Mississippi-Bürgerrechtsaktivisten-Morde

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Von oben nach unten: Mordopfer Chaney, Goodman und Schwerner

Die Mississippi-Bürgerrechtsaktivisten-Morde ereigneten sich am 21. Juni 1964 im Neshoba County, Mississippi, als Mitglieder des Ku-Klux-Klans unter Mithilfe konspirierender Polizeibeamter drei Mitglieder einer US-Bürgerrechtsbewegung in einen Hinterhalt lockten und ermordeten.

Sie töteten den Afroamerikaner James Earl Chaney (21) sowie Andrew Goodman (20) und Michael Schwerner (24), beide New Yorker jüdischen Glaubens.

Die Ermordeten verfolgten das Ziel, schwarze Amerikaner, die unter den rassistischen Jim-Crow-Gesetzen in den Südstaaten litten, über ihre Wahl- und Bürgerrechte aufzuklären.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wehrten sich Schwarze gegen die Diskriminierung zunehmend mit Sit-ins und gewaltlosen Demonstrationen. Dabei wurden sie von weißen Bürgerrechtlern unterstützt. Wichtigste Organisationen waren dabei der Congress of Racial Equality (CORE), die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), die Southern Christian Leadership Conference (SCLC) und das Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC). Im Sommer 1964 wurde von diesen in Mississippi eine Sommeroffensive namens Freedom Summer hinsichtlich der Aufklärung über die eigenen Rechte durchgeführt. Schwarze sollten dazu gebracht werden, sich in Wählerlisten einzutragen und von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Seit dem 2. Mai 1964 wurden zwei Schwarze, Henry Hezekiah Dee und Charles Eddie Moore vermisst. Sie wurden von sieben Ku-Klux-Klan-Mitgliedern in der Nähe von Roxie entführt – ihre Mörder hielten sie für Bürgerrechtler. Am 4. August wurden die Leichen der beiden in einem Fluss im Warren County gefunden. Sie waren geschlagen und an einen Motorblock bzw. ein Stück Eisenbahnschiene gefesselt worden.[1] Im Jahre 2007 wurde James Ford Seale wegen dieses Verbrechens angeklagt.[2]

Tathergang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chaney, Goodman und Schwerner wurden am 21. Juni 1964 kurz nach Mitternacht ermordet.

Chaney, Goodman und Schwerner hatten den Brandanschlag auf eine von schwarzen Kindern besuchte Schule untersucht und waren zuvor bei einem Training am Western College for Women (heute Teil der Miami University) in Oxford (Ohio) gewesen. Ziel des Trainings war die Ausbildung in der Überzeugungsarbeit von Schwarzen in den Südstaaten hinsichtlich ihres Wahlrechts.[3] Die lokalen Klan-Mitglieder waren über die Aktivitäten genau informiert.[4][5][6]

Sam Bowers, der die Splittergruppe White Knights of the Ku Klux Klan als Imperial Wizard anführte, gab den Befehl, die Bürgerrechtler zu ermorden.[7] Auch County Sheriff Lawrence Rainey und sein Stellvertreter Deputy Sheriff Cecil Price waren Mitglied der White Knights of the Ku Klux Klan.[7]

Die Bürgerrechtler wussten, dass sie sich in Gefahr befanden und hatten mit ihrem Büro vereinbart, sich regelmäßig telefonisch zu melden.[1] Price nahm die drei unter dem Vorwand einer Geschwindigkeitsübertretung fest und brachte sie ins örtliche Gefängnis. Chaney, Goodman und Schwerner durften von ihrem Recht auf einen Anruf keinen Gebrauch machen.[7] Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung machten sich Sorgen und begannen, die drei zu suchen. Als sie im Büro des Sheriffs anriefen, wurde ihnen wahrheitswidrig gesagt, sie seien nicht im Gefängnis.[7] Price informierte seinen Klan-Komplizen Edgar Ray Killen, der andere Klan-Mitglieder zusammenrief, um den Mord vorzubereiten.[7]

Auf der Straße nach Meridian wurde ein Hinterhalt vorbereitet. Chaney erhielt eine Strafe von 20 US-Dollar und sie wurden dazu aufgefordert, das County zu verlassen.

