Benutzer:MYR67/Artikelwerkstatt Eduard Heinrich Bernhard Krause

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Eduard Heinrich Bernhard Krause, auch: Edward Henry Bernard Krause[1] und Eduard Friedrich Heinrich Krause[2], (* 25. März 1816 in Stralsund, † 30. August 1882 in Berlin), war ein deutscher Buchdrucker und Teilnehmer der 1848er Revolution.

Eduard Heinrich Bernhard Krause wurde als Sohn des in Putbus ansässigen jüdischen Kaufmanns Israel Nathan in Stralsund geboren. Sein Vater konvertierte zwischen 1818 und 1822 zum Christentum und nannte sich seither Theodor Krause. Eduard Krause blieb zunächst jüdisch, er trat erst im Alter von knapp 26 Jahren zum Christentum über. Er erlernte in Stralsund den Beruf des Schriftsetzers und ging als 20jähriger, im Jahr 1836, auf Wanderschaft, die ihn zunächst nach New York und dann nach Aachen, Brüssel, Paris und London führte. Am 13. März 1842 wurde er in London auf den Namen Edward Henry Bernard Krause getauft. 1843 zog er nach Berlin, wo er fortan die Vornamen Eduard Heinrich Bernhard verwandte. 1845 gründete er gemeinsam mit Julius Berends (1817–1891), mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, eine Buchdruckerei in der Neuen Orangenstr. 74 (später Orangenstraße 103, der heutigen Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg). Berends firmierte fortan bei seinen politischen Aktivitäten – die ihn im Juni 1847 in Berlins Stadtverordnetenversammlung, 1848 in die Preußische Konstituierende Versammlung, 1849 in das Preußische Abgeordnetenhaus und nach dessen Auflösung an die Spitze der Berliner Volkspartei führten – stets als Buchdruckereibesitzer. Die technische Ausstattung der Druckerei von Krause und Berends bestand zunächst nur aus einer hölzernen Handpresse.

Im ersten Halbjahr 1844 wurde unter dem Berliner Stadt-Syndikus Heinrich Philipp Hedemann (1800-1872) der Berliner Handwerkerverein in der Johannisstraße 4 gegründet. Krause war von Anfang an aktives Mitglied. Auf der ersten Generalversamlung des Handwerkervereins am 14. Oktober 1844 wurde der Schriftsetzer Eduard Krause als einer von vier Vertretern der Gesellen in den Vorstand gewählt. Er war gleichzeitig – als einziger Geselle – Mitglied des Lehrkörpers des Handwerkervereins; er unterrichtete Französisch. Den Französisch-Unterricht gab Krause im folgenden Geschäftsjahr wieder auf. Nachdem Krause sich am 1. April 1845 selbständig gemacht hatte, wurde er bei der Generalversammlung am 17. April 1845 als einer von vier Vertretern der Selbständigen in den Vereinsvorstand gewählt.

Krause druckte sämtliche Druckerzeugnisse des Handwerkervereins, von den Jahresberichten über die im Verein gehaltenen Vorträge bis zu den Gedichten des vereinsinternen Poetenzirkels und dem von Hermann Bauer herausgegebenen Vereinsliederbuch. Ende 1847/Anfang 1848 zog sein Druckereibetrieb in benachbarte Lindenstraße 81; in diese Zeit fällt auch die Anschaffung einer Schnellpresse.

Im Geschäftsjahr 1847/48 war Kraus einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Berliner Handwerkervereins.

Während der Revolution von 1848 nahm Krause an Barrikadenkämpfen am Köllnischen Rathaus teil. Am 16. März erreichten Nachrichten über den Zusammenbruch der Wiener Regierung und über die Flucht von Metternichs Berlin. Am Abend des 16. März war nach dem Bekanntwerden der Tötung dreier Zivilisten durch das königliche Militär vor der Neuen Wache im Handwerkerverein ein Aktionsausschuss gebildet worden, der die Maßnahmen des Vereins „bei politischen Handlungen“ koordinieren sollte. Eine dieser Maßnahmen war die Teilnahme des Vereins an der Demonstration am Mittag des 18. März 1848 auf dem Schlossplatz. Krause nahm zusammen mit Hunderten anderer Vereinsmitgliedern an dieser Demonstration vor dem Stadtschloss teil. An einer Barrikade, die die Breite Straße vom Köllnischen Fischmarkt abtrennte und sich dabei an das Köllnische Rathaus anlehnte, tat er zunächst dafür ein, dass die Aufständischen nicht von sich aus Gewalt gegen die königlichen Truppen anwenden, und erklärte sich bereit, sich für einen Abzug der königlichen Truppen einzusetzen, zusammen mit Ludwig Rellstab (1799–1860), einem bekannten Musik-Kritiker, der im Redaktionsgebäude der Vossischen Zeitung, Breite Straße 8, seine Wohnung hatte. Bereits auf ihrem Weg zum Schloss hörten die beiden Emissäre aber aus der Königstraße Gefechtslärm, was ihnen die Vergeblichkeit ihres Vermittlungsversuchs bewusst machte. Während Rellstab sich daraufhin in seine nahegelegene Wohnung zurückzog, kehrte Eduard Krause zur Barrikade an der Breiten Straße zurück mit der Nachricht, dass in der Königstraße auf das Volk geschossen werde. In einer zündenden Ansprache rief Krause die Aufständischen zum Kampf für die Freiheit auf.

Das königliche Militär unternahm mehrere Angriffe auf die Barrikade, zunächst vergeblich, da Aufständische die vordringenden Soldaten vom Köllnischen Rathaus ebenso wie von der im rechten Winkel dazu stehenden Konditorei d'Heureuse – dem früheren Palais Derfflinger – aus beschossen. In der d'Heureuse'schen Konditorei führte Karl Siegrist (1813–19891) die Aufständischen an. Die königlichen Truppen umgingen diese beiden Gebäude aber und drangen von der Brüder- und Scharrnstraße aus, also im Rücken und in der Flanke der Aufständischen, in das Rathaus ein. Im Rathaus-Gebäude wurden die Besetzer von den Königstreuen gestellt und fast ausnahmslos niedergemacht. Der wahrscheinlich einzige Überlebende dieses Massakers im Köllnischen Rathaus war Eduard Krause. Er hatte sich mit dem Mut der Verzweiflung an der vom Militär aufgebrochenen Rathaustür dem eindringenden kommandierenden Offizier entgegengestellt und wurde von diesem mit einem Säbelhieb über den Kopf niedergestreckt, daraufhin wohl für tot gehalten und liegengelassen.

