Orkan

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Fichten nach einem Sturm mit Orkanstärke
Windbruch im Fichtenwald nach einem Sturm mit Orkanstärke

Als Orkan werden im weiteren Sinn Winde mit Geschwindigkeiten von mindestens 64 kn (117,7 km/h = 32,7 m/s) bezeichnet. Auf der Beaufortskala werden Orkane mit der Stärke 12 klassifiziert. Im engeren Sinn werden darunter außertropische Tiefdruckgebiete verstanden, in denen Winde mit Orkanstärke auftreten.

Orkane können massive Verwüstungen anrichten und bilden auf See eine Gefahr für den Schiffsverkehr.

Etymologie

Das Wort „Orkan“ ist eine etymologische Dublette des Wortes „Hurrikan“: beide gehen letztlich wohl auf die Sprache der Taíno, der indianischen Ureinwohner der Großen Antillen, zurück. Denkbar, aber nicht bewiesen, ist ein Zusammenhang des Taíno-Wortes (das erstmals 1511/1516 bei Petrus Martyr von Anghiera in der latinisierten Pluralform furacanes dokumentiert ist) mit Huracán bzw. Hun-r-akan, dem Namen einer unter anderem für schwere Stürme verantwortlichen Gottheit der Maya des mittelamerikanischen Festlands, die mit den Taíno allerdings sprachlich nicht verwandt und auch kulturell sehr verschieden waren.[1][2]

Über das Spanische (huracán, erstmals 1526 bezeugt) gelangte dieses Wort noch im 16. Jahrhundert ins Portugiesische (furacão), Englische (hurricane) und Französische (ouragan), im späten 17. Jahrhundert dann über das Niederländische (orkaan; in dieser Schreibung erstmals 1676 bezeugt, zuvor aber auch schon in Formen wie uracaen, horkaen und orancaen) als „Orkan“ schließlich auch ins Deutsche (erstmals 1669)[3][4] und erfreute sich hier in der Folge einiger Beliebtheit in der Barockdichtung, was wiederum den für seine Aversion gegen Fremdwörter berüchtigten Philipp von Zesen zum Vorschlag veranlasste, anstelle von „Orkan“ doch besser „Höllensturm“ zu schreiben. Diese Eindeutschung (die ihrerseits wohl an den Orcus der römischen Mythologie anknüpft) konnte sich jedoch – anders als einige andere Zesensche Wortschöpfungen wie Anschrift für Adresse oder Leidenschaft für Passion – nicht durchsetzen; ganz im Gegenteil entwickelte sich „Orkan“ auch in der deutschen Wissenschafts- und Alltagssprache zur heute kaum mehr als Fremdwort wahrgenommenen Standardbezeichnung für die atlantischen Stürme, die besonders im Herbst und Winter über Europa hinwegfegen.[5]Als „Hurrikan“ (im 19. Jahrhundert aus dem Englischen entlehnt, zuvor in Formen wie Furacan allenfalls als Exotismus in Reisebeschreibungen anzutreffen) werden heute hingegen die tropischen Wirbelstürme des Nordatlantiks sowie des östlichen Pazifiks bezeichnet.[6][7]

Entstehung

Winde mit Orkanstärke treten in kräftigen außertropischen Tiefdruckgebieten, in tropischen Wirbelstürmen, Tornados und Wasserhosen auf. Deswegen werden diese unterschiedlichen Wettersysteme manchmal auch unter der Bezeichnung Orkane zusammengefasst. Diese Bedeutung kann jedoch als veraltet angesehen werden, da „Orkan“ heute im Deutschen in erster Linie nur noch eine Bezeichnung für derartige Winde in außertropischen Tiefdruckgebieten und nicht mehr für tropische Wirbelstürme ist und in dieser Bedeutung durch die Bezeichnung Hurrikan verdrängt worden ist, soweit es sich um solche Stürme handelt, die in den tropischen Breiten des Atlantik entstehen. Vergleichbare Wettersysteme aus dem Pazifik heraus werden dagegen heutzutage im Allgemeinen als Taifun, aus dem Indischen Ozean entstehend als Zyklone bezeichnet.

