Aspartylglukosaminurie

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Klassifikation nach ICD-10
E77.1 Defekte beim Glykoproteinabbau –

Aspartylglukosaminurie

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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Aspartylglukosaminurie ist eine sehr seltene angeborene, zu den Oligosaccharidosen gehörende lysosomale Speicherkrankheit, die hauptsächlich in Finnland auftritt mit dem Hauptmerkmal einer fortschreitenden Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit.[1][2]

Synonyme sind: Aspartyl-Glukosaminidase-Mangel; englisch AGA deficiency; aspartylglucosamidase deficiency; Aspartylglucosaminidase deficiency; glycosylasparaginase deficiency

Verbreitung

Die Häufigkeit wird mit 1 auf 18.500 Personen in Finnland angegeben[3], die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv.[2]

Ursache

Der Erkrankung liegen Mutationen im AGA-Gen auf Chromosom 4 Genort q34.3 zugrunde, welches für die N-Aspartylglukosaminidase (1-aspartamide-β-N-acetylglucosamine amidohydrolase) kodiert.[4] Durch den Enzymdefekt kommt es zu einer Einlagerung von Glykoasparagin (Speicherkrankheit) in allen Geweben mit verstärkter Ausscheidung im Urin.

Klinische Erscheinungen

Klinische Kriterien sind:[1][3]

  • Unauffällige Entwicklung als Neugeborenes, Säugling und Kleinkind
  • Erste Auffälligkeiten mit zwei bis drei Jahren, meist verzögerte Sprachentwicklung, Hyperkinese und Ungeschicklichkeit
  • zunächst milde, dann sich verschlechternde geistige Behinderung bis zur Adoleszenz
  • Später nahezu vollständiger Sprachverlust

Hinzu können Gesichtsdysmorphie, Kyphoskoliose, Hernien, Cutis laxa und vermehrte Luftwegsinfekte sowie eine verminderte Körpergröße kommen. Hepatosplenomegalie, Krampfanfälle, Osteoporose, Hypermobilität wurden auch beschrieben.[3]

Diagnose

Im Röntgenbild finden sich unregelmäßige Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper sowie eine verdickte Schädelkalotte.

Im Urin vermehrt Aspartyglykosamin, die Aktivität des Enzyms Aspartylglucosaminhydrolase u. a. in Lymphozyten, Fibroblasten ist vermindert.

In der Magnetresonanztomographie werden Signalminderungen im Thalamus und Pulvinar, Signalanhebungen periventrikulär unmittelbar am Kortexband (juxtakortikal) sichtbar.[5]

Geschichte

Die Erstbeschreibung erfolgte im Jahre 1967 durch die englischen Ärzte F. A. Jenner und R. J. Pollitt.[6] Die Bezeichnung wurde im Jahre 1968 von derselben Arbeitsgruppe vorgeschlagen.[7]

Therapie

Das defekte Gen für das Enzym Aspartylglukosaminidase (AGA) liegt in den Lysosomen vor. Es ist an der Beseitigung überflüssig gewordener Eiweiße beteiligt. Ohne AGA häufen sich Eiweiße an, führen zur Fehlfunktion des Lysosoms und zum Tod der Zelle. Die fehlende AGA-Aktivität lässt sich durch Chaperone teilweise beheben, die in defekten Proteinen die korrekte Faltung ermöglichen. Die Therapie ist experimentell, da die Chaperone bisher nur für andere Leiden zugelassen sind.[8]

Literatur

  • K. Goodspeed, D. Horton, A. Lowden, P. V. Sguigna, T. Booth, Z. J. Wang, V. B. Edgar: A cross-sectional natural history study of aspartylglucosaminuria. In: JIMD Reports. Band 63, Nummer 5, September 2022, S. 425–433, doi:10.1002/jmd2.12294, PMID 36101820, PMC 9458605 (freier Volltext)
  • M. Arvio, I. Mononen: Aspartylglycosaminuria: a review. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. Band 11, Nummer 1, Dezember 2016, S. 162, doi:10.1186/s13023-016-0544-6, PMID 27906067, PMC 5134220 (freier Volltext) (Review).
  • T. Yamamoto, K. Shimojima, M. Matsufuji, R. Mashima, E. Sakai, T. Okuyama: Aspartylglucosaminuria caused by a novel homozygous mutation in the AGA gene was identified by an exome-first approach in a patient from Japan. In: Brain & development. Bd. 39, Nr. 5, Mai 2017, S. 422–425, doi:10.1016/j.braindev.2016.12.004, PMID 28063748.
  • A. Kartal, K. Aydın: Brain MRI findings in two Turkish pediatric patients with aspartylglucosaminuria. In: The neuroradiology journal. Bd. 29, Nr. 5, Oktober 2016, S. 310–313, doi:10.1177/1971400916665371, PMID 27549151, PMC 5033095 (freier Volltext).

Einzelnachweise

  1. a b Bernfried Leiber (Begründer): Die klinischen Syndrome. Syndrome, Sequenzen und Symptomenkomplexe. Hrsg.: G. Burg, J. Kunze, D. Pongratz, P. G. Scheurlen, A. Schinzel, J. Spranger. 7., völlig neu bearb. Auflage. Band 2: Symptome. Urban & Schwarzenberg, München u. a. 1990, ISBN 3-541-01727-9.
  2. a b Eintrag zu Aspartylglukosaminurie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
  3. a b c Medline Plus
  4. Aspartylglucosaminuria. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  5. A. M. Tokola, L. E. Åberg, T. H. Autti: Brain MRI findings in aspartylglucosaminuria. In: Journal of neuroradiology. Journal de neuroradiologie. Bd. 42, Nr. 6, Dezember 2015, S. 345–357, doi:10.1016/j.neurad.2015.03.003, PMID 26026191.
  6. F. A. Jenner, R. J. Pollitt:. Large quantities of 2-acetamido-1-(beta-L-aspartamido)-1,2-dideoxyglucose in the urine of mentally retarded siblings. In: The Biochemical Journal Bd. 103: 48P-49P, 1967.
  7. R. J. Pollitt, F. A. Jenner, H. Merskey: Aspartylglycosaminuria. An inborn error of metabolism associated with mental defect. In: Lancet. Bd. 2, Nr. 7562, August 1968, S. 253–255, PMID 4173687.
  8. Antje Banning, Christina Gülec, Juha Rouvinen, Steven J. Gray & Ritva Tikkanen: Identification of Small Molecule Compounds for Pharmacological Chaperone Therapy of Aspartylglucosaminuria. Sci. Rep. 6, 37583; doi:10.1038/srep37583 (2016)