Erst nach fünfmaligem Ansturm und dem Einsatz von Artillerie konnte das königliche Militär die Barrikade schließlich einnehmen, vor allem, weil deren Verteidigern die Munition ausgegangen war. Hinter der Barrikade gab es mehrere weitere Tote und Verwundete auf Seiten der Aufständischen.

Dieses Geschehen schildert Theodor Fontane – selbst Augenzeuge der Märzrevolution 1848 in Berlin, aber nicht dieses Vorgangs – in seiner Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ / „Der 18. März“, 1. Kapitel, unter Berufung auf das, was Krause ihm erzählt habe. Krause selbst vergrub 1857 bei der Grundsteinlegung für sein neues Druckereigebäude zusammen mit dem Grundstein ein Dokument, in dem er sich zu seinem Einsatz auf der Barrikade bekannte: „In der Nacht vom 18. zum 19. März 1848 verteidigte ich die Barrikade am Cöllnischen Rathause und empfing bei der endlichen Einnahme derselben durch das Militär eine Stirnwunde“.

Ein großer geschäftlicher Erfolg gelang Krause zum 1. April 1848. Durch Berends' Vermittlung wurde Krause der Drucker des ab diesem Tage erscheinenden linksliberalen Blattes „National-Zeitung“, das seine Redaktion und Expedition (Versandabteilung) in Krauses Firmensitz einrichtete und mit dem er bis zu seinem Tode verbunden blieb.

Krause nahm als Mitglied einer siebenköpfigen Delegation des Handwerkervereins an dem für den 18. bis 20. Juni 1848 einberufenen Ersten Kongreß deutscher Handwerker- und Arbeitervereine teil. Krause wurde auch in das neunköpfige Komitee gewählt, das nach dem unbefriedigenden Verlauf des Kongresses den Auftrag erhielt, einen besonderen „Kongress zur Behandlung der sozialen Frage“ vorzubereiten.

1850 wurde der Berliner Handwerkerverein polizeilich geschlossen und 1851 gerichtlich verboten, 1859 jedoch wiederbegründet.

1854 besaß Krauses Druckerei vier Schnellpressen und zwei eiserne Handpressen. Ab 1. Juli 1856 druckte Krauses Druckerei auch das 1848 begründete politisch-satirische Wochenblatt „Kladderadatsch“.

Am 8. November 1856, im Alter von 40 Jahren, heiratete Eduard Krause die damals 22jährige Wilhelmine (Minna) Henriette Caroline Franziska Pfeiffer. Krause hatte Minna Pfeiffer anlässlich eines Besuchs bei seinem inhaftierten Freund und Geschäftspartner Julius Berends im Sommer 1849 in der Berliner Stadtvogtei kennengelernt. Minna Pfeiffer hatte ihren gleichfalls dort wegen demokratischer, also revolutionärer, Betätigung inhaftierten Vater besucht, einen beim Obertribunal als Anwalt zugelassenen Justizrat.

Im August 1857 wurde das erste Kind von Minna und Eduard Krause geboren; eine Tochter. Am 29. Mai 1860 kam ihr erster Sohn zur Welt, der nach Eduards Freund (und stillen Teilhaber) Berends Julius und nach Eduards verstorbenem Vater Theodor genannt wurde. Es folgten fünf Töchter und ein weiterer Sohn; insgesamt hatte das Ehepaar also acht Kinder.

Der von Eduard Krause zum Geschäftserben ausersehene Sohn Julius Theodor Krause machte seinem Vater Eduard nicht allzu viel Freude: Er kränkelte, schien wenig motiviert und zeigte charakterliche Schwächen. Auch Eduards Versuch, seinen Sohn und Nachfolger Julius Theodor auf dem Cottbusser Gymnasium unter der Obhut eines Freundes aus den 1840er Jahren, des damaligen Handwerkervereinslehrers Heinrich Boltze (1813–1888), charakterlich reifen zu lassen, hatte wenig Erfolg.

Im Geburtsjahr seines ersten Kindes, also 1857, erwarb Krause das Grundstück Französische Str. 51 und legte dort am 5. Mai 1857 den Grundstein für ein neues Druckereigebäude. Das bereits erwähnte handgeschriebene Dokument, das er dem Grundstein beigab, belegt sein Festhalten an den liberalen Idealen, für die er 1848 buchstäblich auf die Barrikaden gegangen war: Er bekennt sich darin nicht nur zu seinem Handeln am 18. März 1848, sondern knüpft daran auch die Hoffnung: „Ob auch die Errungenschaften jenes Jahres längst verloren, ob auch das herrschende Regiment bemüht sein möge, selbst die Erinnerung daran zu verwischen, die Saat, die damals gesät wurde, wird nicht verloren sein trotz des langen Winters, der sie deckt.“

Das im September 1857 eingeweihte neue Druckereigebäude, fortan auch Firmensitz der „Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung Eduard Krause“, Expedition der „Nationalzeitung“ und Wohnsitz der Familie Krause, ermöglichte auch die Aufstellung einer Dampfmaschine, die die Kapazitäten seines Schnellpressendrucks erheblich erweiterten. 1865 besaß die Druckerei eine Dampfmaschine, sieben Schnellpressen (davon zwei hochmoderne Doppelpressen), zwei eiserne und eine hölzerne Handpresse, die von rund 100 Buchdruckern (darunter allein 50 bis 60 Schriftsetzern) bedient wurden. Gedruckt und verlegt wurden nun auch eine Reihe gewerblicher Fachblätter, dann die „Bank- und Handelszeitung“, die „Annalen der Landwirtschaft“, das Familienblatt „Das Haus“ und das „Magazin für die Literatur des Auslands“.

1862 kandidierte Krause zur Berliner Stadtverordnetenversammlung, einer Hochburg der neugegründeten Deutschen Fortschrittspartei, trat zu Jahresbeginn 1863 als Stadtverordneter ein und gehörte dem Kommunalparlament Berlins bis Jahresende 1869 an.

1867 fuhr Krause zur Pariser Weltausstellung, um dort die neuesten technischen Entwicklungen in Augenschein zu nehmen.

Krause gehörte dem Verein Berliner Buchdrucker an.

Seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre fuhr Krause alljährlich zur Kur nach Karlsbad. Im Jahr 1882 bezog Famlie Krause ihre neues Wohnhaus In den Zelten 8. Nur wenige Monaten nach diesem Umzug erlitt Krause einen „Brustkrampf“ – vermutlich einen Herzinfarkt –, dem er nach zweitägigem Leiden am Vormittag des 30. August 1882 erlag.

