Antonio Canova

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Antonio Canova (Selbstporträt, 1792)

Antonio Canova (* 1. November 1757 in Possagno; † 13. Oktober 1822 in Venedig) war ein italienischer Bildhauer und Oberaufseher der Kunstschätze des Kirchenstaates. Er gilt als bedeutendster Vertreter des italienischen Klassizismus.

Da sein Vater, ein Steinmetz, verstarb, als Antonio Canova drei Jahre alt war, wuchs er bei seinem Großvater väterlicherseits, Pasino Canova, auf. Im Alter von 14 Jahren begann Canova eine Lehre beim venezianischen Bildhauer Giuseppe Bernardi, der nach seinem Lehrer Torretti genannt wurde.[1] Nach dem Tod seines Lehrherrn 1773 arbeitete Canova zunächst mit dem Neffen Bernardis, dem Bildhauer Giovanni Ferrari, ebenfalls nach dessen Lehrherrn Torretti genannt, zusammen.[2][3] Im Jahr 1775 machte sich Canova selbständig.

Ein Jugendwerk, eine von seinem Förderer, dem Senator Giovanni Falier (1710–1808), in Auftrag gegebene Statuengruppe, stellt Eurydike und Orpheus (entstanden 1773–1776) dar. Sie befindet sich heute im Museo Correr in Venedig. Im Jahre 1779 zog Canova nach Rom um, wo er als Gast des venezianischen Botschafters lebte. Der erfolgreiche Künstler kehrte nach der Besetzung Roms durch französische Truppen 1798 in seine Heimat zurück. 1802 wurde Canova als auswärtiges Mitglied in die Académie des Beaux-Arts und 1808 in die Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften[4] aufgenommen. Als Oberaufseher der Kunstschätze des Kirchenstaates (seit 1802) war er 1815 für die Rückführung der von Napoleon geraubten Kunstwerke verantwortlich. Für die erfolgreiche Restitution wurde Canova über den Kirchenstaat hinaus von italienischen Zeitgenossen gefeiert.[5] Er ermöglichte aber auch die Restitution eines Teils der 1622 als Kriegsbeute nach Rom verschleppten Handschriften der Bibliotheca Palatina nach Heidelberg, vorwiegend der deutschsprachigen. In diesem Zusammenhang war er an der Entwicklung des damals aufkommenden Rechtsbegriffs „Nationales Kulturgut“ und der damit verbundenen Vorstellung von dessen Schutzwürdigkeit gegenüber Zerstörung, Zerstreuung und Wegführung beteiligt.[6] Zu seinen Schülern zählen unter anderen Franz Pettrich und Peter Kaufmann.

Nach seinem Tod 1822 wurde Canova 1827 in einem Mausoleum in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari in Venedig begraben; sein Herz wurde getrennt bestattet und befindet sich in einer Porphyrvase in der Akademie von Venedig. In Possagno, dem Geburtsort Canovas, wurde die Pfarrkirche Tempio Canoviano im Stile des Parthenons in Athen und des Römischen Pantheons nach Plänen von Gian Antonio Selva und Antonio Diedo gebaut und nach seinem Tod fertiggestellt.[7] Zusammen mit Canovas Geburtshaus, in dem Gemälde, Stiche, Zeichnungen, einige Stücke aus Marmor, Werkzeuge und persönliche Gegenstände des Künstlers ausgestellt sind, sowie der sog. Basilika der Gipsotheca Canoviana mit vielen Abgüssen und sogar einigen originalen Gipsmodellen seiner bildhauerischen Werke bietet der Ort ein kunsthistorisch bedeutendes Ensemble, das die Erinnerung an ihn wachhält.

Der Asteroid (6256) Canova wurde nach ihm benannt.

