Benutzer:DerMaxdorfer/Schriftreform des Claudius

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Die Schriftreform des römischen Kaisers Claudius war ein Reformversuch des 41 bis 54 n. Chr. amtierenden römischen Kaisers Claudius.

  • Noch auszuwerten: Mazzarino, Meyer (Einführung in die lateinische Epigraphik, Literatur S. 29), Papke, Oliver
  • en:Claudian letters

Inhalt der Reform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Claudius ordnete an, drei neue Buchstaben einzuführen:

  • Ⅎ, ein umgedrehtes Digamma (Ϝ). Damit sollte die bisherige Doppelbedeutung des Buchstabens V aufgehoben werden. Dieses vom griechischen Ypsilon abgeleitete Zeichen stand im Etruskischen und im daraus hervorgegangenen Lateinischen sowohl für den Vokal [u] als auch für den Halbvokal [w] (Schmidt 121: für den Konsonanten [v]; ebenso Margarethe Billerbeck: Philology at the Imperial Court. In: Greece & Rome. Band 37, 1990, Nummer 2, S. 191–203, hier S. 199 – v und w wohl beides). Dieses Problem war entstanden, da im Griechischen der Laut [w] im Laufe der Zeit ausgestorben und das dafür verwendete Schriftzeichen Digamma damit außer Gebrauch geraten war (mit Ausnahme des äolischen Dialektes – Schmidt 121). Da in den italischen Sprachen wieder beide Laute genutzt wurden, war es nur konsequent, ein entsprechendes Zeichen wieder einzuführen. (XXX: Beleg?) Meyer 28: "stimmhaften Reibelaut w".
  • Ⱶ, ein halbes H. Damit sollte vermutlich der sogenannte sonus medius wiedergegeben werden, ein kurzer Vokallaut, der zur Wiedergabe von Lauten zwischen i und u verwendet werden sollte. So existierten beispielsweise im Lateinischen zwei Schreibweisen (?) für „der Beste“, optimus und optumus, da die tatsächliche Aussprache wohl dazwischen lag. Dieser Buchstabe fand später auch im Griechischen zur Wiedergabe eines kurzen Ypsilon Verwendung. Alternativ wird in der Forschung auch angenommen, das Ⱶ habe generell das griechische Ypsilon wiedergeben sollen, also einen Vokal zwischen ē und ī (Billerbeck a. a. O. 199; Meyer 28).
  • Ↄ, das sogenannte Antisigma, abgeleitet vom griechischen Sigma (das damals bereits als sogenanntes „lunares Sigma“, also Ϲ und nicht mehr Σ geschrieben wurde). Das Zeichen sollte dem griechischen Buchstaben Psi (Ψ) entsprechen und damit die Doppelkonsonanten bs und ps wiedergeben.[1] Es ist jedoch nicht klar, welchen Nutzen dieser Buchstabe im Lateinischen abseits von Übernahmen aus dem Griechischen hätte haben sollen. Möglicherweise lag eine angedachte Verwendungsform in den Perfektformen diverser lateinischer Verben, etwa scripsit („er hat geschrieben“).[2] Entsprechend war bereits auch das X übernommen worden (siehe Billerbeck a. a. O.; Küster geht darauf auch ein). Siehe auch dies. 203, Anm. 67: „It is unlikely that Claudius' invention, or rather adaptation, was inspired by an attempt to avoid the confusion of x with ps as in the vulgar ixi for ipsi, cf. Suet. Aug. 88.“

Wo die Buchstaben in die Reihenfolge des Alphabets eingeordnet wurden, ist unbekannt.[3]

Meyer 28: Außerdem versuchte Claudius durchzusetzen, dass man den Diphtong ai wie in republikanischer Zeit wieder mit ai schreiben solle und nicht mit der mittlerweile eingebürgerten Form ae. Auch diese Reform wurde während der Regierungszeit des Claudius teilweise noch konsequent genutzt, nach seinem Tod verschwand sie aber völlig (damit ist sie sogar als Datierungskriterium brauchbar).