Er wurde am 2. September 1882 auf dem Alten Dorotheenstädtischen Friedhof begraben.

Im Trauerzug zu Krauses Grab wurde der Magistrat von Krauses Freund, Stadtrat Heinrich Runge (1817–1886), die Stadtverordnetenversammlung von einer Abordnung unter dem einstigen Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Kochhann (1805–1890) vertreten. Auch jeweils mehrere Repräsentanten des Vereins der Berliner Buchdrucker und desr Berliner Handwerkervereins nahmen an dem Trauerzug teil.

Rohstoffe und Quellen

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Eduard Friedrich Heinrich Krause wurde am 25. März 1816 als Sohn des Kaufmanns Israel Nathan in Stralsund geboren. Er erlernte die Buchdruckerei und ging danach als Setzer auf Wanderschaft. So bereiste er New York, Aachen, Brüssel, Paris und London. Am 13. März 1842 wurde er als Edward Henry Bernard Krause in London getauft. Nach Deutschland zurückgekehrt, ging er nach Berlin und gründete 1845 mit Julius Berends, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, eine gemeinsame Buchdruckerei. 1847 war er der Mitbegründer des Berliner Handwerkervereins, dessen zweiter Vorsitzender er bis 1848 war. Während der Revolution 1848 nahm er an Barrikadenkämpfen am Köllnischen Rathaus teil. Am 8. November 1856 heiratete er Wilhelmine (Minna) Henriette Caroline Franziska Pfeiffer. Von 1863 bis 1869 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung zu Berlin, verstarb er am 30. August 1882 in Berlin und wurde auf dem Alten Dorotheenstädtischen Friedhof begraben.

Quelle: Archivportal-D, Landesarchiv Berlin, E Rep. 200-68 Nachlass Eduard Krause (Bestand), https://www.archivportal-d.de/item/HXB5RCPONOHQN3VJIKKGBNM4XMYFA2AA

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https://berlingeschichte.de/bms/bmstext/9809prod.htm

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Kurt Wernicke, Als Unternehmer auf der Barrikade

Die gut ausgebaute Barrikade, die die Breite Straße vom Köllnischen Fischmarkt abtrennte und sich dabei an das Köllnische Rathaus anlehnte, kam dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. am Nachmittag des 18. März 1848 als ganz besonders provokant vor: lag sie doch genau in der Sichtachse seiner Diensträume über Portal II des Schlosses. Die auf ihr flatternde große schwarzrotgoldene Fahne war seiner Majestät ein zusätzliches Ärgernis, und er wollte sie »aus den Augen« haben. Nachdem die Angriffsoperationen des Militärs erst einmal eröffnet waren, war speziell diese Barrikade das Zielobjekt wütender militärischer Attacken, die nach fünfmaligem Andringen und dem Einsatz von Artillerie kurz nach Mitternacht die Barrikade nahmen, vor allem deshalb, weil den Verteidigern die Munition ausgegangen war. »Die potsdamer Garde drang durch die Barrikade in das Rathaus und besetzte dasselbe. Hinter der Barrikade selbst hatte es mehrere Tote und Verwundete gegeben; eine wahre Metzelei begann aber von Seiten der Soldaten, als sie mit gezücktem Bajonett in das Haus vordrangen

und Alles, was ihnen dort entgegenkam, niederstachen.« Nur einer der in das Rathaus geflüchteten Barrikadenkämpfer überlebte, weil er aus einer Mischung von Verzweiflung und Kaltblütigkeit hinter der vom Militär aufgebrochenen Rathaustür dem eindringenden kommandierenden Offizier mit angeschlagener Büchse entgegentrat und von diesem in momentaner Reaktion mit einem Säbelhieb über den Kopf niedergestreckt, wohl von den Soldaten daraufhin für tot gehalten und einfach liegengelassen wurde. Dieser Barrikadenkämpfer, der sich tot stellte und so inmitten von Leichen überlebte, war der Buchdruckereibesitzer Eduard Krause (1816–1882). Er hatte am Nachmittag in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des Berliner »Handwerkervereins in der Johannistraße No. 4« zusammen mit Hunderten von Vereinsmitgliedern an der Demonstration vor dem Schloß teilgenommen, war auf die rasch entstandene Barrikade zugegangen und hatte dort dafür agitiert, die Kampfhandlungen nicht von selbst zu beginnen: Er selbst wolle mit dem ebenfalls aufgetauchten allseits bekannten Redakteur der »Vossischen Zeitung«, Ludwig Rellstab (1799–1860), der im Redaktionsgebäude der Zeitung, Breite Straße 8 – gegenüber dem Ribbeck-Haus – seine Wohnung hatte, sich für die Zurückziehung der Truppen einsetzen. Daraufhin waren beide gegen vier Uhr nachmittags zum Schloß abgeordnet worden. Auf dem

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Wege dorthin hörten sie aber aus der Königstraße schon Waffenlärm und waren sich angesichts der damit begonnenen bewaffneten Auseinandersetzung der Vergeblichkeit eines angestrebten Vermittlungsversuchs sofort bewußt. Rellstab zog sich daraufhin als Beobachter in seine Wohnung zurück, Eduard Krause hingegen kehrte zur Barrikade zurück mit der Nachricht, daß in der Königstraße bereits mit Kartätschen auf das Volk geschossen werde. Nach einer zündenden Ansprache Krauses, die zum Kampf für die Freiheit aufrief, war die Mannschaft an der Barrikade sogar kaum zu zügeln gewesen in dem Drang, nun doch zum Schloßplatz aufzubrechen und das dort stehende Militär anzugreifen. Der hartnäckige Widerstand gegen das von Prestigedenken getragene Unternehmen, gerade diese Barrikade schnellstmöglich aus den königlichen Augen zu schaffen, endete schließlich in dem Blutbad an den inzwischen praktisch verteidigungsunfähigen Barrikadenkämpfern: Sie hatten sich verschossen!

