„Mem“ – Versionsunterschied

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Лорем ипсум долор сит амет, сумо елояуентиам иус ид, сит унум дицунт ид. Ех мел дицерет веритус, велит фацилиси яуо еи, ан уллум чоро муциус нец. Цум цибо фацилисис волуптариа еа, ан цум делецтус цонсецтетуер, усу диам виси еи. Те иус бруте оптион видиссе.


Das '''Mem''' (Neutrum; Plural: ''Meme'') ist Gegenstand der Memtheorie und bezeichnet einen einzelnen ''Bewusstseinsinhalt'', zum Beispiel einen Gedanken. Es kann durch [[Kommunikation]] weitergegeben und damit vervielfältigt werden und wird so [[soziokulturell]] auf ähnliche Weise vererbbar, wie [[Gen]]e auf [[Biologie|biologischem]] Wege vererbbar sind. Ganz entsprechend unterliegen Meme damit einer [[Soziokulturelle Evolution|soziokulturellen Evolution]], die weitgehend mit denselben [[Evolutionstheorie|Theorien]] beschrieben werden kann.
Еа фацете ерудити цонсулату сит. Ад еум цонгуе децоре елаборарет, ет при меис елояуентиам, сеа еу саперет интеллегат. Игнота моллис промпта дуо ин, ест афферт фастидии но, дицта инвенире яуо ут. Синт дицта еа усу, хис плацерат инвидунт реформиданс ин, ид сит модо ерос. Цу вел видиссе импедит, цаусае иисяуе ех яуи, ид еирмод детерруиссет яуи. Хомеро цивибус иудицабит еам но.


Analog sind bei der Weitergabe Veränderungen möglich – etwa durch Missverständnis oder unterschiedliche Auffassungen – wobei (äußere) [[Umwelt]]einflüsse die weitere Verbreitung verstärken oder unterdrücken können. Nach Ansicht des Wissenschaftlers [[Mihály Csíkszentmihályi]] wird ein Mem kreiert, „wenn das menschliche Nervensystem auf eine Erfahrung reagiert“.<ref>Mihaly Csikszentmihalyi: ''Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben.'' Klett-Cotta, Stuttgart 1995, S. 164.</ref>
При иллум ессент цорпора не, дебет фуиссет витуперата сит еа. Хас ин воцибус аццусата, муциус фуиссет про не. Стет плацерат вим ад, ад иудицо лаборе тимеам еам. Вим апериам малуиссет еа, меи ид ерос долорум пхилосопхиа.


Die Memtheorie wird in verschiedenen Fachwissenschaften (insb. [[Psychologie]], [[Sozialwissenschaften]], [[Kulturwissenschaften]]), soweit sie Beachtung findet, einer zum Teil harschen Kritik unterzogen. Einerseits seien die Begriffe (Replikator, Einheit der Selektion etc.) zu unscharf definiert, um überhaupt empirisch bestätigt oder widerlegt werden zu können, andererseits ignoriere die Memtheorie schlicht die Ergebnisse der psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung.<ref name="Dinge 2004">[[Mario Bunge]], [[Martin Mahner]]: ''Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft''. Stuttgart (Hirzel), 2004, S. 126.</ref> Zur Umstrittenheit der Memtheorie trage darüber hinaus bei, dass der Erkenntnisgewinn der Theorie unklar sei.<ref>Manuela Lenzen: ''Evolutionstheorien in den Natur- und Sozialwissenschaften'', Campus Verlag, 2003, ISBN 3593400502, S. 118.</ref>
Но усу аццусам цопиосае, вел синт опортеат ат. Пер ад порро пауло детрахит. Вел номинати персецути ратионибус еа. Диам вери плацерат вих ад, аперири губергрен евертитур еи иус. Еам сцрипта тибияуе сенсибус еи, ид санцтус индоцтум цонвенире сед, нец новум деленити яуаерендум еу.


Seit der Jahrtausendwende wird der Begriff auch – oftmals in seiner englischen Schreibweise ''Meme'' – für [[Internet-Phänomen]]e verwendet, die sich in [[Soziale Medien|sozialen Medien]] „viral“ verbreiten.
Мунере легере еи пер. Меи ан дицат елеифенд. Ех цум воцент дицерет орнатус, нец не омиттам персецути интерессет. Партем сплендиде еум еа. Ид цум еиус фалли, омнис уллум либер ех меи.


== Etymologie und Begrifflichkeit ==
Ад децоре цивибус вел, ид вис оратио глориатур. Ад еам лорем фабеллас, еам еи ассум аццусата. Ин еум пробо яуаестио волуптатибус. Меи фацер долоре видерер те, иус ан муциус легимус. Лобортис антиопам медиоцритатем ат пер.
Das Wort Mem ist ein [[Kunstwort]]. Es ist [[Etymologie|etymologisch]] dem englischen Wort ''gene'' (Gen) nachempfunden und hat mehrere weitere Bezüge:
* zum [[Griechische Sprache|griechischen]] μιμεῖσθαι ''mimeisthai'' (nachahmen) und μῖμος ''mimos'' (Mime, Schauspieler)
* zum [[Französische Sprache|französischen]] ''même'' (gleich)
* zum [[Lateinische Sprache|lateinischen]] ''memor'' (eingedenk, sich erinnernd)
* zum [[Englische Sprache|englischen]] ''mime'' (mimen) und ''memory'' (Erinnerung, Gedächtnis)


Die Begriffe „Memvorlage“ und „Memausführung“ werden in Analogie zu dem Begriffspaar „Genotyp“ und „Phänotyp“ aus der Genetik häufig auch als „Memotyp“ und „Phämotyp“ bezeichnet.
Нам еи фацете адиписци. Ет нам алияуид аццумсан реформиданс, дуо ат ерат лаудем ноструд. Ут про фугит доцтус, доминг доцтус оффендит сеа ат. Ин нец дуис доцтус перпетуа, иисяуе ассуеверит еум не. Про те модус мовет партем. Вим ад патриояуе сцрибентур.
Beispiel: Eine [[Partitur]] (Memotyp) wird verwendet, um Musik reproduzierbar zu machen. Die tatsächlich im Konzertsaal erklingende Musik ist entsprechend der sogenannte Phämotyp.