Geschichte der Reform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An literarischen Quellen machen vor allem die beiden Geschichtsschreiber Sueton und Tacitus, die beide ihre Werke Anfang des 2. Jahrhunderts verfassten, Angaben zur Schriftreform des Kaisers Claudius. Dieser hatte sich bereits vor seinem Regierungsantritt als Gelehrter und Schriftsteller betätigt und unter anderem ein Werk über die Geschichte und Kultur der Etrusker verfasst. Sueton schreibt, dass er auch ein Werk über das Alphabet verfasst hat, deren Ausrichtung oder gar Titel aus seiner Formulierung aber nicht deutlich wird.[4] Vermutlich griff Tacitus auf dieses Werk zurück, als er in seine Erläuterungen zu der Einführung neuer Buchstaben durch Claudius einen Exkurs über die Entstehung des Alphabets einfügte.[5] Antonio Mazzarino hat darüber hinaus vermutet, dass die Schrift auch Plinius dem Älteren für eine vergleichbare Passage in seinem enzyklopädischen Werk Naturalis historia als Quelle diente.[6]

Als er im Jahr 47 v. Chr. das Amt des Censors bekleidete, setzte er seine Schriftreform durch. (XXX: Beleg? Bisher nur die Diskussion Schmidt 129)

Ab der Durchsetzung der Alphabetreform wurden die neuen Buchstabenformen zumindest in den offiziellen Inschriften bis zum Tod des Claudius verwendet, auch in manchen privaten Inschriften kamen sie zum Einsatz. Es sind allerdings nur wenige Belege für Ↄ und nur wenig mehr für Ⱶ bekannt.[7] Auf längere Sicht zeigten die Bemühungen des Claudius keine Wirkung, unter den nachfolgenden Kaisern waren die drei neuen Buchstaben nicht mehr in Gebrauch und man kehrte zu den traditionellen Schreibweisen zurück.

Die antiken Grammatiker waren durchaus der Meinung, dass die Innovationen des Claudius ihre Berechtigung gehabt hätten (Schmidt 121). Sueton schreibt, dass sie auch tatsächlich Verbreitung gefunden hätten – damit meint er aber vermutlich nur die Regierungszeit des Claudius und nicht etwa eine etwaige Benutzung in späterer Zeit (Schmidt 121). Die Grammatiker geben nämlich einheitlich an, dass sich die schönen Ideen des Kaisers nicht gegen die Macht der Gewohnheit hätten durchsetzen können (Schmidt 121). Peter L. Schmidt vermutet, dass die lateinische Sprache durch die hervorragenden Stilisten und Schriftsteller der vorangegangenen Zeit (Cicero, Caesar, Varro, Catull, ...) eine gewisse Festigung erfahren hatte und quasi den Anschein der Vollendung besaß, sodass man im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr einfach Ergänzungen aufnahm (Schmidt 121). Seine Reform sei „vernünftig, aber verspätet“ gewesen (ebd. 122).

  • Noch nicht berücksichtigt: Senecas Satire auf Claudius als Philologen in der Apocolocyntosis 5,4 (siehe Schmidt 121 f.; Billerbeck 200)

Materialien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

“novus etiam commentus est litteras tres ac numero veterum quasi maxime necessarias addidit; de quarum ratione cum privatus adhuc volumen edidisset, mox princeps non difficulter optinuit ut in usu quoque promiscuo essent. extat talis scriptura in plerisque libris ac diurnis titulisque operum.”

„Drei neue Buchstaben hat er auch noch erfunden und sie ergänzend zu der Zahl der bisherigen Buchstaben hinzugefügt, so als seien sie unentbehrlich. Als er noch Privatmann war, hatte er über das Alphabet ein Buch geschrieben; später als Kaiser setzte er ohne Schwierigkeiten durch, daß diese Buchstaben ganz wie die herkömmlichen in Gebrauch kamen. Diese Schriftzeichen finden sich in den meisten Büchern, den Hofnachrichten und auf Inschriften an Gebäuden.[8]

Sueton: Claudius 41

“[...] ac novas litterarum formas addidit vulgavitque, comperto Graecam quoque litteraturam non simul coeptam absolutamque. [...] sed nobis quoque paucae primum fuere, deinde additae sunt. quo exemplo Claudius tres litteras adiecit, quae in usu imperitante eo, post obliteratae, aspiciuntur etiam nunc in aere publicandis plebiscitis per fora ac templa fixo.”

„[...] erfand außerdem neue Buchstabenformen und brachte sie in den Verkehr, da er erfahren hatte, auch das griechische Alphabet sei nicht gleich am Anfang vollständig gewesen. [...] Aber auch wir hatten zunächst nur wenige [Buchstaben], dann wurden welche ergänzt. Nach diesem Beispiel fügte Claudius drei Buchstaben hinzu, die unter seiner Herrschaft verwendet, dann aus der Mode gekommen, auch jetzt noch auf den Erztafeln zu sehen sind, die zur Veröffentlichung der Volksbeschlüsse überall auf Marktplätzen und an Tempeln angebracht sind.[9]