Krause selbst vertraute neun Jahre später dem Grundstein für sein neues Druckereigebäude ein Dokument an, in dem er sich zu seinem Einsatz auf der Barrikade bekannte: »In der Nacht vom 18. zum 19. März 1848 verteidigte ich die Barrikade am Cöllnischen Rathause und empfing bei der endlichen Einnahme derselben durch das Militär eine Stirnwunde.«

Eduard Krause wurde am 25. März 1816 als Sohn des in Putbus ansässigen jüdischen Kaufmanns Israel Nathan in Stralsund geboren. Der Vater konvertierte zwischen 1818 und 1822 und hieß seither Theodor Krause. Eduard aber war noch jüdisch geboren, erlernte als Zugehöriger der mosaischen Religion in Stralsund den Schriftsetzerberuf und ging als Zwanzigjähriger auf Wanderschaft, die ihn – möglicherweise auf den Spuren väterlicher Geschäftsverbindungen – beträchtlich in der Welt herumführte: zuerst nach New York und nach seiner Rückkehr nach Europa nach Aachen, Brüssel, Paris und London. In letzterer Stadt trat er am 13. März 1842 zum Christentum über und wurde auf den Namen Edward Henry Bernard Krause getauft. 1843 kam er nach Berlin, wo er fortan die Vornamen Eduard Heinrich Bernhard verwandte.

Eduard Krauses Rolle im Handwerkerverein

In dem im ersten Halbjahr 1844 unter der Aufsicht des Magistrats entstehenden Handwerkerverein unter dem Stadtsyndikus Heinrich Hedemann (1800–1872) war Krause von Anfang an aktiv tätig. Als am 14. Oktober 1844 auf der ersten Generalversamlung die Vereinslehrer, die Selbständigen und die Gesellen und Gehilfen jeweils vier Vertreter für den Vorstand wählten, war aus dem Kreis der Gesellen Schriftsetzer Eduard Krause darunter. Entsprechend findet sich


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sein Name auch unter dem Aufruf »An die Handwerker Berlins«, den die Gesellenrepräsentanten des Handwerkervereins im Januar 1845 – übrigens durchaus erfolgreich – mit einer Werbung für den Verein an ihre Kollegen richteten: »Kommen Sie alle, und vereinigen Sie sich mit uns, um in dem Streben nach veredelung unserer selbst, unseres Standes und des Lebens dem Vaterlande ein Muster fester Einigung und kräftigen Wirkens zu sein.« Im ersten Vereinsjahr nahm Krause innerhalb des Vereins eine gewisse Sonderstellung ein. Er gehörte zu den Gesellen und Gehilfen und vertrat sie neben anderen im Vorstand; er war aber gleichzeitig – als einziger Geselle! – Mitglied des Lehrkörpers, denn er unterrichtete Französisch.

Dem Französisch-Unterricht entsagte Krause im folgenden Geschäftsjahr ebenso wie der Vertretung der Gesellen im Vereinsvorstand: Er hatte sich per 1. April 1845 selbständig gemacht und wurde bei der Generalversammlung am 17. April als Buchdrucker Krause in den vierköpfigen Ausschuß gewählt, der die Selbständigen im

Vorstand repräsentierte. Den Jahresbericht des Vereins für das Geschäftsjahr 1845/46, der im April vorgelegt wurde, druckte bereits »Eduard Krause, Neue Orangenstr. 74«. Die technische Ausstattung seines Unternehmens war zunächst recht bescheiden: eine hölzerne Handpresse.

Das Geschäft, auf das Krause reflektierte, war offenbar Druck und Verlag von Erzeugnissen des »Norddeutschen Volksschriften-Vereins«, an dessen Spitze der Handwerkervereinslehrer Carl Mücke (1815–1898) stand, der als begeisterter Anhänger einer Volksaufklärung durch das gedruckte Wort sich für sein Unternehmen eine Blüte erhoffte, aber einen Fehlschlag erlebte und Krauses Geschäftskonzept damit einen Dämpfer aufsetzte. So konzentrierte sich Krause auf sämtliche Druckerzeugnisse des Handwerkervereins, von den Jahresberichten über im Verein gehaltene Vorträge bis zu den lyrischen Schöpfungen des vereinsinternen Poetenzirkels und dem Vereinsliederbuch.

Einigen Kapitalzufluß verschaffte ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aufnahme des


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ihm persönlich befreundeten Vereinslehrers Julius Berends (1817–1891) als Teilhaber in die Firma; für Berends war der Einstieg in die Buchdruckerei eine Lebensnotwendigkeit, denn als Kandidat der Theologie hatte er jede Aussicht auf ein Predigt oder Schulamt verspielt, als er eine im Juni 1844 gehaltene Probepredigt entgegen dem Verbot des kommunistische Ansichten witternden Konsistoriums hatte drucken lassen.

So erlernte Berends den Buchdruck und betätigte sich neben seiner Lehrertätigkeit im Handwerkerverein selbst am Preßbengel.

Als Gewerbetreibender benötigte Berends aber das Berliner Bürgerrecht, und im Zusammenspiel von Innenministerium, Regierungspräsidenten, Berliner Polizeipräsidium und dem Vorsitzenden des Handwerkervereins wurde der behördlich als untragbarer Wühler eingeschätzte Berends im Frühjahr 1846 erst aus der Lehrerschaft des Vereins entfernt und anschließend erpreßt, gegen Gewährung des Bürgerrechts den Verein »freiwillig« zu verlassen. Wiewohl nur Krauses stiller Teilhaber, firmierte Berends fortan bei seinen politischen Aktivitäten – die ihn im Juni 1847 in Berlins Stadtverordnetenversammlung, 1848 in die Preußische Konstituierende Versammlung, 1849 in die Zweite Kammer des Preußischen Parlaments und nach deren Auflösung an die Spitze der Berliner Volkspartei führten – stets als Buchdruckereibesitzer und konnte auf der Basis der Krau- seschen Offizin seine Aktivitäten offenbar ohne wirtschaftliche Not ausüben.

Unternehmer, Vereinspolitiker und Mitkämpfer auf den Barrikaden

Einen großen wirtschaftlichen Aufschwung brachte die enge Verbindung zum Handwerkerverein dem jungen Unternehmen offenbar nicht. Über dessen Publikationen hinaus findet sich der obligate Druckvermerk bei Berliner Publikationen kaum, und die 1846 erfolgte Adressenveränderung Orangenstraße 103 geht auch nicht auf einen Umzug in größere Räume der Firma, sondern auf die Zusammenlegung von Orangenstraße und der diese nach Ost und West verlängernden beiden Neuen Orangenstraßen zur bloßen Orangenstraße und einer daraus resultierenden Neunumerierung zurück. Ende 1847/Anfang 1848 aber erfolgte ein Umzug in die in der Nachbarschaft liegende Lindenstraße 81 und die Anschaffung einer Schnellpresse: Einer der publikatorischen Schnellschüsse zur Berliner Barrikadennacht, der etwa am 25./26. März erschien, trägt den Druckvermerk »Schnellpressendruck von Eduard Krause, Lindenstraße 81«. Inwiefern sicheres Gespür für kommende Ereignisse – nicht nur die Programmschrift des Bundes der Kommunisten sah deutlich die kommende Krise, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution stünde, sondern das Ge-


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fühl, daß Änderungen bevorstünden, war zur Jahreswende 1847/48 zumindest im Bildungsbürgertum weit verbreitet – eine Rolle spielte, steht dahin. Auf alle Fälle stand Krause mitten in den Diskussionen um die gesellschaftliche und politische Krise der Gegenwart, wie sie im Handwerkerverein bzw. in von dessen Mitgliedern besuchten formlosen Zirkeln im Winter 1847/48 gang und gäbe waren, denn im Geschäftsjahr 1847/48 war er im Handwerkerverein nicht nur Vorstandsmitglied, sondern einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden.

