Barfüßerkirche (Augsburg)
Die evangelische Barfüßerkirche in der Altstadt von Augsburg wurde im 13. Jahrhundert von den Franziskanern (Barfüßern) erbaut. Nach ihrer weitgehenden Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie in Teilen vereinfacht wiederaufgebaut. Der hauptsächlich noch aus dem ehemaligen Chor bestehende turmlose Kirchenbau ragt aus dem Gewirr der engen Gassen und einfachen Giebelhäuser heraus und wirkt in seiner strengen Form gerade und akkurat.
Die Barfüßerkirche ist die Taufkirche von Bertolt Brecht und ist heute ein Baudenkmal im Augsburger Stadtbezirk Lechviertel, östliches Ulrichsviertel.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gründung und Vorgängerbauten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 1243 wurde die Barfüßerkirche von Brüdern des 1210 gegründeten Franziskanerordens inmitten des Augsburger Lechviertels neben dem Barfüßertor als kleine Kirche errichtet. Die Franziskaner waren auf dem großen Mattenkapitel des Ordens an Pfingsten 1221 an der Portiuncula-Kapelle in Assisi von Franz von Assisi nach Deutschland gesandt worden und erreichten über Trient, Bozen und Brixen am 16. Oktober 1221 Augsburg, wo sie das Franziskanerkloster Augsburg, das erste Franziskanerkloster in Deutschland, errichteten.[1]
1244 wurde der Kirche neben dem Patrozionium des heiligen Jakobus des Älteren das Patrozinium der „heiligen Jungfrau Maria“ verliehen. Für einen Raum zur Erweiterung der Kirche verkaufte 1265 der Dompropst Ludwig Graf von Helfenstein mit Einwilligung des Domkapitels und des Magistrats den Franziskanern zwei Häuser bei der Stadtmauer. Den romanischen Nachfolgebau aus dem Jahr 1265 vernichtete ein Brand im Jahr 1398. Von 1407 bis 1411 wurde die Barfüßerkirche als dreischiffige Basilika (mit einschiffigem Chor ohne Chorumgang) im Stil der Gotik auf den alten Grundmauern wiederaufgebaut. Einen Turm hatte die Kirche nie, lediglich einen Dachreiter. Die Alexiuskapelle wurde von Ulrich Rehlinger, einem Augsburger Patrizier, gestiftet. Die Einweihung erfolgte am 23. August 1411 durch Bischof Friedrich Wilhelm Wiedenholzer.
Reformation und Barockzeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Reformationszeit traten die Barfüßer-Brüder ihr Kloster an den Magistrat ab und verließen die Stadt. 1524 wurde in der Barfüßerkirche eine erste evangelische Predigt gehalten. 1535, nach Auflösung des Franziskanerklosters, wurde die Kirche zum ersten evangelischen Gotteshaus in Augsburg.[2] Anstelle des Klosters ließ der Magistrat ein Gebäude errichten, in dem 1543 bis 1548 die St.-Jakobs-Pfründe verlegt wurde. Während des Dreißigjährigen Krieges war die Kirche in Besitz der Katholiken, bis sie am 13. Februar 1649 förmlich den Protestanten übergeben wurde. Am 17. Februar 1649 räumten die Barfüßer endgültig das Kloster.[3]
Die erste urkundliche Erwähnung der Orgel von Marx Günzer geht auf das Jahr 1609 zurück. Sie wurde für 150 Jahre in der Barfüßerkirche gespielt, bevor man sie für die 200-Jahr-Feier des Augsburger Religionsfriedens 1755 durch eine neue ersetzen wollte und sie deshalb abgebaut und nach Gabelbach verkauft hat,[4] wo sie, 2016 restauriert, erhalten geblieben ist.[5] Sie gilt als die älteste bekannte Orgel im süddeutschen Raum.[6]
