Natenom

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Natenom, bürgerlich Andreas Mandalka, (* 1980 oder 1981; † 30. Januar 2024 bei Neuhausen) war ein deutscher Fahrradaktivist und Blogger.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mandalkas Fahrrad, ausgerüstet mit einer Schwimmnudel als Abstandshalter (2020)

Andreas Mandalka berichtete ab 2011 auf seinem Blog als Natenom[1] und in sozialen Medien neben Themen wie Fotografieren und Linux[2] über die Gefährdung von Radfahrern durch Kraftfahrer, insbesondere in der Region um die Stadt Pforzheim. Er fuhr nach eigenen Angaben oft zwischen 50 und 80 km am Tag.[2] Schwerpunkt seiner Berichte waren nicht abgesicherte Fahrradwege, zu geringe Abstände von Kraftfahrzeugen beim Überholen von Radfahrern sowie die Untätigkeit von Behörden und die fehlende Strafverfolgung beim Melden entsprechender Verstöße.

Zahlreiche Anzeigen bei dokumentierten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung seien nicht verfolgt worden.[3] Kern der Auseinandersetzung mit der Polizei war, dass sie nicht seiner Auffassung folgte, dass regelmäßige Kontrollen zur Sicherheit von Radfahrern beitragen würden. Ein Interview dazu hatten der Verkehrsclub ADFC und Die Zeit veröffentlicht.[4][5]

Mandalkas OpenBikeSensor (2024)

Mandalka beteiligte sich als Tester an der Entwicklung des OpenBikeSensor, der mit dem Deutschen Fahrradpreis ausgezeichnet wurde und in 30 Städten in Deutschland im Einsatz ist; das Gerät misst die Abstände von Radfahrern zu Kraftfahrzeugen und kann diese mit Geoposition dokumentieren.[6]

Bekanntheit erlangte Mandalka als Aktivist durch seine Videos, auf denen er die riskanten Überholmanöver der Autofahrer dokumentierte und sie in den sozialen Medien veröffentlichte.[7]

Unfalltod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mandalka kam am Abend des 30. Januar 2024 bei einem Verkehrsunfall auf der Landesstraße L 574 bei Neuhausen ums Leben.[8] Ein 77-Jähriger hatte bei Dunkelheit und Nässe mit seinem Auto[2] den radfahrenden Mandalka, der zum Unfallzeitpunkt Helm und Warnweste trug,[9] von hinten angefahren. Mandalka starb noch am Unfallort.[10][11] Er wurde 43 Jahre alt.[12]

Gegen den unfallbeteiligten Autofahrer hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe – wie bei Verkehrsunfällen mit Todesopfern üblich – ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.[9]

Auf dem Streckenabschnitt des Unfallortes beträgt die auf Landstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h,[13] allerdings darf gemäß Straßenverkehrsordnung unter Einbezug der Fähigkeiten des Fahrers und der Sichtverhältnisse nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann und keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.[14] In seinem Blog hatte Mandalka über Jahre hinweg die Gefährlichkeit dieser Landesstraße dokumentiert.[15]

Geisterrad, Trauerkerzen und Blumen an der L 574 bei Schellbronn

Reaktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mandalkas Tod erfuhr bundesweite Resonanz.[16] Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann bezeichnete seinen Tod als „bittere[n] Anlass und zugleich Anstoß, mit verstärktem Engagement die Sicherheit des Radverkehrs zu verbessern“.[17] Hermann schrieb Mandalka zu, dass sein Einsatz zur gesetzlichen Festlegung des Überholabstandes zu Radfahrenden in der Novelle der Straßenverkehrsordnung von 2020 beigetragen hätte.[12] Fahrradaktivisten in verschiedenen Orten Deutschlands organisierten Trauer- und Gedenkfahrten, überwiegend in Form einer stillen Critical Mass.[3]

Am 11. Februar fand in Pforzheim eine Kundgebung vor der örtlichen Staatsanwaltschaft mit einer anschließenden Gedenkfahrt zur Unfallstelle statt, an der rund 500 Radfahrende teilnahmen.[18] Zugleich fanden deutschlandweit Gedenkfahrten mit einer gemeinsam gestreamten Schweigeminute statt.[19] Es gab außerdem eine Online-Demonstration in der App Critical Maps. Dort teilten Fahrradfahrer aus der ganzen Welt ihren Standort, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht Teilnehmer einer Critical-Mass-Veranstaltung waren.[20]

