Fehlerfunktion

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Graph der Fehlerfunktion

Als Fehlerfunktion oder Gaußsche Fehlerfunktion bezeichnet man in der Theorie der speziellen Funktionen die durch das Integral

definierte Funktion.[1] Damit ist die Fehlerfunktion eine Stammfunktion von , und zwar die einzige ungerade (gerade Funktionen mit Stammfunktion besitzen genau eine ungerade solche).

Für ein reelles Argument ist eine reellwertige Funktion; zur Verallgemeinerung auf komplexe Argumente siehe unten.

Die Fehlerfunktion ist eine Sigmoidfunktion, findet Anwendung in der Statistik und in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen und hängt eng mit dem Fehlerintegral zusammen.

Bezeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung kommt von error function.

Komplementäre Fehlerfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die komplementäre (bzw. konjugierte) Fehlerfunktion ist gegeben durch:

Verallgemeinerte Fehlerfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die verallgemeinerte Fehlerfunktion wird durch das Integral

definiert.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gilt:

Die Fehlerfunktion ist ungerade:

Das uneigentliche Integral von bis ist

Außerdem gilt:

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verwandtschaft mit der Normalverteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fehlerfunktion hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Verteilungsfunktion der Normalverteilung. Sie hat jedoch eine Zielmenge von , während eine Verteilungsfunktion zwingend Werte aus dem Bereich annehmen muss.

Es gilt für die Standardnormalverteilung

bzw. für die Verteilungsfunktion einer beliebigen Normalverteilung mit Standardabweichung und Erwartungswert

Falls die Abweichungen der einzelnen Ergebnisse einer Messreihe vom gemeinsamen Mittelwert durch eine Normalverteilung mit Standardabweichung und Erwartungswert 0 beschrieben werden können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, mit der der Messfehler einer einzelnen Messung zwischen und liegt (für positives ).

Die Fehlerfunktion kann verwendet werden, um mit Hilfe der Inversionsmethode normalverteilte Pseudozufallszahlen zu generieren.[2]

Wärmeleitungsgleichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fehlerfunktion und die komplementäre Fehlerfunktion kommen beispielsweise in Lösungen der Wärmeleitungsgleichung vor, wenn Randwertbedingungen durch die Heaviside-Funktion vorgegeben sind.

Numerische Berechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fehlerfunktion ist wie die Verteilungsfunktion der Normalverteilung nicht durch eine geschlossene Funktion darstellbar und muss numerisch bestimmt werden.

Für kleine reelle Werte erfolgt die Berechnung mit der Reihenentwicklung

für große reelle Werte mit der Kettenbruchentwicklung

Für den kompletten Wertebereich gibt es folgende Approximation mit einem maximalen Fehler von :[3]

mit

und

Eine für alle reellen Werte von schnell konvergierende Entwicklung[4] erhält man unter Verwendung des Theorems von Heinrich H. Bürmann:[5][6]

Durch geeignete Wahl von und ergibt sich daraus eine Näherung, deren größter relativer Fehler bei kleiner als ist:

Wertetabelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

0,00 0,0000000 1,0000000 1,30 0,9340079 0,0659921
0,05 0,0563720 0,9436280 1,40 0,9522851 0,0477149
0,10 0,1124629 0,8875371 1,50 0,9661051 0,0338949
0,15 0,1679960 0,8320040 1,60 0,9763484 0,0236516
0,20 0,2227026 0,7772974 1,70 0,9837905 0,0162095
0,25 0,2763264 0,7236736 1,80 0,9890905 0,0109095
0,30 0,3286268 0,6713732 1,90 0,9927904 0,0072096
0,35 0,3793821 0,6206179 2,00 0,9953223 0,0046777
0,40 0,4283924 0,5716076 2,10 0,9970205 0,0029795
0,45 0,4754817 0,5245183 2,20 0,9981372 0,0018628
0,50 0,5204999 0,4795001 2,30 0,9988568 0,0011432
0,55 0,5633234 0,4366766 2,40 0,9993115 0,0006885
0,60 0,6038561 0,3961439 2,50 0,9995930 0,0004070
0,65 0,6420293 0,3579707 2,60 0,9997640 0,0002360
0,70 0,6778012 0,3221988 2,70 0,9998657 0,0001343
0,75 0,7111556 0,2888444 2,80 0,9999250 0,0000750
0,80 0,7421010 0,2578990 2,90 0,9999589 0,0000411
0,85 0,7706681 0,2293319 3,00 0,9999779 0,0000221
0,90 0,7969082 0,2030918 3,10 0,9999884 0,0000116
0,95 0,8208908 0,1791092 3,20 0,9999940 0,0000060
1,00 0,8427008 0,1572992 3,30 0,9999969 0,0000031
1,10 0,8802051 0,1197949 3,40 0,9999985 0,0000015
1,20 0,9103140 0,0896860 3,50 0,9999993 0,0000007

Komplexe Fehlerfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die komplexe Fehlerfunktion im Bereich und . Der Farbton gibt den Winkel an, die Helligkeit den Betrag der komplexen Zahl.

Die Definitionsgleichung der Fehlerfunktion kann auf komplexe Argumente ausgeweitet werden:

In diesem Fall ist eine komplexwertige Funktion. Unter komplexer Konjugation gilt

.

Imaginäre Fehlerfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die imaginäre Fehlerfunktion ist gegeben durch

mit der Reihenentwicklung

.

Zur Berechnung können und weitere verwandte Funktionen auch durch die Faddeeva-Funktion ausgedrückt werden. Die Faddeeva-Funktion ist eine skalierte komplexe komplementäre Fehlerfunktion und auch als relativistische Plasma-Dispersions-Funktion bekannt. Sie ist mit den Dawson-Integralen und dem Voigt-Profil verwandt. Eine numerische Implementierung von Steven G. Johnson steht als C-Bibliothek libcerf zur Verfügung.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bronstein, Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik, 6. Auflage, S. 782
  2. Für eine konkrete Implementierung siehe z. B. Peter John Acklam: An algorithm for computing the inverse normal cumulative distribution function. (Memento vom 5. Mai 2007 im Internet Archive)
  3. Numerical Recipes in Fortran 77: The Art of Scientific Computing. Cambridge University Press, 1992, ISBN 0-521-43064-X, S. 214.
  4. H. M. Schöpf, P. H. Supancic: On Bürmann’s Theorem and Its Application to Problems of Linear and Nonlinear Heat Transfer and Diffusion. In: The Mathematica Journal, 2014. doi:10.3888/tmj.16-11.
  5. Moritz Cantor: Bürmann, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 47, Duncker & Humblot, Leipzig 1903, S. 392–394.
  6. E. W. Weisstein: Bürmann’s Theorem. mathworld
  7. Steven G. Johnson, Joachim Wuttke: libcerf.