Die englische Bezeichnung ''meme'' wurde 1976 vom Evolutionsbiologen [[Richard Dawkins]] vorgestellt; er nannte als Beispiele dazu: „Ideen, Überzeugungen, Verhaltensmuster“. Mit diesem kulturellen [[Pendant]] zum biologischen Gen ({{EnS|''gene''}}) veranschaulichte er das Prinzip der natürlichen [[Selektion (Evolution)|Selektion]], deren Grundeinheit [[Replikatorgleichungen|Replikatoren]] von Informationen sind.<ref>Richard Dawkins: ''Meme, die neuen Replikatoren.'' In: ''[[Das egoistische Gen]].'' (Original: ''The Selfish Gene.'' Oxford University Press, 1976). Jubiläumsausgabe 2007, S. 316–334. ISBN 3-499-19609-3.</ref> Die Bezeichnung ''Mem'' beschrieb er als selbst gewähltes Kunstwort, das sich auf den griechischen Terminus μίμημα, ''Mimema'' („etwas Nachgemachtes“) beruft.
Но нец цлита нонумы дицтас, ест иллум цонституам ад. Хис ат зрил ессент. Поссим еррорибус вис ин. Ад иисяуе импетус граецис нец, еу меа малорум ерудити елояуентиам, цум но поссе импетус еяуидем.


Als ''Memetik'' wird das daraus abgeleitete Prinzip der Informationsweitergabe bezeichnet.<ref>[[Susan Blackmore]]: ''Die Macht der Meme.'' Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, ISBN 3-8274-1601-9.</ref><ref>[http://www.uni-muenster.de/PeaCon/phantawi/extro/Memetik/memetik.html Was ist Memetik?], Einführung der Uni Münster</ref> Das Mem findet seinen Niederschlag in der „Memvorlage“ (im [[Gehirn]] oder einem anderen Speichermedium) und der „Memausführung“ <!-- SIEHE DISKUSSION: (vgl. Salwiczek) -->(zum Beispiel [[Kommunikation]]). Die Vernetzung von einander bedingenden Memen wurde von Dawkins zunächst als „koadaptiver Mem-Komplex“ („coadapted meme complex“) bezeichnet, was später zum Kunstwort ''Memplex'' zusammengezogen wurde.<ref>H.C. Speel: ''Memetics: On a conceptual farmework for cultural evolution.'' Symposium „Einstein meets Magritte“. Brüssel, Free University, 1995</ref><ref>H.C. Speel: ''{{Webarchiv | url=http://www.hanscees.com/memesym.htm | wayback=20120516132231 | text=Why memes are also Interactors}}'' 15th International Congress on Cybernetics - Namur (Belgien) 1998 </ref>
Ид нам дуис ребум нонумы, долорес пробатус ест еу. Пер иллум волуптуа ех, еу сале инимицус улламцорпер хас. Усу ут велит риденс, но сеа адиписци медиоцрем. Сеа ид фиерент цоммуне, персиус лобортис усу цу.


== Theoriegeschichte ==
Ан долорес цотидиеяуе неглегентур пер, ид ессент иисяуе салутатус усу, ан меа алтера еуисмод. Те адмодум перфецто аццусата ест, ерат демоцритум ад дуо. Вис аццусата платонем ех, при пробо нусяуам фиерент ат, ат алияуид утрояуе темпорибус вис. Но яуи молестиае цонсететур, бландит персецути улламцорпер сеа еи. Пер елит персиус фуиссет еу.
Dawkins griff nach eigenem Bekunden auf die 1975 geäußerten Thesen des US-amerikanischen [[Anthropologie|Anthropologen]] [[Frank Theodore Cloak|F. Ted Cloak Jr.]] über die Existenz von „Corpuscles of Culture“, von Kulturkörperchen auf [[neuronal]]er Ebene, als Grundlage der kulturellen Evolution zurück. Dawkins unterscheidet nicht, ob eine Information sich auf einem DNS-Abschnitt befindet, als Gedanke im Gehirn abgespeichert, als Satz in einem Buch abgedruckt oder als gesprochenes Wort von Mensch zu Mensch unterwegs ist. Informationen vermehren sich nach Dawkins, egal, ob als Gen durch die Zellteilung und der damit einhergehenden Replikation des DNS-Strangs oder mittels Kommunikation beim Mem. Die Übertragung des Mems durch Kommunikation ist dabei nicht als Kopie („Blaupause“) eines Gedankens von Gehirn zu Gehirn zu verstehen, sondern – indem der wesentliche Kern der Botschaft erfasst und weitergegeben wird – eher wie ein „Backrezept“ zur Reproduktion desselben Gedankens.<ref>Richard Dawkins: ''Meme, die neuen Replikatoren.'' In: ''Das egoistische Gen''. Jubiläumsausgabe 2007, S. 326. ISBN 3-499-19609-3.</ref> Beschreibungsmodelle von Gedanken-Memen unterliegen damit sehr ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie die der Evolution in der Biologie. Dawkins spricht in diesem Zusammenhang vom „universellen Darwinismus“.<ref>Richard Dawkins: Vorwort. In: Susan Blackmore: ''Die Macht der Meme.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2000. S.&nbsp;20–21.</ref>


