TurkStream

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Geplanter Verlauf der Pipeline „Turkish Stream“

Turkish Stream (auch Turkstream; russisch Турецкий поток; türkisch Türk Akımı) ist ein internationales Projekt einer Gaspipeline mit 4 Röhren, die auf dem Grund des Schwarzen Meeres von der südrussischen Küstenstadt Anapa in die Türkei verlegt werden soll. Zum Bau der ca. 1100 km langen Gaspipeline soll auf russischem Staatsgebiet die für das aufgegebene Projekt South Stream gebaute Infrastruktur genutzt werden. Der Offshore-Teil der Pipeline wird 910 km betragen, der Onshore-Teil auf türkischem Boden 180 km. Die Pipeline wird von Anapa aus auf dem Boden des Schwarzen Meeres bis zum türkischen Ort Kiyiköy im europäischen Teil der Türkei verlaufen und weiter zur Ortschaft Lüleburgaz, wo die Übergabe von Gas an türkische Abnehmer stattfinden soll.[1] Die Investitionen für Turkstream werden vollständig von Gazprom finanziert.[2]

Zweck der Pipeline

Pipeline-Netz von Russland nach Westeuropa

Russisches Erdgas wird derzeit über die Pipeline Blue Stream direkt in die Türkei geliefert, ohne dass es durch ein anderes Transitland transportiert werden muss. Turkish Stream wird die Transportkapazität von Bluestream, die maximal 16 Millionen Tonnen Erdgas pro Jahr ermöglicht, erheblich vergrößern, und so einen möglicherweise wachsenden Bedarf der Türkei decken. Die Türkei hat derzeit realistisch gesehen wenig Alternativen zu russischem Erdgas[3]

Eine weitere Möglichkeit von Turkish Stream besteht in der Lieferung von Erdgas über die Türkei als Transitland in Länder der Europäischen Union. Gazprom begann, für die Versorgung Südosteuropas die Pipeline South Stream zu bauen, die Gas nach Bulgarien liefern sollte. Inzwischen änderte Gazprom seine Pläne und treibt nun das Turkish-Stream-Projekt voran. Die Kapazität der vier Röhren von Turkish Stream wird bis zu 63 Milliarden m³ Gas pro Jahr betragen, wovon 47 Milliarden m³ Gas nach İpsala an der türkisch-griechischen Grenze transportiert werden sollen. Dort soll ein Verteilerzentrum gebaut werden, das das Gas in die europäischen Länder transportiert. Gazprom beabsichtigt, mit der neuen Gaspipeline die Transportwege zu diversifizieren, um damit die Abhängigkeit der Lieferanten und Käufer von den Transitländern Weißrussland, Polen, Ukraine, Slowakei und Österreich zu verringern, durch die derzeit Pipelines für russisches Erdgas nach Südeuropa verlaufen. Derzeit liefert Russland durch mehrere Pipelines, unter anderen auch durch die Pipeline Nord Stream, die durch die Ostsee verläuft, Erdgas nach Deutschland und Westeuropa. Davon verlaufen einige durch die Ukraine. Nach Ablauf des russisch-ukrainischen Gastransitvertrags 2019 soll kein neuer Vertrag mehr geschlossen und kein Gas mehr durch die Ukraine in die Europäische Union transportiert werden.[4][5]

Stand des Projektes

Gazprom und die türkische Botas Petroleum Pipeline Corporation unterzeichneten am 1. Dezember 2014 eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) für den Bau der Pipeline von Russland in die Türkei. Ein Vertrag darüber soll im Juni 2015 abgeschlossen werden. [6][7] Der Bau einer Pipeline in Griechenland, die das Gas an der türkischen Grenze übernehmen und weitertransportieren soll, ist noch Gegenstand politischer Abstimmungen.[8]

Wettbewerb um Gaslieferung und -transport

Die Transanatolische Pipeline (TANAP), deren Bau 2015 begonnen wurde und die ebenso wie Turkish-Stream durch den Südlichen Korridor verlaufen soll, soll ebenfalls Erdgas nach Griechenland liefern. TANAP wird nicht mit russischem Gas, sondern von Aserbaidschan aus mit Gas versorgt. Von Griechenland aus soll das aserbaidschanische Gas in andere europäische Länder, vor allem nach Südosteuropa, weitergepumpt werden. Die Anteile an TANAP werden von der türkischen Botas und TPAO (20 %) sowie der staatlichen SOCAR aus Aserbaidschan gehalten (80 %).[9] Einziger Pipeline-Betreiber Griechenlands ist DESFA (National Natural Gas System Operator S.A.) Das Dritte Energiepaket der EU verlangt die Trennung von Netzbetrieb und Erzeugung. Die EU-Kommission prüft deswegen die Übernahme des griechischen Gasfernleitungsnetzbetreibers DESFA durch die staatliche Mineralölgesellschaft der Republik Aserbaidschan SOCAR.[10], die einen Anteil von 66 % an DESFA kaufen möchte. Wettbewerber wie Turkish Stream könnten von SOCAR am Zugang zum griechischen Pipeline-Netz gehindert werden.[11]

