Eisenbahnunfall von Bad Aibling

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Karte der Mangfalltalbahn mit Unfallstelle
Eisenbahnunfall von Bad Aibling
Strecke der Eisenbahnunfall von Bad Aibling
Mangfalltalbahn mit Markierung der Unfallstelle
von Holzkirchen
Grenze des Stellwerksbezirks Bad Aibling
24,8 Heufeld
eingleisige Strecke
27,8 Bad Aibling
27,9 BÜ Lindenstraße
eingleisige Strecke
28,6 Bad Aibling Kurpark Hp
28,7 Sbk 313 (Ri Rosenheim)
28,8 BÜ Rosenheimer Straße
29,4 Sbk 314 (Ri Holzkirchen)
Kläranlage
30,3 Unfallstelle
30,5 Bkvsig 314 (Ri Holzkirchen)
30,8 Fußwegübergang
31,5 Fußwegübergang
eingleisige Strecke
32,3 BÜ Haßlerstraße
33,0 Kolbermoor
Grenze des Stellwerksbezirks Bad Aibling
nach Rosenheim

Begriffserklärungen:
Sbk – selbsttätige Blockstelle (Blocksignal)
Bkvsig – Blockvorsignal
BÜ – Bahnübergang
Hp – Haltepunkt

Beim Eisenbahnunfall von Bad Aibling stießen am 9. Februar 2016, dem Faschingsdienstag, gegen 6:48 Uhr zwei unter der Marke Meridian fahrende Züge der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) auf der eingleisigen Bahnstrecke Holzkirchen–Rosenheim zwischen dem Haltepunkt Bad Aibling Kurpark und dem Bahnhof Kolbermoor zusammen. Bei den beiden Zügen handelte es sich um fahrplanmäßige Verstärkerzüge für den Schüler- und Berufsverkehr.[1]

Unfall

Der frontale Zusammenstoß der Züge 79505 Richtung Rosenheim und 79506 Richtung Holzkirchen[2] ereignete sich auf einem parallel zum Mangfallkanal geführten Streckenabschnitt, unweit des Klärwerkes der Stadt Bad Aibling bei Streckenkilometer 30,3.[3] Von den etwa 150 Personen in den Zügen wurden 10 getötet und 80 verletzt; darunter 17 schwer. Bei den tödlich Verletzten handelt es sich um die beiden Triebfahrzeugführer, zwei Zugbegleiter und sechs Fahrgäste. Aufgrund der Frühjahrsferien befanden sich im Zug deutlich weniger Fahrgäste als an normalen Werktagen, insbesondere keine Schüler.[4]

Rettungseinsatz

Insgesamt waren circa 675 Rettungskräfte vor Ort, davon etwa 180 Feuerwehrleute, 215 bayerische Polizisten, 50 Bundespolizisten, 30 Einsatzkräfte des THW und 200 Retter vom BRK, der DLRG, der Wasserwacht und der Bergwacht.[5] Es kamen insgesamt 15 Hubschrauber von Polizei und Rettungsdiensten, zum Teil auch aus Österreich, zum Einsatz.[6] Bei dem Unglück haben sich beide Züge ineinander verkeilt. Der Unfall ereignete sich in dem schwer zugänglichen Waldstück Stuckholz, das nur über einen schmalen Damm zwischen Schienen und Mangfallkanal zugänglich ist.[7] Die Rettungsarbeiten wurden hierdurch erheblich erschwert, weshalb die Opfer mit Hilfe von Booten, Seilwinden und Hubschraubern gerettet wurden.[8]

Unfallursache

Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes hat am 9. Februar 2016 die Untersuchungen aufgenommen.[9] Die genaue Unfallursache ist bisher (Stand: 10. Februar) unbekannt.