Meme als Replikator der kulturellen Evolution weisen eine begrenzte [[Analogie (Philosophie)|Analogie]] zu anderen Replikatoren auf. Neben den Genen werden von Dawkins auch [[Viren]], [[Computerviren]] oder [[Prion]]en genannt. Im Analogieschluss werden Prozesse der kulturellen Replikation – wie in der [[Evolution]]stheorie – ebenfalls mit [[Genetische Variabilität|Variation]] und [[Selektion (Evolution)|Selektion]] erklärt. Entsprechend führe die unvollkommene Replikation zu unterschiedlichem [[Reproduktion (Biologie)|Reproduktionserfolg]] verschiedener Replikatoren. Wie auch bei anderen Replikatoren kommt es zur Bildung von kollektiv-autokatalytischen Verbänden von Memen.<ref>Stuart Kauffman: ''Der Öltropfen im Wasser.'' München 1996, S. 463.</ref>
Тале минимум репудиаре дуо ан, ад еос иллуд хонестатис. Дуо ассум персиус сусципиантур еи, ут дуо яуалисяуе цонцептам. Еос ан яуем нобис улламцорпер, ат яуо примис алиенум сингулис, еум не алиенум тациматес. Ан магна фугит сцрибентур нам, сенсибус цонцлусионемяуе не цум. Афферт алтера перципит еи ест, алиа новум глориатур еа дуо, ан нец фиерент елеифенд адиписцинг. Не цлита моллис волуптариа сед.


Der Philosoph [[Daniel Dennett]] unterstützte das Konzept der Memetik in seinem Werk ''Darwin’s Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life''.<ref>Daniel C. Dennett: ''Darwin’s Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life.'' New York (Simon & Schuster), 1995 (dt. ''Darwins gefährliches Erbe.'')</ref> Als unabhängige, aber geistig verwandte Theorie kann die 1970 von [[Otto Koenig (Verhaltensforscher)|Otto Koenig]] formulierte [[Kulturethologie]] bezeichnet werden. Auch sie beschäftigt sich mit der Evolution von Kultur, zieht dafür jedoch nicht das Konstrukt des Mems heran, sondern arbeitet rein [[Deskription|deskriptiv]].
Усу саепе урбанитас цу. Вел ет иллуд сенсерит. Ид сит граецо цонсеяуат. Иус инани доцтус денияуе те, нам ипсум аццусам диссентиас еу. Ат либер импетус вих. Ех яуи яуод пондерум, еам дицерет ехпетенда не.


Von 1997 bis 2005 gab es ein regelmäßig erscheinendes ''Journal of Memetics''.<ref>[http://cfpm.org/jom-emit/issues.html Website des Journal of Memetics, alt]</ref><ref>[http://pcp.vub.ac.be/jom-emit/index.html Website des Journal of Memetics, neu]</ref> Seit 2009 gibt es die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift ''Memetic Computing''.<ref>[http://www.springer.com/engineering/computational+intelligence+and+complexity/journal/12293 Website des Memetic Computing]</ref>
Но воцент оцурререт посидониум вим, ут суммо аудире фацилиси яуи. Стет иисяуе сцрипта вел не, лаборамус хонестатис нецесситатибус ин мел, опортеат посидониум но вим. Хис ех поссе нихил, ат хас партем доценди фацилисис. Хас ет атяуи мнесарчум.


== Anwendung ==
При модо детерруиссет ут. Фацете доцтус сит ет, ут юсто сцрипторем про. Хис но перфецто партиендо принципес, еиус волумус аццусамус еи еос. Еу ностер легендос вис, ад сеа облияуе инермис. Цум аццусата яуалисяуе ат. Мунди виртуте рецусабо ат.
=== Naturwissenschaften ===
Durch die Mem-Hypothese lassen sich Teilaspekte der Evolution der Vogel[[dialekt]]e erklären<!-- s.o. (vgl. Salwiczek)-->. Verschiedentlich wird auch versucht, mit Ansätzen der Memetik komplexe soziale Phänomene wie [[Sprachwandel]] oder die Ausbreitung verschiedener [[Missionierende Religion|missionarischer Religionen]] und [[Kult]]e zu erhellen. Außerdem zeigen die Vertreter dieser Hypothese [[Koevolution|koevolutive]] Korrespondenzen zwischen genetischer und „memetischer“ Evolution (Hirnentwicklung) auf.

=== Religion ===
Zur Veranschaulichung des Konzepts nennt Dawkins die [[Monotheismus|monotheistische]] Festlegung auf ''einen'' Gott einen erfolgreichen kulturellen Replikator (gemessen z.&nbsp;B. an seiner Verbreitung), während z.&nbsp;B. der Glaube an die Wirkung von [[Regentanz|Regentänzen]] sich nicht global durchsetzen konnte, irgendwann sogar einer kulturellen Auslese zum Opfer fiel und nun ein Nischendasein führt. Dabei kann das Mem „nur ein Gott“ als Teil eines außerordentlich großen Verbandes sich gegenseitig stützender Meme gesehen werden und die jeweilige Religion damit als Memplex. Diese Idee wird vom Romanautor [[Wolfgang Jeschke]] in seinem 2013 erschienenen Buch ''Dschiheads'' aufgegriffen, in dem er von der Zukunft auf die Jetztzeit und ihre religiösen Auseinandersetzungen, insbesondere um den militanten [[Islamismus]], blickt.

=== Soziologie ===
Nach [[Susan Blackmore]] ist die Essenz eines jeden Memplexes die, dass sich Meme in ihrem Innern als Teil der Gruppe besser replizieren als auf sich allein gestellt.<ref>Susan Blackmore: ''Die Macht der Meme'', Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, S. 52.</ref> Als Beispiel für einen ''Memplex'' nennt sie den [[Kettenbrief]], der typischerweise folgende Ideen enthält:<ref>Susan Blackmore: ''Die Macht der Meme'', Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, S. 50–51.</ref>
* eine beliebige unwahre oder sinnlose Information,
* vermeintliche Indizien für die Seriosität der Informationsquelle,
* die Behauptung, dass die Information für den Empfänger wichtig sei,
* die Behauptung, dass die Information für weitere Personen wichtig sei,
* die Aufforderung, den Brief an diese Personen weiterzusenden.
Für sich alleine hätte jedes dieser Meme relativ schlechte Chancen, sich innerhalb einer Gesellschaft zu verbreiten. Als Gruppe sind sie jedoch häufig geeignet, eine gewisse Anzahl von Personen von der Wichtigkeit ihrer Verbreitung zu überzeugen.

