Montreal-Protokoll

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Das Ozonloch über der Antarktis, 2010

Das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, ist ein multilaterales Umweltabkommen und damit ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag des Umweltrechts. Es wurde am 16. September 1987 von den Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht angenommen und ist eine Konkretisierung dieses Übereinkommens. Es trat am 1. Januar 1989 in Kraft. Die Staaten bekennen sich im Montrealer Protokoll zu ihrer Verpflichtung, „geeignete Maßnahmen zu treffen, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen, die durch menschliche Tätigkeiten, welche die Ozonschicht verändern, wahrscheinlich verändern, verursacht werden oder wahrscheinlich verursacht werden“ (Präambel).

Mit der Ratifizierung durch Timor-Leste waren am 16. September 2009 das Wiener Übereinkommen und das Montreal Protokoll die ersten Vertragswerke in der Geschichte der Vereinten Nationen, die von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert worden sind.[1]

Prinzipien

Die atmosphärische Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid und Lachgas stieg zwischen 1979 und 2010 stetig an. Nach einer kurzzeitigen Stagnationsphase nimmt die Methankonzentration seit 2006 erneut zu. Das Anwachsen der FCKW/FKW-Konzentration verlangsamte sich nach 1989, inzwischen ist eine langsame Abnahme eingetreten.

Das Montrealer Protokoll beruht auf dem Vorsorgeprinzip und ist ein Meilenstein im Umwelt-Völkerrecht. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich zur Reduzierung und schließlich zur vollständigen Abschaffung der Emission von chlor- und bromhaltigen Chemikalien, die Ozon in der Stratosphäre zerstören. Die geregelten Stoffe sind in fünf Anhängen erfasst und enthalten vorwiegend Halogenkohlenwasserstoffe (HKW, Markenbezeichnungen Freone, Frigene und Solkane), etwa Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) oder bromierte Kohlenwasserstoffe (fälschlicherweise als Bromide bezeichnet). Derzeit nicht erfasst ist bislang Distickstoffoxid (Lachgas), welches u. a. aufgrund der drastischen Senkung der FCKW-Emissionen nun zur bedeutendsten Quelle ozonschädlicher Emissionen geworden ist.[2][3]

Änderungen sind vorgesehen, um auf wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Fortschritte eingehen zu können. Für Entwicklungsländer gelten großzügigere Fristen bei der Reduktion der Stoffe, um ihre „grundlegenden nationalen Bedürfnisse zu decken“ (Artikel 5). Es ist ungewöhnlich für einen völkerrechtlichen Vertrag und bedeutet einen starken Regelungsmechanismus, dass diese Listen mit Zweidrittelmehrheit geändert werden können, also ein Staat auch gegen seinen Willen eine völkerrechtliche Verpflichtung auferlegt bekommen kann.

Die Staaten haben vereinbart, in der Forschung über die Mechanismen des Ozonabbaus zusammenzuarbeiten. Sie sind außerdem verpflichtet, Technologien unter „gerechten und möglichst günstigen Bedingungen“ (Artikel 10) an Entwicklungsländer weiterzugeben, insbesondere umweltverträgliche Ersatzprodukte für die geregelten Stoffe.

Neben den starken und verbindlichen Maßnahmen hat zum Erfolg des Protokolls auch die solide Finanzierung über einen multilateralen Fonds (MLF) beigetragen, der Entwicklungsländer bei der Erfüllung ihrer Vertragspflichten unterstützen soll. Bis 1999 hatten Industrieländer 847 Millionen US$ in den multilateralen Fonds eingezahlt.[4] Die vier multilateralen Organisationen Weltbank, UNDP, UNIDO und UNEP unterstützen die Entwicklungsländer mit den Geldern des MLF in der Umsetzung und Durchsetzung der Bestimmungen des Montrealer Protokolls. Zusätzlich können Industriestaaten 20 % ihrer finanziellen Beiträge durch eigene Durchführungsorganisationen zur Unterstützung der Entwicklungsländer verwenden. Das Proklima Programm der deutschen GTZ führt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in über 40 Ländern Projekte zur Substitution ozonzerstörender Substanzen durch.

Im Ergebnis erwies sich die Umstellung auf Ersatzchemikalien und -prozesse als deutlich weniger aufwändig als von vielen befürchtet.[4]

Das Montreal-Protokoll spielt auch eine wichtige Rolle beim Klimaschutz. Infolge des Protokolls ersetzten Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW) zunehmend FCKW als Kühlmittel. H-FKW schädigen zwar nicht die Ozonschicht, sind aber besonders klimaschädliche Treibhausgase. Alternativen, die nicht so klimaschädlich waren, kamen erst allmählich ab den 1990er Jahren auf den Markt. Die Zunahme der H-FKW-Emissionen drohte, Klimaschutzeffekte, die mit einer Reduktion der ebenfalls klimaschädlichen FCKWs einhergehen würden, zunichte zu machen.[5] Im Oktober 2016 nahmen die Vertragsstaaten die Kigali-Änderungen an. Darin wird das Montreal-Abkommen substantiell erweitert mit dem Ziel, die Verwendung von H-FKWs bis 2047 auf 15–20 % des Basiswertes zu reduzieren. Die Industriestaaten verpflichteten sich, mit der Reduktion 2019 zu beginnen und bis 2036 eine Verringerung um 85 % erreicht zu haben, für Entwicklungsländer wurden differenzierte Reduktionsziele um 80 % oder 85 % zwischen 2024 und 2047 festgeschrieben.[6]

