Internationaler Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe

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Internationaler Residualmechanismus
für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe
Flagge
Siegel des Residualmechanismus
 
Englische Bezeichnung International Residual Mechanism for Criminal Tribunals (IRMTC)
Französische Bezeichnung Mécanisme international
appelé à exercer les fonctions résiduelles des Tribunaux pénaux (MIFRTP)
Organisationsart Ad-hoc-Strafgerichtshof
Sitz der Organe Den Haag, Niederlande Niederlande und Arusha, Tansania Tansania
Vorsitz Richter Malta Carmel A. Agius[1]
Gründung 22. Dezember 2010
Oberorganisation Sicherheitsrat der
Vereinte Nationen Vereinte Nationen
www.irmct.org

Der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe (englisch International Residual Mechanism for Criminal Tribunals, IRMCT; bis Mai 2018 auch Mechanism for International Criminal Tribunals, MICT[2]) ist ein internationales Strafgericht. Er wurde am 22. Dezember 2010 durch Resolution 1966 des UN-Sicherheitsrats geschaffen und ist Rechtsnachfolger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) sowie des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (IStGHR).

Der IRMCT soll im Wesentlichen die Tätigkeit dieser 1993 bzw. 1994 gegründeten Ad-hoc-Strafgerichtshöfe zum Abschluss bringen (sogenannte completion strategy). Dementsprechend verfügt er über die materiellen, territorialen, zeitlichen und personenbezogenen Zuständigkeiten sowie die Rechte, die Pflichten und die wesentlichen Funktionen seiner beiden Vorgängerinstitutionen.

Organisatorisch ist der IRMCT ein Nebenorgan des UN-Sicherheitsrats. Er nahm am 1. Juli 2012 seine Tätigkeit auf und hat seinen Sitz im niederländischen Den Haag sowie im tansanischen Arusha.

Zuständigkeit und Rechtsgrundlagen

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Die Rechtsgrundlagen des IRMCT sind neben der Resolution 1966 das zusammen mit der Resolution beschlossene Statut[3] sowie die am 8. Juni 2012 durch die Richter angenommene Verfahrens- und Beweisordnung.[4] Eine Strafverfolgung und Verurteilung durch den IRMCT ist entsprechend seinem Statut nur möglich für Personen, die bereits, gegebenenfalls in Abwesenheit, vor einem der beiden Ad-hoc-Strafgerichtshöfe angeklagt wurden. Ausgenommen davon sind Fälle von Falschaussage oder Strafvereitelung vor dem IRMCT oder einer seiner beiden Vorgängereinrichtungen, für die eine Anklage vor dem IRMCT möglich ist. Als einzige mögliche Strafe bei einer Verurteilung durch den IRMCT ist die Freiheitsstrafe vorgesehen. Für die Strafbemessung soll dabei neben der Schwere der Taten der Angeklagten und den individuellen Umständen ihrer jeweiligen Fälle auch die bisherige Rechtsprechung des IStGHJ und des IStGHR berücksichtigt werden.

Weitere wichtige Aufgaben des IRMCT sind, wie bei den bisherigen Ad-hoc-Strafgerichtshöfen, die Überwachung von Verfahren, die in die Zuständigkeit der nationalen Gerichtsbarkeit der jeweiligen Länder übertragen wurden beziehungsweise werden, sowie die Unterstützung der nationalen Strafverfolgungsbehörden bei Verfahren, die in Zusammenhang mit den Verfahren des IStGHJ und des IStGHR stehen. Darüber hinaus obliegen dem IRMCT unter anderem Aktivitäten zum Schutz von Zeugen und Opfern aus IStGHJ- und IStGHR-Verfahren, die Überprüfung von Verurteilungen des IStGHR, des IStGHJ und des IRMCT beim Vorliegen neuer Fakten, die Überwachung des Vollzugs der durch die drei Institutionen verhängten Urteile sowie die Verwaltung ihrer Archive.

Die beiden bisher bestehenden Ad-hoc-Gerichtshöfe haben bis Ende 2014 ihre Aktivitäten weitestgehend eingestellt sowie ihre Zuständigkeiten und noch laufenden Verfahren an den IRMCT übertragen. Für den Bestand des IRMCT ist zunächst eine Laufzeit von vier Jahren ab Gründung vorgesehen. Eine Verlängerung des Mandats ist danach möglich auf der Basis von Überprüfungen, die ab 2016 alle zwei Jahre stattfinden sollen.

Organisation und Arbeitsweise

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IRMCT in Arusha, Tansania

Der IRMCT ist ein Nebenorgan des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und gliedert sich in zwei Abteilungen, von denen jede die Arbeit von einem der beiden Ad-hoc-Gerichtshöfe weiterführt. Nach den Vorgaben der Resolution 1966 ist die in Nachfolge des IStGHR bestehende und in Arusha ansässige Abteilung seit Juli 2012 tätig, während die für die Weiterführung der Aktivitäten des IStGHJ zuständige Abteilung mit Sitz in Den Haag Anfang Juli 2013 ihre Arbeit aufnahm. Es besteht jeweils eine eigene Verfahrenskammer für jede Abteilung sowie eine gemeinsame Berufungskammer für beide Abteilungen. Auch die Kanzlei (Geschäftsstelle) fungiert als gemeinsame Einrichtung beider Abteilungen.

