Steve Keen

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Steve Keen

Steve Keen (* 28. März 1953 in Sydney) ist ein australischer Wirtschaftswissenschaftler. Bis 2013 war er ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Western Sydney. Seit dem September 2014 ist er Leiter des wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereiches (Head of School of Economics, History and Politics) der Kingston University in London.[1] Seit dem Dezember 2005 warnte er vor einer bevorstehenden globalen Finanz- und Staatsschuldenkrise.[2] Keen ist ein Kritiker der neoklassischen Theorie, aber auch des Marxismus. Beiden Gesellschaftstheorien wirft er Inkonsistenz, unwissenschaftliches Verhalten und das Festhalten an empirisch widerlegten Behauptungen vor. Seine wichtigsten Einflüsse sind John Maynard Keynes, der US-Amerikaner Hyman P. Minsky,[3] der italienische Wirtschaftswissenschaftler Piero Sraffa und der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter.[4] Keen begegnete Ende der 1980er Jahre an der Universität Sydney Yanis Varoufakis und ist seitdem persönlicher Freund des Ökonomen, der von Januar bis Juli 2015 griechischer Finanzminister war.[5]

Keens Kritik an der neoklassischen Theorie der Unternehmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Keen übt Kritik an der Neoklassik, indem er die mathematische Ungültigkeit des Indikators Grenzkosten = Grenzerträge als maßgebliches Merkmal effizienter Märkte zu beweisen versucht. Keens Beitrag Profit Maximization, Industry Structure, and Competition[6] findet eine kritische Erwiderung durch Paul Anglin.[7] Ein die Kritik auslösender Argumentationsfehler wurde in dem Beitrag Rationality in the Theory of the Firm von Standish und Keen[8] konzediert und korrigiert.

Als Stütze von Keens Kritik an der Neoklassik werden verschiedene empirische Resultate angeführt; zum Beispiel eine Studie von Eiteman und Guthrie (1952),[9] die in ihrem Aufsatz zum Ergebnis kommen, dass 89 % der untersuchten realen Unternehmen sich keinesfalls gemäß der neoklassischen Sichtweise verhielten. Kritiker werfen ihm ein Unverständnis der Wirtschaftstheorie vor.[10][11][12][13]

Finanzielle Instabilität und Schulden-Deflation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinen neueren Arbeiten konzentriert sich Keen darauf, Hyman Minskys Hypothese der finanziellen Instabilität zu modellieren. Diese besagt, dass ein zu großer Schuldenanteil am Bruttonationaleinkommen Deflation und Konjunkturtiefs verursachen kann. Keen sagte auf dieser Basis als einer von wenigen Ökonomen 2006 eine Wirtschaftskrise voraus.[14][2] Allerdings kam es in seinem Heimatland Australien, auf das sich seine Prognose bezog, zu keiner Wirtschaftskrise.[15] Keen argumentiert, dass die aktuelle globale Krise durch die zu hohe, private Verschuldung von Unternehmen und Haushalten verursacht wurde.[16][17] Nachdem die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich erstmals globale Daten zur Privatverschuldung veröffentlicht hatte, publizierte Keen im März 2016 eine Liste von 7 Ländern, für die in den nächsten 1–3 Jahren eine Schuldenkrise wahrscheinlich sei (China, Australien, Schweden, Hong Kong, Korea, Kanada und Norwegen).[18]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Revere Award for Economics[19]
  • BusinessDay forecaster of the year (dreimal)[20]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • mit William A. Barnett, Carl Chiarella, Robert Marks & Hermann Schnabl (Hrsg.): Commerce, Complexity and Evolution. Topics in Economics, Finance, Marketing, and Management: Proceedings of the Twelfth International Symposium in Economic Theory and Econometrics. Cambridge University Press, New York 2000, ISBN 0-521-62030-9.
  • Debunking Economics: The Naked Emperor of the Social Sciences. Pluto Press Australia, 2001, ISBN 1-86403-070-4; überarbeitete und erweiterte Neuausgabe Zed Books, 2011, ISBN 1-84813-992-6
  • mit Mauro Gallegati, Thomas Lux & Paul Ormerod: Worrying trends in econophysics. In: Physica A. Nr. 370, 2006, S. 1–6 (PDF; 121 KB)
  • mit Russell Standish: Profit maximization, industry structure, and competition: A critique of neoclassical theory. In: Physica A. Nr. 370, 2006, S. 81–85 (PDF; 171 KB)
  • Deeper in Debt. Australia’s Addiction to Borrowed Money. In: Centre for Policy Development (Hrsg.): Occasional Papers. No. 3, 2007, ISSN 1835-0135 (PDF; 1 MB)
  • Warum Wirtschaftslehrbücher die Standard-Theorie des Unternehmens nicht mehr unterrichten dürfen. In: Bernd Luderer (Hrsg.): Die Kunst des Modellierens. Mathematisch-Ökonomische Modelle. Vieweg + Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8351-0212-5

