Ernst Flückiger (Politiker)
Ernst Flückiger (* 14. Dezember 1889 in Derendingen; † 24. Februar 1955 in Luterbach; heimatberechtigt in Lützelflüh) war ein Schweizer Sozialpolitiker (FDP) und Gewerkschafter.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ernst Flückiger war der älteste Sohn des gleichnamigen Textilwerkmeisters Ernst Flückiger.
Er war ab 1908 mit Bertha (geb. Grossen) verheiratet.[1] Er verstarb an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls.[2]
Berufliches und politisches Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Besuch der Primarschule kam Ernst Flückiger nach der 4. Klasse zu einem Bauern, um Geld zu verdienen. 1903 wurde er, nach der Beendigung der Schule und im Alter von vierzehn Jahren, in der Baumwollspinnerei Derendingen als Fabrikarbeiter und später als Spinner eingestellt und war ab 1911 dort als Werkmeister tätig.
Er trat 1910 in die FDP ein und war von 1919 bis 1955 Sekretär des Freien Arbeiterbundes[3] des Kantons Solothurn; in dieser Zeit war er von 1926 bis zu seinem Rücktritt 1944[4] auch halbamtlicher Sekretär der Kantonalpartei.
Unter seiner und der Führung von Robert Schöpfer erreichte die Freisinnig-Demokratische Partei des Kantons Solothurn bei den Kantonsratswahlen 1937 das absolute Mehr.
Ernst Flückiger war von 1921 bis 1941 Kantonsrat, von 1931[5] bis 1943[6] und 1947[7], für den verstorbenen Jean Meier (1881–1946)[8], Nationalrat und von 1937 bis 1946 und 1947 Gemeindeammann in Luterbach.
1932 wurde er zum Präsidenten des ständigen Ausschusses zur Propaganda und Organisation im Zentralvorstand der freisinnig-demokratischen Partei bestellt[9].
Er gehörte 1933 dem Verwaltungsrat der Treuhandstelle für Kleinindustrielle der Uhrenindustrie an[10], dessen Präsident Alfred Moll war.
1937 führte er in über 300 Sitzungen und Besprechungen verschiedene Arbeitsverträge und Lohnverhandlungen zu einem erfolgreichen Ende[11].
1938 regte er die Schaffung eines Ausgleichsfonds für die Arbeitslosenkassen an[12] und im selben Jahr erreichte er, dass der Verband stadtbernischer Industrieller beschloss, seinen Arbeitern und Angestellten während der Rekrutenschule 25 Prozent und während der Wiederholungskurse 100 Prozent des Lohnes zu zahlen sowie Ledigen eine Woche bezahlte Ferien zu gewähren[13].
Er übernahm 1938 von Arnold Saxer (1896–1975)[14], der Direktor des Bundesamts für Sozialversicherung wurde, die Führung des ständigen Ausschusses für Arbeitnehmerfragen der FDP der Schweiz[15].
1939 wurde er in den Verwaltungsrat der Schweizerischen Unfallversicherung gewählt.[16][17]
Es erfolgte 1941 seine Wahl in die Eidgenössische Expertenkommission für das Arbeitslosenversicherungswesen.[18]
1942 setzte er sich in einer Motion für die Einführung der politischen Gleichberechtigung der Frauen in Gemeindeangelegenheiten ein, die jedoch im darauffolgenden Jahr durch den Grossen Rat des Kantons Bern abgelehnt wurde[19].
Politisches und gesellschaftliches Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ernst Flückiger setzte sich für Sozialpolitik und Arbeitnehmerfragen ein und war ein Verfechter sozialer Postulate und des Gesamtarbeitsvertrags.