Entstehungsgeschichte

2014

Am 1. Dezember erklärte der russische Staatspräsident Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz in Ankara, dass Russland wegen der Position der Europäischen Union auf den Bau der Pipeline South Stream verzichten werde. Frei werdende Ressourcen würden in andere Regionen und Flüssiggas-Projekte umgeleitet. „Wir denken, dass die Position der Europäischen Kommission nicht konstruktiv war. Tatsächlich war es nicht so, dass die Europäische Kommission bei der Verwirklichung dieses Projekts geholfen hätte, vielmehr sehen wir, dass der Verwirklichung Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wenn Europa das Projekt nicht verwirklichen will, so heißt das, dass es nicht verwirklicht wird.“ erklärte Putin. Ursache für den Verzicht auf den Bau von South Stream sei, so Putin, dass Bulgarien keine Baugenehmigung erteilt habe.[12] Das Handeln der bulgarischen Regierung war dabei Teil der westlichen Sanktionspolitik gegenüber Russland als Reaktion auf die Ukrainekrise bzw. auf den Krieg in der Ukraine seit 2014. Gazprom-Chef Alexei Miller erklärte am 1. Dezember, dass das Gaspipeline-Projekt South Stream geschlossen sei und es keine Rückkehr zu diesem Projekt geben werde.[13]

2015

Miller kündigte am 14. Januar 2015 an, die Gaslieferungen über das Territorium der Ukraine mit der Inbetriebnahme von Turkish Stream gänzlich einstellen zu wollen. Er forderte die Europäer auf, die nötige Infrastruktur im Südosten des Kontinents zu schaffen, um eine Belieferung über die neue Pipeline zu ermöglichen. Vertreter der EU zeigten sich von der Ankündigung überrascht.[14]

Die EU-Kommission ist auch beim neuen Projekt skeptisch ob der Durchführbarkeit und fürchtet, Russland wolle Uneinigkeit zwischen EU-Staaten schüren.[15]

Die Weiterarbeit am Projekt wurde nach dem Abschuss einer Suchoi Su-24 im November 2015 von Russland angehalten.[16]

2016

Im Juli 2016 wurden die Gespräche wiederaufgenommen.[17] Im September erhielt Gazprom von den türkischen Behörden die erste Genehmigung für den Bau des Seeabschnitts und die Genehmigung für Untersuchungsarbeiten zu beiden Strängen der Offshore-Pipeline in der ausschließlichen Wirtschaftszone und in den Küstengewässern der Türkei.

Am 10. Oktober 2016 unterzeichneten die Energieminister beider Länder (Berat Albayrak (Kabinett Yıldırım) und Alexander Nowak (Kabinett Medwedew)) im Beisein der Präsidenten Erdogan und Putin in Istanbul ein Regierungsabkommen über den Bau der Pipeline.[18][19] Das Abkommen betrifft zwei Offshore-Röhren von Russland in die Türkei, die durch das Schwarze Meer verlegt werden, und außerdem eine Onshore-Röhre, die Gas an die türkische Grenze zu Nachbarstaaten transportieren soll.

Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Exportmarkt für den staatlich kontrollierten russischen Energiekonzern Gazprom. Konzernchef Alexej Miller sagte, der Bau könne 2017 beginnen und 2019 beendet sein.[18]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Turkish Stream, Gazprom Export, ohne Datum
  2. Große Bühne für TurkStream in Paris, Wirtschaftsportal, OWC-Verlag für Außenwirtschaft GmbH, 8. Juni 2015, online
  3. The revived Turkish Stream: What, when, and where?, Katja Yafimava, Oxford Institute for Energy Studies, Beitrag zur European Autumn Gas Conference 2016, online
  4. Gazprom schickt ab 2019 kein Gas mehr durch die Ukraine, Die Zeit v. 9. Juni 2015
  5. UKRAINE/Gazprom bekräftigt: Gastransit über die Ukraine wird 2019 eingestellt, FAZ vom 9. Juni 2015
  6. Putin, Erdogan discuss joint energy projects, including Turkish Stream TASS, 18. März 2015
  7. Energieriese will Pipeline-Deal mit Türkei abschließen Handelsblatt, 9. Juni 2015
  8. Putin und Tsipras treffen sich nach Euro-Finanzminister-Gipfel Die Welt, 16. Juni 2015
  9. EU Commission welcomes decision on gas pipeline: Door opener for direct link to Caspian Sea, European Commission Press release, Brussels, 28 June 2013
  10. Fusionskontrolle: Kommission prüft Übernahme des griechischen Gasfernleitungsnetzbetreibers DESFA durch SOCAR, Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 5. November 2014
  11. Azerbaijan's Socar signs deal to buy 66 % of Greece's gas grid operator DESFA, Platts, McGraw Hill Financial, 23. Dezember 2013
  12. Vesti.ru: Россия не будет строить «Южный поток»
  13. RIA Novosti: Миллер: проект «Южный поток» закрыт, возврата не будет
  14. Finanzen.net: Russland will Ukraine für Gastransit fallenlassen - EU ohne Antwort
  15. spiegel.de 18. April 2015: Möglicher Deal zwischen Athen und Moskau: Griechenland hofft auf russische Pipeline-Milliarden
  16. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Gasprojekt Turkish Stream wegen russisch-türkischem Streit auf Eis, abgerufen am 3. Dezember 2015
  17. Erdoğan: Turkey ready for Turkish Stream. In: Daily Sabah. 9. August 2016, abgerufen am 28. August 2016.
  18. a b FAZ.net 11. Oktober 2016 / Michael Martens: Mein Syrien, dein Syrien
  19. http://www.hurriyetdailynews.com (10. Oktober 2016) bezeichnete das Abkommen als Memorandum of understanding