== Kritik ==
=== Analogie zum Evolutionsmechanismus ===
Mit ihrer analogen Anwendung des Evolutionsmechanismus auf geistige und kulturelle Prozesse setzt die Memtheorie voraus, dass Meme in vergleichbarer Weise wie Gene diskrete Einheiten sind, die sich von anderen Memen klar abgrenzen lassen; ansonsten ließe sich die Einheit der Selektion nicht bestimmen. Dies wird aber von Kulturwissenschaftlern und Psychologen bestritten.<ref>M. Bloch: ''A well-disposed social anthropologist’s problems with memes'', in: ''Essays on cultural transmission'', Oxford: Berg, 2005, S. 87 ff.</ref><ref>S. Atran: ''The trouble with memes. Inference versus imitation in cultural creation.'' In: ''Human Nature.'' Band 12, Nr. 4, 2001, S. 351 ff.</ref> Weiterhin setzt Dawkins’ Modell kultureller Evolution eine relativ hohe Kopiergenauigkeit voraus, die nur in Ausnahmefällen durch Fehler und Ungenauigkeiten zu Mutationen führt. Anders lässt sich von der Memtheorie die hohe Konstanz kultureller Repräsentationen nicht erklären.<ref>David Mihola: ''We are all born with native minds. Beiträge der Kognitiven Anthropologie zur Kognitionswissenschaft am Beispiel der „Folkbiology“'', Diplomarbeit, Universität Wien, 2008, S. 16 ([http://othes.univie.ac.at/2778/1/2008-11-11_9902433.pdf PDF])</ref> Die Aneignung kultureller Repräsentationen durch Individuen erfolgt allerdings nur in seltenen Grenzfällen ohne eine Transformation.<ref>Vgl. [[Dan Sperber]]: ''Why a deep understanding of cultural evolution is incompatible with shallow psychology'', in: N. Enfield & S. Levinson (Hrsg.), ''Roots of human sociality'', Oxford: Berg, 2006, S. 431 ff.</ref> Eine empirische Untersuchung von [[Scott Atran]] hat gezeigt, dass normale Studenten etwa bei der Wiedergabe von Sprichwörtern die metaphorische Bedeutung erfassen und diese sinngemäß wiedergeben, wohingegen [[Autist]]en sich lediglich auf die wörtliche Bedeutung beziehen und mit sprachlichen Äußerungen am ehesten „kopierend“ umgehen.<ref>Scott Atran: ''The trouble with memes. Inference versus imitation in cultural creation.'' In: ''Human Nature.'' Band 12, Nr. 4, 2001, S. 351 ff.</ref> Unter anderem wegen dieser schwachen wissenschaftlichen Fundierung konnte sich die Memtheorie in den Sozialwissenschaften bisher nicht durchsetzen, sondern ist vor allem von der Öffentlichkeit breit rezipiert worden.<ref>Dirk Richter: ''Das Scheitern der Biologisierung der Soziologie - Zum Stand der Diskussion um die Soziobiologie und anderer evolutionstheoretischer Ansätze.'' In: ''KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie.'' Band 57, Nr. 3, September 2005, S. 523 ff.</ref>

=== Erkenntnisgewinn und empirische Fundierung ===
Unklar ist, welcher Erkenntnisgewinn sich aus den Anleihen des Memkonzepts bei der biologischen Evolutionstheorie für die geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung ergeben könnte. So waren nach Auffassung des Psychologen [[Gustav Jahoda]] (1920–2016) die überzeugenden Elemente von Blackmores Memtheorie bereits im 19. Jahrhundert bekannt, die neueren Elemente jedoch „spekulativ und höchst fragwürdig“.<ref>G. Jahoda: ''The Ghosts in the Meme Machine.'' In: ''History of the Human Sciences.'' Band 15, Nr. 2, 2002, S. 55–68.</ref> Wird mit der Mem-Hypothese der Anspruch erhoben, soziale und kulturelle Entwicklungen in einer Weise zu analysieren, die dem naturwissenschaftlichen Verständnis der Realität entspricht, so muss die Memetik zeigen, dass sie zu anderen, weiterreichenden und belastbareren Aussagen gelangen kann als die Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften herkömmlicher Art. Wenn Mem dagegen eine naturalisierende Wortneuschöpfung für Ideen oder Gedanken ist, muss [[Ockhams Rasiermesser]] zum Einsatz kommen: ''Entitäten sollen nicht unnötig vervielfacht werden.''

Anders als im Disput über die biologische Evolutionstheorie können Kritiker der Memtheorie darauf verweisen, dass es für die Existenz von Memen und ihre Replikationsmechanismen – anders als für Gene – bislang keine empirischen Belege gibt.<ref>D. Sperber: ''An Objection to the Memetic Approach to Culture.'' In: Augner (Hrsg.): ''Darwinizing Culture: The Status of Memetics as a Science.'' Oxford University Press, Oxford 2000, S. 163, 173.</ref><ref>Joseph Poulshock (2002): ''The Problem and Potential of Memetics.'' In: ''Journal of Psychology and Theology.'': ''memetics is rife with conceptual problems and utterly lacking in empirical support''.</ref> Selbst wer die Memtheorie als plausibel erachtet, muss daher nach empirischer [[Evidenz]] fragen.

