Benutzer:Elektrofisch/balgerei

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Bälge als typisches Sammlungsgut in einer ornithologische Sammlung. Museum of Comparative Zoology (MCZ) Harvard University in Cambridge mit rund 400.000 Präparaten[1]

Balg (engl. skin) ist in der Ornithologie die aus der Jägersprache stammende Bezeichnung für die Haut eines Vogels mit anhängendem Gefieder, Schnabel, Beinen und Füßen. Anders als in Schausammlungen von Naturkundemuseen, bei denen die Präparate lebensnahe Dermoplastiken bevorzugt werden, werden heute in wissenschaftlich genutzten Sammlungen vor allem Bälge verwahrt, beispielsweise umfasst die Sammlung des Museum für Naturkunde in Berlin rund 150.000 Vögel, 93% davon sind als Bälge präpariert.[2]

Vom Vogel zum Balg

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Der Forschungsreisende Maximilian zu Wied-Neuwied mit Joachim Quäck auf der Jagd im brasilianischen Urwald (1815–1817). Der erbeutete Vogel wurde präpariert.[3]

Bälge werden gesammelt. Zumeist ist der Begriff "Sammeln" ein Euphemismus für Jagd. Die Tiere werden vom Sammler (oder einem seiner Gehilfen) gejagt. In Frage kommen alle möglichen Jagdtechniken wie die das Schießen mit mehr oder weniger feinem Schrot oder dem Blasrohr, daneben können Vögel auch mit Netzen, Schlingen, Fallen, Leim und vielfältigen anderen Techniken gefangen werden. Nicht selten war auch der Kauf oder das Eintauschen von toten oder lebenden Vögeln bei Einheimischen oder ein Vogelmarkt die Quelle der Sammler.

In der deutschen Ornithologie ist die Vogeljagd nach 1945 für Bälge unüblich geworden, die Sammlungen werden kaum noch ergänzt, und wenn, dann vor allem aus Totfunden oder durch in Zoos und Vogelparks verstorbenen Tieren erweitert. Beim Sammeln und dem Transport von Bälgen sind die strengen Vorschriften aus dem Artenschutzrecht, dem Tierschutzrecht und dem Jagdrecht zu beachten.

Präparation, Konservierung, Transport

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Da durch das Präparieren der Vögel wichtige Daten (das eventuell nur durch die Gonaden bestimmbare Geschlecht, die Gonadengröße, der Mageninhalt, der Kropfinhalt, Parasiten oder auch das Gewicht des Vogels und die Augenfarbe) verloren gehen, werden diese im Idealfall, ebenso wie der Sammelort und Sammeldatum, auf einem Etikett notiert.

Der erste Schritt der Präparation ist das Zubinden des Schnabel und das Zustopfen der Mundhöhle und der Kloake. Danach beginnt das Abbalgen (Jägersprache für das Abziehen von Haut oder Fell) mit dem Durchtrennen der Haut am Bauch etwa vom Beginn des Brustbein bis zum After. Der Fleischkörper wird vorsichtig von der Haut gelöst. Die Beine werden an den Kniegelenken durchtrennt. After und Schwanz werden freipräpariert. Die Haut wird weiter Richtung Hals vom Fleichkörper gelöst. Die Oberarme werden ebenfalls freigelegt und durchschnitten. Haut und Fleischkörper werden von hinten weiter in Richtung Kopf bis über die Ohren voneinander gelöst, die Augen freipräpariert. Anschließend wird der der Fleischkörper mit dem Hinterschädel vom Fleischkörper abgetrennt. Es müssen nun noch die Fleischreste an Haut und Knochen entfernt werden. Bei größeren Vögeln wird auch die Haut über dem Unterarm geöffnet und die Muskulatur entfernt. Anschließend wird der Fleischkörper grob, etwa aus Watte nachgebildet, der Vogel damit gefüllt und die Schnitte werden vernäht.[4]

Die Haut sollte gründlich entfettet werden. Zur Konservierung der Haut wurden historisch verschiedenste Verfahren vom einfachen Trocknen, dem Räuchern, Gerben oder Vergiften, besonders mit Arsenverbindungen eingesetzt.

Den noch feuchten Bälgen werden die Flügel und Füße an den Körper angeschmiegt, der Schnabel und der Schwanz ausgerichtet, anschließend wird der Balg getrocknet. Diese Arbeitsschritte wurden zeitnah zum Tod des Vogel, zum Teil unter widrigen Bedingungen, etwa im tropischen Regenwald durchgeführt. Am Sammlungsort sind vor allem Feuchtigkeit und der Befall mit Insekten eine Gefahr für das Sammlungsgut. So präparierte Bälge können kompakt gelagert und verschickt werden.

Der Rücktransport von Sammlungsgut war ebenfalls eine Gefahr. Wesentliche Teile etwa der Brasiliensammlung von Alfred Russel Wallace gingen bei einem Schiffsunfall auf dem Atlantik verloren, den er selbst nur Knapp überlebte. Ähnlich ging es dem nordamerikanischen Sammelgut von Maximilian zu Wied-Neuwied das einem Brand auf einem Mississippidampfer zum Opfer fiel.

