„Artikel 10-Gesetz“ – Versionsunterschied

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Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen, Auskunft über die Umstände des Postverkehrs zu erteilen und Sendungen auszuhändigen. [[Voraussetzung]] für ein solches Verlangen der Nachrichtendienste ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Planung oder [[Begehung]] bestimmter [[Katalogstraftat]]en, zu denen neben Friedens- oder [[Hochverrat]] (§§ 80 bis 83 des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuches]]) inzwischen auch schon [[Landfriedensbruch]] oder [[Volksverhetzung]] (§§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches) und [[Straftat]]en nach § 95 Abs 1 Nr.8 des Aufenthaltsgesetzes (Einschleusen von [[Ausländer]]n) gehören, gegeben sind. Der Staftatenkatalog deckt sich im wesentlichen mit dem des § 100 a [[Strafprozessordnung (Deutschland)|Strafprozessordnung]], der die [[Telekommunikationsüberwachung]] zum Zwecke strafrechtlicher [[Ermittlung]] durch die [[Staatsanwaltschaft]] regelt, die allerdings unter Kontrolle durch unabhängige Gerichte nach einem anderen Verfahren abläuft.
Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen, Auskunft über die Umstände des Postverkehrs zu erteilen und Sendungen auszuhändigen. [[Voraussetzung]] für ein solches Verlangen der Nachrichtendienste ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Planung oder [[Begehung]] bestimmter [[Katalogstraftat]]en, zu denen neben Friedens- oder [[Hochverrat]] (§§ 80 bis 83 des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuches]]) inzwischen auch schon [[Landfriedensbruch]] oder [[Volksverhetzung]] (§§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches) und [[Straftat]]en nach § 95 Abs 1 Nr.8 des Aufenthaltsgesetzes (Einschleusen von [[Ausländer]]n) gehören, gegeben sind. Der Staftatenkatalog deckt sich im wesentlichen mit dem des § 100 a [[Strafprozessordnung (Deutschland)|Strafprozessordnung]], der die [[Telekommunikationsüberwachung]] zum Zwecke strafrechtlicher [[Ermittlung]] durch die [[Staatsanwaltschaft]] regelt, die allerdings unter Kontrolle durch unabhängige Gerichte nach einem anderen Verfahren abläuft.


Im Gegensatz zu den Maßnahmen bei strafrechtlicher Verfolgung sind auch sogenannte "strategische Einschränkungen", das heißt flächendeckende, im Gesetz "gebündelt" genannte, Überwachungen einer Vielzahl von Telekommunikationsverbindungen zugleich nach bestimmten Suchbegriffen möglich.
Im Gegensatz zu den Maßnahmen bei strafrechtlicher Verfolgung sind auch sogenannte "strategische Einschränkungen", das heißt flächendeckende, im Gesetz "gebündelt" genannte, Überwachungen einer Vielzahl von Telekommunikationsverbindungen zugleich nach bestimmten Suchbegriffen möglich. Das [[Bundesverwaltungsgericht]] hat die strategische Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch den [[Bundesnachrichtendienst]] nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 in einer Entscheidung von Januar 2008 für zulässig erklärt.<ref>BND durfte strategisch lauschen, [http://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2008%2F01%2F25%2Fa0076&src=GI&cHash=6304790c50 taz vom 25. Januar 2008]</ref>


== Verfahren ==
== Verfahren ==

Version vom 25. Januar 2008, 04:04 Uhr

Basisdaten
Titel: Gesetz zur Beschränkung des
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
Kurztitel: Artikel-10-Gesetz
Abkürzung: G 10
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Staatsrecht
Fundstellennachweis: 190-4
Ursprüngliche Fassung vom: 13. August 1968 (BGBl. I S. 949)
Inkrafttreten am:
Letzte Neufassung vom: 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254)
Inkrafttreten der
Neufassung am:
29. Juni 2001
Letzte Änderung durch: Art. 1 G vom 18. Februar 2007
(BGBl. I S. 106)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
24. Februar 2007
(Art. 5 Abs. 1 G vom 18. Februar 2007)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Mit den Begriffen G-10-Gesetz, Artikel-10-Gesetz (im Gesetzestext falsch "G 10-Gesetz" bzw. "Artikel 10-Gesetz") oder kurz G 10 wird das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949) bezeichnet, welches die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste zu Eingriffen in das durch Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Briefgeheimnis, Postgeheimnis und Fernmeldegeheimnis regelt. Umgangssprachlich wird das G10 auch als Abhörgesetz bezeichnet.

Mit Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254) wurde das G-10-Gesetz unter der Bezeichnung "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10)" neu gefasst und zuletzt durch Artikel 3 Abs. 1 des Siebenunddreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Februar 2005 (BGBl. I S. 239) geändert.

Gliederung des Gesetzes

Abschnitt 1: Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Gegenstand des Gesetzes
§ 2 Pflichten der Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten

Abschnitt 2: Beschränkungen in Einzelfällen

§ 3 Voraussetzungen
§ 4 Prüf-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten, Übermittlungen, Zweckbindung

Abschnitt 3: Strategische Beschränkungen

§ 5 Voraussetzungen
§ 6 Prüf-, Kennzeichnungs- und Löschungspflichten, Zweckbindung
§ 7 Übermittlungen durch den Bundesnachrichtendienst
§ 8 Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland

Abschnitt 4: Verfahren

§ 9 Antrag
§ 10 Anordnung
§ 11 Durchführung
§ 12 Mitteilungen an Betroffene
§ 13 Rechtsweg

Abschnitt 5: Kontrolle

§ 14 Parlamentarisches Kontrollgremium
§ 15 G 10-Kommission
§ 16 Parlamentarische Kontrolle in den Ländern

Abschnitt 6: Straf- und Bußgeldvorschriften

§ 17 Mitteilungsverbote
§ 18 Straftaten
§ 19 Ordnungswidrigkeiten

Abschnitt 7: Schlussvorschriften

§ 20 Entschädigung
§ 21 Einschränkung von Grundrechten

Eingriffsmöglichkeiten der Nachrichtendienste

Das Gesetz berechtigt die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst unter bestimmten Umständen zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation und zur Öffnung und Auswertung der dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen.

