Oberster Islamischer Rat (Palästina)

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Amin al-Husseini zur Mandatszeit, mit Schülern auf dem Tempelberg

Der Oberste Islamische Rat (arabisch المجلس الإسلامي الاعلى al-madschlis al-islāmī al-aʿlā, englisch Supreme Muslim Council) war im britischen Mandatsgebiet Palästina die höchste Behörde, die für religiöse Angelegenheiten der muslimischen Bevölkerung zuständig war. Als Vertreter der muslimischen arabischen Bevölkerung Palästinas bei der Mandatsregierung verwaltete der Oberste Islamische Rat Gelder des Waqf, Gelder für Waisenkinder und Scharia-Gerichte, und ernannte Lehrer und Prediger. Die im Jerusalemer Palace Hotel[1] domizilierte Behörde wurde 1921 gegründet und bestand bis 1951, als sie von Jordanien aufgelöst wurde.

Im Mandatsgebiet Palästina[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gründung des Obersten Islamischen Rates erfolgte im Dezember 1921, noch vor der Errichtung des Mandats, durch den ersten Hochkommissar Palästinas Herbert Samuel. Die Behörde bestand aus einem Präsidenten und vier Mitgliedern, davon zwei aus dem osmanischen Bezirk Jerusalem und je eines aus den Bezirken Nablus und Akko.

An der ersten Sitzung des Rates am 9. Dezember 1922 hatten die 53 ehemaligen Wahlmänner des letzten osmanischen Parlamentes einen Präsidenten zu wählen. Mit überwiegender Mehrheit wurde Mohammed Amin al-Husseini gewählt, einer der Gegenkandidaten war Said al-Schawa. Al-Husseini war zuvor von Samuel als Nachfolger seines am 31. März 1921 verstorbenen Halbbruders Kamil al-Husseini zum Großmufti von Jerusalem ernannt worden. Seine Amtsführung als Präsident des Obersten Islamischen Rates war durch Nepotismus und Favoritismus gekennzeichnet. Zu den ersten Ratsbeschlüssen unter seiner Präsidentschaft gehörte ein Verbot für Juden, Gegenstände an die Klagemauer zu bringen. Der Rat sammelte zudem Gelder aus der gesamten muslimisch-arabischen Welt zur Renovation des Tempelberges und zum Bau neuer Moscheen. Unter anderem wurde die 1916 errichtete Hassan-Bek-Moschee in Jaffa 1923 erweitert.[2]

1924 ernannte der Oberste Islamische Rat Hussein ibn Ali, den Scherifen von Mekka, zum „Diener“ (chādim / خادم) der al-Aqsa-Moschee. Dieses Amt wurde in der Folge zu einem Privileg des haschemitischen Königshauses von Jordanien. Weitere Wahlen erfolgten 1926, 1929 and 1930. Allerdings wurden die Wahlen 1926 durch das Obergericht annulliert und die Ratsmitglieder durch die Mandatsregierung ernannt.

Nach dem Ausbruch des Arabischen Aufstands 1936 wurde das Arabische Hohe Komitee gegründet, mit Amin al-Husseini als Präsident. Im Oktober 1937[3] wurde das Komitee von der britischen Mandatsmacht verboten,[3] nachdem Lewis Yelland Andrews, der für Galiläa zuständige Mandatsbeamte, von Anhängern von al-Qassam ermordet worden war.[4] In der Folge floh Amin al-Husseini aus Palästina, um einer Verhaftung zu entgehen. Seine Präsidentschaft des Obersten Islamischen Rates wurde hiermit beendet, doch die Behörde funktionierte weiterhin.

Nach 1948[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Palästinakrieg 1948 wurden Ostjerusalem und das Westjordanland von Jordanien erobert, und der Oberste Islamische Rat verlor zahlreiche Besitztümer auf dem Gebiet des neugegründeten Staates Israel. König Abdallah I. von Jordanien ernannte Scheich Hussam ad-Din Jarallah (1884–1954) zum Ratspräsidenten. 1951 wurde der Rat aufgelöst, und sämtliche wohltätigen Stiftungen sowie das Justizsystem in Palästina gerieten unter die Kontrolle des jordanischen Ministeriums für religiöse Stiftungen.

Nach dem Sechstagekrieg 1967 wurde der Oberste Islamische Rat unter israelischer Verwaltung wiederhergestellt. Hasan Tahbub (1923–1998), Minister für Waqf und religiöse Angelegenheiten der Palästinensischen Autonomiebehörde, war 1993–1998 Präsident des Obersten Islamischen Rates.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Uri M. Kupferschmidt: The Supreme Muslim Council: Islam Under the British Mandate for Palestine. Brill Academic Publishers, Leiden, ISBN 90-04-07929-7.
  • Reinhard Schulze: Geschichte der islamischen Welt von 1900 bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68855-3. (Online-Auszug)
  • Thomas Philipp: Israel und die Besetzten Gebiete. In: Ende/Steinbach, Islam in der Gegenwart, S. 499 f.
  • Mark A. Tessler: A History of the Israeli-Palestinian Conflict. In: Indiana Series in Middle East Studies. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis 2009, ISBN 978-0-253-22070-7 (Online-Auszug)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sylvaine Bulle, avec la participation de Yann Scioldo-Zürcher: Sociologie de Jérusalem. Hrsg.: Pascal Combemale (= Collection Repères Sociologie. Nr. 743). Éditions La Découverte, Paris 2020, ISBN 978-2-348-05560-7, S. 15.
  2. Zvi Elpeleg und Shmuel Himelstein: The Grand Mufti: Haj Amin Al-Hussaini, Founder of the Palestinian National Movement. 1993, S. 23.
  3. a b Martin Bunton: The Palestinian-Israeli Conflict (= A Very Short Introduction. Nr. 359). Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-960393-0, S. 42.
  4. Benny Morris: 1948 – A History of the First Arab-Israeli War. New Haven 2008, S. 16, 19.