Streckeninfrastruktur

Die Strecke ist eine eingleisige Hauptbahn der DB Netz AG. Als Betriebsverfahren wird der Zugmeldebetrieb gemäß Richtlinie 408 der DB Netz AG angewendet. Die Unfallstelle liegt zwischen dem Bahnhof Bad Aibling und Bahnhof Kolbermoor. Bad Aibling Kurpark ist ein Haltepunkt an der eingleisigen Strecke.[10] Zwischen den Zugmeldestellen befinden sich in beiden Richtungen je ein selbsttätiges Blocksignal, die außer der Zugfolge auch einen dazwischenliegenden Bahnübergang decken. Der gesamte Streckenabschnitt einschließlich der Bahnhöfe Bad Aibling und Kolbermoor wird vom Stellwerk am Bahnhof Bad Aibling gesteuert. Es handelt sich um ein Relaisstellwerk der Bauform Sp Dr S60.[11]

Die Strecke Holzkirchen–Rosenheim ist komplett mit dem Zugbeeinflussungssystem PZB 90 ausgerüstet.[12][13] Dies schreibt § 15 Absatz 2 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für alle Hauptbahnen unabhängig von der Höchstgeschwindigkeit vor. Die Verordnung wurde Ende 2012 infolge des Eisenbahnunfalls von Hordorf entsprechend geändert. Nach Angaben der Deutschen Bahn sei die Infrastrukturausrüstung eine Woche zuvor überprüft worden und habe einwandfrei funktioniert.

An der Unfallstelle gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.[14][15]

Betrieb

Die Zugkreuzung der beiden Züge findet fahrplanmäßig im Bahnhof Kolbermoor statt, wobei Zug 79506 einen Aufenthalt von 5 Minuten (6:40 bis 6:45 Uhr) hat, während Zug 79505 nach Ankunft um 6:44 Uhr fahrplanmäßig ohne weiteren betriebsbedingten Aufenthalt weiterfahren soll. Zug 79505 hatte jedoch 4 Minuten Verspätung. Zug 79506 fuhr laut Reisendeninformationssystem pünktlich in Kolbermoor ab und damit in den eingleisigen Streckenabschnitt ein.

Fahrzeuge

ET 325 im Münchner Hauptbahnhof 2015

Bei den beiden beteiligten Fahrzeugen handelt es sich um Züge des Meridian. Betreiberin und verantwortliches Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ist die Bayerische Oberlandbahn. Beide Fahrzeuge sind Triebwagen des Typs Stadler Flirt 3. Bei den Unglücksfahrzeugen handelt es sich um den dreiteiligen ET 355 (Zug 79506 Richtung Holzkirchen) und den sechsteiligen ET 325 (Zug 79505 Richtung Rosenheim). Flirt 3 erfüllen die Crashnorm DIN EN 15227. Unter der Front befinden sich Deformationselemente, die dem Triebfahrzeugführer bei Kollisionen bis 36 km/h einen Überlebensraum garantieren sollen. An den Seiten befindet sich ein Aufkletterschutz.

Die beiden Züge waren mit elektronischen Fahrtenregistrierungen (vergleichbar mit Flugschreibern in der Luftfahrt) ausgerüstet, von denen zwei gesichert wurden, eine weitere wird noch gesucht.[16] Der sechsteilige Zug hatte zwei elektronische Fahrtenregistrierungen, der dreiteilige Zug hatte ein solches System.

Die Behörden beschlagnahmten noch am Unfalltag kurz nach Abschluss der Rettungsarbeiten gegen 11:15 Uhr beide Zugwracks.[17]

Reaktionen

Politik

Infolge des Unglücks sagten alle Parteien in Bayern ihren politischen Aschermittwoch ab.[18][19][20] Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer drückten in ersten Stellungnahmen ihre Betroffenheit über das Unglück aus, gedachten der Angehörigen und Verletzten und dankten den Rettungskräften.