Ausgebranntes Fahrzeug der Opfer (Polizeifoto)

Chaney, Goodman und Schwerner verließen am 21. Juni 1964 das Gefängnis und fuhren mit einem Wagen los. Hilfssheriff Cecil Price folgte dem Wagen der drei. An der Stelle des Hinterhalts zwang er sie mittels seiner Polizeisirene zu halten; dann nahm das KKK-Mordkommando sie gefangen und brachte sie an eine abgelegene Stelle. Männer des Kommandos erschossen dort Schwerner und Goodman; Chaney wurde erst zusammengeschlagen und dann erschossen. Das Auto der drei wurde in ein Waldstück nahe dem Mississippi Highway 21 gefahren und in Brand gesteckt. Die Leichen wurden anschließend mittels eines Bulldozers in einem Erdwall vergraben.[8]

Ein Pathologe stellte später fest, dass Chaney vor seinem Tod gefoltert worden war. Wahrscheinlich wurde er mit einer schweren Eisenkette geschlagen.[9]

Reaktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf das Verschwinden folgte ein nationaler Aufschrei. Präsident Lyndon B. Johnson forderte den FBI-Chef J. Edgar Hoover auf, den Fall zu untersuchen. Aufgrund Hoovers Hass auf die Bürgerrechtsbewegung musste Johnson diesem massiv mit Entlassung drohen, bevor dieser die Ermittlungen aufnahm.[10] Major Case Inspector Joseph Sullivan[7] wurde ins Neshoba County geschickt.

Marinetaucher und FBI-Agenten suchten nach den Leichen und fanden sieben ermordete Schwarze, deren Verschwinden aber keine große Aufmerksamkeit erregt hatte.

Der Sheriff des Neshoba County, Lawrence Rainey, sagte zu dem Fall: „Die verstecken sich doch irgendwo und wollen doch nur Mississippi ins schlechte Licht rücken“. Der Gouverneur Mississippis Paul B. Johnson junior sagte: „Die könnten irgendwo auf Kuba sein“.[11]

Untersuchung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem das FBI eine Belohnung von 25.000 US-Dollar aussetzte, gab es erste Hinweise aus der Bevölkerung. Im August 1964 wurden die Leichen schließlich gefunden. Der Tipp stammte von einem Autobahnpolizisten, der zuvor durch den Sheriff bestochen worden war.[12]

Angebliche Hilfe durch die Mafia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Linda Schiro sagte 2007 innerhalb eines Verfahrens aus, ihr Lebensgefährte, Gregory Scarpa Sr., der die Position eines Capo in der Colombo-Familie innehatte, sei vom FBI engagiert worden. Scarpa soll die Information über das Versteck der Leichen aus einem Klansmann „herausgeholt“ haben. Diese Behauptung wurde (Stand 2007) nie bestätigt.[13][14]

Prozess[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Strafprozess U.S. v. Cecil Price et al. wurde der Fall untersucht. Die Behörden des Staates Mississippi hatten sich geweigert, Anklage wegen Mordes zu erheben. Daher wurde die Klage vor einem Bundesgericht erhoben. John Doar vertrat die Anklage. Insgesamt waren 18 Männer angeklagt.

Am 20. Oktober 1967 wurden Cecil Price, Samuel Bowers, Alton Wayne Roberts, Jimmy Snowden, Billey Wayne Posey, Horace Barnett und Jimmy Arledge verurteilt. Die Strafen gingen dabei von drei bis zehn Jahren. Nachdem die Rechtsmittel gescheitert waren, traten sie 1970 ihre Haftstrafe an. Keiner blieb länger als sechs Jahre in Haft. E. G. Barnett (ein Kandidat für den Posten des Sheriffs) und der christliche Prediger Edgar Ray Killen wurden durch Zeugenaussagen schwer belastet; die rein weiße Jury entschied aber auf nicht schuldig.[10] Erst 2005 wurde Killen erneut angeklagt und zu dreimal 20 Jahren Haft verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er wenig später gegen Zahlung einer Kaution von 600.000 US-Dollar aus der Haft entlassen, kurz darauf aber erneut inhaftiert, weil er das Gericht mit Angaben über seinen Gesundheitszustand irregeführt habe. 2007 wurde die Strafe durch das Höchstgericht des Staates Mississippi bestätigt.

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • In der Sage Chapel der Cornell University wurde ein Kirchenfenster zu Ehren der Ermordeten geschaffen.
  • Der Journalist Jerry Mitchell hatte über den Fall berichtet. Er half später bei der Überführung der Mörder von Medgar Evers und Vernon Dahmer und den Verantwortlichen für die Bombardierung einer Schule in Birmingham.
  • 1989, am 25. Jahrestag des Mordes, wurde im US-Kongress eine Resolution verabschiedet, die die drei Ermordeten ehrte. Senator Trent Lott und der Rest der Mississippi-Delegation verweigerten die Zustimmung.[1]
  • Die Bundesbehörden wollten den Mord zum Hebel nehmen, um die verfassungsmäßige Gleichberechtigung Schwarzer im Süden gegen die Landesregierung durchzusetzen.
  • Im Juni 2016 gaben die US-Justiz-Behörden bekannt, dass die Ermittlungsakte geschlossen wurde.[15]