Institutionen

Institutionen des Wiener Übereinkommens und Montreal-Protokolls (Auszug)[7]

Die Mitgliedstaaten des Wiener Übereinkommens und des Montreal-Protokolls treffen sich meist jährlich zur Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz COP) und zur Tagung der Vertragsparteien des Montreal-Protokolls (Meetings of the Parties, kurz MOP). Es gibt ein gemeinsames Sekretariat zu Übereinkommen und Protokoll, das so genannte „Ozon-Sekretariat“, mit Sitz beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi, Kenia. Zu seinen Aufgaben gehört es u. a., den Mitgliedstaaten anlässlich ihrer Treffen über die Umsetzung des Abkommens zu berichten.

Ein weiteres Sekretariat, das seinen Sitz in Montreal, Kanada, hat, ist für den Multilateralen Fonds (MLF) zuständig und arbeitet einem Exekutivkomitee (ExCom), bestehend aus sieben Vertretern der Entwicklungs- und sieben der Industrieländer, zu.[4][8] Das ExCom entscheidet über die Finanzierung von Projekten. Weltbank, UNDP, UNIDO und UNEP unterstützen die Entwicklungsländer mit den Geldern des MLF in der Umsetzung und Durchsetzung der Bestimmungen des Montrealer Protokolls.

Drei Gruppen („Assessment Panels“) beraten die Mitgliedstaaten des Protokolls zu den Themen Wissenschaft, Umweltwirkungen sowie Technologie und Wirtschaft. Eine ständige, unbefristete Arbeitsgruppe ist zwischen den Treffen der Mitgliedstaaten aktiv und führt Diskussionen fort. Ein Umsetzungskomitee („Implementation Committee“, ImpCom) wacht über die Einhaltung der Vereinbarung.[9]

Änderungen

Als die Verhandlungen über das Wiener Übereinkommen begannen, gab es noch erhebliche Unsicherheiten über die genauen Umweltwirkungen verschiedener Stoffe und über die Kosten, die ihr stufenweises Nutzungsende verursachen würde. Ersatz war in vielen Fällen noch nicht verfügbar. Der Aufbau der Vereinbarungen in Form einer Rahmenkonvention und eines leicht anpassbaren Protokolls erlaubte es, das Abkommen mit zunehmendem Wissen anzupassen und auszubauen – diese Struktur war Vorbild für weitere internationale Umweltabkommen.[4]

Darüber hinaus sieht das Montreal-Protokoll selbst zwei Mechanismen vor, mit denen es vergleichsweise einfach modifiziert werden kann:

Amendments (Änderungen)
Amendments sind der weitertragende Mechanismus, sie ändern den Text des Montreal-Protokolls und müssen mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet und anschließend von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Inzwischen wurden die Kontrollvorschriften durch die sechs Änderungsprotokolle von London (1990), Kopenhagen (1992), Wien (1995), Montreal (1997), Peking (1999) und Kigali (2016) laufend verändert und ergänzt.
Die zuletzt in Kigali (2016) beschlossenen Änderungen des „im Bewusstsein der möglichen klimatischen Auswirkungen von Emissionen dieser Stoffe“ (Präambel) vereinbarten Montreal-Protokolls gehen über den Schutz der Ozonschicht hinaus und dienen im Wesentlichen dem Ziel des Klimaschutzes.[6] Sie wurden – neben dem Übereinkommen von Paris – als zweiter bedeutender Klimavertrag des Jahres 2016 angesehen.[10]
Adjustments (Anpassungen)
Adjustments sind eingeschränkter: Sie können nur die Schätzungen für Ozonabbaupotentiale aktualisieren oder den Rahmen, die Höhe und den Zeitplan für geregelte Stoffe anpassen.[11] Neue Substanzen können hingegen nicht über Anpassungen in das Protokoll aufgenommen werden. Auch Anpassungen werden mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, hingegen ist keine Ratifikation notwendig. Sechs Monate, nachdem ein Mitgliedstaat über eine beschlossene Anpassung informiert wurde, wird sie für ihn bindend, auch wenn er nicht für die Anpassung stimmte – das ist ungewöhnlich für internationales Umweltrecht. Das schnellere Ende mancher Chemikalien wurde durch solche Anpassungen geregelt.[4]
Abkommen, Änderungen und Status der Ratifizierung[12]
Annahme[13] Inkrafttreten[14] Anzahl Länder Inhalt[4][15]
Wiener Übereinkommen März 1985 22. September 1988 198 Rahmenkonvention für Anstrengungen, die Ozonschicht zu schützem
Montrealer Protokoll September 1987 1. Januar 1989 198 Vertrag mit dem Ziel, die Produktion, den Verbrauch und damit das atmosphärische Vorkommen von Substanzen zu verringern, die die Ozonschicht schädigen
Londoner Änderungen Juni 1990 8. Oktober 1992 197 Aufnahme vollständig halogenierter FCKW, einiger Halone,[16] von Tetrachlorkohlenstoff (Tetrachlormethan) und 1,1,1-Trichlorethan (Methylchloroform); neue Finanzierungsmaßnahmen – Einrichtung des Multilateralen Fonds – zur Unterstützung von Entwicklungsländern
Kopenhagener Änderungen November 1992 14. Juni 1994 197 Aufnahme von teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (H-FCKW) und Methylbromid; der in London eingeführte Multilaterale Fonds wurde dauerhaft verankert
Montrealer Änderungen September 1997 10. November 1999 197 für einige Substanzen Anpassung des Zeitplans, dem gemäß sie auslaufen sollten; Handelsrestriktionen, um den Schwarzmarkt ozonschädigender Substanzen zu bekämpfen
Pekinger Änderungen Dezember 1999 25. Februar 2002 197 Aufnahme von Bromchlormethan; neue Handelsregeln für H-FCKW[17]
Kigali Änderungen Oktober 2016 1. Januar 2019[18] 087 Reduzierung der Verwendung von H-FKWs bis 2047 auf 15–20 % des Basiswertes mit dem Ziel des Klimaschutzes