Gesellschaft

In Rosenheim, Bad Aibling und der Umgebung wurden viele Faschingsfeiern abgesagt.[21] Bei den am Abend angesetzten Fußballpartien im DFB-Pokal liefen die Mannschaften in Leverkusen und Stuttgart mit Trauerflor auf. Vor dem Anpfiff wurde eine Schweigeminute für die Opfer des Eisenbahnunfalls abgehalten.

Einzelnachweise

  1. Bad Aibling: Mehrere Tote bei Zugkollision in Oberbayern. zeit.de, abgerufen am 9. Februar 2016.
  2. Fahrplan Mangfalltalbahn. (pdf) der-meridian.de, abgerufen am 9. Februar 2016 (Zug 79505, Abfahrt Bad Aibling 06:40 Uhr, Zug 79506, Abfahrt Kolbermoor 06:45 Uhr, planmäßiger Treffpunkt um 06:44 in Kolbermoor).
  3. Die Meridian-Züge und die Mangfalltalbahn. Tagesschau, 9. Februar 2016, abgerufen Format invalid.
  4. Was wir über das Zugunglück wissen, Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 9. Februar 2016.
  5. Herrmann: Unfallort kaum erreichbar. In: liveblog.zdf.de. Abgerufen am 9. Februar 2016.
  6. Zugunglück: Acht Tote bestätigt – viele schweben in Lebensgefahr. Abendzeitung, 9. Februar 2016, abgerufen Format invalid.
  7. Da war überall Blut. ovb-online.de, 9. Februar 2016, abgerufen Format invalid.
  8. Mindestens neun Tote und 150 Verletzte bei Zugunglück. tagesspiegel.de, 9. Februar 2016, abgerufen Format invalid.
  9. Untersuchungen zur Zugkollision zwischen Bad Aibling und Kolbermoor aufgenommen. Nummer: 04 / 2016. EUB, 9. Februar 2016, abgerufen am 10. Februar 2016.
  10. Betriebsstellen (Bad Aibling Kurpark). In: Infrastrukturregister. DB Netz, abgerufen am 9. Februar 2016 (Bad Aibling Kurpark ist als Haltepunkt gekennzeichnet).
  11. http://stellwerke.de/liste/seite3_3.html
  12. Streckenabschnitt Bad Aibling Kurpark–Kolbermoor. In: Infrastrukturregister. DB Netze, abgerufen am 9. Februar 2016 (Bad Aibling Kurpark–Kolbermoor ist als eingleisig gekennzeichnet mit PZB).
  13. Auskunft auf der Pressekonferenz v. 9. Februar 2016, 13:00 Uhr.
  14. Zeit Online: Was wir über das Zugunglück wissen, 9. Februar 2016, abgerufen am 10. Februar 2016.
  15. Spiegel Online: Zugunglück in Bad Aibling: Ursache war offenbar menschliches Versagen, 10. Februar 2016, abgerufen am 10. Februar 2016.
  16. https://web.de/magazine/panorama/zugunglueck-bad-aibling/zugunglueck-bad-aibling-bayern-aktuelle-entwicklung-live-ticker-31338990
  17. Bergung abgeschlossen – Zug wird beschlagnahmt. Abendzeitung, 9. Februar 2016, abgerufen am 9. Februar 2016.
  18. Andreas Scheuer auf Twitter: „Aus Respekt vor den Opfer des tragischen Zugunglücks findet der morgige Politische Aschermittwoch der CSU nicht statt. #CSUAM16“. 9. Februar 2016, abgerufen am 9. Februar 2016.
  19. CSU, SPD und Grüne sagen Politischen Aschermittwoch ab
  20. ÖDP Bayern sagt nach Zugunglück den Politischen Aschermittwoch ab. 9. Februar 2016, abgerufen am 9. Februar 2016.
  21. Nach Zugunglück in Bad Aibling: Faschingsfeiern in der Region abgesagt. In: merkur.de. 9. Februar 2016, abgerufen am 9. Februar 2016.

Koordinaten: 47° 50′ 55,1″ N, 12° 1′ 45″ O