Pythagoreisches Tripel

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Die Tontafel Plimpton 322
Pythagoreische Tripel im kartesischen Koordinatensystem mit x und y von 1 bis 2500. Die deutlich dunklen Linien markieren Tripel der Form (3n)² + (4n)² = (5n)²; weitere Regelmäßigkeiten werden in der Vergrößerung sichtbar.
Die Symmetrie zur 45°-Achse ist eine Folge des Kommutativgesetzes.
x und y von −1000 bis +1000

In der Zahlentheorie wird ein pythagoreisches Tripel oder pythagoreisches Zahlentripel von drei natürlichen Zahlen gebildet, die als Längen der Seiten eines rechtwinkeligen Dreiecks vorkommen können.

Sie finden sich bereits auf babylonischen Tontafeln, die in die Zeit der Hammurabi-Dynastie datiert werden (1829 bis 1530 v. Chr). Die Keilschrifttafel Plimpton 322 enthält 15 verschiedene pythagoreische Tripel,[1] u. a. , und , was darauf schließen lässt, dass bereits vor mehr als 3500 Jahren ein Verfahren zur Berechnung solcher Tripel bekannt gewesen sein muss.

Das indische Baudhayana-Sulbasutra aus dem 6. Jahrhundert vor Christus enthält fünf pythagoreische Tripel.[2]

Pythagoreische Tripel wurden auch von Diophant behandelt. Wegen des pythagoreischen Lehrsatzes sind sie genau die positiven ganzzahligen Lösungen der diophantischen Gleichung

.

Wenn , und keinen gemeinsamen Teiler haben, spricht man von einem primitiven pythagoreischen Tripel. Bei jedem primitiven Tripel ist ungerade, und von den Zahlen und ist eine gerade und die andere ungerade.

Beispiele

  • Das kleinste pythagoreische Tripel ist (3, 4, 5). Es ist primitiv. Es wird in der Zwölfknotenschnur zur Herstellung eines rechten Winkels benutzt.
  • Weitere kleine primitive pythagoreische Tripel sind (5, 12, 13) und (8, 15, 17).
  • (15, 20, 25) = (5·3,4,5) und (15, 36, 39) = (3·5,12,13) sind nicht primitiv.

Erzeugung der pythagoreischen Tripel

Die Formeln

liefern für beliebige ein pythagoreisches Tripel. Es ist genau dann primitiv, wenn und teilerfremd und nicht beide ungerade sind.

Diese Formeln werden auch indische Formeln genannt, da sie explizit schon von dem indischen Mathematiker Brahmagupta (598–668) angegeben werden.[3]

Umgekehrt lässt sich jedes primitive Tripel mit Hilfe dieser Formeln aus teilerfremden erzeugen. Dieses Resultat taucht schon in Euklids Elementen auf.[4]

Jedes pythagoreische Tripel (X, Y, Z) kann aus einem primitiven Tripel (x, y, z) als (X = nx, Y = ny, Z = nz) mit einer positiven ganzen Zahl n berechnet werden. Die natürliche Zahl n ist der größte gemeinsame Teiler von X, Y, Z und damit eindeutig bestimmt.

Beispiele:

  • u = 2, v = 1 liefert das Tripel (3, 4, 5).
  • Multiplikation mit 2 liefert (6, 8, 10). Es ergibt sich nach den „indischen Formeln“ aus u = 3, v = 1. Weil 3 und 1 beide ungerade sind, ist es trotzdem nicht primitiv.
  • u = 3, v = 2 liefert das primitive Tripel (5, 12, 13).
  • Multiplikation mit 7 liefert (35, 84, 91); dies ist ein pythagoreisches Tripel, das sich nicht nach den „indischen Formeln“ erzeugen lässt. Diese erzeugen nämlich alle primitiven, aber nur einen Teil der nicht-primitiven Tripel.

Herleitung der Formel zur Bildung der pythagoreischen Tripel

Ist ein pythagoreisches Tripel, so ergibt die Division der zugehörigen Gleichung durch

Die Zahlen und sind rational und positiv und erfüllen die Koordinatengleichung des Einheitskreises

Also ist ein Punkt mit rationalen Koordinaten auf dem Einheitskreis. Die Gerade durch die Punkte und schneidet die y-Achse in einem Punkt , wobei die Steigung dieser Geraden ist, für die gilt:

Daher ist eine rationale Zahl.