Krauses aktiver Part in der Breiten Straße am Nachmittag des 18. März 1848 kommt daher auch nicht von ungefähr: Am Abend des 16. März war nach dem Bekanntwerden des Hinmordens von drei Zivilisten vor der Neuen Wache im Handwerkerverein ein Aktionsausschuß gebildet worden, der die Maßnahmen des Vereins »bei politischen Handlungen« bestimmen sollte. Eine dieser Maßnahmen war die Teilnahme des Vereins an der Demonstration der Schutzkommissionen am Mittag des 18. März auf dem Schloßplatz, während der er sich deutlich in der Breiten Straße postierte und eigene Ansichten zu den königlichen Verheißungen formulierte. Es bedarf daher keiner großen Vorstellungskraft, um die Herkunft der Barrikadenbauer am Köllnischen Rathaus und den Grund für die dortige Akzeptanz von Eduard Krause als Redner, potentiellem Verhandlungsführer und schließlich Mitkämpfer einzuordnen. Krauses unternehmerisches Talent wußte dann auch sehr schnell die neuen Verhältnisse und den neugewonnenen Ruhm des Handwerkervereins als eines der bedeutendsten Protagonisten der Barrikadenkämpfe geschäftlich einzusetzen: Das im Vorjahr aus Krauses Offizin hervorgegangene »Liederbuch des Berliner Handwerker-Vereins« mutierte nach dem 19. März mit Windeseile zum »Liederbuch für Handwerker-Vereine. Herausgegeben von dem Berliner Handwerker-Verein, Johannisstraße 4«. Gegenüber der Ausgabe von 1847 kamen 27 neue Texte hinzu, jedoch war unter Zeitnot noch kein Beispiel der nach der Barrikadennacht üppig wuchernden Revolutionslyrik aufgenommen worden.

Der ganz große geschäftliche Wurf – der allerdings den Besitz einer Schnellpresse voraussetzte – gelang jedoch zum 1. April 1848. Durch Berends' Vermittlung wurde Eduard Krause Drucker des zu diesem Tage ins Leben tretenden linksliberalen Blattes »Nationalzeitung«, das seine Redaktion und Expedition in Krauses Firmensitz einrichtete und mit dem er bis zu seinem Tode durch dick und dünn ging. Im Handwerkerverein war er aber weiterhin aktiv, zumal das Geschäftsjahr 1847/48 des Vereins nicht wie üblich im April endete, sondern unter dem Druck der drängenden Ereignisse bis zum 17. Juni 1848 verlängert wurde. An jenem Tag wurde er erneut in den Vorstand

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des Handwerkervereins gewählt und nahm gleich am folgenden Tag als Mitglied von dessen siebenköpfiger Delegation an dem vom Handwerkerverein für den 18. bis 20. Juni einberufenen Ersten Kongreß deutscher Handwerker- und Arbeitervereine teil, für den der Versuch einer Zentralisierung solcher Vereine ins Auge gefaßt wurde. Krause wurde auch in das neunköpfige Komitee gewählt, das nach dem unbefriedigenden Verlauf des Kongresses den Auftrag erhielt, einen besonderen »Kongreß zur Behandlung der sozialen Frage« vorzubereiten.

Geschäftlich glaubte Krause, aus dem emotionalen Drängen der Handwerkervereine auf engeres Zusammengehen auch für sein Unternehmen einige Früchte ernten zu können: Er ließ – auch im Namen seines Teilhabers Berends – in einem Rundschreiben seines Freundes Otto Schomburgk (1810–1857), Vereinslehrer und Vorstandsmitglied des Handwerkervereins, unter dem 20. Juli 1848 seine Bereitschaft mitteilen, Druck und Verlag eines Organs der verbündeten Arbeiter-, Handwerker- und Bildungsvereine Norddeutschlands zu übernehmen, das in einem speziellen »Verlag der verbündeten Arbeiter-, Handwerker- und Bildungs-Vereine Norddeutschlands, Expedition Eduard Krause« erscheinen könne. Das von den Vereinen zu tragende Unternehmen sollte mit seinen erwarteten Überschüssen dann – Zustimmung der anderen Vereine vorausgesetzt – auch »dem allerdings trefflich er- scheinenden Plane der Herren Berends und Krause« zugute kommen, einen besonderen Verein zu schaffen, »der sich die Herausgabe von Büchern zur Verbreitung wahrhaft gemeinnütziger Kenntnisse in den weitesten Kreisen unserer Mitbürger, und dadurch die geistige Bildung dieser zur Aufgabe zu stellen hätte« – was, mit Verlaub zu sagen, einen schönen Absatz für die in Krauses Depot liegenden Erzeugnisse des »Norddeutschen Volksschriften-Vereins« mit sich gebracht hätte.

Sozialer Interessenkonflikt zwischen Unternehmer und Handwerkergesellen

In seiner mit dem Druck der »Nationalzeitung« neugewonnenen Position als halbwegs etablierter Unternehmer mit weitergehenden Plänen bekam Krause allerdings sehr bald zu spüren, daß sich seine sozialen Interessen von denen seiner früheren Gesellen-Kollegen unterschieden; in den z. T. schweren sozialen Auseinandersetzungen, die sich im Berlin des Revolutionsjahres 1848 abspielten, gingen die gut organisierten und über dem Durchschnitt der Handwerksgesellen gebildeten Buchdrucker mit zwei Streiks im April und August voran, und der Buchdruckereibesitzer Krause – der mit Sicherheit an seine Stellung als einst anerkannter Sprecher von Geselleninteressen anzuknüpfen gedachte – warf das Gewicht seiner Argumentation in die Waagschale,


