Micrococcaceae

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Micrococcaceae

Micrococcus luteus, lichtmikroskopisches Bild nach Gram-Färbung.

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Actinomycetota
Klasse: Actinomycetes
Ordnung: Micrococcales
Familie: Micrococcaceae
Wissenschaftlicher Name
Micrococcaceae
Pribram 1929
emend. Zhi et al. 2009[1]

Die Micrococcaceae sind eine Bakterienfamilie. Die deutsche Bezeichnung Mikrokokken (eingedeutschter Plural aus dem latinisierten Singular Micrococcus, der sich aus den beiden altgriechischen Bestandteilen altgriechisch μικρός mikros, deutsch ‚klein‘ und altgriechisch κόκκος kókkos, deutsch ‚Kern, Korn‘ zusammensetzt)[2] stellt den Trivialnamen mehrerer Arten grampositiver, unbeweglicher, aerober, in der Regel nicht pathogener Kokken (kugelförmige Bakterien) dar. Sie waren ursprünglich der Gattung Micrococcus zugeordnet, einige gehören aber mittlerweile anderen, verwandten Gattungen an, daher wird die Bezeichnung Mikrokokken auch für die Familie der Micrococcaceae verwendet. Bei vielen Vertretern der Familie ist bereits durch den Gattungsnamen erkennbar, dass es sich bei ihnen um Kokken handelt, z. B. Citricoccus. Aber auch Bakterien, deren Zellen stäbchenförmig sind oder die sich in ihrem Lebenszyklus von einer Kokkenform zu Stäbchen entwickeln, gehören der Familie an, beispielsweise Arten der Gattung Arthrobacter und verwandter Gattungen.

Merkmale und Vorkommen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es handelt sich um nicht aktiv bewegliche Bakterien mit aeroben Stoffwechsel. Die grampositiven kokkenförmigen Zellen sind in Trauben, Haufen, paarweise oder in kurzen Ketten angeordnet. Typisch ist ihr hoher GC-Gehalt im Genom.[3] Viele „Mikrokokken“ sind Bewohner von Böden, Schlämmen und Oberflächenwasser. Vertreter einiger Arten werden häufig auf der Haut und den Schleimhäuten von Menschen und Tieren gefunden. Einige Arten finden sich in (insbesondere fermentierten) Lebensmitteln und tragen dort zur Geschmacksbildung bei. Bei abwehrgeschwächten Personen und im Zusammenhang mit implantierten Fremdkörpern sind für einige Vertreter, wie Arten der Gattungen Kocuria und Kytococcus, Infektionen beim Menschen beschrieben.

Mitglieder der Gattung Arthrobacter sind typische Bodenbewohner. Sie sind von pleomorpher Gestalt und besonders widerstandsfähig gegen Nahrungsmangel und Austrocknung. 2016 wurden viele Arthrobacter-Arten in neu beschriebene Gattungen gestellt.[4]

Historische Entwicklung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die heutige Familie Micrococcaceae[3] entspricht in ihrer Zusammensetzung nicht mehr der früheren Familie gleichen Namens. Zu dieser gehörte u. a. auch die Gattung Staphylococcus, die allerdings keine engere verwandtschaftliche Beziehung zu den „Mikrokokken“ besitzt.[5] Zur Familie Micrococcaceae werden u. a. die Gattungen Kocuria, Micrococcus und Nesterenkonia gezählt, die 1995 aus der ursprünglichen Gattung Micrococcus entstanden. Auch die Gattungen Dermacoccus und Kytococcus wurden früher der Gattung Micrococcus zugerechnet,[6] sind jedoch nun der Familie Dermacoccaceae zugehörig.[7] Beide Familien gehörten zur Unterordnung Micrococcineae in der Ordnung Actinomycetales (Stand 2009). Weitere phylogenetische Untersuchungen der 16S rRNA führten zu einer neuen Systematik der Actinobacteria,[8] die 2012 in der 2. Auflage des Bergey’s Manual of Systematic Bacteriology vorgestellt wurde. Darin wurden die Unterklassen zu Klassen und die Unterordnungen zu Ordnungen angehoben. Somit gehört die Familie Micrococcaceae nun zur Ordnung Micrococcales (Stand 2018).[9]

Im Rahmen der Entdeckung mehrerer neuer Bakterienspezies zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden diese zunächst in einer neuen, eigenständigen Familie Yaniaceae fam. nov. (2005)[10] klassifiziert, die später in Yaniellaceae fam. nov. (2008) umbenannt wurde.[11] Diese beiden Taxa stellen jedoch lediglich Synonyme für die Familie Micrococcaceae dar[3] und die neu entdeckten Bakterien der Gattung Yaniella gehören seit 2011 zur Familie Micrococcaceae.[1]

Ende 2012 wurde die Familie Micrococcaceae um eine neue Gattung Enteractinococcus gen. nov. erweitert. Enteractinococcus coprophilus sp. nov. ist die Bezeichnung für die dazugehörige Bakterienart, die aus dem Kot eines Südchinesischen Tigers (Panthera tigris amoyensis) isoliert wurde. Der untersuchte Bakterienstamm weist in den morphologischen und chemotaxonomischen Merkmalen Unterschiede zu den bisher beschriebenen Gattungen auf, so dass er als neue Spezies in einer neuen Gattung eingeordnet wurde. Als Folge dieser Untersuchungen wurde die 2011 beschriebene Bakterienart Yaniella fodinae nun als Enteractinococcus fodinae ebenfalls dieser neuen Gattung zugeordnet.[12]

2016 wurde die Gattung Arthrobacter im Hinblick auf chemotaxonomische und phylogenetische Merkmale überprüft. Als Ergebnis wurde mehr als 30 Arten in andere, neu beschriebene Gattungen überführt, die als Glutamicibacter, Paeniglutamicibacter, Pseudoglutamicibacter, Paenarthrobacter und Pseudarthrobacter bezeichnet wurden.[4]

