geschehen Katars seit rund 200 Jahren prägt. Der Kauf wurde im Juli 2012 abgeschlossen.[9] Zur KBL-Gruppe gehören unter anderem auch die französische Richelieu Banque Privée, Brown Shipley & Co in Großbritannien und Theodoor Gilissen Bankiers in den Niederlanden.[10][11]

Am 1. September 2016 änderte die Privatbank Merck Finck & Co ihre Rechtsform. Aus Merck Finck & Co.oHG wurde Merck Finck Privatbankiers AG.

Geschäftsführer

Geschäftstätigkeit

Niederlassung in Frankfurt

Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit liegt in der Beratung und Verwaltung von größeren und großen Vermögen mit privatem und/oder unternehmerischem Hintergrund. Zurzeit sind im Bankhaus 149 Berater tätig.

Das Angebot reicht von Strategischer Vermögensplanung über Vermögensverwaltung bis zu Beratung bei Vermögens- und Unternehmensnachfolge, Family Office und Stiftungsberatung.

Diese luxemburgische Muttergesellschaft KBL epb ermöglicht es der Bank, grenzüberschreitende Transaktionen im gesamten Euro-Land zu initiieren und durchzuführen.

Zur KBL European Private Bankers gehören Privatbanken aus Belgien, Frankreich, Großbritannien,den Niederlanden, dem Fürstentum Monaco, dem Großherzogtum Luxemburg an.

Anteilseigner

Merck Finck Privatbankiers AG ist vollständig im Besitz der europäischen Privatbankgruppe KBL European Private Bankers (KBL epb), die sich wiederum über die Holding „Precision Capital“ im Besitz von privaten Investoren aus Katar befindet.

Standorte

Eingang der Niederlassung im Kölner Bankenviertel

Merck Finck Privatbankiers ist an 15 Standorten deutschlandweit vertreten. Neben dem Stammhaus in München sind die Privatbankiers in einem weiten Netzwerk in der gesamten Republik präsent.

  • 1870: München
  • 1954: Düsseldorf
  • 1963: Frankfurt am Main (Lindenstraße 27)
  • 1992: Berlin, Hamburg, Stuttgart
  • 2002: Köln, Münster
  • 2004: Grünwald
  • 2005: Rottweil
  • 2006: Augsburg, Lingen
  • 2007: Aachen, Ingolstadt
  • 2008: Essen, Koblenz

MF Stiftung

Merck Finck hat eine Stiftung ins Leben gerufen, um sich gemeinsam mit den Kunden für ausgewählte Förderzwecke zu engagieren. Das Ziel der Stiftung ist es, die Gesellschaft in Deutschland bei der Weiterentwicklung wichtiger Zukunftsfelder zu unterstützen. Im Fokus stehen die Themen:

  • Bildung und Erziehung
  • Jugend- und Altenhilfe
  • Wissenschaft und Forschung
  • Kunst und Kultur
  • Natur- und Umweltschutz
  • Öffentliches Gesundheitswesen
  • Denkmalschutz und Denkmalpflege

Kritik

Die Wochenzeitschrift Der Spiegel berichtete im Mai 2014, dass der Berater für Großgewinner der Westdeutschen Lotterie (Westlotto) auffällig oft Gewinner größerer Geldsummen an Merck Finck & Co vermittelt habe, um das Geld langfristig anzulegen. Der Artikel spricht davon, dass die Lottogewinner häufig schlecht beraten worden seien und die Anlageformen wie Schiffsfonds und offene Immobilienfonds häufig zu Verlusten geführt hätten. Westlotto bestreitet, dass der Mitarbeiter finanzielle Vorteile durch die Vermittlungen gehabt hätte.[12]

Im April 2014 wurde die Bank in einem Falle wegen Falschberatung von Lottogewinnern verurteilt. Ein Ehepaar hatte mehr als 6 Millionen Euro bei Westlotto gewonnen und diese bei Merck Finck & Co. angelegt. Die Bank überzeugte das Ehepaar, in sogenannte geschlossene Fonds zu investieren, die sich als unsicher herausstellten, sodass das Ehepaar einen Großteil des Lottogewinns verlor. Das Landgericht Münster stellte eine Falschberatung fest und verurteilte die Bank dazu, 510.000 Euro an das Ehepaar zu zahlen.[13][12]

Literatur

  • Bernhard Hoffmann: Wilhelm von Finck 1848–1924. Lebensbild eines deutschen Bankiers. Beck, München 1953.
  • Hans Pohl: 1870–1995. 125 Jahre Geschichte einer Privatbank. o.V., München 1995.
  • Georg Siebert: 1870–1970. 100 Jahre Merck Finck & Co. o.V., München 1970.
  • Peter Melichar: Neuordnung im Bankwesen. Die NS-Maßnahmen und die Problematik der Restitution. In: Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Band 11. Oldenbourg, Wien-München 2004, ISBN 3-486-56773-X, S. 391–408 (Falldarstellung: S. M. v. Rothschild mit Quellen und weiterer Literatur).

Weblinks

Commons: Merck Finck Privatbankiers AG – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Stammdaten des Kreditinstitutes bei der Deutschen Bundesbank
  2. Jahresabschluss der Merck Finck & Co. oHG per 31. Dezember 2015 im eBundesanzeiger
  3. Karte mit den Standorten (PDF; 77 kB)
  4. Precision Capital acquires KBL epb, KBC’s private banking subsidiary. (PDF (81,1 kB)) kbcgroup.eu, 10. Oktober 2011, abgerufen am 23. April 2015 (englisch).
  5. Suchergebnis für Veröffentlichungen bezüglich des Unternehmens „Precision Capital S.A.“ legilux.public.lu, 9. September 2014, abgerufen am 23. April 2015 (französisch).
  6. Die Firmengeschichte von Merck Finck & Co, Privatbankiers (Memento vom 24. März 2012 im Internet Archive) (PDF; 848 kB)
  7. Missmanagement als Markenzeichen, Spiegel 15. Juli 2001.
  8. Neue Pläne für Merck Finck. Die Münchener Privatbank könnte an die Börse gehen. faz.net, 30. März 2011, archiviert vom Original am 10. November 2012; abgerufen am 23. April 2015.
  9. Bayerische Privatbank: Scheich aus Katar übernimmt Merck Finck. Spiegel Online, 1. August 2012, abgerufen am 18. September 2014.
  10. Privatbank Merck Finck geht im zweiten Anlauf nach Katar
  11. Katar kauft KBL für eine Milliarde Euro
  12. a b Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch, Jörg Schmitt: Die unheilige Allianz. In: Der Spiegel. Nr. 22, 26. Mai 2014, ISSN 0038-7452, S. 30–33.
  13. Lottogewinner gewinnen auch gegen Bank. In: Westdeutscher Rundfunk. 24. April 2014, abgerufen am 30. Mai 2014: „Das Landgericht Münster sprach den Klägern 510.000 Euro plus Zinsen zu. Das Paar hatte mehr als sechs Millionen Euro im Lotto gewonnen – den größten Teil aber bei der Anlage des Geldes wieder verloren. Dabei war es von der Bank nach dem Urteil schlecht beraten worden.“

Koordinaten: 48° 8′ 27,6″ N, 11° 34′ 11,1″ O