Verteilungstyp

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Verteilungstyp ist ein Fachbegriff der Wahrscheinlichkeitstheorie für die Zugehörigkeit einer reellen Zufallsvariablen zu einer linearen Transformationsfamilie von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, der aber in der angewandten Statistik auch abweichend für die Zugehörigkeit zu einer parametrischen Familie von Wahrscheinlichkeitsverteilungen verwendet wird.

Verteilungstyp im Sinn der Wahrscheinlichkeitstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verteilungstyp einer reellen Zufallsvariablen ist die Familie von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die alle Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Zufallsvariablen

enthält.[1]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wenn normalverteilt ist, dann ist der Verteilungstyp die Familie der Normalverteilungen.
  • Wenn Bernoulli-verteilt mit dem Bernoulliparameter ist, d. h.
dann ist der Verteilungstyp von die Menge derjenigen Zweipunktverteilungen, für die
gilt.
  • Wenn binomialverteilt mit den Parametern und ist, dann ist der Verteilungstyp von keine Teilmenge der Binomialverteilungen .

Eigenschaften und Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Es besteht eine enge Beziehung zum Konzept der Lage-Skalen-Familie.
  • Das Konzept des Verteilungstyps wird zur Definition des stabilen Verteilungstyps und damit zusammenhängend zur Charakterisierung des Anziehungsbereichs einer Verteilungsfunktion[2] und zur Typeneinteilung von Extremwertverteilungen[3] verwendet.
  • Zwischen der Verteilungsfunktion der Zufallsvariablen und der Verteilungsfunktion einer linear transformierten Zufallsvariablen mit bestehen die Zusammenhänge
und
Ein Verteilungstyp kann daher durch die Angabe einer Verteilungsfunktion charakterisiert werden. Es ist daher auch folgende Definition ohne Bezug auf Zufallsvariablen üblich:[4] Zwei eindimensionale Verteilungsfunktion und sind vom selben Typ, wenn es Zahlen und gibt mit
Diese Definition wird z. B. bei der Formulierung des Satzes über Typenkonvergenz verwendet.[5]

Stabiler Verteilungstyp[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Verteilungstyp heißt stabil, wenn für zwei stochastisch unabhängige Zufallsvariablen dieses Verteilungstyps auch die Summe zu diesem Verteilungstyp gehört. Eine Verteilung, die einem stabilen Verteilungstyp angehört, heißt auch stabile Verteilung.[6] Für diskrete Verteilungen gibt es den Begriff der diskret-stabilen Verteilung.[7][8]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle stabilen Verteilungstypen sind vollständig durch die alpha-stabilen Verteilungen beschrieben, wobei jeder charakteristische Exponent einen stabilen Verteilungstyp festlegt. Für ergibt sich als stabiler Verteilungstyp die Familie der Normalverteilungen.

Verteilungstypen von Extremwertverteilungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verteilungstypen von Extremwertverteilungen, die im Zusammenhang mit dem Maximum stochastisch unabhängiger und identisch verteilter Zufallsvariablen als nichtausgeartete Grenzverteilungen auftreten können, werden durch drei Typen von Verteilungsfunktionen beschrieben:[3][9]

Typ I oder Gumbel-Typ

Typ II oder Fréchet-Typ

Typ III oder Weibull-Typ

Der Typ I ist die Verteilungsfunktion einer Gumbel-Verteilung. Die Typen II und III enthalten für jedes eine Verteilungsfunktion bzw. , die jeweils einen Verteilungstyp im Sinn der obigen Definition charakterisiert. ist die Verteilungsfunktion einer speziellen Fréchet-Verteilung. Wenn die Verteilungsfunktion hat, dann hat die Zufallsvariable eine Weibull-Verteilung mit der Verteilungsfunktion .[3]

Wegen sind die Extremwertverteilungen, die im Zusammenhang mit dem Minimum stochastisch unabhängiger und identisch verteilter Zufallsvariablen als nichtausgeartete Grenzverteilungen auftreten können, durch die möglichen Verteilungen von beschrieben, wenn eine Extremwertverteilung für ein Maximum hat.[10] Daraus ergeben sich folgende Extremwertverteilungen für das Minimum:

Typ I oder Gumbel-Typ

Typ II oder Fréchet-Typ

Typ III oder Weibull-Typ

Wenn die Verteilungsfunktion hat, dann ist Gumbel-verteilt mit der Verteilungsfunktion . Wenn die Verteilungsfunktion hat, dann ist Fréchet-verteilt mit der Verteilungsfunktion . ist die Verteilungsfunktion einer Weibull-Verteilung.

Verteilungstyp im nicht-technischen Sinn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Anwendungsbereichen der Statistik wird der Begriff Verteilungstyp auch in einem eher umgangssprachlichen Sinn für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten parametrischen Verteilungsfamilie, wie der Familie der Normal-, Exponential-, Poisson- oder Binomialverteilungen, verwendet. Eine Formulierung der Art „ hat den Verteilungstyp einer Poissonverteilung“ meint dann „Die Verteilung von gehört zur parametrischen Familie der Poissonverteilungen“ oder kürzer „ ist Poisson-verteilt“, wobei kein Bezug zum technischen Begriff des Verteilungstyps aus der Wahrscheinlichkeitstheorie besteht.[11]

Bei einigen parametrischen Verteilungsfamilien, z. B. bei der Familie der Normalverteilungen und der Familie der Cauchy-Verteilungen, fallen die beiden Verwendungen des Begriffs Verteilungstyp zusammen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Verteilungstyp, S. 486.
  2. P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Anziehungsbereich einer Verteilungsfunktion, S. 11.
  3. a b c P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, Extremwertverteilungen, S. 113–114.
  4. Hermann Witting, Ulrich Müller-Funk: Mathematische Statistik II. Asymptotische Statistik: Parametrische Modelle und nichtparametrische Funktionale. Teubner, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-322-90153-8, S. 79.
  5. Hermann Witting, Ulrich Müller-Funk: Mathematische Statistik II. Asymptotische Statistik: Parametrische Modelle und nichtparametrische Funktionale. Teubner, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-322-90153-8, Satz 5.8.8 (Typenkonvergenz), S. 79.
  6. P. H. Müller (Hrsg.): Lexikon der Stochastik – Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 5. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1991, ISBN 978-3-05-500608-1, stabiler Verteilungstyp, S. 366.
  7. F. W. Steutel, K. van Harn: Discrete analogues of self-decomposability and stability. In: The Annals of Probability. Band 7, Nr. 3, S. 893–899, doi:10.1214/aop/1176994950.
  8. Luc Devroye: A triptych of discrete distributions related to the stable law. In: Statistics and Probability Letters. Band 18, Nr. 5, S. 349–351, doi:10.1016/0167-7152(93)90027-G.
  9. Paul Embrechts, Thomas Mikosch, Claudia Klüppelberg: Modelling extremal events (= Stochastic Modelling and Applied Probability. Band 33). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1997, ISBN 3-540-60931-8, Theorem 2.2.3, S. 71, doi:10.1007/978-3-642-33483-2.
  10. Hermann Witting, Ulrich Müller-Funk: Mathematische Statistik II. Asymptotische Statistik: Parametrische Modelle und nichtparametrische Funktionale. Teubner, Stuttgart 1995, ISBN 978-3-322-90153-8, S. 596.
  11. Beispielsweise wird Verteilungstyp in diesem nicht-technischen Sinn in den Artikeln Risikomatrix, Six Sigma, Schätzmethode (Statistik), A-priori-Wahrscheinlichkeit, Zentrales Schwankungsintervall und Zufallsstichprobe verwendet (Stand: 3. Juli 2023).