Weitere Bildwerke Canovas

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Amor und Psyche, 1793
  • 1775/1776: Orpheus, Sankt Petersburg, Eremitage
  • 1783/1792: Grabmal für Papst Clemens XIII., Carrara-Marmor, Petersdom, Rom
  • 1787/1793: Amor und Psyche, Marmor, Höhe 155 cm, Paris, Louvre und Sankt Petersburg, Eremitage; nach der gleichnamigen Erzählung aus den „Metamorphosen“ von Apuleius
  • 1796/1817: Hebe, Marmor, Höhe 166 cm, Sankt Petersburg, Eremitage und Museum von Forlì
  • 1801: Perseus mit dem Haupt der Medusa, Marmor, Vatikanische Museen, Rom
  • 1801/1805: Grabmal für die Erzherzogin Marie Christine von Sachsen-Teschen, Marmor, Augustinerkirche, Wien[9]
  • 1803/1809: Napoleon Bonaparte als friedensbringender Mars, Bronze, Höhe 325 cm
  • 1804/1807: Letizia Ramolino Bonaparte, Marmor, Höhe 145 cm
  • 1805/1808: Paolina Bonaparte als Venus Victrix, (Siegreiche Venus), Rom, Villa Borghese
  • 1809: Die reumütige Maria Magdalena, Eremitage (Sankt Petersburg)
  • 1817: Stele Traversa, auch Mailand, Cimitero Monumentale.
  • 1819 Stuart-Kenotaph, auch Denkmal der letzten Stuarts genannt, Marmor, Petersdom, Rom
  • 1819/1821: Stele Tadini, Lovere, Tadini-Akademie.

Canovas Marmorstatue der Göttin Hebe

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Abguss der Hebe Canovas von 1796 im Schlosspark Neustrelitz

Die von Antonio Canova geschaffene Marmorstatue der Hebe – Göttin der Jugend und Mundschenkin der zwölf olympischen Götter – machte großen Eindruck auf Johann Gottfried Seume, der sie auf seiner im Spaziergang nach Syrakus beschriebenen Reise im Jahr 1802 in Venedig sah und so beschrieb:

„Jetzt ist meine Seele voll von einem einzigen Gegenstande, von Canovas Hebe. Ich weiß nicht, ob Du die liebenswürdige Göttin dieses Künstlers schon kennst; mich wird sie lange, vielleicht immer beherrschen. Fast glaube ich nun, daß die Neuen die Alten erreicht haben. Sie soll eins der jüngsten Werke des Mannes sein, die ewige Jugend. Sie steht in dem Hause Alberici, und der Besitzer scheint den ganzen Wert des Schatzes zu fühlen. Er hat der Göttin einen der besten Plätze, ein schönes, helles Zimmer nach dem großen Kanal, angewiesen. Ich will, ich darf keine Beschreibung wagen; aber ich möchte weissagen, daß sie die Angebetete der Künstler und ihre Wallfahrt werden wird. Noch habe ich die Mediceerin nicht gesehen; aber nach allen guten Abgüssen von ihr zu urteilen, ist hier für mich mehr als alle ‚veneres cupidinesque‘.“

Dem folgt dieses Gedicht mit dem Titel Canovas Hebe:

Ich stand von süßem Rausche trunken,
Wie in ein Meer von Seligkeit versunken,
Mit Ehrfurcht vor der Göttin da,
Die hold auf mich herunter sah, so
Und meine Seele war in Funken:
Hier thronte mehr als Amathusia.
Ich war der Sterblichkeit entflogen,
Und meine Feuerblicke sogen
Aus ihrem Blick Ambrosia
Und Nektar in dem Göttersaale;
Ich wusste nicht, wie mir geschah:
Und stände Zeus mit seinem Blitze nah,
Vermessen griff ich nach der Schaale,
Mit welcher sie die Gottheit reicht,
Und wagte taumelnd jetzt vielleicht
Selbst dem Alciden Hohn zu sagen,
Und mit dem Gott um seinen Lohn zu schlagen.

Die 1796 von Antonio Canova aus Carrara-Marmor fertiggestellte Skulptur der Hebe befindet sich heute in den Staatlichen Museen zu Berlin;[10][11] eine weitere von Canova zwischen 1800 und 1805 geschaffene Skulptur der Göttin ist in der Eremitage in Sankt Petersburg ausgestellt. Ein Zinkabguss der Skulptur der Hebe Canovas von 1796 wurde auf einem Sockel in der Mitte des Hebetempels im Neustrelitzer Schlosspark aufgestellt.