Anbieter von Post- und Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, die Überwachung der Telekommunikation zu ermöglichen, Auskunft über die Umstände des Postverkehrs zu erteilen und Sendungen auszuhändigen. Voraussetzung für ein solches Verlangen der Nachrichtendienste ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Planung oder Begehung bestimmter Katalogstraftaten, zu denen neben Friedens- oder Hochverrat (§§ 80 bis 83 des Strafgesetzbuches) inzwischen auch schon Landfriedensbruch oder Volksverhetzung (§§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches) und Straftaten nach § 95 Abs 1 Nr.8 des Aufenthaltsgesetzes (Einschleusen von Ausländern) gehören, gegeben sind. Der Staftatenkatalog deckt sich im wesentlichen mit dem des § 100 a Strafprozessordnung, der die Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke strafrechtlicher Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft regelt, die allerdings unter Kontrolle durch unabhängige Gerichte nach einem anderen Verfahren abläuft.

Im Gegensatz zu den Maßnahmen bei strafrechtlicher Verfolgung sind auch sogenannte "strategische Einschränkungen", das heißt flächendeckende, im Gesetz "gebündelt" genannte, Überwachungen einer Vielzahl von Telekommunikationsverbindungen zugleich nach bestimmten Suchbegriffen möglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat die strategische Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 in einer Entscheidung von Januar 2008 für zulässig erklärt.[1]

Verfahren

Die Anordnung solcher Maßnahmen der Geheimdienste geschieht auf schriftlichen Antrag des Behördenleiters des jeweiligen Nachrichtendienstes durch das – je nach Antragsteller – im Einzelfall zuständige Innenministerium des Bundes oder eines Bundeslandes, wobei in diesem Verfahrensstadium eine Überprüfung durch unabhängige Gerichte nicht vorgesehen ist. Eine Kontrolle auf Rechtmäßigkeit geschieht auf Bundesebene dergestalt, dass das für die Anordnung der Beschränkungen zuständige Ministerium in Abständen von höchstens sechs Monaten das hierfür eingerichtete, aus einer kleinen Zahl Abgeordneter bestehendes Parlamentarisches Kontrollgremium unterrichtet. Zwischen den Unterrichtungen des Kontrollgremiums obliegt die Kontrolle der Maßnahmen der so genannten G-10-Kommission, deren Mitglieder vom Parlamentarischen Kontrollgremium ernannt werden und die aus einem Vorsitzenden – der als einziger Volljurist sein muss – und drei Beisitzern besteht. In den einzelnen Bundesländern sind zur Kontrolle der Maßnahmen der in Deutschland existierenden 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz entsprechende Gremien aufgrund von Landesgesetzen zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes eingerichtet.

Wie der Systematik des Kontrollverfahrens im G-10-Gesetz zu entnehmen ist, ist ein effektiver Rechtsschutz gegen nachrichtendienstliche Lauschangriffe faktisch ausgeschlossen. Die anstelle gerichtlicher Prüfung des Sachverhalts vorgesehenen politischen Kontrollgremien haben sich in der Vergangenheit aber oft als unzulänglich erwiesen: Bei früheren Abhörskandalen in der Bundesrepublik waren es mitunter politische Entscheidungsträger bis in die Spitze des Ministeriums (vergleiche die Lauschaffäre Traube), die in die rechtswidrigen Maßnahmen involviert waren oder sie sogar initiiert hatten.

G-10-Kommission

Aufgabe: "(5) Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach diesem Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene."

(1) Die G 10-Kommission besteht aus dem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, und drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern, die an den Sitzungen mit Rede- und Fragerecht teilnehmen können.

Besondere Befugnisse:

(2) Die Beratungen der G 10-Kommission sind geheim.

(3) Der G 10-Kommission ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; [...]. Der Kommission sind Mitarbeiter mit technischem Sachverstand zur Verfügung zu stellen.

(5) [...]. Der Kommission und ihren Mitarbeitern ist dabei insbesondere

1. Auskunft zu ihren Fragen zu erteilen,

2. Einsicht in alle Unterlagen, insbesondere in die gespeicherten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Beschränkungsmaßnahme stehen, und

3. jederzeit Zutritt in alle Diensträume zu gewähren.

Die Kommission kann dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben.

[...]

(7) Das zuständige Bundesministerium unterrichtet monatlich die G 10-Kommission über Mitteilungen von Bundesbehörden nach § 12 Abs. 1 und 2 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Hält die Kommission eine Mitteilung für geboten, ist diese unverzüglich vorzunehmen. § 12 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt, soweit das Benehmen einer Landesbehörde erforderlich ist.

Literatur

  • Volker Neumann: Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, in: Nikolas Dörr / Till Zimmermann: Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2007, S. 13-34.

Siehe auch

  1. BND durfte strategisch lauschen, taz vom 25. Januar 2008