Vom Balg zum montierten Stück und das "zurückbalgen"

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Gelbscheitelpipra (Lepidothrix vilasboasi) Typusexemplar (Balg)

Die Sammlung möglichst vieler Arten, Unterarten, später auch in zahlreichen Exemplaren (Serien) ist heute die Grundlage der ornithologischen Sammlungen großer Museen, die sich parallel aus fürstlichen und privaten Naturalienkabinetten, Jagttrophähensammlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen entwickelten. Lange Zeit existierten Privatsammlungen die den staatlichen Sammlungen überlegen sein konnten. Ein Beispiel dafür war die Sammlung von John Latham. Diese Sammlungen zerfielen nach dem Tod des Besitzer oder wurden durch Kauf oder Stiftung Teil großer öffentlicher Sammlungen.


Bälge sind bei richtiger Lagerung und guter Präparation durchaus langlebig, Balgmaterial aus dem 18. Jahrhundert ist in Museumssammlungen durchaus noch vorhanden, dazu gehört Typenmateral einiger Arten.

Große Sammlungen

  1. NY
  2. Tring
  3. Leiden
  4. Paris
  5. Berlin
  6. Frankfurt
  7. Wien

Möglichkeiten mit Balgsammlungen

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Aktuell lassen sich folgende Schwerpunkte in der wissenschaftlichen Arbeit mit ornithologischen Sammlungen und damit auch mit Bälgen ausmachen:

  1. Biosystematik d.h. die Neubeschreibungen von Vogelarten oder -Unterarten,
  2. Phylogenetik – Sammlungen als Archive historischer DNA
  3. Avifaunistische Nachweise und Verbreitungsatlanten, die z.T. historischen Sammlungsorte können aktuelle Kartierungen ergänzen
  4. Historische Bestandsentwicklungen
  5. Artenschutz Die praktische Bedeutung des Wissens über historische Verbreitungen wie auch Bestandsgrößen liegt vor allem in ihrer Umsetzung im Sinne des Artenschutzes.
  6. Ökologie Ausgehend von morphologischen Merkmalen lassen sich Rückschlüsse auf die Lebensweise von Tieren ziehen sowie die ökologische Nische und damit deren Funktion im Ökosystem charakterisieren.

[5]

Messwerte
Grundlage der Taxonomie

Bekannte Sammler

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Nach dem Zeitalter der Entdeckungen und mit der Etablierung der zoologischen Systematik Karl von Linnes entwickelt sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Sammlung von Vogelbälgen zu einer systematischen Tätigkeit, die einerseits von Forschungsreisenden, andererseits von kommerziellen Sammlern betrieben wurde. Während die Forschungsreisenden, sofern sie keine Privatiers waren, die sich entwickelnden öffentlichen Museen belieferten die sie zum Teil beauftragten und bezahlten, arbeiteten die kommerziellen Sammler zu ihrem eigenen Gewinn. Sie verkauften sowohl an Museen als auch an den sich etablierenden Naturalienhandel und damit auch an private Sammler.

Im Laufe des neunzehnten Jahrhundert differenzierte sich zunehmend die Sammler von den Museumsornithologen.

Bekannte Sammler waren etwa: Johann Georg Adam Forster, Johann Baptist von Spix, Johann Natterer für Brasilien oder Charles Darwin, Alfred Russel Wallace, Otto Finsch, Anton Reichenow, Albert Stewart Meek, Ernst Mayr, Salomon Müller

Johann Friedrich Naumann Keine Bälge

  • Eck, S., Fiebig, J., Fiedler, W., Heynen, I., Nicolai, B., Töpfer, T., van den Elzen, R., Winkler, R. & Woog, F. (2011). Vögel vermessen – measuring birds. DO-G Projektgruppe „Ornithologische Sammlungen“, Deutsche Ornithologen-Gesellschaft, Wilhelmshaven & Christ Media Natur, Minden. 118 Seiten.
  • Frahnert, S., Päckert, M., Tietze, D.T. & Töpfer, T. (2013). Aktuelle Schwerpunkte sammlungsbezogener Forschung in der Ornithologie. Vogelwarte 51(3): 185–191.

Einzelnachweise

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  1. http://www.mcz.harvard.edu/Departments/Ornithology/researchcoll.html
  2. [1]
  3. http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/Bonner-Zoologische-Beitraege_1_0126-0143.pdf
  4. Hans-Jürgen Thorns: Sammeln und Präparieren von Tieren. Franck, 1988 S. 31-33
  5. Sylke Frahnert, Martin Päckert, Dieter Thomas Tietze & Till Töpfer: Aktuelle Schwerpunkte sammlungsbezogener Forschung in der Ornithologie. Vogelwarte 51, 2013: 185 – 191. http://www.dieterthomastietze.de/pub/2062.pdf