Quetiapin

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{{Infobox Chemikalie | Strukturformel = Struktur von Quetiapin | Freiname = Quetiapin | Suchfunktion = C21H25N3O2S | Andere Namen = *Seroquel

  • IUPAC: 2-{2-[4-(Dibenzo[b,f][1,4]thiazepin-11-yl)-piperazin-1-yl]ethoxy}ethanol
  • Latein: Quetiapinum

| Summenformel = * C21H25N3O2S (Quetiapin)

  • (C21H25N3O2S)2·C4H4O4 (Quetiapin·Hemifumarat)

| CAS = * 111974-69-7 (Quetiapin)

  • 111974-72-2 (Quetiapin-Hemifumarat)
  • 111997-26-3 (Quetiapin-Hydrochlorid)

| PubChem = 5002 | ATC-Code = N05AH04 | DrugBank = DB01224 | Wirkstoffgruppe = Atypisches Neuroleptikum | Wirkmechanismus = | Beschreibung = weißes, kristallines Pulver[1] | Molare Masse = * 383,51 g·mol−1 (Quetiapin)

  • 883,09 g·mol−1 (Quetiapin·Hemifumarat)

| Dichte = | Schmelzpunkt = * 172–173 °C (Quetiapin·Hemifumarat) [2]

  • 218–219 °C (Hydrochlorid)[3]

| Siedepunkt = | Dampfdruck = | pKs = 6,83 in Phosphatpuffer bei 22 °C (Quetiapin·Hemifumarat) [4] | Löslichkeit = *Sehr schwer löslich in Diethylether (Quetiapin)[5]

| Quelle GHS-Kz = NV | GHS-Piktogramme =

keine Einstufung verfügbar

| GHS-Signalwort = | H = siehe oben | EUH = siehe oben | P = siehe oben | Quelle P = | Quelle GefStKz = NV | Gefahrensymbole =

keine Einstufung verfügbar

| R = siehe oben | S = siehe oben | MAK = }}

Quetiapin ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung psychischer Störungen eingesetzt wird. Der Stoff aus der Gruppe der atypischen Neuroleptika ist angezeigt zur Behandlung von Schizophrenie sowie von manischen und depressiven Episoden, die bei einer bipolaren Erkrankung auftreten.

Chemische Eigenschaften

Quetiapin ist eine weiße, kristalline, wenig wasserlösliche Substanz. Das Dibenzothiazepin-Derivat ist strukturell Clozapin, Olanzapin und Zotepin ähnlich. Pharmazeutisch verwendet wird das wesentlich besser wasserlösliche Salz der Fumarsäure, das Fumarat.[1]

Pharmakologie

Quetiapin entfaltet seine Wirkung im Nervensystem, wo es biochemische Signalprozesse beeinflusst.

Wirkungsweise

Quetiapin blockiert als Antagonist mehrere Rezeptoren, die mit seiner atypischen, antipsychotischen Wirksamkeit in Verbindung gebracht werden, insbesondere Serotonin-5-HT2-Rezeptoren und Dopamin-D2-Rezeptoren. Durch die Blockade der ersteren wird Dopamin in erhöhter Menge freigesetzt, durch die Blockade der Dopamin-D2-Rezeptoren deren hemmender Effekt auf die Nervenzellen verhindert.

Durch den Agonisten Serotonin an 5-HT2A-Rezeptoren wird die Dopaminfreisetzung gehemmt; negative affektive und kognitive Symptome der Schizophrenie gelten als Hinweis auf einen Dopaminmangel im präfrontalen Kortex. Gleichzeitig soll Serotonin am 5-HT2A-Rezeptor im dorsolateralen präfrontalen Kortex mitverantwortlich für Depressionen und Ängste sein.