Aktuelle Systematik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Phylum der „Actinobacteria“ enthält derzeit (Stand 2018) die gleichnamige Klasse mit mehreren Ordnungen, u. a. die Actinomycetales und die Micrococcales. In der Ordnung Micrococcales gibt es mehrere Familien, wobei die Dermacoccaceae, Intrasporangiaceae, Microbacteriaceae und Micrococcaceae jeweils mehr als 10 Gattungen beinhalten. Zu der Familie Micrococcaceae gehören die folgenden Gattungen (Stand 2018).[9] Die Angabe von Arten beschränkt sich auf eine Auswahl, wobei in jedem Fall die Typusart der Gattung genannt ist.

Klasse Actinobacteria

  • Familie Micrococcaceae
  • Genus Citricoccus Altenburger et al. 2002 emend. Nielsen et al. 2011
  • Genus Kocuria Stackebrandt et al. 1995
  • Genus Micrococcus Cohn 1872 (Approved Lists 1980) emend. Wieser et al. 2002
  • Genus Nesterenkonia Stackebrandt et al. 1995 emend. Li et al. 2005
  • Genus Rothia Georg & Brown 1967
  • Genus Sinomonas Zhou et al. 2009 emend. Zhou et al. 2012
  • Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.): The Prokaryotes, 3. Auflage, Bd. 3: Archaea. Bacteria: Firmicutes, Actinomycetes. Springer Verlag, New York 2006, ISBN 978-0-387-25493-7 (Print), ISBN 978-0-387-30743-5 (Online)
  • Karsten Becker: "Mikrokokken" – Mikrobiologie und Bedeutung. Der Mikrobiologe 2011 21(2): 43–51

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Familia Micrococcaceae. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 7. April 2018.
  2. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München/Wien 1965.
  3. a b c Taxonomy Browser Micrococcaceae (Familie). In: Webseite des National Center for Biotechnology Information (NCBI). Abgerufen am 7. April 2018.
  4. a b Hans-Jürgen Busse: Review of the taxonomy of the genus Arthrobacter, emendation of the genus Arthrobacter sensu lato, proposal to reclassify selected species of the genus Arthrobacter in the novel genera Glutamicibacter gen. nov., Paeniglutamicibacter gen. nov., Pseudoglutamicibacter gen. nov., Paenarthrobacter gen. nov. and Pseudarthrobacter gen. nov., and emended description of Arthrobacter roseus. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 66, Januar 2016, S. 9–37, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijsem.0.000702 (englisch).
  5. Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock Mikrobiologie. Deutsche Übersetzung herausgegeben von Werner Goebel, 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin 2000, ISBN 978-3-8274-0566-1.
  6. E. Stackebrandt, C. Koch, O. Gvozdiak, P. Schumann: Taxonomic dissection of the genus Micrococcus: Kocuria gen. nov., Nesterenkonia gen. nov., Kytococcus gen. nov., Dermacoccus gen. nov., and Micrococcus Cohn 1872 gen. emend. In: International Journal of Systematic Bacteriology. Band 45, Nummer 4, Oktober 1995, S. 682–692, ISSN 0020-7713. PMID 7547287.
  7. Taxonomy Browser Dermacoccaceae (Familie). In: Webseite des National Center for Biotechnology Information (NCBI). Abgerufen am 7. April 2018.
  8. Xiao-Yang Zhi, Wen-Jun Li, Erko Stackebrandt: An update of the structure and 16S rRNA gene sequence-based definition of higher ranks of the class Actinobacteria, with the proposal of two new suborders and four new families and emended descriptions of the existing higher taxa. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 59, März 2009, S. 589–608, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijs.0.65780-0, PMID 19244447.
  9. a b Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Phylum „Actinobacteria“. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 7. April 2018.
  10. W. J. Li, P. Schumann u. a.: Proposal of Yaniaceae fam. nov. and Yania flava sp. nov. and emended description of the genus Yania. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 55, September 2005, S. 1933–1938, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijs.0.63594-0. PMID 16166690 (englisch).
  11. W. J. Li, X. Y. Zhi, J. P. Euzéby: Proposal of Yaniellaceae fam. nov., Yaniella gen. nov. and Sinobaca gen. nov. as replacements for the illegitimate prokaryotic names Yaniaceae Li et al. 2005, Yania Li et al. 2004, emend Li et al. 2005, and Sinococcus Li et al. 2006, respectively. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 58, Februar 2008, S. 525–527, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijs.0.65792-0. PMID 18218962 (englisch).
  12. Y. R. Cao, Y. Jiang u. a.: Enteractinococcus coprophilus gen. nov., sp. nov., of the family Micrococcaceae, isolated from Panthera tigris amoyensis faeces, and transfer of Yaniella fodinae Dhanjal et al. 2011 to the genus Enteractinococcus as Enteractinococcus fodinae comb. nov. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 62, November 2012, S. 2710–2716, ISSN 1466-5034. doi:10.1099/ijs.0.034249-0. PMID 22228667 (englisch).
  13. Tuomas Pylkkö, Yannik Karl-Heinz Schneider, Teppo Rämä, Jeanette Hammer Andersen, Päivi Tammela: Bioprospecting of inhibitors of EPEC virulence from metabolites of marine actinobacteria from the Arctic Sea. In: Frontiers in Microbiology, Sec. Antimicrobials, Resistance and Chemotherapy, Band 15, 30. August 2024; doi:10.3389/fmicb.2024.1432475 (englisch). Dazu:
Commons: Micrococcaceae (Mikrokokken) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien