Marienpsalter von Zinna

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Seite mit Blumenornamenten

Der Marienpsalter von Zinna (Psalterium Novum Beatae Mariae Virginis) ist ein Marienpsalter, der Ende des 15. Jahrhunderts vermutlich in der Klosterdruckerei Zinna gedruckt wurde. Dieses marianische Stundenbuch gilt als das älteste gedruckte Buch in Brandenburg.

Nikolaus II., der um 1499 verstorbene Abt von Zinna, war ein Freund und Förderer der Buchdruckerkunst, der die Drucklegung des Psalterium Mariae in Auftrag gab.

In Zusammenarbeit mit dem Kaplan Hermannus Nitzschewitz[1] aus Trebbin, der zu dieser Zeit Protonotar in Frankfurt (Oder) und möglicherweise zuvor Mönch in Zinna gewesen war, wurde der Marienpsalter zwischen dem 19. August 1493,[2] dem Todesdatum von Kaiser Friedrich III., und dem 9. Juli 1496 zu Ehren von Kaiser Maximilian I. gedruckt.

Die früher vertretene Ansicht, dass Hermann als Buchdrucker und Zinna als Druckort anzusehen ist, wird in der heutigen Forschung teilweise angezweifelt. Drucklettern aus Zinna sind nicht bekannt. Auch können weitere Inkunabeldrucke aus Zinna nicht nachgewiesen werden. Mit Verweis auf die Drucktypen wird Lüneburg deshalb als Druckort für wahrscheinlicher angesehen. Möglich wäre auch, dass die Druckstöcke in Lüneburg hergestellt wurden, während der Druck selbst in Zinna stattfand.[3] Damit liegt eine maßgebliche Beteiligung anderer Parteien an der Drucklegung sehr nahe.[1] Das gilt vor allem für das Vorwort des Psalters, das in der in Lüneburg gedruckten niederdeutschen Fassung des Nitzschewitzen Rosenkranzes von 1484 noch fehlt.[4][5]

Im Jahr 2023 wurde der Marienpsalter von Zinna in den österreichischen Medien häufig zitiert,[4] weil auf seiner Basis das jahrhundertealte Rätsel um den habsburgischen Wahlspruch A.E.I.O.U. gelöst worden sein könnte. Auf Blatt 11r des Marienpsalters findet sich in den Zeilen 9–10 die Zeichenkette „A amor E electis I iniustis O ordinor U ultor“.[6] Das scheint deshalb plausibel, weil die Drucklegung von mehreren Seiten initiiert wurde und schon wegen der beträchtlichen Auflagenzahl einen hochoffiziellen Charakter hatte. So wurde der Psalter, dessen Auflagenzahl auf 500 Stück geschätzt wird, vom Kaiser nicht nur finanziert, sondern von dessen Kanzlei ausführlich zensiert mehrfach überprüft und – sehr ungewöhnlich – sogar noch während der Drucklegung überarbeitet, was die Vorstellung von einem eher beiläufig entstandenen Privatwerk ausschließt.

Für die Geschichtsforschung ist dies wichtig, weil der Druck die einzige historische Textstelle enthält, die das A.E.I.O.U. offiziell erklärt.

Die Inkunabel ist ein Erbauungsbuch, das analog zu den 150 Psalmen die Großtaten Gottes an Maria und am Gottesvolk in 150 Klauseln preist. Das Werk enthält viele Holzschnitte mit Motiven aus dem Marienleben und breiten Blumenornamenten verziert. Kolorierte Exemplare wurden teurer verkauft.

Der Marienpsalter ist nicht nur der Gottesmutter Maria, sondern auch dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich III. und dessen Nachfolger Maximilian I. gewidmet. Nach dem Amtsantritt von Kaiser Maximilian wurde nämlich eine 50-seitige Vorrede hinzugefügt, die geschichtstheologische Appelle enthält und als geistige Waffe im Kampf gegen die Türken dienen sollte.[7] Auf dem Blatt 11r wird dabei der habsburgische Wahlspruch A.E.I.O.U. erläutert.

Exemplare des Marienpsalters mit online zugänglichen Digitalisaten:

Weitere Exemplare:

  • Stadt- und Landesbibliothek Potsdam: Ein Exemplar des Druckes kam 1992 zur Bibliothek und ist dort das bedeutendste Stück unter den historischen Buchbeständen der Sammlung Brandenburgica. Dank einer Firmenspende konnte der Marienpsalter 2003 digitalisiert werden.
  • Friedrich Karl Clajus: Der Marienpsalter der Klosterdruckerei Zinna vom Jahre 1493. In: Das Antiquariat. Halbmonatsschrift für alle Fachgebiete des Buch- und Kunstantiquariats = Livres demandés = Books wanted. Jahrgang 13, Calw, Stammheim 1957, S. 193–196. ISSN 0003-5793
  • Heinrich Grimm: Die Holzschnittillustration in den Drucken aus der Universitätsstadt Frankfurt an der Oder bis zum Jahre 1528: Vom Marienpsalterium aus Kloster Zinna bis zu Georg Lemberger. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstgeschichte des deutschen Nordostens, in: Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft. Band 66, Selbstverlag der Gutenberg-Gesellschaft, Mainz 1958.
  • Helmut Herbig: Der Zinnaer Marienpsalter. Eine neue Druckzeitbestimmung. in: Jahrbuch Stiftung Stadtmuseum Berlin. Band 1, Hrsg. Reiner Güntzner, Henschel-Verlag, Berlin 1995, ISBN 378611966X, S. 289–93.
  • Erik Hühns: Der Marienpsalter des Klosters Zinna. Zur Geschichte eines Frühwerks der Buchdruckerkunst. In: Bildende Kunst. Jahrgang 18, Henschel-Verlag, Berlin 1970, ISSN 0863-5838, S. 597–600.
  • Erik Hühns: Der Marienpsalter des Klosters Zinna. Anläßlich der 800-Jahr-Feier. In: Hans Lülfing, Ursula Altmann: Beiträge zur Inkunabelkunde. 3. Folge, Nr. 6, Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 38–43.
  • O. Wendler: Das Psalterium Mariae, ein Druckwerk des Klosters Zinna von 1493? In: Monats-Blätter des Touristenklub für die Mark Brandenburg. Vierzehner Jahrgang, Verlag Fontane & Co., Berlin 1905, S. 53–55.
  • Adam Wienand: Der Marienpsalter von Zinna. in: Die Cistercienser. Geschichte, Geist, Kunst. Hrsg. Ambrosius Schneider, Adam Wienand, Wolfgang Bickel, Ernst Coester, Selbstverlag, Köln 1974, ISBN 387909036X, S. 183–192 (Regesta Imperii).

Einzelnachweise

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  1. a b Nitzschewitz, Hermann im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW-Nummer NITZHER); Herbig, S. 291: „Aus der Frühzeit kennen wir in vielen Klöstern Druckereien, sogar Orden, die sich die Buchverfielfältigung zum Hauptziel gesetzt haben ... Es ist jedoch keine Klosterdruckerei bekannt, die nur ein einziges Buch gedruckt hat. Der Psalter ist aber das einzig bekannte Werk aus Zinna. Dieser Umstand spricht als gegen Zinna als Druckort.“
  2. Ernst Voulliéme: Die deutschen Drucker des fünfzehnten Jahrhunderts. Zweite Auflage. Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1922, S. 172. (landesbibliothek.at).
  3. Franz Fuchs geht in seiner (kritischen) Rezension eines Aufsatzes von Konstantin Moritz A. Langmaier jüngst wieder von Zinna als Druckort aus, siehe DA-Rezensionen online, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Jg. 79 (2023), Heft 2.
  4. a b Das Rätsel um das A.E.I.O.U. Kaiser Friedrichs III. könnte gelöst sein. In: derstandard.at. 30. März 2023, abgerufen am 18. April 2023.
  5. https://repositorium.uni-muenster.de/document/miami/5b6eb235-5ee2-4e06-9f0e-aaa5c92c7a32/mnfd-bc-235.pdf
  6. Konstantin Moritz Langmaier: Zur Devise Kaiser Friedrichs III. (1415–1493). In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark. Band 113, 2022, S. 19–29; besonders S. 22 (steiermark.at [PDF]).
  7. Konstantin Moritz Langmaier: Zur Devise Kaiser Friedrichs III. (1415‒1493). In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark. Band 113, 2022, S. 7–32; hier S. 21 (steiermark.at [PDF; abgerufen am 25. August 2024]).