Canovas Hebe war Vorbild der 1806 von Bertel Thorvaldsen geschaffenen Hebe, von der ein Abguss auf dem Grundstück des Göschenhauses in Grimma unter dem Amicitia-Tempel steht.

Canovas Marmorstatue der Göttin Venus (Venus Italica)

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Marmorkopie der Venus Italica vor dem Schloss Glienicke (Berlin)

Die Venus Italica ist eine von Antonio Canova in drei Exemplaren geschaffenene klassizistische Marmorstatue der Göttin Venus, die sich heute in der Galleria Palatina des Palazzo Pitti in Florenz, in Hearst Castle in Los Angeles und im Metropolitan Museum of Art in New York befinden. Die erste Version sollte ursprünglich die Venus Medici aus den Uffizien ersetzen, die von Napoléon geraubt worden war und sich 1802–1815 im Louvre in Paris befunden hatte.

Um 1992 kaufte ein britisches Ehepaar für 5200 Pfund die Marmorstatue einer liegenden Frau, um sie als Gartendekoration zu verwenden. Später stellte sich heraus, dass Canova die Statue geschaffen hatte (Maddalena Giacente – Liegende Magdalena). Sie wurde 1822 kurz vor Canovas Tod fertiggestellt. 1857 wurde sie bei einer Kunstausstellung in Manchester gezeigt; später war sie in Privatbesitz. Nach einem Brand verkaufte der Eigentümer Gegenstände aus seinem Haus, darunter auch die Statue. Wer sie kaufte, ist nicht bekannt. Bei einer Auktion 1938 wurde sie als »klassische Figur« bezeichnet. Bei Christie’s wurde die Statue auf 5 bis 8 Millionen Pfund geschätzt und am 7. Juli 2022 versteigert,[12] fand jedoch keinen Käufer.[13]

1994 erwarb das Victoria and Albert Museum in London die Skulptur Drei Grazien für 22,65 Mio. DM von einem Privatbesitzer.[14]

Die Harvard-Kunstmuseen in Cambridge (USA) besitzen eine Reihe von Gipsplaketten, die im 19. Jahrhundert nach Vorlagen von Antonio Canova angefertigt wurden.[15]