Anlässlich seines Todes wurde auf Wunsch Mandalkas[21] ein Geisterrad mit seinem Namen an der Unfallstelle aufgestellt.[18] Die Gedenkstätte wurde in der Nacht nach ihrer Einrichtung verwüstet; die Polizei ermittelt wegen Störung der Totenruhe.[22]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Natenom – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christian Pietsch: Mastodon-Post. In: suma-ev.social. 11. Februar 2024, abgerufen am 11. Februar 2024.
  2. a b c Lukas Kissel: Unfalltod eines Fahrradaktivisten: Wer war Andreas Mandalka? In: Der Spiegel. 1. Februar 2024, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 5. Februar 2024.
  3. a b Peter Hundert: Fahrrad-Aktivist Natenom von Autofahrer getötet: Termine und Orte der Demos & Mahnwachen. In: nimms-rad.de. 2. Februar 2024, abgerufen am 2. Februar 2024.
  4. Mirjam Brinkmann: Natenoms Einsatz für einen sicheren Überholabstand. ADFC Baden-Württemberg, 29. Juni 2021, abgerufen am 2. Februar 2024.
  5. Sören Götz: „Einige meinen, die Straße sei nur für Autos da“. In: Zeit Online. 4. Dezember 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. Januar 2024; abgerufen am 2. Februar 2024.
  6. Jan Georg Plavec: Radpreis für Stuttgarter Sensorprojekt. In: Stuttgarter Nachrichten. 17. Februar 2022, abgerufen am 2. Februar 2024.
  7. Nach tödlichem Unfall: Unbekannte verwüsten Gedenkstätte für Rad-Aktivisten »Natenom«. In: Der Spiegel. 12. Februar 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 20. März 2024]).
  8. Nachruf Andreas Mandalka (Natenom). ADFC Baden-Württemberg, 1. Februar 2024, abgerufen am 2. Februar 2024.
  9. a b René Ronge: Unfalltod von Radaktivist Natenom: Ermittlungen gegen Autofahrer. In: Badische Neueste Nachrichten. 1. Februar 2024, abgerufen am 3. Februar 2024.
  10. Rüdiger Soldt: Fahrradblogger Natenom: Andreas Mandalka kommt bei Unfall ums Leben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Februar 2024, abgerufen am 2. Februar 2024.
  11. Simone Unger: POL-Pforzheim: (Enzkreis) Neuhausen – Tödlicher Verkehrsunfall. In: presseportal.de. Polizeipräsidium Pforzheim, 31. Januar 2024, abgerufen am 19. Februar 2024.
  12. a b Roland Muschel: Tod eines Radfahr-Aktivisten. In: Süddeutsche Zeitung. 7. Februar 2024, S. 8 (sueddeutsche.de).
  13. Ingrid Eißele, Isabel Stettin: Tod des Fahrrad-Aktivisten „Natenom“. In: Stern. 10. Februar 2024, abgerufen am 12. Februar 2024.
  14. Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) § 3 Geschwindigkeit
  15. Peter Lauber: Mahnwachen und Demos: Unfalltod von Pforzheimer Radaktivist „Natenom“ sorgt bundesweit für Reaktionen. SWR, 2. Februar 2024, abgerufen am 3. Februar 2024.
  16. Carlotta Roch: Unfall auf Landesstraße: „Ein Opfer der autozentrierten Politik in Deutschland“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. Februar 2024, abgerufen am 3. Februar 2024.
  17. Lea Krug: Minister über Sicherheit im Verkehr: Nach Tod von Radaktivist – Hermann zeigt Anteilnahme. In: Stuttgarter Nachrichten. 2. Februar 2024, abgerufen am 2. Februar 2024.
  18. a b Gerhard Wolff: 500 Teilnehmer bei Gedenkfahrt für Pforzheimer Radaktivisten „Natenom“. In: Badische Neueste Nachrichten. 11. Februar 2024, abgerufen am 11. Februar 2024.
  19. Changing Cities: In Gedenken an Natenom: Vom Elefantentor zum Bundesverkehrsministerium in Berlin. In: changing-cities.org. 12. Februar 2024, abgerufen am 21. April 2024.
  20. Urs Grädel (@uersugredu@bildung.social): Mastodon-Post. In: bildung.social. 31. Januar 2024, abgerufen am 13. Februar 2024.
  21. Sebastian Kapp: Bundesweite Aktionen: So wollen Pforzheims Radfahrer „Natenom“ bei einer Gedenkfahrt seinen letzten Wunsch erfüllen. In: Badische Neueste Nachrichten. 5. Februar 2024, abgerufen am 5. Februar 2024.
  22. Thorsten Ochs: Unbekannte verwüsten Gedenkstätte des toten Rad-Aktivisten Natenom. In: Badische Neueste Nachrichten. 12. Februar 2024, abgerufen am 12. Februar 2024.