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kingston University: Eminent academic Steve Keen to help Kingston University become world class centre for new economic theory teaching. 17. September 2014
  2. a b Dirk J. Bezemer: „No One Saw This Coming“: Understanding Financial Crisis Through Accounting Models. MPRA Paper No. 15892, 16. Juni 2009, S. 9 u. 39 f. (PDF; 652 KB)
  3. Jenny Tabakoff: Profile: Steve Keen. In: Sydney Morning Herald. 27. August 2008.
  4. Philip Pilkington: Debunking Economics – An Interview with Steve Keen – Part 1. In: naked capitalism. 16. November 2011
  5. Steve Keen: My Friend Yanis, The Greek Minister Of Finance. In: Forbes. 31. Januar 2015
  6. Steve Keen & Russel Standish: Profit Maximization, Industry Structure, and Competition: A critique of neoclassical theory (Memento des Originals vom 2. November 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.debunkingeconomics.com. In: Physica A. Nr. 370, 2006, S. 81–85
  7. Paul Anglin: On the proper behavior of atoms: A comment on a critique. In: Physica A. Nr. 387, 2008, S. 277–280
  8. Russell K. Standish und Stephen L. Keen: Rationality in the Theory of the Firm (PDF; 96 kB). Website der Cornell University. 19. Januar 2011, S. 4
  9. Wilford J. Eiteman & Glenn E. Guthrie: The Shape of the Average Cost Curve. In: The American Economic Review. Vol. 42, No. 5, Dezember 1952, S. 832–838.
  10. Debunking Keen, Sinclair Davidson, RMIT University, Australian Review of Public Affairs, 24. August 2001.
  11. BHP and Rio agree, Steve Keen is wrong. (Memento des Originals vom 16. April 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/au.pfinance.yahoo.com, Michael Pascoe, 23. Oktober 2008.
  12. Professor Steve Keen's doomsday property prediction wrong (Memento des Originals vom 23. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.perthnow.com.au, Natasha Robinson, 8. Juli 2009
  13. Economists lining up to disagree with Steve Keen, Michael Pascoe, 23. Oktober 2008.
  14. Steve Keen: The lily & the pond. Website der Evatt Foundation. 12. Dezember 2006
  15. Chris Zappone: Australia dodges recession. In: Sydney Morning Herald. 3. März 2009
  16. Christof Leisinger: Im Gespräch: Steve Keen: „Wir sind in der größten Finanzblase aller Zeiten“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 7. Januar 2010.
  17. Interview mit Sarah Montague in der BBC-Sendung HardTalk. 24. November 2011 (Video; 24:04 min)
  18. Steve Keen: The Seven Countries Most Vulnerable To A Debt Crisis. In: Forbes. Abgerufen am 24. Mai 2016 (englisch).
  19. Norbert Häring: Weltwirtschaftskrise: Gefeierte Untergangspropheten. In: Handelsblatt. 14. Mai 2010
  20. Peter Martin: BusinessDay Economic Survey: Arise Steve Keen, forecaster of the year. In: Sydney Moring Herald. 4. Juli 2015