Eliminiert man aus dieser Gleichung und der des Einheitskreises, erhält man mit

eine Bestimmungsgleichung für .

Wegen gilt , sodass man beide Seiten durch dividieren darf:

Damit haben wir also

oder, weil man mit teilerfremden natürliche Zahlen setzen kann:

Dies ergibt das pythagoreische Tripel

Es kann vorkommen, dass , und einen gemeinsamen Teiler haben. Aus würde beispielsweise folgen.

Als einzige Möglichkeit hierfür kommt jedoch in Betracht. Denn angenommen, eine ungerade Primzahl teilte sowohl als auch , so wäre

und

woraus man, weil prim und 2 teilerfremd zu ist, so weiter schließen kann:

Die ungerade Primzahl teilt also und wegen auch . Das steht jedoch in Widerspruch zur Teilerfremdheit von und , sodass nicht ungerade sein kann. Also bleibt nur , was mit offenbar auch tatsächlich möglich ist.

Man kann solche , die teilerfremd und beide ungerade sind, jedoch aussortieren, ohne primitive pythagoreische Tripel zu verlieren. Denn, wenn und das Tripel ergeben, so ergeben und das Tripel . Dabei sind teilerfremd und nicht beide ungerade.

Die ersten primitiven pythagoreischen Tripel

Nach diesen Regeln erhält man als primitive pythagoreische Tripel zum Beispiel (geordnet nach u+v):

u v x y z
2 1 3 4 5
4 1 15 8 17
3 2 5 12 13
6 1 35 12 37
5 2 21 20 29
4 3 7 24 25
8 1 63 16 65
7 2 45 28 53
5 4 9 40 41
10 1 99 20 101
9 2 77 36 85
8 3 55 48 73
7 4 33 56 65
6 5 11 60 61

Zwei Folgen von pythagoreischen Tripeln sind noch bemerkenswert:

  • für v = u − 1:
    (3, 4, 5), (5, 12, 13), (7, 24, 25), (9, 40, 41), (11, 60, 61), (13, 84, 85), …, (2n+1, 2n²+2n, 2n²+2n+1), …,[5]
    also für jede ungerade Zahl (außer 1) ein Tripel, bei dem die Zahl die kleinste Zahl ist und sich die beiden anderen Zahlen um genau 1 unterscheiden: x = 2n+1; y, z = x²/2 ± ½. Dies hängt damit zusammen, dass gemäß der ersten binomischen Formel (m+1)² = m²+2m+1 ist und deshalb jede ungerade Zahl 2m+1 die Differenz zweier Quadratzahlen ist. Da das Quadrat einer ungeraden Zahl 2n+1 auch ungerade ist, gibt es zu jeder ungeraden Zahl 2n+1 ein pythagoreisches Tripel (2m+1 = (2n+1)²).
  • für v = 1 (und gerades u):
    (3, 4, 5), (15, 8, 17), (35, 12, 37), (63, 16, 65), (99, 20, 101), (143, 24, 145), …, (4n²−1, 4n, 4n²+1), …,
    also für jede natürliche Zahl ein Tripel, das die Zahl enthält, und bei dem sich die beiden anderen Zahlen um genau 2 unterscheiden: x = 4n; y, z = x²/4 ± 1. Auch dieses ergibt sich aus der ersten binomischen Formel: (m+2)² = m²+4m+4. Jede durch 16 teilbare Quadratzahl lässt sich als 4m+4 schreiben, sodass zu jeder Zahl 4n ein pythagoreisches Tripel existiert (4m+4 = (4n)²).

Auch für jede gerade Zahl x größer als 2, die kein Vielfaches von 4 ist, kann man mit der ersten Folge ein pythagoreisches Tripel bilden (2n+1 = x/2) und die Zahlen dann verdoppeln. Somit kann man zu jeder natürlichen Zahl x, die größer als 2 ist, ein Zahlenpaar (y, z) finden, bei ungeradem x mit der Differenz 1, bei geradem x mit Differenz 2:

x y z
3 4 5
4* 3 5
5 12 13
6* 8 10
7 24 25
8 15 17
9 40 41
10* 24 26
11 60 61
12 35 37
13 84 85
14* 48 50
15 112 113
16 63 65
17 144 145
18* 80 82
19 180 181
20 99 101

Mit * sind nichtprimitive Tripel markiert. Die Fälle für sind redundant, da sie eine Verdoppelung von darstellen.

