Chalkocyanit

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Chalkocyanit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Ccy[1]

Andere Namen
Chemische Formel Cu[SO4][5][6]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/A.01
VI/A.01-010

7.AB.10
28.03.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[7]
Raumgruppe Pnma (Nr. 62)Vorlage:Raumgruppe/62[5]
Gitterparameter a = 8,41 Å; b = 6,71 Å; c = 4,83 Å[5]
Formeleinheiten Z = 4[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[8]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,65(5); berechnet: 3,89[8]
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe durchsichtig bis weiß, hellbläulich, grünlich, gelblich oder bräunlich[8]
Strichfarbe weiß[9]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,724(3)[10]
nβ = 1,733(3)[10]
nγ = 1,739(3)[10]
Doppelbrechung δ = 0,015[10]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 70° (gemessen), 78° (berechnet)[10]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten stark hygroskopisch, wasserlöslich
Besondere Merkmale Giftig!

Chalkocyanit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung Cu[SO4][5] und damit chemisch gesehen wasserfreies Kupfersulfat.

Chalkocyanit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt tafelige, nach der c-Achse [001] leicht gestreckte Kristalle von einigen Millimetern Länge. Typischerweise findet sich Chalkocyanit aber in Form von krustigen Überzügen unter anderem durch Dehydratisierung von Chalkanthit.

In reiner Form ist Chalkocyanit farblos und durchsichtig.[11] Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein. Aufgrund seiner starken hygroskopischen Eigenschaften nimmt Chalkocyanit bei Kontakt mit feuchter Umgebungsluft durch Wasseraufnahme schnell eine bläuliche Farbe an und wandelt sich in Chalkanthit um.[8] Er kann durch Kontakt mit glycerinhaltigen Stoffen aber auch eine grünliche und durch Fremdbeimengungen eine gelbliche oder bräunliche Farbe annehmen.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde das Mineral im Oktober 1868 am italienischen Vulkan Vesuv. Die Analyse und Erstbeschreibung erfolgte durch Arcangelo Scacchi, der das neue Mineral nach der italienischen Bezeichnung für Hydrocyanit (auch Hydrokyanit) als Idrociano bezeichnete. Der Name stammt von den altgriechischen Wörtern ὕδωρ [hydōr] für ‚Wasser‘ und κυανός [kyanos] für ‚blau‘. Als chemische Zusammensetzung gibt Scacchi bereits die bis heute gültige Formel an, allerdings in der Oxidform CuO,SO3.[12]

Im 1951 erschienenen und von Harry Berman, Charles Palache und Clifford Frondel überarbeiteten 2. Band des Werks System of Mineralogy von James Dwight Dana wurde die Bezeichnung Hydrocyanit für eine wasserlose Substanz beanstandet und zurückgewiesen. Stattdessen erhielt das Mineral den Namen Chalkocyanit (englisch: Chalcocyanite), dessen erster Wortteil vom altgriechischen Wort χαλκός [chalkos] für ‚Kupfer‘ abstammt und sich enger an die chemische Zusammensetzung anlehnt.[2] Diese Bezeichnung wurde 1952 bei der Publikation der New Mineral Names im Fachmagazin American Mineralogist[13] sowie in nachfolgenden Fachpublikationen übernommen und allgemein anerkannt.[14][3]

Da Chalkocyanit bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet Chalkocyanit als sogenanntes grandfathered Mineral.[6] 1987 wurde zudem der vom Erstbeschreiber vergebene Name Hydrocyanit endgültig diskreditiert.[15]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Chalkocyanit zur Mineralklasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort zur Abteilung der „Wasserfreie Sulfate ohne fremde Anionen“ (Mit mittelgroßen Kationen), wo er als Namensgeber die „Chalkocyanit-Reihe“ mit der System-Nr. VI/A.01 mit dem weiteren Mitglied Zinkosit bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VI/A.01-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Wasserfreie Sulfate [SO4]2−, ohne fremde Anionen“, wobei in den Gruppen VI/A.01 bis 02 die Verbindungen mit mittelgroßen Kationen eingeordnet sind. Chalkocyanit bildet hier zusammen mit Dravertit, Hermannjahnit, Saranchinait und Zinkosit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe (Stand 2018).[9]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[16] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Chalkocyanit in die erweiterte Klasse der „Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“, dort aber ebenfalls in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen“ zu finden ist, wo es zusammen mit dem 2019 diskreditierten Ferrotellurit und Zinkosit die „Chalkocyanitgruppe“ mit der System-Nr. 7.AB.10 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Chalkocyanit in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ (einschließlich Selenate, Tellurate, Selenite, Tellurite und Sulfite) und dort in die Abteilung der „Sulfate“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 28.03.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Säuren und Sulfate (A2+)XO4“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der (theoretisch) idealen, das heißt stoffreinen Zusammensetzung von Chalkocyanit (Cu[SO4]) besteht das Mineral aus einem Kupfer-Kation (Cu2+) und einem Sulfat-Anion ([SO4]2−), das wiederum aus einem Schwefel- und vier Sauerstoffatomen besteht. Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichts-%) der Elemente von 39,81 Gew.% Cu, 20,09 Gew.% S und 40,10 Gew.% O[4] oder in der Oxidform von 49,84 Gew.% CuO und 50,16 Gew.% SO3.[7]