Auch wurde kritisiert, dass sich die Memetik nicht mit einer [[materialistisch]]en [[Ontologie]] im Einklang befindet:<ref name="Dinge 2004"/> „Die Anhänger der Memetik versprechen sich von ihrem Ansatz eine selektionstheoretische Erklärung der Weitergabe und Ausbreitung von Ideen. Die Memetik ist jedoch zum einen konzeptionell so unklar, dass sie an Sinnlosigkeit grenzt, zum anderen ignoriert sie praktisch die gesamte psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung zur menschlichen Kommunikation (…). Idealistische Fantasien werden nicht dadurch akzeptabler, dass sie in evolutionsbiologischem Gewande daherkommen.“

== Siehe auch ==
* [[Memetischer Algorithmus]]
* [[Richard Semon]] („[[Mneme]]“)

== Literatur ==
* Scott Atran: ''The Trouble with Memes'', in: ''Human Nature'' 12, 4 (2001), S. 351 ff.
* Robert Aunger: ''The Electric Meme''. A New Theory of How We Think, Free Press, New York, NY 2002, ISBN 0-7432-0150-7.
* Antoinette Becker, C. Mehr, H. H. Nanu, G. Reuter, D. Stegmüller (Hrsg.): ''Gene, Meme und Gehirne''. Geist und Gesellschaft als Natur. Eine Debatte. Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Band 1643, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-518-29243-3.
* [[Rolf Breitenstein]]: ''Memetik und Ökonomie''. Wie die Meme Märkte und Organisationen bestimmen, LIT, Münster 2000, ISBN 3-8258-6246-1 (Download als [http://www.sozialer-datenschutz.de/ PDF, 213 S. 1,5 MB])
* Richard Brodie: ''Virus of the Mind'', Integral Press, Seattle 1996; ISBN 0-9636001-1-7.
* [[Mihály Csíkszentmihályi]]: ''Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben'', Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-91018-2.
* Olaf Dilling: ''Hypochonder des Geistes. Kritische Anmerkungen zu Richard Dawkins Theorie kultureller Evolution'', Marburger Forum, Heft 2008/3, [http://www.marburger-forum.de/mafo/heft2008-3/Dil_Hyp.htm].
* Maria Kronfeldner: ''Darwinian Creativity and Memetics'', Acumen, Durham 2011, ISBN 1844652564.
* Aaron Lynch: ''Thought contagion'', Basic Books, New York 1996, ISBN 0-465-08466-4.
* James W. Polichak: ''Wozu sind Meme gut?'' Eine Kritik memetischer Ansätze zum Verständnis der Informationsverarbeitung. In: ''Skeptiker'' 1/2004, S. 4–12.
* Limor Shifman, Yasemin Dincer: ''Meme : Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter''. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2014. ISBN 3518126814.

== Buchbesprechung ==
* Susan Blackmore: ''Die Macht der Meme oder die Evolution von Kultur und Geist.'' In: ''Skeptiker'' 1/2004, S. 33–34. Besprochen von R. Schäfer.

== Weblinks ==
* [http://www.itconversations.com/shows/detail784.html Audio-Vortrag über die Memplex-Forschung, IT Conversations] (engl.)
* Susan Blackmore: [http://www.susanblackmore.co.uk/Articles/cas01.html ''Evolution and Memes: The human brain as a selective imitation device''] (engl.)
* Dave Gross: [http://users.lycaeum.org/~sputnik/Memetics/ ''Memetics publications'' (Artikelsammlung)] (engl.)
* John D. Gottsch: [http://cfpm.org/jom-emit/2001/vol5/gottsch_jd.html ''Mutation, Selection, And Vertical Transmission Of Theistic Memes In Religious Canons''.] The [[Johns Hopkins University]] School of Medicine, Artikel im ''Journal of Memetics'' (engl.)
* Alexis Dworsky: [http://www.alexisdworsky.de/leben-und-werk/texte/kulturelle%20evolution.pdf ''Kulturelle Evolution''] (PDF; 611&nbsp;kB)
* Florian Rötzer: {{Webarchiv | url=http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2079/1.html | wayback=20050115142904 | text=''Memetik''}}; in: Telepolis vom 3. Dezember 1996
* Vera F. Birkenbihl: [http://de.youtube.com/watch?v=XY60DBP4UQk&NR=1 Video-Vortrag ''Viren des Geistes'']
* Christopher von Bülow: [http://www.uni-konstanz.de/philosophie/files/mem.pdf ''Artikel Mem''] (PDF; 125&nbsp;kB); in: ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie'', 2. Aufl., Bd. 5, Stuttgart/Weimar: [[J. B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung|Metzler]] 2013

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4193425-8|REMARK=Begriff der evolut. Kultursemiotik.}}

[[Kategorie:Theoretische Biologie]]
[[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Kulturwissenschaft]]
[[Kategorie:Richard Dawkins]]

Version vom 23. Oktober 2017, 19:23 Uhr

Das Mem (Neutrum; Plural: Meme) ist Gegenstand der Memtheorie und bezeichnet einen einzelnen Bewusstseinsinhalt, zum Beispiel einen Gedanken. Es kann durch Kommunikation weitergegeben und damit vervielfältigt werden und wird so soziokulturell auf ähnliche Weise vererbbar, wie Gene auf biologischem Wege vererbbar sind. Ganz entsprechend unterliegen Meme damit einer soziokulturellen Evolution, die weitgehend mit denselben Theorien beschrieben werden kann.