Tacitus: Annales 11,13 f.
Grammatiker
  • Velius Longus, Keil 7, 75: 'Aurifex' melius per i sonat quam per u; at 'aucupare' et 'aucupium' mihi rursus melius videtur sonare per u quam per i... unde Ti. Claudius novam quandam litteram excogitavit similem ei notae, quam pro adspiratione Graeci ponunt (sc. Ⱶ), per quam scriberentur eae voces, quae neque secundum exilitatem i litterae neque secundum pinguitudinem u litterae sonarent. ('Aurifex' klingt mit i besser als mit u, aber 'aucupare' und 'aucupium' scheinen mir...)
  • Priscian 1, Keil GL 2, 15: V vero loco consonantis posita eandem prorsus in omnibus vim habuit apud Latinos, quam apud Aeolis Ϝ digamma... Pro quo <Claudius> Caesar hanc figuram Ⅎ scribi voluit, quod quamvis illi recte visum est, tamen consuetudo antiqua superavit.
  • Priscian 1, Keil GL 2, 33: Huic (sc. s) praeponitur p et loco Graecae fungitur, pro qua Claudius Caesar antisigma hac figura ↃϹ scribi voluit. Sed nulli ausi sunt antiquam scripturam mutare, quamvis non sine ratione haec quoque duplex a Graecis addita videatur.

Gemeinsame Quelle wohl: Terentius Scaurus, De litteris novis (Schrift aus hadrianischer Zeit). Vgl Mazzarino 61.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Franz Bücheler: De Ti. Claudio Caesare Grammatico. In: Derselbe: Kleine Schriften. Band 1, B. G. Teubner, Leipzig/Berlin 1915, S. 1–48 (Digitalisat) (siehe auch die Ergänzung ebenda S. 106 f.).
  • Antonio Mazzarino (Hrsg.): Grammaticae romanae fragmenta aetatis Caesareae. Band 1, Löscher, Turin 1955, S. 57–68.
  • Peter L. Schmidt: Claudius als Schriftsteller. In: Volker Michael Strocka (Hrsg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.). Umbruch oder Episode? Internationales interdisziplinäres Symposion aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg i. Br. 16.–18. Februar 1991. Philipp von Zabern, Mainz 1994, ISBN 3-8053-1503-1, S. 119–131, hier S. 121 f.
  • Marc Wilhelm Küster: Geordnetes Weltbild. Die Tradition des alphabetischen Sortierens von der Keilschrift bis zur EDV. Eine Kulturgeschichte. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 978-3-484-10899-8 (zugleich Dissertation, Universität Tübingen 2005), S. 262 f.
  • Roland Papke: Des Kaisers neue Buchstaben. Claudius in Tac. ann. 11,14 und Sen. apocol. 3,4. In: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft. Band 12, 1986, S. 183–196 (Digitalisat).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Margarethe Billerbeck: Philology at the Imperial Court. In: Greece & Rome. Band 37, 1990, Nummer 2, S. 191–203, hier S. 199.
  2. Marc Wilhelm Küster: Geordnetes Weltbild. Die Tradition des alphabetischen Sortierens von der Keilschrift bis zur EDV. Eine Kulturgeschichte. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 978-3-484-10899-8, S. 262, Anm. 50.
  3. Marc Wilhelm Küster: Geordnetes Weltbild. Die Tradition des alphabetischen Sortierens von der Keilschrift bis zur EDV. Eine Kulturgeschichte. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 978-3-484-10899-8, S. 263.
  4. Sueton, Claudius 41.
  5. Tacitus, Annales 11,14.
  6. Plinius der Ältere, Naturalis historia 7,192. Zur Nutzung von Claudius' Abhandlung als Quelle siehe Antonio Mazzarino (Hrsg.): Grammaticae romanae fragmenta aetatis Caesareae. Band 1, Löscher, Turin 1955, S. 62 f. Zustimmend äußert sich Peter L. Schmidt: Claudius als Schriftsteller. In: Volker Michael Strocka (Hrsg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.). Umbruch oder Episode? Philipp von Zabern, Mainz 1994, ISBN 3-8053-1503-1, S. 119–131, hier S. 121.
  7. Marc Wilhelm Küster: Geordnetes Weltbild. Die Tradition des alphabetischen Sortierens von der Keilschrift bis zur EDV. Eine Kulturgeschichte. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 978-3-484-10899-8, S. 262.
  8. C. Suetonius Tranquillus: Die Kaiserviten/De vita Caesarum. Berühmte Männer/De viris illustribus. Lateinisch–deutsch hrsg. und übersetzt von Hans Martinet (Sammlung Tusculum). Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 1997, ISBN 3-7608-1698-3, S. 616–619.
  9. P. Cornelius Tacitus: Annalen. Lateinisch–deutsch hrsg. von Erich Heller; mit einer Einführung von Manfred Fuhrmann (Sammlung Tusculum). 6. Auflage, Artemis & Winkler, Mannheim 2010, ISBN 978-3-538-03542-3, S. 462–465.