Orkane entstehen in Mitteleuropa vor allem im Herbst und Winter, da in dieser Zeit die Temperaturunterschiede zwischen der Polarregion und dem Süden besonders groß sind. Wenn diese Luftmassen aufeinandertreffen (Okklusion), entstehen sehr starke Stürme.

Auf dem Festland sind außer auf exponierten Berggipfeln, Inseln und Küstengebieten mittlere Winde mit Orkanstärke wegen der erhöhten Bodenreibung sehr selten. Meist werden dort solche hohen Windgeschwindigkeiten nur in Böen oder Tornados erreicht.

Der Orkan bzw. die Orkanböe ist per Definition zu unterscheiden vom orkanartigen Sturm bzw. der orkanartigen Böe, bei denen nur eine Windstärke 11 auf der Beaufortskala erreicht wird.

Nennenswerte Orkane

  • Märzorkan 1876, März 1876 – Spitzengeschwindigkeit: ca. 170 km/h
  • Augustorkan 1956, 25. August 1956 – Spitzengeschwindigkeit im Flachland über 120 km/h[8]
  • Adolph-Bermpohl-Orkan, 23. Februar 1967 – schwerster bis heute bekannter Orkan an der deutschen Nordseeküste und in der Deutschen Bucht. Mittlere Windgeschwindigkeit über mehrere Stunden: 149 km/h (Helgoland), Spitzenböen konnten nicht gemessen werden;[9] vermutlich deutlich über 200 km/h.
  • Quimburga (Niedersachsenorkan), 13. November 1972 – Spitzengeschwindigkeit: 245 km/h
  • Capella, 3. Januar 1976 – Spitzengeschwindigkeit: 145 km/h
  • Daria, 26. Januar 1990 – Spitzengeschwindigkeit: 200 km/h
  • Vivian, 25.–27. Februar 1990 – Spitzengeschwindigkeit: 268 km/h
  • Wiebke, 28. Februar/1. März 1990 – Spitzengeschwindigkeit: 285 km/h
  • Anatol, 2./3. Dezember 1999 – Spitzengeschwindigkeit: 183 km/h
  • Lothar, 26./27. Dezember 1999 – Spitzengeschwindigkeit: 272 km/h
  • Jeanett, 26./27. Oktober 2002 – Spitzengeschwindigkeit 183 km/h
  • Gudrun, 8./9. Januar 2005 – Spitzengeschwindigkeit: 151 km/h
  • Kyrill, 18. Januar 2007 – Spitzengeschwindigkeit: 225 km/h
  • Tilo, 9. November 2007 – Spitzengeschwindigkeit: 137 km/h
  • Emma, 1./2. März 2008 – Spitzengeschwindigkeit: 236 km/h
  • Xynthia, 25.–28. Februar 2010 – Spitzengeschwindigkeit: 238 km/h
  • Joachim, 16. Dezember 2011 – Spitzengeschwindigkeit 212 km/h
  • Andrea, 5. Januar 2012 – Spitzengeschwindigkeit: 270 km/h (Meteomedia, Konkordiahütte)
  • Christian, 27./28. Oktober 2013 – Spitzengeschwindigkeit: 171 km/h (St. Peter-Ording)
  • Xaver, 5./6. Dezember 2013 – Spitzengeschwindigkeit: 229 km/h (Aonach Mòr, Schottland)
  • Niklas, 29. März-1. April 2015 – Spitzengeschwindigkeit: 213 km/h (Zugspitze)

