Laron-Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10
E34.3 Kleinwuchs, anderenorts nicht klassifiziert;
Laron-Typ
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Laron-Syndrom, auch als primäre GH-Insensitivität, GH-Rezeptor-Mangel, Kleinwuchs durch Wachstumshormonresistenz, primäre Wachstumshormon-Insensitivität oder Wachstumshormon-Rezeptor-Mangel bezeichnet,[1] ist eine sehr seltene, autosomal-rezessiv vererbte Krankheit, die sich vor allem durch einen Minderwuchs bei den betroffenen Patienten manifestiert.

Häufigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Laron-Syndrom ist eine ausgesprochen seltene Erbkrankheit. Weltweit wurden bisher etwa 200 bis 300 Fälle beschrieben.[2][3]

Klinisches Bild und Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Signalwege bei Patienten mit Laron-Syndrom (links) im Vergleich zu den Signalwegen „gesunder“ Menschen mit westlicher Ernährung.

Patienten mit dem Laron-Syndrom haben einen angeborenen Mangel an funktionstüchtigen Rezeptoren für das Wachstumshormon Somatotropin. Durch einen genetischen Defekt im Somatotropin-Rezeptor (GHR, growth hormone receptor) kann das Somatotropin (GH, growth hormone) nicht die Expression des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-I, insulin-like growth factor I) aktivieren.

Minderwuchs, Gesichtsmissbildungen, stammbetonte Adipositas, später Pubertätsbeginn und rezidivierende Hypoglykämien sind typisch für das Laron-Syndrom. Im Plasma finden sich extrem niedrige Spiegel für den IGF-1 und deutlich erhöhte Werte für Somatotropin. Somatotropin-bindendes Protein (GHBP), die lösliche Isoform von GHR, ist im Plasma entweder stark erniedrigt oder völlig abwesend oder funktionslos.[2][4]

Kinder weisen eine erhöhte Infektionsanfälligkeit auf.[5]

Die stark reduzierte Ausschüttung an IGF-I bewirkt nicht nur einen Minderwuchs. Patienten mit Laron-Syndrom haben eine wesentlich reduzierte Wahrscheinlichkeit an Krebs, Akne[6] und Diabetes mellitus zu erkranken.[5] Auch das Altern findet verlangsamt statt. Eine ecuadorianische Population in der Provinz Loja von 99 Patienten mit Laron-Syndrom wurde 22 Jahre medizinisch überwacht. In dieser Gruppe wurde in dieser Zeit ein nichtletales Malignom und kein Fall von Diabetes mellitus beobachtet. In der Kontrollgruppe lag dagegen die Prävalenz für Krebs bei 17 % und für Diabetes bei 5 %.[7][8] Diese epidemiologischen Daten führen zu Spekulationen, ob durch ein künstliches Absenken des IGF-1-Spiegels das Altern verlangsamt und die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, reduziert werden kann.[9]

Dwarf-Mäuse weisen ebenfalls ein Defizit in GHR auf und haben eine erheblich höhere Lebenserwartung als der Wildtyp.[10]

Genetik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das GHR-Gen, das für den Somatotropin-Rezeptor kodiert, befindet sich beim Menschen auf Chromosom 5, Genlocus p13–p12.[11] Das Genprodukt besteht aus 638 Aminosäuren und ist membranständig.[12] Die Mutationen im GHR können entweder die Bindung von GH an die extrazelluläre Domäne (Ektodomäne) unterbinden oder die Dimerisierung des Rezeptors nach dem Andocken des Somatotropins blockieren. Beides führt dazu, dass die Zellen der betroffenen Patienten nur sehr geringe Mengen an IGF-1 exprimieren.[2]

Die Defekte im GHR-Gen, die zum Laron-Syndrom führen können, sind heterogen und umfassen Gendeletionen, sowie Nonsense-, Missense-, Frameshift- und Splice-Site-Mutationen,[2] sowie wiederholende CpG-Dinukleotid-Substitutionen, die alle im Wesentlichen die extrazellulären Domänen von GHR betreffen.[13] Insgesamt wurden über 30 verschiedene GHR-deaktivierende Mutationen gefunden.[2][14][15]

In einer ecuadorianischen Population spanischer Abstammung mit geringem genetischem Austausch durch Inzucht beim Menschen findet sich in Exon 6 eine homozygote Substitution eines einzelnen Nukleotids.[16]

Behandlung und Prognose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1986 ist biotechnologisch produziertes IGF-I (rhIGF-I, rekombinantes humanes IGF-I) in ausreichenden Mengen verfügbar, so dass damit vom Laron-Syndrom betroffene Kinder behandelt werden können.[17] Die Prognose ist – auch ohne Behandlung – günstig. Die Patienten können, abgesehen von den täglichen Behinderungen, die ein Minderwuchs bedingt, ein weitgehend normales Leben führen.

Erstbeschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Laron-Syndrom wurde erstmals 1966 von einer Arbeitsgruppe um den israelischen Kinderendokrinologen Zvi Laron (* 1927) beschrieben.[18] Nach ihm wurde die Erkrankung auch benannt. Die klinischen Untersuchungen begannen indes bereits 1958 an einer Gruppe kleinwüchsiger Kinder, die im Serum hohe Spiegel von Wachstumshormonen aufwiesen. Danach konnte die Ursache der Erkrankung als molekularer Defekt am Wachstumshormonrezeptor (Somatotropin-Rezeptor) identifiziert werden.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weiterführende Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fachliteratur

Populärwissenschaftliche Artikel

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laron-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten).
  2. a b c d e Y. Zhou, B. C. Xu, H. G. Maheshwari, L. He, M. Reed, M. Lozykowski, S. Okada, L. Cataldo, K. Coschigamo, T. E. Wagner, G. Baumann, J. J. Kopchick: A mammalian model for Laron syndrome produced by targeted disruption of the mouse growth hormone receptor/binding protein gene (the Laron mouse). (PDF; 318 kB) In: Proceedings of the National Academy of Sciences Band 94, Nummer 24, November 1997, S. 13215–13220, ISSN 0027-8424. PMID 9371826. PMC 24289 (freier Volltext).
  3. P. Altmeyer: Eintrag Laron-Syndrom in Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umweltmedizin, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, Online-Version
  4. R. G. Rosenfeld, A. L. Rosenbloom, J. Guevara-Aguirre: Growth hormone (GH) insensitivity due to primary GH receptor deficiency. In: Endocrine reviews Band 15, Nummer 3, Juni 1994, S. 369–390, ISSN 0163-769X. PMID 8076588. (Review).
  5. a b M. Leslie: Genetics and disease. Growth defect blocks cancer and diabetes. In: Science Band 331, Nummer 6019, Februar 2011, S. 837, ISSN 1095-9203. doi:10.1126/science.331.6019.837. PMID 21330503.
  6. B. C. Melnik, S. M. John, G. Schmitz: Over-stimulation of insulin/IGF-1 signaling by western diet may promote diseases of civilization: lessons learnt from laron syndrome. In: Nutrition & metabolism Band 8, 2011, S. 41, ISSN 1743-7075. doi:10.1186/1743-7075-8-41. PMID 21699736. (Open Access)
  7. J. Guevara-Aguirre, P. Balasubramanian, M. Guevara-Aguirre, M. Wei, F. Madia, C. W. Cheng, D. Hwang, A. Martin-Montalvo, J. Saavedra, S. Ingles, R. de Cabo, P. Cohen, V. D. Longo: Growth hormone receptor deficiency is associated with a major reduction in pro-aging signaling, cancer, and diabetes in humans. In: Science Translational Medicine Band 3, Nummer 70, Februar 2011, S. 70ra13, ISSN 1946-6242. doi:10.1126/scitranslmed.3001845. PMID 21325617.
  8. R. Steuerman, O. Shevah, Z. Laron: Congenital IGF1 deficiency tends to confer protection against post-natal development of malignancies. In: European Journal of Endocrinology / European Federation of Endocrine Societies Band 164, Nummer 4, April 2011, S. 485–489, ISSN 1479-683X. doi:10.1530/EJE-10-0859. PMID 21292919.
  9. E. J. Gallagher, D. LeRoith: Is growth hormone resistance/IGF-1 reduction good for you? In: Cell Metabolism Band 13, Nummer 4, April 2011, S. 355–356, ISSN 1932-7420. doi:10.1016/j.cmet.2011.03.003. PMID 21459318.
  10. A. Bartke: Life Extension in the Dwarf Mouse. In: Handbook of models for human aging. P. M. Conn (Herausgeber), Academic Press, 2006, ISBN 0-12-369391-8, S. 403–413 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  11. Laron-Syndrom. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
  12. UniProt P10912
  13. J. A. Phillips: Molecular biology of growth hormone receptor dysfunction. In: Acta paediatrica Band 383, September 1992, S. 127–131, ISSN 0803-5326. PMID 1458007. (Review).
  14. P. J. Godowski, D. W. Leung, L. R. Meacham, J. P. Galgani, R. Hellmiss, R. Keret, P. S. Rotwein, J. S. Parks, Z. Laron, W. I. Wood: Characterization of the human growth hormone receptor gene and demonstration of a partial gene deletion in two patients with Laron-type dwarfism. In: Proceedings of the National Academy of Sciences Band 86, Nummer 20, Oktober 1989, S. 8083–8087, ISSN 0027-8424. PMID 2813379. PMC 298219 (freier Volltext).
  15. M. L. Sobrier, F. Dastot, P. Duquesnoy, N. Kandemir, N. Yordam, M. Goossens, S. Amselem: Nine novel growth hormone receptor gene mutations in patients with Laron syndrome. In: The Journal of clinical endocrinology and metabolism Band 82, Nummer 2, Februar 1997, S. 435–437, ISSN 0021-972X. PMID 9024232.
  16. J. Guevara-Aguirre, A. L. Rosenbloom, M. A. Vaccarello, P. J. Fielder, A. de la Vega, F. B. Diamond, R. G. Rosenfeld: Growth hormone receptor deficiency (Laron syndrome): clinical and genetic characteristics. In: Acta paediatrica Scandinavica Band 377, 1991, S. 96–103, ISSN 0300-8843. PMID 1785320. (Review).
  17. a b Z. Laron: Laron syndrome (primary growth hormone resistance or insensitivity): the personal experience 1958-2003. In: The Journal of clinical endocrinology and metabolism Band 89, Nummer 3, März 2004, S. 1031–1044, ISSN 0021-972X. PMID 15001582.
  18. Z. Laron, A. Pertzelan, S. Mannheimer: Genetic pituitary dwarfism with high serum concentration of growth hormone–a new inborn error of metabolism? In: Israel journal of medical sciences Band 2, Nummer 2, 1966 Mar-Apr, S. 152–155, ISSN 0021-2180. PMID 5916640.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]