Nikolai Pawlowitsch Tschaplin

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Nikolai Pawlowitsch Tschaplin (russisch Николай Павлович Чаплин; * 6. Dezemberjul. / 19. Dezember 1902greg. in Rognedino (damals Ujesd Roslawl, Gouvernement Smolensk, heute Oblast Brjansk).; † 23. September 1938 in Moskau) war eine Führungsgestalt der kommunistischen Jugendbewegung der UdSSR und Mitglied der KPR (B) seit 1919 sowie ein sowjetischer Parteifunktionär. Am 29. Juni 1937 wurde er verhaftet und im September 1938 vom NKWD hingerichtet.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tschaplin, Sohn des damaligen Priesters Pawel Pawlowitsch Tschaplin und dessen Frau, der Dorfschullehrerin Wera Iwanowna, im Dorf Mignowitschi(1906), besuchte das Alexandrow-Realgymnasium Nr. 1 in Smolensk, wo bereits 1912 ältere Schüler, darunter sein Bruder Alexander, illegale Zirkel gebildet hatten.[1] Von Nikolais Brüdern Alexander, Sergei und Viktor, überlebten nur der älteste, Alexander, und der jüngste, Viktor, die Stalinschen Säuberungen.

Tschaplin war verheiratet mit Rosalia Isaakowna Lipskaja.[2] Sein Sohn Boris Nikolajewitsch Tschaplin (1931–2015) war von 1974 bis 1986 Botschafter in Vietnam, danach Generalkonsul in Shanghai und schließlich stellvertretender Außenminister.[3] Michail Kusmitsch Ryklin, der über das Schicksal Tschaplins und seiner Brüder schrieb, ist ein Enkel seines Bruders Sergei Tschaplin und damit sein Großneffe.

Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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Im Komsomol[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Mit siebzehn Jahren trat Nikolai der KPR(B) bei und wurde einer der Gründer des Komsomol.“[5] 1920 wird er vom ZK des Komsomol nach Tjumen in Sibirien geschickt, um die Jugend für die Front im Bürgerkrieg zu mobilisieren, die Kulaken zu bekämpfen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.[6] 1924 ist Tschaplin Sekretär des ZK des Komsomol für Ideologie. In den Jahren von 1924 bis 1928 war Tschaplin regelmäßig in Kontakt mit Stalin, der ihm Befehle erteilte; persönliche Beziehungen hatte er zu Lenins Witwe Krupskaja, Kirow und Ordshonikidse.[7] 1925 wirft er auf dem XIV. Parteitag Sinowjewvor, Meinungsverschiedenheiten aus dem Politbüro in die Jugendbewegung zu tragen.[8]

Als Parteifunktionär[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einer Reise, auf der Tschaplin – inkognito, als Hilfsheizer – die wichtigsten europäischen Seehäfen besuchte, um sich ein Bild von West- und Südeuropa zu machen,[9] durchlief er Kurse für Marxismus-Leninismus. 1930 wurde er zum Zweiten Sekretär des Transkaukasus-Regionalkomitees der WKP(B) ernannt. Als dessen Erster Sekretär, Bessarion Lominadse und der Komsomolführer Schatzkin von Stalin abgesetzt wurden, traf dessen Zorn auch viele Leiter der mittleren Ebene, darunter Tschaplin, womit dessen politische Karriere endete.[10] Auf dem X. Kongress des Komsomol 1931 beschuldigte dessen neuer Leiter Alexander Kossarew Tschaplin, er habe „die Tätigkeit des Blocks der Linken und Rechtsabweichler begünstigt.“[11]

Danach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zurück in Moskau wurde Tschaplin 1931 Leiter der Abteilung Volksernährung im Zentrosojus. 1933 wurde er versetzt und Leiter der Politabteilung der Murmanbahn, schließlich 1937 Leiter der Südost-Eisenbahn.[12]