Von 1724 bis 1760 erfolgte die Umgestaltung nach spätbarockem Zeitgeschmack. Im Zuge der Umgestaltung wurde 1750 auch die Kanzel von Christoph Friedrich Rudolph geschaffen. 1757 erfolgte der Einbau der von Johann Andreas Stein geschaffenen Prunkorgel. 1777 spielte Wolfgang Amadé Mozart bei seiner Städtereise (1777–1781) an diesem Instrument, das Stein ohne Kurze Oktave errichtet hatte und meinte:[7] Auf dieser neuen Orgel von J. A. Stein spielte im Oktober 1777 Wolfgang Amadeus Mozart, wie aus einem Brief an seinem Vater zu entnehmen ist:[8]
„wir kamen auf den Chor. ich fieng zu Præludiren an, da lachte er (= Johann Andreas Stein) schon, dann eine fuge. das glaube ich, sagte er, daß sie gerne orgl spiellen; wen man so spiellt – – vom anfang war mir das Pedal ein wenig fremd, weill es nicht gebrochen war. es fing c an, dann d - e, in einer reihe. Beÿ uns ist aber D und E oben, wie hier Eb und f#. ich kam aber gleich drein“
19. und 20. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfang des 19. Jahrhunderts war die Kirche der Anna Magdalena von Greif´schen Wohltätigkeitsstiftung 700 Gulden Fundationskaptital schuldig. Das damalige Kirchenvermögen bestand aus Aktivkapitalien, einem Pfarrhaus neben fünfzehn an die Kirche angebauten Kaufläden und einem Messnerhaus, in einem Gesamtwert von 30.053 fl. 1825 wurden das benachbarte Barfüßertor und die Alexiuskapelle abgebrochen. Im Zuge der Erneuerung erhielt die Kirche 1886 bunte Bleiglasfenster, fünf Fenster im Chor, drei Fenster rechts und drei Fenster links der Kanzel. Für die Auswahl und Zusammenstellung war der damalige Pfarrer Döderlein zuständig.[9]
Die Stein-Orgel wurde im Lauf der Zeit aufgrund des sich ändernden Zeitgeschmacks mehrfach umgebaut. Albert Schweitzer spielte am 31. Mai 1929 ebenfalls ein Konzert, nachdem das Instrument durch den Orgelbauer Walcker – zu jener Zeit wieder von dem Ideal der Barockmusik inspiriert – abermals verändert worden war, und dann über 63 Register verfügte.[10]
Zerstörung und Wiederaufbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Zweiten Weltkrieg wurde die Barfüßerkirche bei den britischen Luftangriffen vom 25. auf den 26. Februar 1944 bis auf die Außenmauern des Chors zerstört. Die komplette Inneneinrichtung – darunter die geschnitzte Kanzel und die Prunkorgel – ging in den Flammen verloren. Bis zum Jahr 1951 wurde die Kirche in vereinfachter Form wiederaufgebaut. An der Stelle des hinteren Kirchenschiffs, das nicht wieder aufgebaut wurde, befindet sich heute ein Innenhof.
2013 wurde durch Zufall ein Teil des verloren geglaubten „Barfüßer-Archivs“ mit historischen Dokumenten in einem alten Schrank auf dem Dachboden wiederentdeckt. Es galt seit 1944 als verschollen.[11]
Ausstattung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das großflächige Gemälde „Die Taufe Christi“ von Johann Heiss stammt aus den Jahren zwischen 1680 und 1690. Zusammen mit dem Altarbild „Das letzte Abendmahl“ von Gottfried Eichler aus dem Jahr 1730 schmückt es noch heute das ansonsten schlichte Innere der Barfüßerkirche. Matthäus Gundelach, Abraham Synacher und Andreas Löscher gestalteten die Emporenbilder.
Das Kruzifix und das „Christkind“ wurden vom Augsburger Georg Petel in den Jahren 1631 und 1632 geschaffen.[12] Das von Peter Laire geschenkte Chorgitter fertigte bis 1760 der Kunstschlosser Johann Samuel Birkenfeld.
Orgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die heutige Orgel wurde 1958 durch die österreichische Werkstatt Rieger errichtet. Sie hat 35 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Disposition lautet:[10]
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- Bemerkungen: Schleifladen, mechanische Spiel- und elektrische Registertraktur
- Koppeln: I/P, II/P, III/P, III/II, III/I, II/I
- Spielhilfen: 6 Setzerkombinationen
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Die Tür im Chorgitter von Johann Samuel Birkenfeld
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Taufstein
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Grabstein
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„Das letzte Abendmahl“ von Nicola Grassi
Pastoren bis zum 19. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1522 Johann Schilling
- 1524 Michael Cellarius († 1548)
- 1551 Hieronymus Härtel
- 1552 Leonhard Beschel († 1567)
- 1560 Johannes Rein († 1571)
- 1571 Christoph Neuberger († 1598)
- 1586 Jakob Striem
- 1587 Johannes Rößlin
- 1580 Bartholomäus Reulich Senior († 1626)
- 1625 Wolfgang Jakob Christmann († 1631)
- 1632 Christoph Ehinger († 1633)
- 1634 Philipp Weber († 1652)
- 1649 Johann Mayer Senior († 1656)
- 1656 Philipp Heinrich Weber († 1677)
- 1678 Johann Jakob Müller († 1706)
- 1707 Johann Philipp Treuner († 1722)
- 1717 Gottfried Lomer Senior († 1728)
- 1729 Philipp Gottfried Harder († 1743)
- 1743 Johann Gottfried Essich († 1751)
- 1749 Johann Ulrich Hildebrand († 1756)
- 1757 Gottfried Holeißen († 1758)
- 1758 Kaspar Kretz († 1760)
- 1760 Marc Friedrich Krauß Senior († 1772)
- 1772 Karl Friedrich Brucker († 1772)
- 1772 Friedrich Daniel Geuder Senior († 1805)
- 1805 Johann Daniel Gotthilf Weiler († 1805)
- 1806 Gottlieb Tobias Wilhelm († 1811)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gerd Geier (Red.): Tradition und Aufbruch: Zu den Barfüßern Augsburg; ein Lesebuch; Festschrift zum Barfüßerjubiläum 1999. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-509-2.
- Dorothea Band, Markus Johanns: Gott zu Lob und Ehren: kostbares Altargerät der Barfüßerkirche Augsburg; Katalog zur Ausstellung im Schaezlerpalais in Kooperation mit den Städtischen Kunstsammlungen Augsburg; 17. April bis 27. Juni 1999 aus Anlass des Barfüßerjubiläums „Tradition und Aufbruch“. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-510-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Baugeschichte
- Evangelische Gemeinde Zu den Barfüßern Augsburg
- Die Barfüßerkirche im Augsburg-Wiki
- Fotos des Kircheninneren vor und nach der Zerstörung
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Dieter Berg (Hrsg.): Spuren franziskanischer Geschichte. Werl 1999, S. 19.
- ↑ Das Franziskanerkloster zu den Barfüßern. Haus der Bayerischen Geschichte. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, abgerufen am 19. Juli 2024.
- ↑ Franz Eugen Joseph Anton von Seida und Landensberg: Historisch-statistische Beschreibung aller Kirchen-, Schul-, Erziehungs- und Wohlthätigkeitsanstalten in Augsburg: Von ihrem Ursprunge an bis auf die neuesten Zeiten. 1. Stage, 1811, S. 381.
- ↑ Die älteste Orgel Süddeutschlands. ( vom 10. Juni 2007 im Internet Archive) Pressemitteilung Universität Augsburg, 15. Februar 2006.
- ↑ Franz Körndle: Die Geschichte der Günzer-Orgel von 1609 in Gabelbach. In: Ars Organi. Jg. 64, 2016/4, S. 199–202.
- ↑ Manuela Bauer: Das Mekka der Orgelfans. Abgerufen am 21. Mai 2019.
- ↑ Salzburg, Internationale Stiftung Mozarteum: Brief Wolfgang Amadé Mozarts an seinen Vater. Augsburg am 17. Oktober 1777. In: Mozart Briefe und Dokumente. Online-Edition, Digitalisat
- ↑ Quelle: Ausstellung im Kreuzgang der Kirche
- ↑ Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus. Ebner & Seubert, 1894, S. 150.
- ↑ a b Orgeldatenbank Bayern online
- ↑ Sensationsfund in der Barfüßerkirche: Frau findet Jahrhunderte altes Archiv. In: Augsburger Allgemeine. 4. Juni 2013.
- ↑ Andreas Link: Augspurgisches Jerusalem: Bürger, Künstler, Pfarrer: Evangelische Barockmalerei. Deutscher Kunstverlag, 2009, ISBN 3-422-06867-8, Seite 37
Koordinaten: 48° 22′ 10,2″ N, 10° 54′ 3,2″ O