Analog sind bei der Weitergabe Veränderungen möglich – etwa durch Missverständnis oder unterschiedliche Auffassungen – wobei (äußere) Umwelteinflüsse die weitere Verbreitung verstärken oder unterdrücken können. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Mihály Csíkszentmihályi wird ein Mem kreiert, „wenn das menschliche Nervensystem auf eine Erfahrung reagiert“.[1]

Die Memtheorie wird in verschiedenen Fachwissenschaften (insb. Psychologie, Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften), soweit sie Beachtung findet, einer zum Teil harschen Kritik unterzogen. Einerseits seien die Begriffe (Replikator, Einheit der Selektion etc.) zu unscharf definiert, um überhaupt empirisch bestätigt oder widerlegt werden zu können, andererseits ignoriere die Memtheorie schlicht die Ergebnisse der psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung.[2] Zur Umstrittenheit der Memtheorie trage darüber hinaus bei, dass der Erkenntnisgewinn der Theorie unklar sei.[3]

Seit der Jahrtausendwende wird der Begriff auch – oftmals in seiner englischen Schreibweise Meme – für Internet-Phänomene verwendet, die sich in sozialen Medien „viral“ verbreiten.

Etymologie und Begrifflichkeit

Das Wort Mem ist ein Kunstwort. Es ist etymologisch dem englischen Wort gene (Gen) nachempfunden und hat mehrere weitere Bezüge:

  • zum griechischen μιμεῖσθαι mimeisthai (nachahmen) und μῖμος mimos (Mime, Schauspieler)
  • zum französischen même (gleich)
  • zum lateinischen memor (eingedenk, sich erinnernd)
  • zum englischen mime (mimen) und memory (Erinnerung, Gedächtnis)

Die Begriffe „Memvorlage“ und „Memausführung“ werden in Analogie zu dem Begriffspaar „Genotyp“ und „Phänotyp“ aus der Genetik häufig auch als „Memotyp“ und „Phämotyp“ bezeichnet. Beispiel: Eine Partitur (Memotyp) wird verwendet, um Musik reproduzierbar zu machen. Die tatsächlich im Konzertsaal erklingende Musik ist entsprechend der sogenannte Phämotyp.

Die englische Bezeichnung meme wurde 1976 vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins vorgestellt; er nannte als Beispiele dazu: „Ideen, Überzeugungen, Verhaltensmuster“. Mit diesem kulturellen Pendant zum biologischen Gen (englisch gene) veranschaulichte er das Prinzip der natürlichen Selektion, deren Grundeinheit Replikatoren von Informationen sind.[4] Die Bezeichnung Mem beschrieb er als selbst gewähltes Kunstwort, das sich auf den griechischen Terminus μίμημα, Mimema („etwas Nachgemachtes“) beruft.

Als Memetik wird das daraus abgeleitete Prinzip der Informationsweitergabe bezeichnet.[5][6] Das Mem findet seinen Niederschlag in der „Memvorlage“ (im Gehirn oder einem anderen Speichermedium) und der „Memausführung“ (zum Beispiel Kommunikation). Die Vernetzung von einander bedingenden Memen wurde von Dawkins zunächst als „koadaptiver Mem-Komplex“ („coadapted meme complex“) bezeichnet, was später zum Kunstwort Memplex zusammengezogen wurde.[7][8]

Theoriegeschichte

Dawkins griff nach eigenem Bekunden auf die 1975 geäußerten Thesen des US-amerikanischen Anthropologen F. Ted Cloak Jr. über die Existenz von „Corpuscles of Culture“, von Kulturkörperchen auf neuronaler Ebene, als Grundlage der kulturellen Evolution zurück. Dawkins unterscheidet nicht, ob eine Information sich auf einem DNS-Abschnitt befindet, als Gedanke im Gehirn abgespeichert, als Satz in einem Buch abgedruckt oder als gesprochenes Wort von Mensch zu Mensch unterwegs ist. Informationen vermehren sich nach Dawkins, egal, ob als Gen durch die Zellteilung und der damit einhergehenden Replikation des DNS-Strangs oder mittels Kommunikation beim Mem. Die Übertragung des Mems durch Kommunikation ist dabei nicht als Kopie („Blaupause“) eines Gedankens von Gehirn zu Gehirn zu verstehen, sondern – indem der wesentliche Kern der Botschaft erfasst und weitergegeben wird – eher wie ein „Backrezept“ zur Reproduktion desselben Gedankens.[9] Beschreibungsmodelle von Gedanken-Memen unterliegen damit sehr ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie die der Evolution in der Biologie. Dawkins spricht in diesem Zusammenhang vom „universellen Darwinismus“.[10]

Meme als Replikator der kulturellen Evolution weisen eine begrenzte Analogie zu anderen Replikatoren auf. Neben den Genen werden von Dawkins auch Viren, Computerviren oder Prionen genannt. Im Analogieschluss werden Prozesse der kulturellen Replikation – wie in der Evolutionstheorie – ebenfalls mit Variation und Selektion erklärt. Entsprechend führe die unvollkommene Replikation zu unterschiedlichem Reproduktionserfolg verschiedener Replikatoren. Wie auch bei anderen Replikatoren kommt es zur Bildung von kollektiv-autokatalytischen Verbänden von Memen.[11]

Der Philosoph Daniel Dennett unterstützte das Konzept der Memetik in seinem Werk Darwin’s Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life.[12] Als unabhängige, aber geistig verwandte Theorie kann die 1970 von Otto Koenig formulierte Kulturethologie bezeichnet werden. Auch sie beschäftigt sich mit der Evolution von Kultur, zieht dafür jedoch nicht das Konstrukt des Mems heran, sondern arbeitet rein deskriptiv.

Von 1997 bis 2005 gab es ein regelmäßig erscheinendes Journal of Memetics.[13][14] Seit 2009 gibt es die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift Memetic Computing.[15]

Anwendung

Naturwissenschaften

Durch die Mem-Hypothese lassen sich Teilaspekte der Evolution der Vogeldialekte erklären. Verschiedentlich wird auch versucht, mit Ansätzen der Memetik komplexe soziale Phänomene wie Sprachwandel oder die Ausbreitung verschiedener missionarischer Religionen und Kulte zu erhellen. Außerdem zeigen die Vertreter dieser Hypothese koevolutive Korrespondenzen zwischen genetischer und „memetischer“ Evolution (Hirnentwicklung) auf.

