Ableismus

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Ableism und Disablism sind aus dem Englischen stammende Begriffe (engl. able = fähig, to disable = unfähig machen, disabled = behindert, Suffix -ism = -ismus) [1] aus dem Bereich der US-amerikanischen Behindertenbewegung bzw. der Disability Studies.

Der Begriff Ableism bezeichnet die Beurteilung von Menschen anhand ihrer Fähigkeiten als behindertenfeindlich. Menschen mit Behinderung würden aufgrund des Fehlens bestimmter Fähigkeiten abgewertet. Hieraus könnten Diskriminierung oder gesellschaftliche Vorurteile gegen Menschen mit Behinderungen entstehen.[2]

Ableism und Disablism sind mit dem Begriff Handicapism verwandt, der Begriff Physikalismus wird synonym verwendet.[3]

Diskriminierung gegenüber Personen, die eine psychische Störung haben oder von einer solchen bedroht sind, nennt man hingegen auch Mentalismus.

Definitionen

Unter Berufung auf frühere Arbeiten bestätigt Fiona A. Kumari Campbell, Senior Lecturer in Disability Studies an der Griffith University in Brisbane, Australien, dass das Konzept des Ableism nicht eindeutig in der Literatur definiert sei und „beschränkte definitorische oder begriffliche Spezifität“ besitze. Sie definiert Ableism als:

ein Netzwerk von Überzeugungen, Prozessen und Praktiken, das eine besondere Art von Selbst und Körper (physischer Standard) erzeugt, und als perfekt, arttypisch und daher wesentlich und komplett menschlich projiziert. Behinderung ist dann ein minderwertiger Zustand des Menschseins.[4]

Andere Definitionen von Ableism wie die von Vera Chouinard (Professorin für Geographie an der McMaster University in Hamilton (Ontario), Kanada) definieren ihn als "Ideen, Praktiken, Institutionen und soziale Beziehungen, die, ausgehend von Nichtbehinderten, Menschen mit Behinderungen als marginalisierte und weitgehend unsichtbare Andere konstruierten. Für Ron Amundson (Professor für Philosophie an der University of Hawaiʻi at Hilo) und Gayle Taira definieren Ableism als „eine Lehre, die fälschlicherweise Beeinträchtigungen als inhärent und selbstverständlich schrecklich behandelt und die die Einschränkungen selbst für die aufgetretenen Probleme der Menschen, die sie haben, verantwortlich macht.“

Harpur (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Griffith University) argumentiert, dass der Begriff Ableism ein mächtiges Etikett sei, in der Lage, einen Bedeutungswandel bei der Verwendung von negativen Stereotypen herbeizuführen und durch Bündelung der Aufmerksamkeit auf den Diskriminator (anstatt auf das Opfer oder die Beeinträchtigung) den kulturellen Wandel zu erleichtern.

Ableism und Disablism

Die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen wird auch Disablism genannt. Gregor Wolbring, Assistant Professor in der Abteilung „Community Health Service“ der „University of Calgary“ (Kanada) erklärt Disablism zum „Begleiter“ des Ableism:

„In seiner allgemeinen Form ist Ableism ein Bündel von Glaubenssätzen, Prozessen und Praktiken, das auf Grundlage der je eigenen Fähigkeiten eine besondere Art des Verständnisses des Selbst, des Körpers und der Beziehungen zu Artgenossen, anderen Arten und der eigenen Umgebung erzeugt und schließt die Wahrnehmung durch Andere ein. Ableism beruht auf einer Bevorzugung von bestimmten Fähigkeiten, die als essentiell projiziert werden, während gleichzeitig das reale oder wahrgenommene Abweichen oder Fehlen von diesen essentiellen Fähigkeiten als verminderter Daseinszustand etikettiert wird, was oft zum begleitenden „Disableism“ führt, dem diskriminierenden, unterdrückenden oder beleidigenden Verhalten, das aus dem Glauben entsteht, dass Menschen ohne diese „essentiellen“ Fähigkeiten anderen unterlegen seien.“[5]

Auch Fiona Campbell unterscheidet Disablism und Ableism. Disablism ist ihr zufolge traditionell Schwerpunkt der Forschungen im Bereich der Disability Studies. Disablism fördert die Ungleichbehandlung der (körperlich) Behinderten gegenüber Nichtbehinderten. Er markiert den Behinderten (distanziert) als den Anderen und arbeitet aus der Perspektive der Menschen ohne Behinderung.