Nach der Ermordung Kirows am 1. Dezember 1934 brachen über Leningrad „Repressionen von beispielloser Wucht herein, die von Historikern den Namen »Kirow-Strom« erhielten.“[13] Daraus entwickelten sich die Stalinschen Säuberungen, in deren Zug auch Nikolai Tschaplin am 29. Juni 1937 im Arbeitszimmer de Volkskommissars für das Verkehrswesen, Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch verhaftet wurde. Man beschuldigte ihn der opportunistischen Sorglosigkeit als Leiter gegenüber der Schädlingstätigkeit an der Murmanbahn, der Unterstützung des Blocks der Rechten und Linksabweichler sowie der Organisation einer terroristischen Gruppierung an der Murmanbahn mit dem Ziel Kaganowitsch zu ermorden.[14] Später wurde ihm noch vorgeworfen, er habe geplant, Stalin als Generalsekretär durch Jan Ernestowitsch Rudsutak zu ersetzen.[15] Am 23. September 1938 wurde Nikolai Tschaplin hingerichtet.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. N. Moskvičev/J. D. Sokolov: Nikolaj Čaplin. Tula 1969.
  • Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-518-42773-6 (Leseprobe)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 35 f.
  2. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 64.
  3. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 326 f.
  4. Sein Lebenslauf in thefreedictionary.com (gibt nur seine Karriere wieder, zwar lückenlos, jedoch ohne Hintergründe und Sturz, sodass dafür ausschließlich andere Quellen heranzuziehen sind):
    1918 gründete Tschaplin eine Komsomol-Zelle in Smolensk und arbeitete 1919 als Vorsitzender eines Bezirkskomitees des Komsomol. 1920 und 1921 war er Sekretär der Provinzkomitees von Tjumen und Smolensk des Komsomol sowie Mitglied des Smolensker Provinzkomitees der KPR(B). Tschaplin wurde 1921 Chef der Abteilung für Politaufklärung des Zentralkomitees des Komsomol und 1922 Sekretär des ZK. 1922 und 1923 war er Sekretär des Transkaukasus-Regionalkomitees des Komsomol, sowie Delegierter auf dem 2. bis 8. Kongress des Komsomol und von 1921 bis 1928 Mitglied des ZK des Komsomol. Er arbeitete als Erster Sekretär des ZK des Komsomol von 1924 bis 1926 und von 1926 bis 1928 als Generalsekretär. Tschaplin trat 1919 der Kommunistischen Partei bei. 1922 und 1923 war er Mitglied des Transkaukasischen Regionalkomitees der KPR(B). 1930 war er Zweiter Sekretär des Transkaukasischen Regionalkomitees der AKP(B). Tschaplin war Delegierter des XII. bis XVI. Parteitages und von 1924 bis 1930 Kandidat des ZK der Allrussischen KP(B) und des Organisationsbüros des ZK. Er war Mitglied des Zentralen Exekutivkomitees der Transkaukasischen Föderation, des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR und des All-Russischen Zentralen Exekutivkomitees. Tschaplin schrieb über Probleme der Jugendbewegung und arbeitete ab 1931 in Partei und Wirtschaft. 1936 wurde ihm der Leninorden verliehen.
  5. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 63.
  6. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 64.
  7. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 168.
  8. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 118.
  9. A. N. Moskvičev/J. D. Sokolov: Nikolaj Čaplin. Tula 1969. S. 64 f.
  10. Giuseppe Boffa: Istorija Sovetskogo Sojuza. Ot revoljucii do Vtoroj mirovoj vojny. Lenin i Stalin. 1917 - 1941. Moskau 1994. S. 397. Zitiert nach: Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 135.
  11. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 154.
  12. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 154.
  13. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 163.
  14. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 180 f.
  15. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 195.
  16. Michail Ryklin: Leben, ins Feuer geworfen – Die Generation des Großen Oktobers. Eine Recherche. Aus dem Russischen von Sabine Grebing und Volker Weichsel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019, S. 191.