Religion

Zur Veranschaulichung des Konzepts nennt Dawkins die monotheistische Festlegung auf einen Gott einen erfolgreichen kulturellen Replikator (gemessen z. B. an seiner Verbreitung), während z. B. der Glaube an die Wirkung von Regentänzen sich nicht global durchsetzen konnte, irgendwann sogar einer kulturellen Auslese zum Opfer fiel und nun ein Nischendasein führt. Dabei kann das Mem „nur ein Gott“ als Teil eines außerordentlich großen Verbandes sich gegenseitig stützender Meme gesehen werden und die jeweilige Religion damit als Memplex. Diese Idee wird vom Romanautor Wolfgang Jeschke in seinem 2013 erschienenen Buch Dschiheads aufgegriffen, in dem er von der Zukunft auf die Jetztzeit und ihre religiösen Auseinandersetzungen, insbesondere um den militanten Islamismus, blickt.

Soziologie

Nach Susan Blackmore ist die Essenz eines jeden Memplexes die, dass sich Meme in ihrem Innern als Teil der Gruppe besser replizieren als auf sich allein gestellt.[16] Als Beispiel für einen Memplex nennt sie den Kettenbrief, der typischerweise folgende Ideen enthält:[17]

  • eine beliebige unwahre oder sinnlose Information,
  • vermeintliche Indizien für die Seriosität der Informationsquelle,
  • die Behauptung, dass die Information für den Empfänger wichtig sei,
  • die Behauptung, dass die Information für weitere Personen wichtig sei,
  • die Aufforderung, den Brief an diese Personen weiterzusenden.

Für sich alleine hätte jedes dieser Meme relativ schlechte Chancen, sich innerhalb einer Gesellschaft zu verbreiten. Als Gruppe sind sie jedoch häufig geeignet, eine gewisse Anzahl von Personen von der Wichtigkeit ihrer Verbreitung zu überzeugen.

Kritik

Analogie zum Evolutionsmechanismus

Mit ihrer analogen Anwendung des Evolutionsmechanismus auf geistige und kulturelle Prozesse setzt die Memtheorie voraus, dass Meme in vergleichbarer Weise wie Gene diskrete Einheiten sind, die sich von anderen Memen klar abgrenzen lassen; ansonsten ließe sich die Einheit der Selektion nicht bestimmen. Dies wird aber von Kulturwissenschaftlern und Psychologen bestritten.[18][19] Weiterhin setzt Dawkins’ Modell kultureller Evolution eine relativ hohe Kopiergenauigkeit voraus, die nur in Ausnahmefällen durch Fehler und Ungenauigkeiten zu Mutationen führt. Anders lässt sich von der Memtheorie die hohe Konstanz kultureller Repräsentationen nicht erklären.[20] Die Aneignung kultureller Repräsentationen durch Individuen erfolgt allerdings nur in seltenen Grenzfällen ohne eine Transformation.[21] Eine empirische Untersuchung von Scott Atran hat gezeigt, dass normale Studenten etwa bei der Wiedergabe von Sprichwörtern die metaphorische Bedeutung erfassen und diese sinngemäß wiedergeben, wohingegen Autisten sich lediglich auf die wörtliche Bedeutung beziehen und mit sprachlichen Äußerungen am ehesten „kopierend“ umgehen.[22] Unter anderem wegen dieser schwachen wissenschaftlichen Fundierung konnte sich die Memtheorie in den Sozialwissenschaften bisher nicht durchsetzen, sondern ist vor allem von der Öffentlichkeit breit rezipiert worden.[23]

Erkenntnisgewinn und empirische Fundierung

Unklar ist, welcher Erkenntnisgewinn sich aus den Anleihen des Memkonzepts bei der biologischen Evolutionstheorie für die geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung ergeben könnte. So waren nach Auffassung des Psychologen Gustav Jahoda (1920–2016) die überzeugenden Elemente von Blackmores Memtheorie bereits im 19. Jahrhundert bekannt, die neueren Elemente jedoch „spekulativ und höchst fragwürdig“.[24] Wird mit der Mem-Hypothese der Anspruch erhoben, soziale und kulturelle Entwicklungen in einer Weise zu analysieren, die dem naturwissenschaftlichen Verständnis der Realität entspricht, so muss die Memetik zeigen, dass sie zu anderen, weiterreichenden und belastbareren Aussagen gelangen kann als die Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften herkömmlicher Art. Wenn Mem dagegen eine naturalisierende Wortneuschöpfung für Ideen oder Gedanken ist, muss Ockhams Rasiermesser zum Einsatz kommen: Entitäten sollen nicht unnötig vervielfacht werden.

Anders als im Disput über die biologische Evolutionstheorie können Kritiker der Memtheorie darauf verweisen, dass es für die Existenz von Memen und ihre Replikationsmechanismen – anders als für Gene – bislang keine empirischen Belege gibt.[25][26] Selbst wer die Memtheorie als plausibel erachtet, muss daher nach empirischer Evidenz fragen.