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Krauses Druckerei in der Lindenstraße 81

um den Standpunkt der Arbeitgeber im Arbeitskampf sowohl an die Gesellen als auch in die Öffentlichkeit zu tragen: Als die Berliner Buchdruckergesellen zum 1. August einen Streik ankündigten, um den zu Pfingsten in Mainz auf dem Nationalen Buchdrucker-Kongreß angenommenen Tarif auch gegenüber ihren Berliner Arbeitgebern durchzusetzen, wandte sich Eduard Krause mit einem offenen Sendschreiben »An die sämtlichen Gehilfen der Buchdruckerschaft in Berlin« an die Streikbereiten und mahnte sie mit deutlichen, ja z. T. drohenden Worten ab. Dabei berief er sich nicht unberechtigt auf die Tatsache, daß der Mainzer Tarif nicht vereinbart, sondern von den Gesellen praktisch diktiert worden sei, und brachte mit berechnender Demagogie ins Spiel, daß der 18. März die Ära abgeschlossen habe, »wo wir Gesetzen gehorchten, an deren Fassung wir nicht selbständig mitgewirkt hatten!«. Es lag nahe, auch an das ge-

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meinsame Streiten auf den Barrikaden zu erinnern, und obgleich Krause der einzige Buchdruckereibesitzer gewesen sein dürfte, der aktiv daran teilgenommen hatte, beschwor er den Kampf »in den Straßen von Berlin unter dem Donner der Geschütze und dem grausen Geläute der Sturmglocke«, um den Gesellen anzukreiden, daß sie mit ihrer Willkür gegenüber den Unternehmern die im März errungene Freiheit mißbrauchten, um andere zu tyrannisieren. Daß durch die Mainzer Beschlüsse das Prinzip der »Trennung und scharfen Sonderung der besitzenden und arbeitenden Klasse« aufgestellt wurde, ging Krause besonders nahe, der sich als Anhänger »einer Verschmelzung der beiderseitigen Interessen« bekannte.

Ein Seitenhieb gegen einen unmittelbar vor Krauses Sendschreiben von Stephan Born (1824–1898) in dessen sozialpolitischer Zeitung »Das Volk« publizierten Artikel »Die Angelegenheit der Buchdrucker« vollendete den Bruch mit den Gesellen/Arbeitern: Als Präsident des Zentralkomitees für Arbeiter – dem als mitgliederstärkste Organisation der Handwerkerverein angehörte – und als Vorsitzender des Berliner Gesellenausschusses – und damit des Streikkomitees – der Buchdruckergesellen galt Born gerade in jenen Wochen als unbestrittene Führerpersönlichkeit bei den meisten Berliner Gesellenschaften. Ein Angriff auf ihn zerschnitt auch das Tischtuch zwischen einstigen Gefährten im Barrikadenkampf, sofern sie nun auf verschiedenen Seiten der Barrikade zwischen Unternehmern und Gesellen/Arbeitern standen. Dieser Konsequenz war sich Krause wahrscheinlich gar nicht bewußt gewesen.

Aber seither ließ auch der Handwerkerverein seine Druckerzeugnisse nicht mehr bei ihm erscheinen. Unter einem Protestplakat des Handwerkervereins vom 27. August gegen einen Überfall von Polizei und Bürgerwehr auf das Vereinslokal in der Nacht vom 25. zum 26. des Monats steht zwar Krauses Name bei den Vorstandsmitgliedern, aber als Drucker firmiert Ferdinand Reichardt, und alle künftigen Publikationen des Vereins druckte Ferdinand Zschiesche; auch der so beredt vorgetragene Aufruf zu einem Organ der norddeutschen Vereine verlief im Sande, und das im September entstehende Berliner Bezirkskomitee der Arbeiterverbrüderung – dessen Vorsitzender Krauses alter Bekannter aus dem Handwerkerverein, Ludwig Bisky (1817–1863), wurde – trat nicht in den Kreis seiner Kunden ein. Daß diese Entfremdung zu einstigen Weggefährten nicht ohne Eindruck bei Krause blieb, belegt eine noch wache und offenbar wehe Erinnerung, die nach einem Vierteljahrhundert wieder traumatisch ans Licht stieg: Als er 1872 einen Streik in seiner Firma erlebte, berichtete er mit bitteren Worten darüber an seinen Freund Berends im fernen Texas, der ihm tröstende Worte widmete und ihn daran

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erinnerte, daß es ihm nun wohl wieder so ergehe »wie 1848, wo man Dich auch zuerst aufs Korn nahm«.

Krauses geschäftliche und politische Etablierung

Der Niedergang der Revolution und der Triumph der Konterrevolution wirkten sich auf den Geschäftsgang der Firma Eduard Krause nicht negativ aus: Die »Nationalzeitung« taktierte als Sprachrohr der linksliberal-konstitutionellen Kräfte geschickt genug, um Belagerungszustand und Reaktionsperiode ohne größere Beschädigungen als zwei kurzzeitige Verbote im November 1848 und im Mai 1849 zu bestehen, zumal es gerade jene politische Schattierung bediente, die selbst die Reaktionsministerien als Ihrer Königlichen Majestät untertänige Opposition nicht missen mochten. 1854 zählte Krauses Druckerei vier Schnellpressen und zwei eiserne Handpressen, ab 1. Juli 1856 druckte er auch das 1848 begründete politischsatirische Wochenblatt »Kladderadatsch«, das über Preußen und Deutschland hinaus selbst europäische Beachtung fand.

1856 heiratete er die 22jährige Minna Pfeiffer, die er beim Besuchen seines inhaftierten Freundes Berends im Sommer 1849 in der Berliner Stadtvogtei kennengelernt hatte, als sie ihren gleichfalls dort wegen demokratischer Betätigung einsitzenden Vater, einen beim Obertribunal als Anwalt zugelas- senen Justizrat, besuchte. Wirtschaftlich ging es Krause nun so gut, daß er nicht nur an die Begründung eines Hausstandes, sondern auch an eine erhebliche Erweiterung seines Unternehmens denken konnte: 1857 erwarb er das Grundstück Französische Str. 51 und legte dort am 5. Mai den Grundstein für ein neues Druckereigebäude. Das handgeschriebene Dokument, das er dem Grundstein beigab, belegt eindringlich sein Festhalten an Idealen, für die er 1848 auf der Barrikade gestanden hatte: Er bekennt sich darin nicht nur zu seinem Auftreten am 18. März 1848, sondern knüpft daran auch die Reflexion »Ob auch die Errungenschaften jenes Jahres längst verloren, ob auch das herrschende Regiment bemüht sein möge, selbst die Erinnerung daran zu verwischen, die Saat, die damals gesät wurde, wird nicht verloren sein trotz des langen Winters, der sie deckt.«