Durch den 5-HT2A-Rezeptor-Antagonismus von Quetiapin wird also Dopamin freigesetzt; im präfrontalen Kortex befinden sich vergleichsweise wenige D2-Rezeptoren und viele D1-Rezeptoren, welche dadurch angeregt werden. Im limbischen System hingegen soll die Serotonin-2A-Regulation bei der Dopaminfreisetzung nur eine untergeordnete Rolle spielen, so dass in dieser Gehirnregion nur eine geringfügig erhöhte D2-Rezeptorbesetzung durch freigesetztes Dopamin vorliegt, welche jedoch durch den D2-antagonistischen Effekt von Quetiapin kompensiert wird.

Die Blockade der D2-Rezeptoren in nigrostriatalen Strukturen ist so genanntes loose binding („lockere Bindung“), ähnlich dem Clozapin, d. h., der Komplex Antipsychotikum-D2low (niedrigaffiner Dopamin-2-Rezeptor) wird leicht durch den physiologischen Liganden (Dopamin) gelöst, wodurch für Quetiapin (wie auch Clozapin) ein sehr niedriges EPMS-induzierendes Potenzial postuliert wird; Quetiapin scheint nach Clozapin das zweitniedrigste EPMS-Potenzial von allen Atypika zu haben.[6] Außerdem hat Quetiapin eine σ-Rezeptor-antagonistische Wirkung, deren Bedeutung jedoch noch nicht geklärt ist.

Der aktive Metabolit Norquetiapin (N-Desalkylquetiapin) hemmt durch eine Bindung am Noradrenalin-Transporter (NAT) die Wiederaufnahme von Noradrenalin,[7] er zeigt ferner schwache partialagonistische Effekte an 5-HT1A-Rezeptoren und antagonistische Effekte an 5-HT2C-Rezeptoren. Die agonistischen Effekte an 5-HT1A-Rezeptoren gelten als ein Grund für die verbesserten kognitiven und affektiven Fähigkeiten, da sie zur Dopaminfreisetzung im präfrontalen Kortex beitragen.

Da durch Quetiapin Histamin-H1-Rezeptoren bereits in niedriger Dosierung blockiert werden, können vorübergehende Somnolenz tagsüber und eine Besserung des gestörten Tag-Nacht-Rhythmus auftreten.

Abbau

Quetiapin wird in der Leber über das cytochromabhängige Enzymsystem CYP 3A4 abgebaut; dabei entsteht der potenziell aktive Metabolit N-Desalkylquetiapin,[8][9] der eine Halbwertszeit von etwa zwölf Stunden besitzt. Quetiapin selbst hat eine Halbwertszeit von drei bis sechs Stunden.[10] Hemmstoffe dieses Enzymsystems wie z. B. Ciprofloxacin, Erythromycin, Ketoconazol, Cimetidin und Grapefruitsaft können den Abbau von Quetiapin zum Teil deutlich verlangsamen.

Nebenwirkungen

Häufigste Nebenwirkungen sind Benommenheit, Schwindel, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen und Gewichtszunahme insbesondere in der ersten Behandlungswoche. Auch Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe (Ödem), erhöhter Puls, Blutdruckabfall (Hypotonie) vor allem beim Aufstehen und Stehen, Verdauungsstörungen und Verstopfung (Obstipation), Mundtrockenheit (Xerostomie) sowie eine reversible Verringerung der Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukopenie) und eine veränderte Leberfunktion (Leberenzymanstieg ALT, AST) wurden häufig beobachtet. Gelegentlich tritt unter Quetiapin ein Restless-Legs-Syndrom auf.[11] Selten tritt ein malignes neuroleptisches Syndrom, sehr selten eine Leberentzündung oder schwerwiegende Hauterkrankungen mit Fieber und Blasenbildung an den Schleimhäuten (Stevens-Johnson-Syndrom) auf.