Am IRMCT sind 25 Richter tätig, von denen nicht mehr als zwei zum gleichen Zeitpunkt aus dem gleichen Land kommen dürfen. Bei der Auswahl werden insbesondere Personen berücksichtigt, die bereits über Erfahrungen als Richter an einer der beiden Vorgängerinstitutionen verfügen. Entsprechend dem Statut sollen die Richter so weit wie möglich nicht am Sitz der jeweiligen Abteilung, sondern in ihrem Heimatland tätig sein. Für ihre Arbeit und die ihnen zustehende Aufwandsentschädigung gelten dementsprechend die Regeln für Ad-hoc-Richter am Internationalen Gerichtshof (IGH), für die Tätigkeit des durch den UN-Generalsekretär ernannten Präsidenten finden die für reguläre IGH-Richter geltenden Bestimmungen Anwendung.

Die Amtszeit der durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählten Richter beträgt vier Jahre. Durch den UN-Generalsekretär ist nach Konsultationen mit den Präsidenten des Sicherheitsrats und der Generalversammlung eine Ernennung für eine weitere Amtszeit möglich. Die Zuordnung der Richter zu den einzelnen Kammern und Verfahren erfolgt durch den Präsidenten des IRMCT, der selbst der Berufungskammer angehören soll. Der Präsident des IRMCT hat darüber hinaus die Entscheidungsbefugnis über Anträge auf Begnadigung oder Haftaussetzung.

Die Wahl der ersten Richter des IRMCT erfolgte am 20. Dezember 2011. Zum ersten Präsidenten wurde der amerikanische Jurist Theodor Meron ernannt. Als für beide Abteilungen zuständiger Chefankläger fungierte von 2012 bis 2016 Hassan Bubacar Jallow aus Gambia, der zuvor in gleicher Funktion am Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda tätig war. Ihm folgte im Februar 2016 der belgische Jurist Serge Brammertz, der vorher als Chefankläger des IStGHJ fungiert hatte. Kanzler und damit Leiter der Geschäftsstelle und der Verwaltung des IRMCT ist seit Juli 2020 der Gambier Abubacarr Tambadou.

Richter des IRMCT (2019)
Richter[5] Staat
Carmel A. Agius Malta Malta
Aydın Sefa Akay Turkei Türkei
Jean-Claude Antonetti Frankreich Frankreich
Florence Rita Arrey Kamerun Kamerun
Ivo Nelson de Caires Batista Rosa Portugal Portugal
Solomy Balungi Bossa Uganda Uganda
Joseph E. Chiondo Masanche Tansania Tansania
Ben Emmerson Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Claudia Hoefer Deutschland Deutschland
Graciela Susana Gatti Santana Uruguay Uruguay
Burton Hall Bahamas Bahamas
Vagn Prüsse Joensen Danemark Dänemark
Gberdao Gustave Kam Burkina Faso Burkina Faso
Liu Daqun China Volksrepublik Volksrepublik China
Prisca Matimbe Nyambe Sambia Sambia
Theodor Meron Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
Bakone Justice Moloto Sudafrika Südafrika
Lee Gacuiga Muthoga Kenia Kenia
Alphons Orie Niederlande Niederlande
Seon Ki Park Korea Sud Südkorea
José Ricardo de Prada Solaesa Spanien Spanien
Mparany Mamy Richard Rajohnson Madagaskar Madagaskar
Patrick Lipton Robinson Jamaika Jamaika
Aminatta N’gum Simbabwe Simbabwe/ Gambia Gambia
William Hussein Sekule Tansania Tansania
  1. International Residual Mechanism for Criminal Tribunals: Judge Carmel Agius
  2. www.unmict.org (Mai 2018). Für die Aktenführung wurde das Kürzel „MICT“ beibehalten.
  3. Statute of the International Residual Mechanism for Criminal Tribunals vom 22. Dezember 2010; S/RES/1966 (2010) auf Deutsch
  4. Rules of Procedure and Evidence
  5. Current Judges of the Mechanism. United Nations: International Residual Mechanism for Criminal Tribunals, abgerufen am 5. September 2022 (englisch).
  • Thomas Wayde Pittman: The Road to the Establishment of the International Residual Mechanism for Criminal Tribunals. From Completion to Continuation. In: Journal of International Criminal Justice. 9(4)/2011. Oxford University Press, S. 797–817, ISSN 1478-1387
  • Brigitte Benoit Landale, Huw Llewellyn: The International Residual Mechanism for Criminal Tribunals: The Beginning of the End for the ICTY and ICTR. In: International Organizations Law Review. 8(2)/2011. Martinus Nijhoff Publishers, S. 349–365, ISSN 1572-3739
  • Guido Acquaviva: ‘Best Before Date Shown’: Residual Mechanisms at the ICTY. In: Albertus Henricus Joannes Swart, Bert Swart, Alexander Zahar, Göran Sluiter: The Legacy of the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia. Oxford University Press, Oxford 2011, ISBN 978-0-19-957341-7, S. 507–536.
  • Residual mechanism. In: Gerald Gahima: Transitional Justice in Rwanda: Accountability for Atrocity. Routledge, Abingdon / New York 2013, ISBN 978-0-415-52278-6, S. 120–122.