Zusammenhang mit den heronischen Dreiecken

Jedes zu einem pythagoreischen Tripel gehörige Dreieck ist ein heronisches Dreieck, das heißt, sowohl die Seitenlängen als auch der Flächeninhalt sind rationale Zahlen. Jedes heronische Dreieck lässt sich in zwei rechtwinklige Dreiecke zerlegen, die durch pythagoreische Tripel aus rationalen Zahlen gegeben sind.

Die Fermatsche Gleichung

Eine Verallgemeinerung der pythagoreischen Tripel erhält man, wenn man den Exponenten 2 durch eine natürliche Zahl ersetzt. Man untersucht also die diophantische Gleichung

und sucht nach Lösungen durch natürliche (oder ganze) Zahlen unter Ausschluss der trivialen Lösungen, bei denen eine der drei Zahlen gleich Null ist.

Pierre de Fermat stellte um das Jahr 1637 die Behauptung auf, dass es keine derartigen Tripel gibt. Obwohl er keinen Beweis angab, wird diese Vermutung als großer Fermatscher Satz bezeichnet. Jahrhundertelang konnte kein Beweis gefunden werden. Die Suche danach führte aber zu vielen interessanten Erkenntnissen, insbesondere in der Zahlentheorie. Erst 1995 konnte der Mathematiker Andrew Wiles den Satz von Fermat schließlich beweisen.

Fermat besaß einen Beweis für den Fall n=4 und behandelte den eng verwandten Fall eines heronischen Dreiecks, dessen Flächeninhalt ein Quadrat ist (siehe Unendlicher Abstieg). Dieses Problem geht auch auf Diophant zurück.

Algorithmus

Ein möglicher Algorithmus in der Programmiersprache Haskell könnte folgendermaßen aussehen:

pythTripels n = [(k*x, k*y, k*z) | (x,y,z) <- primitives, k <- [1..n`div`z]] where
   primitives = [(p^2-q^2, 2*p*q, p^2+q^2) | p <- takeWhile (\p -> p^2+1 <= n) [1..], q <- takeWhile (\q -> p^2+q^2 <= n) [1..p], odd (p+q) && gcd p q == 1]

Er erstellt für eine natürliche Zahl alle möglichen Tripel, deren Hypotenuse nicht überschreitet.

Weblinks

Literatur

  • Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie. 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-540-76490-8.
  • Helmuth Gericke: Mathematik in Antike, Orient und Abendland. Matrix-Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-937715-71-1.
  • Georges Ifrah: The Universal History of Computing. From Prehistory to the Invention of the Computer. Translated from the French by David Bellos, E. F. Harding, Sophie Wood, and Ian Monk. First published in France with the title Histoire universelle des chiffres by Editions Robert Laffont, Paris, in 1994. Harvill Press, London 1998, ISBN 1-86046-324-X.
  • Andreas Loos, Hans-Joachim Rein: Dreiecke mit ganzzahligen Seitenlängen und einem Innenwinkel von 60°, 90° oder 120°, in: Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht (MNU), 37. Jahrg., 1984, Heft 5, S. 275-279.
  • Harald Scheid: Zahlentheorie. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2003, ISBN 3-8274-1365-6.

Einzelnachweise

  1. Georges Ifrah: The Universal History of Computing. From Prehistory to the Invention of the Computer. S. 151.
  2. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike, Orient und Abendland. Matrix-Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-937715-71-1, S. 68.
  3. Harald Scheid: Zahlentheorie. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2003, ISBN 3-8274-1365-6, S. 225.
  4. Harald Scheid: Zahlentheorie. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2003, ISBN 3-8274-1365-6, S. 226.
  5. Die letztgenannte Formel nennt schon Pythagoras (etwa 570–510 v. Chr.); vgl. Harald Scheid: Zahlentheorie. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg u. a. 2003, ISBN 3-8274-1365-6, S. 225.