Literatur

  • Ron Amundson, Gayle Taira: Our Lives and Ideologies: The Effects of Life Experience on the Perceived Morality of the Policy of Physician-Assisted Suicide. In: Journal of Policy Studies. 16. Jahrgang, Nr. 1, 2005, S. 53–57 (http://uhh.hawaii.edu./~ronald/pubs/2005-Amundson-Taira.pdf [PDF]).
  • Fiona A. Kumari Campbell: Inciting Legal Fictions: Disability Date with Ontology and the Ableist Body of the Law. In: Griffith Law Review. 10. Jahrgang, Nr. 1, 2001, S. 42–62.
  • Fiona A. Kumari Campbell: Contours of Ableism: The Production of Disability and Abledness. Palgrave Macmillan, 2009, ISBN 978-0-230-57928-6.
  • Vera Chouinard: Making Space for Disabling Difference: Challenges Ableist Geographies. In: Environment and Planning D: Society and Space. 15. Jahrgang, 1997, S. 379–387.
  • Pat Griffin, Madelaine L. Peters, Robin M. Smith: Teaching for diversity and social justice. 2nd Auflage. Band 1. Taylor & Francis, 2007, ISBN 978-0-415-95199-9, Ableism Curriculum Design.
  • Laura E. Marshak, Claire J. Dandeneau, Fran P. Prezant, Nadene A. L'Amoreaux: The School Counselor's Guide to Helping Students with Disabilities (= Jossey-Bass teacher). John Wiley and Sons, 2009, ISBN 978-0-470-17579-8.
  • Fiona A. Kumari Campbell: Refusing Able(ness): A Preliminary Conversation about Ableism. In: M/C Journal. 11. Jahrgang, Nr. 3, 2008 (org.au).
  • Mike Clear: The "Normal" and the Monstrous in Disability Research. In: Disability & Society. 14. Jahrgang, Nr. 4, 1999, S. 435–448.
  • Thomas Hehir: Special education for a new century (= Harvard educational review. Band 41). Harvard Educational Review, 2005, ISBN 978-0-916690-44-1, Eliminating Ableism in Education.
  • Yoshitaka Iwasaki, Jennifer Mactavish: Ubiquitous Yet Unique: Perspectives of People with Disabilities on Stress. In: Rehabilitation Counselling Bulletin. 48. Jahrgang, Nr. 4, 2005, S. 194–208, doi:10.1177/00343552050480040101.
  • Ivan Eugene Watts, Nirmala Erevelles: These Deadly Times: Reconceptualizing School Violence by Using Critical Race Theory and Disability Studies. In: American Educational Research Journal. 41. Jahrgang, Nr. 2, 2004, S. 271–299 (http://jstor.org./stable/3699367).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. siehe auch Wiktionary Ableism und Disablism
  2. Begriff ableism im Lexikon auf der Seite der Aktion Mut gegen rechte Gewalt der Amadeu Antonio Stiftung und des stern, abgerufen am 17. Januar 2012.
  3. Leah Carola Czollek, Gudrun Perko, Heike Weinbach: Handbuch Social Justice und Diversity. Theorien, Training, Methoden, Übungen (PDF; 711 kB). Arbeitsblätter. Arbeitsblatt 5.2 C. Juventa, Weinheim/ München 2012. Abgerufen am 19. Januar 2012
  4. Christiane Hutson: Unverschämt - Wir im Spannungsfeld von Rassismus, Hetero-/Sexismus und Ableism. (PDF; 48 kB) abgerufen am 17. Januar 2012
  5. Gregor Wolbring: Die Konvergenz der Governance von Wissenschaft und Technik mit der Governance des „Ableism“ (PDF; 223 kB). In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis. Nr. 2. September 2009, S. 30. Abgerufen am 19. Januar 2011