Stellte er sich mit solcher 1857 bei der Obrigkeit nicht eben fördernden Ansicht auch nicht gerade auf den Markt, so war er doch bei der Neuformierung der Achtundvierziger dabei: 1862 kandidierte er für die Berliner Stadtverordneten- Versammlung, der ausgesprochenen Hochburg der neugegründeten Fortschrittspartei, trat zu Jahresbeginn 1863 als Stadtverordneter ein und gehörte dem Kommunalparlament Berlins bis Jahresende 1869 an. Die 1859 erfolgte Wiederbegründung des 1850 polizeilich geschlossenen und 1851 gerichtlich verbotenen


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Berliner Handwerkervereins begrüßte Krause mit einer charakteristischen Begleitmusik: Er legte das »Liederbuch für Handwerkervereine« von 1848 absolut unverändert – einschließlich der Druckfehler – wieder auf, was darauf hinweist, daß er den Satz von 1848 hatte stehenlassen in der Hoffnung bzw. Gewißheit, daß die Reaktionsperiode nur vorübergehender Natur sei. Nach den Erfahrungen der Reaktionsära waren die 1848 aufgetauchten trennenden Momente unter den verschiedenen Strömungen im Handwerkerverein nun so weit abgeschliffen, daß sich auch Krause wieder »mit größtem und wärmsten Interesse« zu engagieren vermochte.

Das im September 1857 eingeweihte neue Druckereigebäude, fortan auch Firmensitz der »Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung Eduard Krause«, Expedition der »Nationalzeitung« und Wohnsitz der Familie, ermöglichte endlich auch die Aufstellung einer Dampfmaschine, so daß der Schnellpressendruck erhebliche Kapazitätserweiterung erfahren konnte. 1865 wies die Firma eine Dampfmaschine, sieben Schnellpressen (davon zwei hochmoderne Doppelpressen), zwei eiserne und eine hölzerne Handpresse auf, die von rund 100 Buchdruckern (darunter allein 50 – 60 Schriftsetzern) bedient wurden. Gedruckt und verlegt wurden nun auch eine Reihe gewerblicher Fachblätter, dann die »Bank- und Handelszeitung«, die »Annalen der Landwirtschaft«, das Familienblatt »Das Haus«, das »Magazin für die Literatur des Auslands«. Das Projekt einer Art »Deutscher Literaturzeitung« für technische und naturwissenschaftliche fremdsprachige Literatur kam hingegen über das Planungsstadium nicht hinaus.

Daß ein derart seriöser Berliner Unternehmer 1867 zur Pariser Weltausstellung fuhr, um die neuesten technischen Entwicklungen in Augenschein zu nehmen, war so gut wie selbstverständlich. Natürlich gehörte Krause auch dem Verein Berliner Buchdrucker an.

Nach der Geburt einer Tochter im August 1857 konnte er am 29. Mai 1860 den Stammhalter feiern, der nach seinem Freund (und über eine Kapitalbeteiligung immer noch stillen Teilhaber) Berends im fernen Texas und nach seinem verstorbenen Vater in Putbus die Vornamen Julius Theodor erhielt. Es folgten noch fünf Töchter und ein weiterer Sohn. Der Erstgeborene und ausersehene Geschäftserbe machte dem Vater aber nicht allzu große Freude: Er kränkelte, war zu allem unlustig und zeigte charakterliche Schwächen; auch der Versuch, ihn auf dem Kottbusser Gymnasium unter der Obhut des alten Freundes aus den vierziger Jahren, des damaligen Handwerkervereinslehrers Heinrich Boltze (1813–1888), charakterlich reifen zu lassen, trug keine Früchte.

So hat wohl Krause nicht allzu optimistisch auf die Zukunft der Firma gesehen, als er selbst beginnen mußte, mit seiner Ge-

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sundheit hauszuhalten und seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre alljährlich eine Kur in Karlsbad zu absolvieren. Gerade von einer solchen Kur zurückgekehrt, wurde er in dem erst vor wenigen Monaten bezogenen neuen Wohnhaus der Familie, In den Zelten 8, von einem Brustkrampf überfallen, der nach heutigem medizinischen Standard wohl als Herzinfarkt zu diagnostizieren gewesen wäre, und dem er nach zweitägigem Leiden am Vormittag des 30. August 1882 erlag.

Im Trauerkondukt, der am 2. September zum Dorotheenstädtischen Friedhof führte, wurde der Magistrat von Krauses altem Freund, Stadtrat Heinrich Runge (1817–1886), die Stadtverordnetenversammlung von einer Abordnung unter dem einstigen Stadtverordnetenvorsteher, nunmehrigem Ehrenbürger Heinrich Kochhann (1805–1890) und der Verein der Berliner Buchdrucker ebenso wie der Berliner Handwerkerverein von einer jeweils starken Delegation vertreten. Dabei fiel auf, daß letztere durch viele ältere Vereinsmitglieder gestellt wurde – da schlug offenbar die Erinnerung an die Vormärz- und März-Geschichte des inzwischen ganz in der Berliner Gesellschaft etablierten Vereins voll zu Buche.

Sollte Eduard Krause angesichts des schwachen Einschlagens seines Sohnes schwarz in die Zukunft des von ihm aus bescheidensten Anfängen geschaffenen Unternehmens geblickt haben, so erwies sich solcher Pessimismus bald als nur allzu berechtigt: Der Abfall in der Geschäftsführung der Fa. Krause bewog die »Nationalzeitung« 1885 zum Umzug in die Mohrenstraße und zur Inbetriebnahme einer eigenen Druckerei mit der daraus resultierenden Lösung der jahrzehntelangen geschäftlichen Verbindung mit der Buchdruckerei Krause. Schon zwei Jahre später konnte die Erbengemeinschaft dem verlockenden Angebot des Verkaufs des Grundstücks Französische Str. 51 an das in München beheimatete Pschorr-Bräu nicht widerstehen, das an der Ecke Friedrichstraße/ Französische Straße den ersten Berliner Bierpalast erbauen wollte. Die Firma Eduard Krause verschwand. Der – auch – auf ihrem Firmengrundstück entstandene pompös neobarocke Biertempel ist den Berlinern heute bekannt als »Haus der Demokratie«.