Literatur

  • Ozone Secretariat United Nations Environment Programme (Hrsg.): Handbook for the Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer. 10. Auflage. 2016, ISBN 978-9966-07-611-3 (englisch, unep.org [PDF; 4,2 MB]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Umwelt : Europäische Union begrüßt die weltweite Ratifizierung des Montrealer Protokolls über den Schutz der Ozonschicht. Europäische Kommission, 16. September 2009, abgerufen am 17. Oktober 2016 (im Jahr 2012 folgte das neue UN-Mitglied Südsudan).
  2. A. R. Ravishankara u. a.: Nitrous Oxide (N2O): The Dominant Ozone-Depleting Substance Emitted in the 21st Century. In: Science. Epub ahead of print, 2009, PMID 19713491.
  3. Nora Schlüter: Lachgas ist Ozonkiller Nummer Eins. In: Financial Times Deutschland. 28. August 2009, archiviert vom Original am 12. Januar 2010; abgerufen am 24. November 2012.
  4. a b c d e f Elizabeth R. DeSombre: The Experience of the Montreal Protocol: Particularly Remarkable and Remarkably Particular. In: UCLA Journal of Environmental Law and Policy. Band 19, Nr. 1, 2000 (escholarship.org).
  5. Stephen O. Andersen u. a.: Stratospheric ozone, global warming, and the principle of unintended consequences—An ongoing science and policy success story. In: Journal of the Air & Waste Management Association. Band 63, Nr. 6, 2013, S. 625–627, doi:10.1080/10962247.2013.791349.
  6. a b Hendricks: Einigung von Kigali ist Meilenstein für den Klimaschutz. 15. Oktober 2016, abgerufen am 1. Oktober 2016 (Pressemitteilung Nr. 249/16).
  7. Institutions. Ozone Secretariat, abgerufen am 23. Oktober 2019.
  8. About The Multilateral Fund. Multilateral Fund for the Implementation of the Montreal Protocol, abgerufen am 29. Januar 2017.
  9. Annex II : Non-compliance procedure (1998). In: Handbook for the Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer. Ozone Secretariat, abgerufen am 29. Januar 2017.
  10. Z. B. John Vidal: Kigali deal on HFCs is big step in fighting climate change. In: The Guardian. 15. Oktober 2016, abgerufen am 29. Januar 2017. Oder: Coral Davenport: Nations, Fighting Powerful Refrigerant That Warms Planet, Reach Landmark Deal. In: New York Times. 15. Oktober 2016, abgerufen am 29. Januar 2017.
  11. Montreal-Protokoll, Artikel 2, Nr. 9a.
  12. All ratifications. UNEP Ozone Sekretariat, 7. Oktober 2019, abgerufen am 23. Oktober 2019.
  13. Ozone Secretariat, United Nations Environment Programme (Hrsg.): Handbook for the Montreal Protocol. 2016, S. 3.
  14. Ozone Secretariat, United Nations Environment Programme (Hrsg.): Handbook for the Montreal Protocol. 2016, Abschnitt 5, Kapitel Introduction to the Montreal Protocol, its adjustments and amendments..
  15. Montreal-Protokoll, deutsche Übersetzung, Stand am 1. März 2012, Artikel 2A bis 2I.
  16. Bromchlordifluormethan, Bromtrifluormethan und 1,2-Dibromtetrafluorethan
  17. The Beijing Amendment to the Montreal Protocol Enters into Force. United Nations Environment Program, abgerufen am 29. Januar 2017.
  18. EU countries trigger entry into force of Kigali Amendment to Montreal Protocol. Europäische Kommission, 17. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017.