1-Billion-Dollar-Münze

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Grafischer Entwurf einer trillion-dollar coin

Die Prägung einer – deutschsprachig – 1-Billion-Dollar-Münze (engl. trillion-dollar coin; 1.000.000.000.000-Dollar-Münze) aus Platin ist ein seit den 1990er Jahren in den Vereinigten Staaten diskutiertes Konzept zur Umgehung der Fiskalklippe, bei der eine Gesetzeslücke ausgenutzt werden würde. Bisher wurde eine solche Münze noch nicht geprägt.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Artikel I Abschnitt 8 der Verfassung der Vereinigten Staaten kann nur der Kongress die Aufnahme von Krediten durch die Vereinigten Staaten genehmigen. Der Kongress musste bis 1917 jede einzelne Anleihe direkt genehmigen. Um mehr Flexibilität für die Finanzierung der Beteiligung der Vereinigten Staaten am Ersten Weltkrieg zu schaffen, änderte der Kongress am 24. September 1917[1] im Second Liberty Bond Act (faktisch: „Zweites Kriegsanleihegesetz“, wörtlich „Zweites Gesetz über Freiheitsanleihen“) die Methode, mit der er Schulden genehmigte. Mit diesem Gesetz legte der Kongress eine Obergrenze für den Gesamtbetrag neuer Anleihen fest, die ausgegeben werden konnten. Damit sollte der Exekutive mehr Flexibilität zur Geldausgabe gegeben werden, ohne dass jedes Mal ein neues Gesetz vom Kongress dazu verabschiedet werden muss.[2]

Die derzeitige Schuldenobergrenze ist eine Gesamtgrenze, die für fast alle Bundesschulden gilt. Sie ist im Wesentlichen durch die Public Debt Acts („Staatsschuldengesetze“) von 1939[3] und 1941[4] festgelegt, die später geändert wurden, um den Höchstbetrag anzupassen.

Wird die gesetzlich festgelegte Schuldengrenze erreicht, so darf der Staat keine neuen Schulden aufnehmen. Es droht eine Zahlungsunfähigkeit (Staatsbankrott), da Verbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können. Das Schatzamt könnte keine Zinszahlungen leisten oder Anleger bezahlen, deren Staatsanleihen fällig werden. Die Folgen eines Staatsbankrotts der Vereinigten Staaten wären für die weltweiten Finanzmärkte und die Stabilität des gesamten Finanzsystems katastrophal.[2] Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kongress nicht mit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf die Schuldenobergrenze erhöht, ist speziell bei einem divided government („geteilte Regierung“) gegeben, da die unterschiedlichen Parteien unterschiedliche Ziele verfolgen.

Um einen drohenden Staatsbankrott ohne Anhebung der Schuldengrenze zu vermeiden, wäre ein strikter Sparkurs (Austerität), ohne weitere Neuverschuldung, die naheliegendste Lösung. Dies hat allerdings meist erhebliche negative Einflüsse auf die Konjunktur. Keine zulässige Lösung ist in den Vereinigten Staaten indes die Erhöhung der Geldmenge. Das Drucken neuer Dollarnoten würde prinzipiell das Problem lösen, jedoch darf die US-Regierung nicht die Geldmenge erhöhen. Das liegt in der Zuständigkeit der Federal Reserve (Fed), also der Zentral- und Notenbank.[5]

Das Konzept der 1-Billion-Dollar-Münze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

American Platinum Eagle mit einem Nennwert von 100 US-Dollar aus dem Jahr 2005
Paul Krugman (2008), einer der Befürworter der 1-Billion-Dollar-Münze

Die US-Regierung darf zwar nicht die Geldmenge erhöhen, um das Problem der Schuldenobergrenze zu lösen, aber sie darf Münzen aus Platin prägen lassen.[6] Diese Möglichkeit ist eigentlich für die Prägung von Gedenkmünzen vorgesehen,[7] wie sie seit 1997 als American Platinum Eagle ausgegeben werden.