Wirtschaftliche Folgen

Sturmschaden im Sauerland (Schmallenberg) vom 18. Jan. 2007

Die wirtschaftlichen Folgen von Orkanen treffen unter anderem die Versicherungswirtschaft. So sehen Gebäudeversicherungsverträge regelmäßig eine Haftung für Sturmschäden vor. Unter Sturm verstehen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Wohngebäude (§ 8 VGB 88) eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Ähnlich ist die Definition in § 3 Abs. 3 a FEVB, wonach es sich um eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort handeln muss. Damit weicht der versicherungsrechtliche Begriff von den meteorologischen Begrifflichkeiten ab. Stärke 8 bedeutet nach der maßgeblichen Beaufortskala „stürmischer Wind, der Zweige von Bäumen bricht und das Gehen im Freien erheblich erschwert“. Der Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung, der das Vorliegen eines Sturms behauptet, kann in Grenzfällen Nachweisschwierigkeiten ausgesetzt sein. Zum Nachweis eines Sturmschadens ist es freilich nicht erforderlich, dass der Beweis für ein direktes Auftreffen einer Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 auf das versicherte Gebäude erbracht wird. Ausreichend ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe[10], dass am Gebäude von Luftbewegungen verursachte Schäden aufgetreten sind und in seiner näheren Umgebung zu gleicher Zeit ein Sturm der Windstärke 8 aufgetreten ist.

Materielle Schäden durch Stürme lassen sich in direkte Schäden (Gebäude, Infrastruktur, Wälder, Automobile usw.) und indirekte Schäden (Aufräumarbeiten, Produktionsausfälle, Folgekosten usw.) unterteilen. Nicht alle Schäden sind versichert, so dass der Gesamtschaden oft mehr als doppelt so hoch ist wie der versicherte Schaden.[11] Der Orkan Kyrill hat beispielsweise am 18. Januar 2007 in Deutschland erhebliche Waldschäden angerichtet. Bundesweit wurden nach den Daten des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) fast 20 Millionen Kubikmeter Holz vernichtet. Grob hochgerechnet dürfte das mehr als 40 Millionen Bäumen entsprechen. In den Wäldern Nordrhein-Westfalens richtete Kyrill den größten dort jemals festgestellten Schaden an. Besonders betroffen war das Sauer- und Siegerland. Nach den Angaben des Landesbetriebs Forst und Holz knickte er in NRW rund 25 Millionen Bäume um.[12] Nach den Angaben des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vom November 2008 zahlten die deutschen Versicherer für über 2,3 Millionen Schäden rund 2,4 Milliarden Euro an ihre Kunden aus.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Artikel huracan in: Georg Friederici: Amerikanistisches Wörterbuch, Cram, De Gruyter & Co, Hamburg 1947, S. 304-306.
  2. C.H. de Goeje: Nouvel examen des langues des antilles avec notes sur les langues arawak-maipure ete caribes et vocabulaires shebayo et guyana (Guyane). Société des Américanistes, Paris 1939, S. 12.
  3. Artikel orkaan in: Marlies Philippa et al.: Etymologisch Woordenboek van het Nederlands. Amsterdam University Press, Amsterdam 2003-2009.
  4. Vorlage:DWDS
  5. Artikel Orkan in: Trübner's deutsches Wörterbuch, im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Wortforschung hrsg. von Alfred Götze, weitergeführt von Walter Mitzka, Band 5 (O-R), Walther de Gryuter, Berlin 1954, S. 34-35.
  6. Artikel Hurrikan in: Herbert Schmid et. al.: Deutsches Fremdwörterbuch. 2. Auflage, Band 7 (habilitieren–hysterisch), De Gruyter, Berlin und New York 2011, S. 506-508.
  7. Vorlage:DWDS
  8. Schreckensbilanz: Orkan fordert 24Tote,160 Verletzte, 27. August 1956, abgerufen am 30. Juli 2015 von abendblatt.de
  9. http://brs.dk/planlaegning/helhed/planlaegningsgrundlag/nrb/Documents/NRB_Orkaner,%20storme%20og%20stormfloder.pdf (dänisch)
  10. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. April 2005, Az. 12 U 251/04, Volltext.
  11. Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – Sturmschadenrisiko abgerufen am 7. Mai 2010
  12. Tagesschau, vom 22. Januar 2007 (tagesschau.de-Archiv)
  13. Pressemeldung GDV vom 7. November 2008