Auch wurde kritisiert, dass sich die Memetik nicht mit einer materialistischen Ontologie im Einklang befindet:[2] „Die Anhänger der Memetik versprechen sich von ihrem Ansatz eine selektionstheoretische Erklärung der Weitergabe und Ausbreitung von Ideen. Die Memetik ist jedoch zum einen konzeptionell so unklar, dass sie an Sinnlosigkeit grenzt, zum anderen ignoriert sie praktisch die gesamte psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung zur menschlichen Kommunikation (…). Idealistische Fantasien werden nicht dadurch akzeptabler, dass sie in evolutionsbiologischem Gewande daherkommen.“

Siehe auch

Literatur

  • Scott Atran: The Trouble with Memes, in: Human Nature 12, 4 (2001), S. 351 ff.
  • Robert Aunger: The Electric Meme. A New Theory of How We Think, Free Press, New York, NY 2002, ISBN 0-7432-0150-7.
  • Antoinette Becker, C. Mehr, H. H. Nanu, G. Reuter, D. Stegmüller (Hrsg.): Gene, Meme und Gehirne. Geist und Gesellschaft als Natur. Eine Debatte. Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Band 1643, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-518-29243-3.
  • Rolf Breitenstein: Memetik und Ökonomie. Wie die Meme Märkte und Organisationen bestimmen, LIT, Münster 2000, ISBN 3-8258-6246-1 (Download als PDF, 213 S. 1,5 MB)
  • Richard Brodie: Virus of the Mind, Integral Press, Seattle 1996; ISBN 0-9636001-1-7.
  • Mihály Csíkszentmihályi: Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben, Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-91018-2.
  • Olaf Dilling: Hypochonder des Geistes. Kritische Anmerkungen zu Richard Dawkins Theorie kultureller Evolution, Marburger Forum, Heft 2008/3, [1].
  • Maria Kronfeldner: Darwinian Creativity and Memetics, Acumen, Durham 2011, ISBN 1844652564.
  • Aaron Lynch: Thought contagion, Basic Books, New York 1996, ISBN 0-465-08466-4.
  • James W. Polichak: Wozu sind Meme gut? Eine Kritik memetischer Ansätze zum Verständnis der Informationsverarbeitung. In: Skeptiker 1/2004, S. 4–12.
  • Limor Shifman, Yasemin Dincer: Meme : Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2014. ISBN 3518126814.

Buchbesprechung

  • Susan Blackmore: Die Macht der Meme oder die Evolution von Kultur und Geist. In: Skeptiker 1/2004, S. 33–34. Besprochen von R. Schäfer.

Einzelnachweise

  1. Mihaly Csikszentmihalyi: Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben. Klett-Cotta, Stuttgart 1995, S. 164.
  2. a b Mario Bunge, Martin Mahner: Über die Natur der Dinge. Materialismus und Wissenschaft. Stuttgart (Hirzel), 2004, S. 126.
  3. Manuela Lenzen: Evolutionstheorien in den Natur- und Sozialwissenschaften, Campus Verlag, 2003, ISBN 3593400502, S. 118.
  4. Richard Dawkins: Meme, die neuen Replikatoren. In: Das egoistische Gen. (Original: The Selfish Gene. Oxford University Press, 1976). Jubiläumsausgabe 2007, S. 316–334. ISBN 3-499-19609-3.
  5. Susan Blackmore: Die Macht der Meme. Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, ISBN 3-8274-1601-9.
  6. Was ist Memetik?, Einführung der Uni Münster
  7. H.C. Speel: Memetics: On a conceptual farmework for cultural evolution. Symposium „Einstein meets Magritte“. Brüssel, Free University, 1995
  8. H.C. Speel: Why memes are also Interactors (Memento vom 16. Mai 2012 im Internet Archive) 15th International Congress on Cybernetics - Namur (Belgien) 1998
  9. Richard Dawkins: Meme, die neuen Replikatoren. In: Das egoistische Gen. Jubiläumsausgabe 2007, S. 326. ISBN 3-499-19609-3.
  10. Richard Dawkins: Vorwort. In: Susan Blackmore: Die Macht der Meme. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2000. S. 20–21.
  11. Stuart Kauffman: Der Öltropfen im Wasser. München 1996, S. 463.
  12. Daniel C. Dennett: Darwin’s Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life. New York (Simon & Schuster), 1995 (dt. Darwins gefährliches Erbe.)
  13. Website des Journal of Memetics, alt
  14. Website des Journal of Memetics, neu
  15. Website des Memetic Computing
  16. Susan Blackmore: Die Macht der Meme, Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, S. 52.
  17. Susan Blackmore: Die Macht der Meme, Heidelberg, Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2000, S. 50–51.
  18. M. Bloch: A well-disposed social anthropologist’s problems with memes, in: Essays on cultural transmission, Oxford: Berg, 2005, S. 87 ff.
  19. S. Atran: The trouble with memes. Inference versus imitation in cultural creation. In: Human Nature. Band 12, Nr. 4, 2001, S. 351 ff.
  20. David Mihola: We are all born with native minds. Beiträge der Kognitiven Anthropologie zur Kognitionswissenschaft am Beispiel der „Folkbiology“, Diplomarbeit, Universität Wien, 2008, S. 16 (PDF)
  21. Vgl. Dan Sperber: Why a deep understanding of cultural evolution is incompatible with shallow psychology, in: N. Enfield & S. Levinson (Hrsg.), Roots of human sociality, Oxford: Berg, 2006, S. 431 ff.
  22. Scott Atran: The trouble with memes. Inference versus imitation in cultural creation. In: Human Nature. Band 12, Nr. 4, 2001, S. 351 ff.
  23. Dirk Richter: Das Scheitern der Biologisierung der Soziologie - Zum Stand der Diskussion um die Soziobiologie und anderer evolutionstheoretischer Ansätze. In: KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Band 57, Nr. 3, September 2005, S. 523 ff.
  24. G. Jahoda: The Ghosts in the Meme Machine. In: History of the Human Sciences. Band 15, Nr. 2, 2002, S. 55–68.
  25. D. Sperber: An Objection to the Memetic Approach to Culture. In: Augner (Hrsg.): Darwinizing Culture: The Status of Memetics as a Science. Oxford University Press, Oxford 2000, S. 163, 173.
  26. Joseph Poulshock (2002): The Problem and Potential of Memetics. In: Journal of Psychology and Theology.: memetics is rife with conceptual problems and utterly lacking in empirical support.