Das Konzept der 1-Billion-Dollar-Münze sieht vor, dass die US-Regierung eine Münze mit dem Nennwert von 1 Billion US-Dollar prägen lässt und sie bei der Federal Reserve hinterlegt. Der Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman sieht darin „nichts anderes als neue Schulden […]“, „aber da die Schuldengrenze an sich verrückt ist, gibt es einen guten Grund, jeden verfügbaren Trick auch anzuwenden.“[5] (So this is all a gimmick — but since the debt ceiling itself is crazy, allowing Congress to tell the president to spend money then tell him that he can’t raise the money he’s supposed to spend, there’s a pretty good case for using whatever gimmicks come to hand.[8])

Der Nennwert der Münze entspricht dem Kurswert von etwa 33.000 Tonnen Platin (Kurswert von Platin im Juni 2023: ca. 30.000 €/kg[9]). Im Vergleich dazu lag die geförderte Platinmenge des Jahres 2020 bei etwa 170 Tonnen.[10]

Mögliche Auswirkungen und Realisierbarkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der 1-Billion-Dollar-Münze würde es sich um Schuldner-freies Geld („Nettogeld“) handeln. Im Gegensatz zu Geld im Umlauf würde jedoch Nettobuchgeld geschaffen werden. Es würde ein Soll ohne Haben verbucht werden.[11] Ein Überfluss an Geld korreliert mit einem Mangel an Gegenwert. Die Produktion einer Münze mit einem Nennwert von 1 Billion US-Dollar wäre eine reine Geldproduktion, ohne dabei an anderer Stelle einen Mangel zu produzieren.[12] Die möglichen Auswirkungen auf eine Inflation werden kontrovers diskutiert.[13][14][15]

Auch die praktische Umsetzung wird kontrovers diskutiert. Edmund C. Moy, ehemaliger Director of the United States Mint, äußerte in einem Interview Zweifel daran, dass die Federal Reserve die 1-Billion-Dollar-Münze kaufen könnte. Er wies darauf hin, dass nach dem derzeitigen System für die Einleitung von Münzbestellungen der Auftrag möglicherweise vom derzeitigen Vorsitzenden des Federal Reserve System (chairman of the Board of Governors of the Federal Reserve System) oder von einem der 12 Präsidenten der regionalen Federal Reserve Banks erteilt werden müsste. Sein Vorgänger Philip N. Diehl widersprach Moy, bekundete aber, dass die Prägung einer Billionen-Dollar-Münze schlechter als eine Anhebung oder Aufhebung der Schuldengrenze, aber weitaus besser als ein Zahlungsausfall und die damit verbundenen Konsequenzen wäre.[16] Die US-Finanzministerin Janet Yellen sagte im Januar 2023, dass die Federal Reserve wahrscheinlich keine 1-Billion-Dollar-Platinmünze akzeptieren würde, wenn die Regierung Biden versuchen würde, eine zu prägen, um eine Überschreitung des Schuldenlimits zu vermeiden. Sie wies damit die Idee zurück, die geäußert wurde, um den Kongress in dieser Frage zu umgehen.[17]

Ideenursprung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Idee, dass das Finanzministerium eine Münze prägt und sie an die Federal Reserve schickt, um die Schulden zu tilgen, wurde erstmals 1992 von Bo Gritz (* 1939), dem Präsidentschaftskandidaten der Populist Party, propagiert. Während seiner Reden hielt er eine ca. 125 mm große Modellmünze hoch. Nach der Weltfinanzkrise 2007–2008 gewann die Idee bei den Demokraten an Popularität, da der Kongress nicht in der Lage war, einen Haushalt vorzulegen, ohne die Schuldenobergrenze zu überschreiten. Neben Krugman unterstützten verschiedene Medien, wie The Economist, The New York Times und The Washington Post, diese Idee.[18]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Simpsons-Episode Die Trillion-Dollar-Note (Originaltitel: The Trouble With Trillions(a)) aus Staffel 9, Folge 20, aus dem Jahr 1998, ist Homer Simpson auf der Suche nach einem verschwundenen 1-Billion-Dollar-Schein, den Mr. Burns 1945 gestohlen hatte. Präsident Truman ließ damals den Schein drucken, um den Wiederaufbau Westeuropas nach dem Krieg zu unterstützen.[19] Auf diese Episode nehmen US-Politiker und Medien häufig Bezug, wenn es um die mögliche Prägung der 1-Billion-Dollar-Münze geht.[20][21][22][23][24][25]