Quellen:

Als Quellen für vorstehenden Artikel dienten neben zeitgenössischen Flugschriften zur Märzrevolution 1848 vor allem das Evangelische Zentralarchiv, Kirchenbuchstelle Alt-Berlin, und das Landesarchiv Berlin Rep. 200 ACC. 459 (Nachlaß Krause)

Bildquelle: Landesarchiv Berlin/ Bibliothek

© Edition Luisenstadt, 1998 www.luise-berlin.de

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Straßen, Häuser, Höfe. Alte Straßennamen, Teil 4: Die Neue Orangenstraße 74. Krauses Kampf auf den Barrikaden, in: Kreuzberger Chronik, März 2021, S. 4/ 5

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In dem Berliner Jubiläumsband, den Helmut Bleiber, Rolf Dlubek und Walter Schmidt herausgegeben haben, thematisieren 18 Wissenschafter und immerhin zwei Wissenschaftlerinnen in fünf Abschnitten einzelne Facetten des Vormärz, der revolutionären Ereignisse und deren Folgen sowie der Revolutionsrezeption. [...] Den Berliner Unternehmer Eduard Krause, einzig überlebender Kämpfer der Barrikade Breite Straße/Fischmarkt, rückt Kurt Wernicke ins Bild. Biografische Miniaturen, wie der des Buchdruckereibesitzers Krause, sind bestens geeignet, um die politische Evolution einzelner und die Brüche nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Biografie Krauses veranschaulicht auch, wie nachhaltig die revolutionären Erfahrungen den Einzelnen prägten und wie wirkungsmächtig die einstigen persönlichen Kontakte aus dieser Zeit noch nach Jahrzehnten waren. Eduard Krause gehörte nicht zu den „Linken“, weder vor noch nach der Revolution. Aber es waren die radikal-demokratischen und „linken“ Positionen seiner einstigen Kampfgefährten, die ihn, wenn auch eher unbewusst, zur eigenen politischen Profilierung zwangen.

Quelle: Rezension zu: „Die Revolution von 1848“ in: H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften, zu: Bleiber, Helmut; Dlubek, Rolf, Schmidt, Walter (Hrsg.): Demokratie und Arbeiterbewegung in der deutschen Revolution von 1848/49. Beiträge des Kolloquiums zum 150. Jahrestag der Revolution von 1848/49 am 6. und 7. Juni 1998 in Berlin. Berlin 2000. ISBN 3-89626-226-2, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-3186

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Verlage, Listenansicht: Druckwerke aus dem Verlag Druck v. Eduard Krause https://www.digitale-sammlungen.de/index.html/mdz/img//content/veranstaltung/2008-11-11/index.html?c=verlage_werke&ab=Druck%20v.%20Eduard%20Krause&l=de

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Der mir's erzählte, war der Buchdruckereibesitzer Eduard Krause, später Drucker der Nationalzeitung.

»... Wir hatten uns« – so hieß es in Krauses Bericht – »eine Treppe hoch im Köllnischen Rathause festgesetzt, an verschiedenen Stellen; in dem Zimmer, in dem ich mich befand, waren wir zwölf Mann. Es war eine sehr gute Position und um so besser, als auch das rechtwinklig danebenstehende Haus, die d'Heureusische Konditorei – früher das Derfflinger-Palais – mit Verteidigern besetzt war. In dem d'Heureusischen Hause[339] kommandierte der Blusenmann Siegerist, über dessen Haltung später viel Zweifelvolles verlautete.

Gegen neun Uhr rückte vom Schloßplatz her eine starke Truppenabteilung heran, an ihrer Spitze der Kommandeur des Bataillons. Es war das erste Bataillon Franz, geführt vom Major von Falkenstein. Er war bis zum Moment seiner Verwundung immer an der Spitze. Dicht vor der Scharrnstraße zog sich eine Barrikade quer über die Breite Straße fort. Es war eine schwierige Situation für die Truppen, denn im Augenblick, wo sie bis dicht an die Barrikade heran waren, wurden sie doppelt unter Feuer genommen, von d'Heureuse und von unserem Rathause her. Sie wichen zurück. Ein neuer Ansturm wurde versucht, aber mit gleichem Mißerfolg. Eine Pause trat ein, während welcher man beim Bataillon schlüssig geworden war, es mit einer Umfassung zu versuchen. An solche, so nah es lag, hatten wir in unserer militärischen Unschuld nicht gedacht. Gleich danach ging denn auch das Bataillon zum drittenmal vor, aber mehr zum Schein, und während wir sein Anrücken wieder von unserem Fenster her begrüßten und sicher waren, es abermals eine Rückwärtsbewegung machen zu sehen, hörten wir plötzlich auf der zu uns hinaufführenden Treppe die schweren Grenadiertritte. Von der Brüder- und Scharrnstraße, will also sagen von Rücken und Seite her, war man in das Rathaus eingedrungen. Jeder von uns wußte, daß wir verloren seien. In einem unsinnigen Rettungsdrange verkroch sich alles hinter den großen schwarzen Kachelofen, während mir eine innere Stimme zurief: ›Überall hin, nur nicht da.‹ Das rettete mich. Ich trat dem an der Spitze seiner Mannschaften eindringenden Offizier entgegen, empfing einen Säbelhieb über den Kopf und brach halb ohnmächtig zusammen, hörte aber gleich danach noch Schuß auf Schuß, denn alles, was, die Büchse in der Hand, sich hinter den Ofen geborgen hatte, wurde niedergeschossen ...« « 

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ACHTUNG! Nicht zu verwechseln mit Eduard Krause (Prähistoriker), (* 13. Juni 1847 in Berlin; † 30. Oktober 1917 in Feldberg)

Literatur und Quellen

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  • Straßen, Häuser, Höfe. Alte Straßennamen, Teil 4: Die neue Orangenstraße 74 – Krauses Kampf auf den Barrikaden, in: Kreuzberger Chronik Nr. 227, März 2021, S. 4/5

Kann verlinkt werden in:

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  1. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Barrikade_in_der_Breiten_Stra%C3%9Fe.jpg
  2. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Liederbuch_des_Berliner_Handwerker-Vereins,_Berlin_1847,_Druck_und_Verlag_Eduard_Krause,_Titelseite.jpg

Buchdrucker Revolutionär 1848/49 Geboren 1816 Gestorben 1882 Deutscher Mann

Einzelnachweise

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  1. Kurt Wernicke, „Als Unternehmer auf der Barrikade“, in: Probleme/Projekte/Prozesse, Edition Luisenstadt, Berlin 1998, S. 22, https://berlingeschichte.de/bms/bmstext/9809prod.htm
  2. Archivportal-D, Landesarchiv Berlin, E Rep. 200-68 Nachlass Eduard Krause (Bestand), https://www.archivportal-d.de/item/HXB5RCPONOHQN3VJIKKGBNM4XMYFA2AA