1946 kam es zu einem Prozess gegen Ernst Flückiger wegen Ehrbeleidigung. Er hatte auf einer Veranstaltung am 20. November 1945 im Bürgerhaus in Bern in einem Vortrag unter anderem geäussert, die Partei der Arbeit der Schweiz (PdA) sei demokratie- und staatsfeindlich, sie erstrebe die Revolution, die gewaltsame Beseitigung der Demokratie, unterhalte Beziehungen mit Sowjetrussland, bereite sich auf den Barrikadenkampf vor und habe dazu Zellen gebildet, deren Mitglieder für den Nahkampf ausgebildet würden. Hierauf reichte Léon Nicole, Präsident der Partei, der auch als Privatkläger auftrat, Klage wegen Ehrbeleidigung ein, worauf im Juli 1947 die Beweisaufnahme vor Gericht begann[20][21]. Ernst Flückiger wurde im Oktober 1946 in der Privatklage wegen Verleumdung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt[22]; in der Klage der PdA wurde er freigesprochen[23]. Ein später eingesetztes Ehrengericht des Landesverbands Freier Schweizer Arbeiter sprach Ernst Flückinger 1947 das Vertrauen aus.[24][25]
Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ernst Flückiger wurde 1941[26] zum Zentralpräsidenten des Landesverbandes Freier Schweizer Arbeiter[27] gewählt und trat 1946 von seinem Amt zurück; nach seinem Rücktritt wurde er zum Ehrenmitglied gewählt[28].
Er wurde in den 1920er Jahren zum Vorsitzenden des Nationalen Arbeitnehmerkartells (auch neutrales Gewerkschaftskartell) gewählt, das seinerzeit 80.000 Personen umfasste.
Ernst Flückiger war Mitglied der Schweizer Spende.[29]
1937 erfolgte seine Wahl zum Zentralpräsidenten des Schweizerischen Zentralververbands der Liegenschaften-Berufsvermittler.[30]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Preis und Lohn – eine Schicksalsfrage. In: Der Schweizer Arbeitnehmer vom 6. November 1941. S. 1 (Digitalisat).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ernst Flückiger. In: 20 Jahre Solothurniscber Kantonalverband. In: Der Schweizer Arbeitnehmer vom 24. November 1938. S. 2 (Digitalisat).
- Ernst Flückiger. In: Eines Mannes Kampf und Ziel. In: Der Schweizer Arbeitnehmer vom 21. Oktober 1943. S. 2 (Digitalisat).
- Ein Jubiläum von alt-Nationalrat Flückiger. In: Neue Zürcher Zeitung vom 7. Dezember 1943. S. 9 (Digitalisat).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Karl H. Flatt: Ernst Flückiger. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Ernst Flückiger. In: Dodis.
- Ernst Flückiger. In: Schweizerische Eliten im 20. Jahrhundert.
- Ernst Flückiger. In: Die Bundesversammlung – Das Schweizer Parlament.
- Ernst Flückiger. In: Portrait Archiv.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Tagblatt der Stadt Thun 14. Juni 1908 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Freiburger Nachrichten 25. Februar 1955 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 25. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Zeitung 9. September 1920 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Der Bund 7. Januar 1944 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 5. November 1931 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten 9. November 1943 Ausgabe 02 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Freiburger Nachrichten 31. Dezember 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Peter Heim: Jean Meier. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 28. Januar 2008, abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Bote vom Untersee und Rhein 23. August 1932 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Bieler Tagblatt 27. Februar 1933 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 14. April 1938 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 17. März 1938 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 4. August 1938 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Marcel Mayer: Arnold Saxer. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 21. Februar 2011, abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Zeitung 12. November 1938 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Zeitung 15. Dezember 1939 Ausgabe 03 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ SVEA-Nachrichten 1. Januar 1940 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 27. März 1941 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Die Tat 2. März 1943 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Oberländer Tagblatt 6. Juli 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Die Tat 11. Juli 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Oberländer Tagblatt 19. Oktober 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten 28. Oktober 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Die Tat 10. Mai 1947 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 25. Januar 2023.
- ↑ Bieler Tagblatt 17. Mai 1947 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 25. Januar 2023.
- ↑ Der Bund 22. April 1941 Ausgabe 02 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Bernard Degen: Landesverband Freier Schweizer Arbeiter. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 18. März 2015, abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Der Schweizer Arbeitnehmer 4. April 1946 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Die Tat 19. Januar 1945 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 24. Januar 2023.
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten 22. Mai 1937 Ausgabe 02 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 23. Januar 2023.
Personendaten | |
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NAME | Flückiger, Ernst |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Sozialpolitiker und Gewerkschafter |
GEBURTSDATUM | 14. Dezember 1889 |
GEBURTSORT | Derendingen |
STERBEDATUM | 24. Februar 1955 |
STERBEORT | Luterbach |