1934 und 1935 wurden Einhunderttausend-US-Dollar-Banknoten gedruckt. Sie fanden Verwendung für Transaktionen zwischen Banken und wurden nicht an die Öffentlichkeit ausgegeben.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aaron Sar: Von Richard Nixon zur 1.000.000.000.000 -$-Münze. In: Aaron Sahr, Roman Köster, Martin Schaad, Klaas Voß, Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Kredit, Keynes & Krieg. Hamburger Edition HIS, 2013, ISBN 3-868-54803-3, S. 4–7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(a) 
In der deutschsprachigen Episode und deren Titel wird der Schein durch einen Übersetzungsfehler – deutsch – „1-Trillion-Dollar-Note“ genannt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. An Act To authorize an additional issue of bonds to meet expenditures for the national security and defense, and for the purpose of assisting in the prosecution of the war, to extend additional credit to foreign Governments, and for other purposes. In: Sixty-fifth Congress, Session I, Ch. 56, 1917
  2. a b Peter DeThier: Den USA droht die Staatspleite: Folgen wären verheerend. In: morgenpost.de. 20. Januar 2023, abgerufen am 3. Juni 2023.
  3. AN ACT To amend the Second Liberty Bond Act, as amended. In: 76th Congress, 1st Session, Chapter 336, S. 1071, vom 20. Juli 1939.
  4. AN ACT To increase the debt limit of the United States, to provide for the Feral taxation of future issues of obligations of the United Staates and its instrumentalities, and for other purposes.. In: 77th Congress, 1st Session, Chapter 7, S. 7, vom 19. Februar 1941.
  5. a b sk/ps: Kurioses Schlupfloch: Selbstgeprägte Billion-Dollar-Münze soll USA retten. In: Focus Online. 8. Mai 2015, abgerufen am 3. Juni 2023.
  6. 31 U.S. Code § 5112 – Denominations, specifications, and design of coins. Absatz (k): "The Secretary may mint and issue platinum bullion coins and proof platinum coins in accordance with such specifications, designs, varieties, quantities, denominations, and inscriptions as the Secretary, in the Secretary’s discretion, may prescribe from time to time." Abgerufen am 3. Juni 2023
  7. Jannis Brühl: Menü. In: sueddeutsche.de. 4. Januar 2013, abgerufen am 3. Juni 2023.
  8. Paul Krugman: Debt in a Time of Zero. In: The New York Times. 3. Januar 2013, abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  9. Platinpreis aktuell in Euro und Dollar In: gold.de Abgerufen am 4. Juni 2023
  10. Arndt Kümpel: Platinförderung aus Minen sinkt 2020 deutlich: Deutlicher Rückgang der Platinproduktion im Jahr 2020. In: www.ntg24.de vom 4. März 2021, abgerufen am 4. Juni 2023.
  11. Dimitri Speck: Geheime Goldpolitik. FinanzBuch Verlag, 2013, ISBN 3862483460 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Christian Pieritz: Eine lutherische Ökonomie. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2021, ISBN 3110747936, S. 218 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Jennifer Ssor: US Debt Crisis: Paul Krugman Says $1 Trillion Coin Isn't Inflationary. In: markets.businessinsider.com. 3. Mai 2023, abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  14. Ryan Young: Can a Trillion-Dollar Coin Repay Our Debt? In: nationalreview.com. 16. Januar 2023, abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  15. J. D. Capelouto: The best arguments for and against minting a $1 trillion coin to solve the debt crisis. In: semafor.com. 19. Januar 2023, abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  16. Joe Deaux: The 13 People Who Can Order a $1 Trillion Coin. In: thestreet.com. 9. Januar 2013, abgerufen am 3. Juni 2023.
  17. Andrew Duehren: WSJ News Exclusive – Janet Yellen Dismisses Minting $1 Trillion Coin to Avoid Default. In: wsj.com. 22. Januar 2023, abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  18. David Grimaldi: The Trillion Dollar Coin. In: synovus.com. Abgerufen am 3. Juni 2023 (englisch).
  19. Scott Gimple: The Simpsons Forever!: A Complete Guide to Our Favorite Family ...Continued. Harper Collins Publishers, 1999, S. 36, ISBN 0-06-098763-4.
  20. David Weigel: John Boehner Not Entirely Convinced by "Platinum Coin" Solution. In: slate.com. 4. Januar 2013, abgerufen am 4. Juni 2023 (englisch).
  21. Dan Amira: What The Simpsons Taught Us About the Dangers of a Trillion-Dollar Platinum Coin. In: nymag.com. Abgerufen am 4. Juni 2023 (englisch).
  22. Abram Brown: $1 Trillion Platinum Coin: Yes, It Really Originated In A 'Simpsons' Episode. In: forbes.com. 13. Januar 2013, abgerufen am 4. Juni 2023.
  23. Would a trillion dollar coin buy time to resolve the debt ceiling debate? In: npr.org. 19. Januar 2023, abgerufen am 4. Juni 2023.
  24. Peter Armstrong: ANALYSIS – Could a trillion-dollar coin solve the U.S. debt ceiling crisis? – CBC Radio. In: cbc.ca. 6. August 2015, abgerufen am 4. Juni 2023 (englisch).
  25. Sabrina Kessler: Fighting debt with two trillion-dollar supercoins? In: dw.com. 4. Februar 2020, abgerufen am 4. Juni 2023 (englisch).