Die Analyse des Typmaterials vom Vesuv ergab nur eine leicht abweichende Zusammensetzung von 49,47 Gew.% CuO und 50,13 Gew.% SO3 bei einem Glühverlust von 0,40 Gew.%.[12]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chalkocyanit kristallisiert in der orthorhombischen Raumgruppe Pnma (Raumgruppen-Nr. 62)Vorlage:Raumgruppe/62 mit den Gitterparametern a = 8,41 Å; b = 6,71 Å und c = 4,83 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]


Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chalkocyanit bildet sich als Sublimationsprodukt aus vulkanischen Gasen an Fumarolen. An seiner Typlokalität am Vesuv trat das Mineral in Paragenese mit Dolerophanit, Eriochalcit, Euchlorin und Melanothallit auf. Am Vulkan kamen als weitere Begleitminerale noch Bannermanit, Chalkanthit, Shcherbinait, Stoiberit und Ziesit hinzu und am Tolbatschik auf der russischen Halbinsel Kamtschatka noch Cotunnit, Fedotovit, Piypit, Ponomarevit, Sophiit und Tenorit.[8]

Als seltene Mineralbildung konnte Chalkocyanit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei bisher weltweit rund 20 Fundstätten dokumentiert sind (Stand 2020). Außer an den Fumarolen des Vesuvs am Golf von Neapel fand sich das Mineral in Italien nur noch in einer Goldmine mit Gneis, metamorphen Kalkschiefern und Quarzadern mit eingelagerten verschiedenen Sulfiden bei Brusson im Aostatal an der Grenze zum Schweizer Kanton Wallis.

In Deutschland konnte Chalkocyanit bisher nur auf einer Schlackenhalde in dem zum Bergbaurevier Sankt Andreasberg gehörenden Siebertal und einer Schlackefundstelle nahe der Großen Romke im Okertal in Niedersachsen sowie auf der Absetzerhalde „Lichtenberg“ bei Ronneburg im thüringischen Landkreis Greiz gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Bulgarien, der Demokratischen Republik Kongo, El Salvador, Indonesien und im US-Bundesstaat Nevada.[17]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorsichtsmaßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chalkocyanit bzw. die chemische Substanz Kupfersulfat ist giftig und kann zu Verätzungen der Schleimhäute, starkem Erbrechen, blutiger Diarrhoe, Schock, Hämolyse und Hämoglobinurie führen.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arcangelo Scacchi: Nuove specie di solfati di rame. Idrociano. In: Atti Dell'Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche. Band 5, Nr. 3, 1873, S. 26–29 (italienisch, rruff.info [PDF; 495 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  • Charles Palache, Harry Berman, Clifford Frondel: The System of Mineralogy of James Dwight Dana and Edward Salisbury Dana. 7. Auflage. Band 2. John Wiley & Sons, New York u. a. 1951, S. 429–430.
  • Michael Fleischer: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 37, 1952, S. 359–362 (englisch, rruff.info [PDF; 241 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c Charles Palache, Harry Berman, Clifford Frondel: The System of Mineralogy of James Dwight Dana and Edward Salisbury Dana. 7. Auflage. Band 2. John Wiley & Sons, New York u. a. 1951, S. 429–430.
  3. a b Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 678.
  4. a b Chalkocyanit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 13. Dezember 2020.
  5. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 364 (englisch).
  6. a b Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2020. (PDF; 3,4 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2020, abgerufen am 13. Dezember 2020 (englisch).
  7. a b c David Barthelmy: Chalcocyanite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 13. Dezember 2020 (englisch).
  8. a b c d e Chalcocyanite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 64 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  9. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  10. a b c d e Chalcocyanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. Dezember 2020 (englisch).
  11. Bild mit frischem, farblos-durchsichtigem Chalkocyanit in Paragenese mit olivgrünem Klyuchevskit und hellgrünem Eriochalcit. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. Dezember 2020 (englisch).
  12. a b Arcangelo Scacchi: Nuove specie di solfati di rame. Idrociano. In: Atti Dell'Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche. Band 5, Nr. 3, 1873, S. 26–29 (italienisch, rruff.info [PDF; 495 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  13. Michael Fleischer: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 37, 1952, S. 359–362 (englisch, rruff.info [PDF; 241 kB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  14. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 595 (Erstausgabe: 1891).
  15. Ernest H. Nickel, Joseph A. Mandarino: Procedures involving the IMA Commission on New Minerals and Mineral Names and guidelines on mineral nomenclature. In: American Mineralogist. Band 72, 1987, S. 1031–1042 (englisch, rruff.info [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 13. Dezember 2020]).
  16. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 13. Dezember 2020 (englisch).
  17. Fundortliste für Chalkocyanit (Chalcocyanite) beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 9. April 2023.