  • Fred Licht: Antonio Canova. Beginn der modernen Skulptur. Hirmer, München 198, ISBN 978-3-7774-3480-3.
  • Angelika Gause-Reinhold: Das Christinen-Denkmal von Antonio Canova und der Wandel in der Todesauffassung um 1800 (= Bochumer Schriften zur Kunstgeschichte, Band 15). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1990, ISBN 978-3-631-41642-6.
  • Erik Jayme: Kunstwerk und Nation. Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz (=Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1991, 3. Abhandlung). Universitätsverlag Winter, Heidelberg 1991, S. 18–27.
  • Erik Jayme: Antonio Canova (1757–1822) als Künstler und Diplomat. Zur Rückkehr von Teilen der Bibliotheca Palatina nach Heidelberg in den Jahren 1815 und 1816. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 1994, ISBN 978-3-927705-19-7.
  • Erik Jayme: Antonio Canova. Die politische Dimension der Kunst (Jahresgabe der Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien). Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien, 2000.
  • Erik Jayme, Yvonne zu Dona: Canova und die Tradition. Kunstpolitik am Päpstlichen Hof (Italien in Geschichte und Gegenwart, Band 26). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2006.
  • Johannes Myssok: Antonio Canova. Die Erneuerung der klassischen Mythen in der Kunst um 1800 (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, Band 48). Michael Imhof, Petersberg 2007, ISBN 978-3-86568-223-9.
  • Christian M. Geyer: Der Sinn der Kunst. Die Skulpturen Antonio Canovas für München. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-7861-2633-1.
  • Dietmar Schuth (Kurator), Erik Jayme (Texte): Feierstunden des Lebens. Begleitheft zur Ausstellung „Die Kunstsammlung Erik Jayme“. Schwetzingen – Orangerie (20. Juni-5. Juli 2015). Selbstverlag Erik Jayme, Heidelberg 2015, Abb., S. 6; Abb., S. 79. (zu einem Entwurf des rechten Engels vom Stuarts-Kenotaph)
  • Anna Frasca-Rath: John Gibson & Antonio Canova. Rezeption, Transfer, Inszenierung. Böhlau, Wien Köln Weimar 2018, ISBN 978-3-205-20296-7.
  • Nicolas Schmitt: Bibliotheca Palatina – Verlust und Wiederkehr. Drei Beiträge zur Geschichte der Bibliotheca Palatina von ihrer Wegführung bis zur Restitution im 19. Jahrhundert. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2024 [2], hier S. 12–16.
Commons: Antonio Canova – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Oscar Mothes: Geschichte der Baukunst und Bildhauerei Venedigs: Kunst der neuern Zeit, Band 2. Friedrich Vogt, Leipzig 1860, S. 335 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Oscar Mothes: Geschichte der Baukunst und Bildhauerei Venedigs: Kunst der neuern Zeit, Band 2. Friedrich Vogt, Leipzig 1860, S. 332, 305.
  3. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Band 3, Leipzig 1905, Stichwort Canova.
  4. Past Members: A. Canova. Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 20. April 2023.
  5. Matilde Cartolari: Eine erträumte Papstaudienz. In: Merten Lagatz, Bénédicte Savoy, Philippa Sissis (Hrsg.): Beute. Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe. Matthes & Seitz, Berlin 2021, ISBN 978-3-7518-0311-3, S. 360–363.
  6. Vgl. Erik Jayme, Kunstwerk und Nation. Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz (=Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1991, 3. Abhandlung). Winter, Heidelberg 1991, S. 18–27; Erik Jayme: Antonio Canova. Die politische Dimension der Kunst (Jahresgabe der Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien). Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien, 2000; Erik Jayme: Antonio Canova (1757–1822) als Künstler und Diplomat. Zur Rückkehr von Teilen der Bibliotheca Palatina nach Heidelberg in den Jahren 1815 und 1816. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 1994; Erik Jayme, Yvonne zu Dona: Canova und die Tradition. Kunstpolitik am Päpstlichen Hof (Italien in Geschichte und Gegenwart, Band 26). Peter Lang, Frankfurt am Main 2006; Nicolas Schmitt, Bibliotheca Palatina – Verlust und Wiederkehr. Drei Beiträge zur Geschichte der Bibliotheca Palatina von ihrer Wegführung bis zur Restitution im 19. Jahrhundert. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2024 [1], hier S. 12–16.
  7. L’architettura del Tempio. In: Homepage des Tempio Canoviano. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (italienisch).
  8. Christian M. Geyer: Der Sinn der Kunst. Die Skulpturen Antonio Canovas für München. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-7861-2633-1, S. 15.
  9. Augustinerkirche, Wien (Memento vom 27. August 2003 im Internet Archive)
  10. Abbildung und Beschreibung der Marmorskulptur der Hebe
  11. Gerlinde Kienitz: Neustrelitz. Die neue Residenzstadt. In: Neustrelitz 1733–1983. Hrsg.: Museum der Stadt Neustrelitz, Neustrelitz 1983, S. 18.
  12. Millionenschätzwert. Verschollen geglaubte Canova-Statue diente jahrelang als Gartendeko. In: spiegel.de. 17. März 2022, abgerufen am 20. Januar 2024.
  13. 7 July 2022 Old Masters Evening Sale, christies.com, abgerufen am 14. Juli 2022.
  14. Guinness Buch der Rekorde 2001. S. 58 (Sammlerstücke 2).
  15. Havard Art Museums (Memento vom 27. Juli 2014 im Internet Archive), abgerufen am 8. Juli 2014.