Antje Wiener

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Antje Wiener (* 1960[1] in Köln) ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und insbesondere in der Teildisziplin der Internationalen Beziehungen aktiv. Seit 2009 hat sie den Lehrstuhl für Global Governance an der Universität Hamburg inne. Forschungsschwerpunkte sind hierbei die Theorien der Internationalen Beziehungen, die Normen- und Kontestationsforschung, Theorien europäischer Integration, die europäische Bürgerschaftspraxis sowie die Verflechtung von internationaler Politik und internationalem Recht. Sie ist außerdem seit 2017 Bye-Fellow am Hughes Hall College der Universität Cambridge[2] und seit 2018 Mitglied der britischen Academy of Social Sciences[3]. Von 2013 bis 2015 sowie von 2018 bis 2021 gehörte Wiener dem Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) an[4][5].

Studium und Akademische Laufbahn

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Wiener erlangte ihren Diplomabschluss in Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. 1996 wurde sie an der Carleton University mit der Arbeit „Building institutions: the developing practice of European citizenship“ promoviert (Ph.D.). Forschungsaufenthalte und Fellowships führten sie unter anderem an die Stanford University, das Robert Schumann Centre des European University Institute in Florenz sowie an die Universität Oxford und das Netherlands Institute for Advanced Studies. Wiener hatte Lehraufträge an den Universitäten Stanford, Carleton, Sussex und Hannover sowie Professuren für Internationale Beziehungen an der Queen’s University Belfast und der University of Bath inne[6].

Wiener ist, gemeinsam mit James Tully, Founding Editor des Cambridge-Forschungsjournals „Global Constitutionalism“.[7]

2020 wurde sie zum Mitglied der Academia Europaea gewählt.[8]

Antje Wiener forscht an der Schnittstelle zwischen Normenforschung in den Internationalen Beziehungen, internationalem Recht und Internationaler Politischer Theorie. Dabei verfolgt sie einen interdisziplinären und methodologisch pluralistischen Ansatz, der insbesondere auf dem konzeptionellen Vokabular der Public Philosophy, etwa der Arbeit James Tullys, aufbaut und dieses weiterentwickelt. So fragt und erforscht Wiener, welche Praktiken und Akteure Normativität und Ordnung im globalen Raum gestalten und wie die Anfechtung, Interpretation und kritische Auseinandersetzung mit internationalen Normen deren demokratische Legitimität garantieren oder wiederherstellen kann. Hier transportiert Wiener Überlegungen aus der Ethik in die Internationalen Beziehungen: Eine Analyse globaler Politik ist angeleitet durch das "quod-omnes-tangit-Prinzip", demzufolge internationale Normen von allen, die durch diese regiert werden, anerkannt werden sollten[9].

Mit diesem Forschungsprogramm trägt Wiener insbesondere zur Kontestationsforschung in den Internationalen Beziehungen bei. Sie definiert Kontestation als diejenigen "social practices which discursively express disapproval of norms"[10]. Normen seien, so Wiener, per se umstritten und besitzen eine "duale Qualität": sie seien einerseits durch soziale Interaktion in einem bestimmten Kontext konstruiert und wirken andererseits strukturierend[11]. In Contestation and Constitution of Norms in Global International Relations illustriert sie die Praxis der Kontestation anhand der Auseinandersetzungen rund um Grundrechte und effektiven Rechtsschutz im sogenannten Kadi-Fall, um das internationale Folterverbot im Rahmen strafrechtlicher Anklagen gegen den ehemaligen US-Außenminister Donald Rumsfeld und die Ächtung sexualisierter Kriegsgewalt in der UN-Resolution 1325[12].

Antje Wiener rekurriert außerdem zentral auf die Praxistheorie sowie dekoloniale und feministische Methodologien in den Internationalen Beziehungen. Sie untersucht das Zusammenspiel von Diversität und Normativität im globalen Raum und in der Gestaltung globaler Governance, wobei auch der Begriff der "Multiplizität" impulsgebend ist[13]. Wiener schließt somit an das Projekt der "Global IR" an, also an jenes Forschungsprogramm, das die Trennung zwischen "dem Westen und dem Rest"[14] innerhalb der Internationalen Beziehungen zu überwinden sucht[15].

Im Exzellenzcluster der Universität Hamburg – „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) – forscht Wiener zu globaler Klimagerechtigkeit sowie zu nichtstaatlichen Akteuren und Institutionen der globalen Klimagovernance. Im Forschungsprojekt „Democratising Security in Turbulent Times“, das von 2020 bis 2024 lief, hat sie ferner zu Sicherheitsgarantien und Demokratisierungsprozessen im Kontext multipler globaler Krisen gearbeitet[16].

Veröffentlichungen (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. Peter Niesen, David Weiß: 100 Jahre Politikwissenschaft in Hamburg: Bruchstücke zu einer Institutsgeschichte. 28. Februar 2021, abgerufen am 17. Juli 2022.
  2. Antje Wiener – Hughes Hall. 16. November 2017, abgerufen am 19. Mai 2022 (britisches Englisch).
  3. Academy of Social Sciences: Fellows. Abgerufen am 19. Mai 2022 (britisches Englisch).
  4. Zur Person. Abgerufen am 19. Mai 2022.
  5. Vorstand. Abgerufen am 19. Mai 2022 (deutsch).
  6. Zur Person. Abgerufen am 19. Mai 2022.
  7. Global Constitutionalism, auf cambridge.org
  8. Eintrag auf der Internetseite der Academia Europaea
  9. Antje Wiener: The Concept of Contestation of Norms - An Interview. ID 3523639. Social Science Research Network, Rochester, NY 12. März 2020 (ssrn.com [abgerufen am 20. Mai 2022]).
  10. A Theory of Contestation—A Concise Summary of Its Argument and Concepts. Abgerufen am 21. Mai 2022 (englisch).
  11. Antje Wiener: The Dual Quality of Norms and Governance Beyond the State: Sociologocal and Normative Approaches to 'Interaction'. ID 1564982. Social Science Research Network, Rochester, NY 1. März 2007 (ssrn.com [abgerufen am 23. Mai 2022]).
  12. Antje Wiener: Contestation and Constitution of Norms in Global International Relations. Cambridge University Press, Cambridge 2018, ISBN 978-1-107-16952-4 (cambridge.org [abgerufen am 21. Mai 2022]).
  13. Antje Wiener: Multiplizität als Alleinstellungsmerkmal: Rosenbergs Aufruf zu einer Gründungsdebatte einer neuen, nachhaltigen IB-Theorie ( Multiplicity as the Unique Selling Point of International Relations: Rosenberg’s Call for a Debate on a New, Sustainable IR Theory). ID 3515284. Social Science Research Network, Rochester, NY 19. Dezember 2019 (ssrn.com [abgerufen am 23. Mai 2022]).
  14. Stuart Hall: Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht. In: Stuart Hall, Übers. von Ulrich Mehlem (Hrsg.): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften. Band 2. Hamburg 1994, S. 137–179.
  15. Towards a Global International Relations? In: E-International Relations. 10. Dezember 2017, abgerufen am 23. Mai 2022 (amerikanisches Englisch).
  16. Democratising Security in Turbulent Times. Abgerufen am 23. Mai 2022.