Kultureller Bezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Film Tod am Mississippi (DDR, TV-EA 27. Juni 1974) entstand 1973/74.
  • Der TV-Film Attack on Terror: The FBI vs. the Ku Klux Klan (1975) behandelte das Thema.
  • 1988 kam der Film Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses mit Willem Dafoe und Gene Hackman in den Hauptrollen in die Kinos.
  • 1990 erschien der Film Mord in Mississippi (Murder in Mississippi) mit Tom Hulce, Blair Underwood und Josh Charles in den Hauptrollen.
  • 2008 erschien ein Dokumentarfilm namens Neshoba, der sich auch mit dem Prozess im Jahre 2005 beschäftigte.[16]
  • Phil Ochs schrieb den Song Here’s to the State of Mississippi.
  • Tom Paxton schrieb den Song Goodman, Schwerner and Chaney.
  • Simon & Garfunkels Song He Was My Brother wurde Andrew Goodman gewidmet, den die beiden vom Queens College persönlich kannten.
  • Die Morde inspirierten Norman Rockwell zur Zeichnung Southern Justice (Murder in Mississippi). Diese wurde im Magazin Look veröffentlicht.[17]
  • Richard Fariñas Song Michael, Andrew and James handelt von den Ermordeten.
  • Sigmar Schollaks Jugendroman Getötete Angst von 1973 handelt von den drei Ermordeten und der wochenlangen Suche des FBI nach ihnen. Es enthält viele Fotos des Freedom Summers, bezogen auf die drei und ihre Familien, und der Mörder. Den Schutzumschlag von Kuno Lomas ziert das Fahndungsplakat des FBI nach den drei Opfern, unterzeichnet von J. Edgar Hoover.
  • Pete Seeger und Frances Taylor schrieben den Song Those Three Are On My Mind über die Ermordeten.
  • In einer Folge der Serie Dark Skies wird auf die drei Morde Bezug genommen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Donna Ladd: Dredging Up the Past: Why Mississippians Must Tell Our Own Stories, Jackson Free Press, 29. Mai 2007, abgerufen am 15. Oktober 2011
  2. einestages 6. Juni 2007: Prozess nach 43 Jahren: Eine mörderische Nacht im Mai 1964
  3. Freedom Summer. Miami University, archiviert vom Original am 5. August 2011; abgerufen am 1. Oktober 2011.
  4. Fredie Carmichael: Historic moment reminder of civil rights work. In: The Meridian Star. 18. Januar 2009, archiviert vom Original am 8. Mai 2013; abgerufen am 30. September 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/meridianstar.com
  5. Slain civil rights workers found. History.com, abgerufen am 1. Oktober 2011.
  6. Douglas O Linder: Michael Schwerner. Abgerufen am 1. Oktober 2011.
  7. a b c d e f Douglas O Linder: The Mississippi Burning Trial. Abgerufen am 19. September 2011.
  8. "Lynching of Chaney, Schwerner & Goodman". Civil Rights Movement Veterans
  9. Post Mortem Examination Report of the Body of James Chaney. University of Virginia, archiviert vom Original am 30. April 2014; abgerufen am 28. Mai 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/archives.livedtheology.org
  10. a b Neshoba Murders Case—A Chronology. Arkansas Delta Truth and Justice Center, abgerufen am 11. September 2011.
  11. Civil Rights: Grim Discovery in Mississippi In: Time, 22. Juni 2005. Abgerufen am 30. September 2011. 
  12. Mitchell, Jerry (2. Dezember 2007). "Documents Identify Whistle-blower", The Clarion-Ledger (Jackson, MS).
  13. Michael Brick: At Trial of Ex-F.B.I. Supervisor, How to Love a Mobster In: The New York Times, 30. Oktober 2007. Abgerufen am 20. Februar 2010. 
  14. "Witness: FBI used mob muscle to crack ’64 case", MSNBC.com, 29. Oktober 2007, abgerufen am 20. Februar 2010
  15. SPIEGEL ONLINE: Rassistische Morde: US-Justiz gibt im Fall "Mississippi Burning" auf. In: SPIEGEL ONLINE. Abgerufen am 21. Juni 2016.
  16. Dennis Harvey: Neshoba In: Variety, 4. November 2008. Abgerufen am 30. September 2011. 
  17. Shelley Esaak: Murder in Mississippi (Southern Justice), 1965. About.com, archiviert vom Original am 15. März 2012; abgerufen am 7. Juli 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/arthistory.about.com