Siegbert Tarrasch

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Siegbert Tarrasch
Verband Deutsches Reich Deutsches Reich
Geboren 5. März 1862
Breslau
Gestorben 17. Februar 1934
München
Beste Elo‑Zahl 2824 (Juni 1895) (Historische Elo-Zahl)

Siegbert Tarrasch (* 5. März 1862 in Breslau; † 17. Februar 1934 in München) war ein deutscher Schachmeister.

Schachspieler

Tarrasch bestand 1880 am Elisabet-Gymnasium in Breslau das Abitur. Danach studierte er Medizin und praktizierte anschließend als Arzt. In seiner Freizeit widmete er sich mit aller Leidenschaft dem Schachspiel. Sein erstes Turnier gewann er im Jahre 1883 in Nürnberg und galt bald als einer der weltbesten Spieler. Aus beruflichen Gründen musste er eine Einladung des Schachclubs in Havanna ablehnen, der einen Wettkampf zwischen Tarrasch und dem amtierenden Schachweltmeister Wilhelm Steinitz um die Weltmeisterschaft ausrichten wollte. 1892 lehnte Tarrasch ein Angebot ab, sich in einem Wettkampf mit Emanuel Lasker zu messen, da dieser damals noch keine herausragenden Erfolge vorzuweisen hatte. Umso härter traf ihn, dass Lasker 1894 Steinitz die Krone des Weltmeisters abnahm.

1894 gewann Tarrasch in Leipzig das Internationale Turnier beim 9. Kongress des Deutschen Schachbundes.[1] Davor siegte er bereits 1889 in Breslau (6. DSB-Kongress)[2] und 1892 in Dresden (7. DSB-Kongress)[3]. Um die Jahrhundertwende hatte Tarrasch die größten Erfolge, hervorzuheben sind besonders seine Erfolge im Kaiser-Jubiläums-Turnier Wien 1898 und Monte Carlo 1903. Zu dieser Zeit wurde vom „Turnierweltmeister“ Tarrasch gesprochen.

Ein Kampf um die Weltmeisterschaft mit Emanuel Lasker kam erst 1908 nach langwierigen Verhandlungen zustande.[4] Tarrasch hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Leistungszenit bereits überschritten. Das WM-Match wurde in München und Düsseldorf ausgetragen. Tarrasch unterlag überraschend deutlich mit 3:8 bei fünf Remis, was er nie ganz verwinden konnte. Zwar forderte er Revanche, ein weiterer Wettkampf mit Lasker kam aber erst 1916 zustande. Diesen Wettkampf, bei dem es nicht um den Titel ging, verlor Tarrasch noch klarer (0:5 bei 1 Remis).

Tarrasch nahm bis 1928 weiter an bedeutenden Schachturnieren teil (unter anderem spielte er mit der deutschen Mannschaft bei der Schacholympiade 1927[5]), wobei große Erfolge ausblieben. Seine beste historische Elo-Zahl betrug 2824. Diese erreichte er im Juni 1895.

Theoretiker

Mindestens ebenso bedeutend wie seine Turniererfolge ist Tarraschs theoretisches und literarisches Wirken. Die drei großen Bücher Tarraschs Dreihundert Schachpartien (1895), Die moderne Schachpartie (1912) und Das Schachspiel (1931) sind unbestritten Klassiker der Schachliteratur. Schon zu Lebzeiten bezeichnete man Tarrasch als Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands). Er lehrte, aufbauend auf Steinitz, die Wichtigkeit der Beherrschung des Zentrums. Außerdem war er davon überzeugt, dass es in beinahe jeder Stellung einen absolut „besten Zug“ gebe, den es zu finden gelte.[6] Er wurde damit zu einem Wegbereiter des modernen Schachspiels.[7] Kritiker bezeichneten Tarraschs Lehren allerdings teilweise als zu dogmatisch.[8] Aus heutiger Sicht wird der Vorwurf, Tarrasch sei in seinen Lehren dogmatisch gewesen, regelmäßig als unsachlich zurückgewiesen.[9]

Tarrasch war bestrebt, das Schach als Volkssport in Deutschland zu etablieren, und machte sich um dessen Popularisierung sehr verdient.

Weiterhin schrieb Tarrasch regelmäßig für mehrere Schachzeitschriften. Seine Kommentare waren zuweilen so scharf und bissig, dass es zu langen Auseinandersetzungen mit den Angegriffenen kam, z. B. mit dem Wiener Schachmeister und -Publizisten Georg Marco oder mit Aaron Nimzowitsch.

Ab Oktober 1932 brachte Tarrasch eine eigene Zeitschrift (Tarraschs Schachzeitung) heraus. Obwohl als Jude geboren, konnte er die Zeitschrift bis zu seinem Tode weiterführen, da die Nationalsozialisten sie nicht verboten. Ob für diese "Schonung" der Respekt vor dem großen Meister oder die damals seit der nationalsozialistischen Machtergreifung vergangene kurze Zeit ausschlaggebend war, ist nicht bekannt.[10]

Einige Eröffnungsvarianten sind nach Tarrasch benannt. So die Tarrasch-Verteidigung im Damengambit, die er erfunden und immer wieder propagiert hat, und die Tarrasch-Variante der Französischen Verteidigung. Beide Varianten erfreuen sich heute ungebrochener Beliebtheit und sind fester Bestandteil des Eröffnungs-Repertoires vieler Großmeister. Ferner wird eine Variante der Spanischen Partie als Tarrasch-Falle bezeichnet, nach einer Partie von Tarrasch gegen Marco aus dem Jahre 1892.

Schachkomposition

Auch auf dem Gebiet der Schachkomposition war Tarrasch aktiv. Er komponierte einige Studien. Nachfolgendes Läuferendspiel dient als Beispiel zur Illustration. Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/Konvertieren


Lösung:

1. Kb2-c3 Ke1-f2
2. Kc3-d4 Kf2-f3
3. Kd4-e5 Kf3-g4
4. Ke5-f6 Kg4-h5
5. g7-g8D! räumt g7 mit einem Beschäftigungsopfer Lh7xg8
6. Kf6-g7 Kh5-g5
7. h2-h3! Wartezug Kg5-h5
8. h3-h4 Zugzwang Weiß gewinnt.
Nach einem Königszug wird der Läufer geschlagen und der Weg zur Umwandlung ist frei.

Partien

Familie und Privatleben

Der aus einer jüdischen Familie stammende Tarrasch war verheiratet mit Anna Rosalie, geborene Rudolf (1865–1940). Er hatte drei Söhne und zwei Töchter. Der erste Sohn Dr. phil. Friedrich („Fritz“) Max Tarrasch (* 11. März 1888) war Leutnant und Inhaber des Eisernen Kreuzes. Er starb am 14. Mai 1915 an der Westfront des Ersten Weltkriegs. Der zweite Sohn, Hans Richard (* 6. Juli 1890), kam 1916 bei einem Unfall ums Leben. Der dritte Sohn Paul (* 15. April 1892) war im Schachspiel sehr talentiert, allerdings verstarb er im Alter von 20 Jahren, am 9. September 1912, in Hamburg. Als Todesursache wurde „akute Herzlähmung“ angegeben, tatsächlich handelte es sich aber um einen Suizid aus Liebeskummer. Am 28. Mai 1909 konvertierte Tarrasch zur evangelisch-lutherischen Konfession. Im Jahr 1924 wurde die Ehe von Tarrasch geschieden, im selben Jahr heiratete er Gertrude, geborene Schröder (1892–1966).

Tarrasch starb 1934. Er wurde auf dem Münchener Nordfriedhof Parzelle Nr. 128 beerdigt.[11]

Schriften (Auswahl)

  • Siegbert Tarrasch: Das Schachspiel. Systematisches Lehrbuch für Anfänger und Geübte. Die Originalfassung. Anaconda Verlag, Köln 2006 (Nachdruck von Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1931), ISBN 3-938484-84-5.
  • Siegbert Tarrasch: Die moderne Schachpartie. Kritische Studien über mehr als 200 ausgewählte Meisterpartien der letzten zwölf Jahre mit besonderer Berücksichtigung der Eröffnungen. 4. Aufl., Olms, Zürich 1991 (Nachdruck der 2. Aufl. Leipzig 1916), ISBN 3-283-00034-4.
  • Siegbert Tarrasch: Dreihundert Schachpartien. Ein Lehrbuch des Schachspiels für geübte Spieler. Mit 474 Diagrammen. 4. Aufl., Olms, Zürich 1988 (Nachdruck der 3. Aufl. Gouda 1925), ISBN 3-283-00043-3.

Literatur

Fußnoten

  1. Das Internationale Turnier Leipzig 1894 (9. DSB-Kongress) auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
  2. Das Internationale Turnier Breslau 1889 (6. DSB-Kongress) auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
  3. Das Internationale Turnier Dresden 1892 (7. DSB-Kongress) auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
  4. Siegbert Tarrasch, Der Schachwettkampf Lasker-Tarrasch um die Weltmeisterschaft im August-September 1908, Leipzig 1908, online bei archive.org
  5. Siegbert Tarraschs Ergebnisse bei Schacholympiaden auf olimpbase.org (englisch)
  6. Siehe etwa Das Schachspiel, S. 306: „Jede Stellung muß man als ein Problem betrachten, bei dem es gilt, den richtigen Zug, den die Stellung erfordert und der fast immer ein einziger ist, zu finden. Nebenlösungen gibt es so gut wie gar nicht in der Schachpartie, mit Ausnahme der ersten Eröffnungszüge, wo die Wahl freisteht. Häufig, besonders wenn der eine Spieler bereits stark im Vorteil ist, sieht es so aus, als ob ihm mehrere gleich gute Züge zur Verfügung ständen. Bei näherer Untersuchung aber stellt es sich meist heraus, daß ein Zug der stärkste, der allerstärkste ist, und nur der ist der richtige. Ist der Vorteil noch nicht so groß, dann zeigt es sich meist, daß, wenn mehrere Züge in Betracht kommen, nicht nur der eine der stärkste, sondern daß die andern sogar nachteilig ausfallen, und nichts ist im Schach schwieriger, als von mehreren gleich gut erscheinenden Zügen den besten, den einzig richtigen herauszufinden.“
  7. So ausdrücklich auch sein Kritiker Nimzowitsch, in: Wiener Schachzeitung, Heft 5. Nachdruck: Nimzowitsch, mein System, Hamburg, 1999, S. 282
  8. Nimzowitsch, aaO., S. 283 ff.
  9. Siehe etwa Kasparov, On my great Predecessors, Part I, engl. Ausgabe, 2007, S. 160 ("Tarrasch’s critics unfairly called him dogmatic")
  10. Wolfgang Unzicker: Tarrasch führte seine Schachzeitung bis zu seinem Tode, Rochade Europa, Februar 1999, S. 105.
  11. SchachReport 1996/12 S. 88 – hier mit Abbildung der Grabstätte

Weblinks

Commons: Siegbert Tarrasch – Sammlung von Bildern