Anwendung

Neben den genannten Anwendungsgebieten (Indikationen) wird Quetiapin in der Schweiz in Kombination mit Antidepressiva auch zur Steigerung der Wirksamkeit (Augmentation) in der Behandlung von therapieresistenten Zwangserkrankungen verwendet.[12]

Auch zur Vorbeugung gegen Rückfälle bei einer bipolaren Erkrankung wird Quetiapin eingesetzt.[13] Von dieser Anwendung wird jedoch in der S3-Behandlungsleitlinie für Bipolare Störungen abgeraten.[14]

Die Wirkung gegen depressive Phasen der bipolaren Erkrankung wurde in einer US-Studie belegt.[15] Die Zulassung für Quetiapin – als bislang einzigem Atypikum – wurde 2006 durch die FDA auf die Monotherapie solcher depressiven Phasen erweitert.[16] Im deutschen Sprachraum ist Quetiapin in dieser Indikation im November 2008 zugelassen worden.[17]

Auch bei unipolaren Depressionen bzw. Major Depression wird Quetiapin in retardierter Form seit einiger Zeit als Zusatztherapie bei Patienten, bei denen eine Monotherapie mit einem Antidepressivum nicht oder nur unzureichend wirkt, eingesetzt. Dies wurde im Oktober 2010 durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anerkannt und ist somit kein Off-Label-Use mehr, sondern offiziell zugelassen.[18]

Studienergebnisse lassen vermuten, dass Quetiapin bei schweren Formen der posttraumatischen Belastungsstörung genutzt werden kann.[19]

Synthese

Bei der chemischen Synthese wird zunächst aus dem Lactam mit Phosphorylchlorid das 11-Chlordibenzothiazepin synthetisiert. Durch nucleophile Substitution wird anschließend die Seitenkette eingeführt.[20]

Synthese von Quetiapin

Handelsnamen

Monopräparate

Unretardierte Formulierung: Seroquel (D, A, CH, EU), Sequase (CH), verschiedene Generika

Retardpräparate: Seroquel Prolong (D), Seroquel XR (A, CH), verschiedene Generika

Weblinks

Commons: Quetiapin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Daten von Quetiapinhemifumarat bei Chemicalland21.com.
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1382, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. Eintrag zu Quetiapin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
  4. a b ABDA Stoffdatenbank für Quetiapin hemifumarat.
  5. a b PSU Knowledge Bank (PDF; 447 kB)
  6. H. J. Möller: Das Quetiapin-Dossier. Schattauer, 2005; ISBN 3-7945-2398-9.
  7. GFI-online: Antidepressives Quetiapin. Neuro-Depesche, Ausgabe 10/2008.
  8. Datenblatt (PDF; 137 kB) bei Medsafe (New Zealand Medicines and Medical Devices Safety Authority)
  9. N-Desalkylquetiapine, a Potent Norepinephrine Reuptake Inhibitor and Partial 5-HT(1A) Agonist, as a Putative Mediator of Quetiapine’s Antidepressant Activity, PMID 18059438.
  10. Pharmainformation der Universität Innsbruck, Jahrgang 17/Nr. 4, Dezember 2002
  11. Quetiapin, Pharmawiki
  12. Medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen.
  13. Fachinformation Seroquel 25 mg/100 mg/200 mg/300 mg Filmtabletten (AstraZeneca GmbH). Stand Januar 2010.
  14. DGBS e. V. und DGPPN e. V.: S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion 1.7. 2012. S. 259 (PDF; 6,8 MB)
  15. M. E. Thase et al. (2006): Efficacy of quetiapine monotherapy in bipolar I and II depression: a double-blind, placebo-controlled study (the BOLDER II study). In: J. Clin. Psychopharmacol. Bd. 26, S. 600–609. PMID 17110817.
  16. AstraZeneca, Pressemitteilung 20. Oktober 2006 (Memento vom 2. Januar 2010 im Internet Archive).
  17. Pressemitteilung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
  18. KrankenPflege-Journal
  19. Ahearn et al.: Quetiapine as an adjunctive treatment for post-traumatic stress disorder: an 8-week open-label study. In: Int Clin Psychopharmacol. Januar 2006; 21 (1): S. 29–33, PMID 16317314.
  20. E. J. Warawa, B. M. Migler (1988) US Patent 4879288.