Oskar Huth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Juli 2022 um 00:34 Uhr durch Jörg Zägel (Diskussion | Beiträge) (Passage zum Ehrengrab überarbeitet; Quellen angegeben).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Reisebuttermarken von Oskar Huth, um 1943 in Berlin hergestellt

Oskar Huth (* 26. Februar 1918 in Berlin; † 21. August 1991 ebenda) war ein deutscher Klavierbauer, Maler, Zeichner, Kopist, Fälscher und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er hat zahlreichen untergetauchten Personen mit seinen von ihm selbst in Berlin-Wilmersdorf hergestellten Reisebuttermarken, aber auch mit falschen Papieren das Überleben ermöglicht. Bereits 1946 bescheinigte ihm die amerikanische Militärverwaltung Evident of Anti-Nazi-Activities.

Nach dem bestandenen Begabtenabitur studierte Huth von 1936 bis 1939 in Berlin Freie Malerei sowie die Drucktechniken, Hoch-, Tief- und Flachdruck. Als er nach Kriegsbeginn 1939 einen Befehl zur Musterung erhielt, wurde er durch eine ‚Schwejkiade‘ für ein Jahr aufgrund „motorischer Störungen“ vom Dienst befreit.

Nachdem immer mehr von seinen jüdischen Freunden abgeholt wurden und nicht aus den Konzentrationslagern zurückkamen, beschloss er 1941, in den Untergrund zu gehen. Im März 1942 besorgte sich Huth eine Handpresse und fuhr diese mit einer Handkarre von Kreuzberg nach Wilmersdorf in die Dillenburger Straße 58f, wo er sich im Keller des Hauses einrichtete. Seine Tarnung war die eines wissenschaftlichen Zeichners. Als solcher hatte er, noch zu seiner legalen Zeit, im Botanischen Institut in der Königin-Luise-Straße gearbeitet. In den folgenden Jahren fälschte er Reisebuttermarken, Wehrpässe und andere Papiere, wie u. a. für die Ausmusterung des Malers Heinz Trökes aus der Wehrmacht.[1] Huth ermöglichte damit fast sechzig Menschen – überwiegend Juden, die sich in Berlin versteckt hatten – das Überleben. Dazu gehörten die Jüdin Ilse Haak, geborene Lewin, später Stillmann, und ab 1944, nach dem fehlgeschlagenen Hitler-Attentat, auch die beiden untergetauchten Brüder Ludwig und Kunrat Freiherr von Hammerstein-Equord. Deren Dokumente sind Bestandteil der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

In den 1950er und 1960er Jahren West-Berlins war Huth als Erzähler und Pianist ein bekanntes Original in mehreren Kreuzberger und Wilmersdorfer Künstlerkneipen, wo er die Bekanntschaft mit Schriftstellern, Regisseuren und Schauspielern machte.[2]

Ehrengrab von Oskar Huth in Berlin-Kreuzberg

Oskar Huth starb am 21. August 1991 im Alter von 73 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof I der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde in Berlin-Kreuzberg. Das Grabdenkmal, eine schmale Stele mit botanischen Ornamenten, schuf der Bildhauer Günter Anlauf.[3]

Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz porträtierte Huth in seiner Erzählung Ein Mann namens Nagel. Günter Grass schuf in seinem Roman Hundejahre eine Huth nachempfundene Figur namens „Hütchen“, Klavierbauer und Fälscher von Profession. Robert Wolfgang Schnell schuf in seinem Roman Geisterbahn ebenfalls eine Huth nachempfundene Figur namens Bubi Paffrath. Günter Bruno Fuchs, Rolf Haufs, Reinhard Lettau und Matthias Koeppel ließen sich in mehreren Gedichten von der Person Huths inspirieren. Hans Magnus Enzensberger erwähnt Huth in seiner Biographie Hammerstein oder der Eigensinn.[2] Friedrich Christian Delius schreibt in seinem Roman Mein Jahr als Mörder über Huth und das eigene Unvermögen, ihn anzusprechen, als sich die Gelegenheit dazu bot.

Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Oskar Huth auf dem Friedhof I der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde in Berlin-Kreuzberg (Grablage: 133-3-7) seit 1994 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung wurde im Jahr 2016 um die übliche Frist von zwanzig Jahren verlängert.[4]

Oskar Huth wird in der 2008 eröffneten Gedenkstätte Stille Helden in der Rosenthaler Straße 39 geehrt.

Im Ausstellungszyklus Kreuzberger Bohème fand 2014 im Mühlenhaupt Museum Berlin Kreuzberg / Browse Gallery in der Marheineke-Halle in Berlin-Kreuzberg eine Oskar-Huth-Ausstellung mit dem Ausstellungstitel Für den Fall der Nüchternheit statt. Kuratiert wurde die Ausstellung von Hartmut Topf. Fotos der Ausstellung stammten von Alf Trenk und Dietmar Bührer.[5]

  • Felicitas Bothe-von Richthofen: Widerstand in Wilmersdorf (= Widerstand 1933–1945. Hrsg. von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, ISBN 3-926082-03-8, Band 7). Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1993, S. 164–165.
  • Jutta Hercher: Die Butterverschwörung. Der Überlebenslauf des Oskar Huth. Radio-Feature, gesendet vom WDR 3 am 5. November 2011 (Memento vom 1. November 2011 im Internet Archive).
  • Oskar-Huth-Gesellschaft (Hrsg.): Für den Fall der Nüchternheit. Almanach zum 60. Geburtstag von Oskar Huth. Selbstverlag, Berlin 1978.
  • Oskar Huth: Überlebenslauf. Hrsg. von Alf Trenk. Merve Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-88396-164-7.
  • Ilse-Margret Vogel: Bad Times, Good Friends. A personal memoir. Harcourt Brace Jovanovich, San Diego / New York / London 1992, ISBN 0-15-205528-2 (Neuauflage: Bad times, good friends. A memoir, Berlin 1945. Sheep Meadow, Riverdale-on-Hudson, NY 2001, ISBN 1-878818-98-8).
  • Ilse-Margaret Vogel: Über Mut im Untergrund. Eine Erzählung von Freundschaft, Anstand und Widerstand im Berlin der Jahre 1943-1945. Hrsg. von Jutta Hercher und Barbara Schieb. Lukas Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86732-157-0. Übersetzte und erweiterte Ausgabe des Originals Bad Times, Good Friends …
  • Hanns Zischler: »Mein Monsterlatsch«  Kleines Denkmal für den großen Oskar Huth. In: Hanns Zischler: Berlin ist zu groß für Berlin. Galiani, Berlin 2013, ISBN 978-3-86971-071-6, S. 52–65.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Abb. S. 181 in: Über Mut im Untergrund, Ilse-Margaret Vogel, Lukas Verlag Berlin 2014.
  2. a b Jutta Hercher: Die Butterverschwörung. Der Überlebenslauf des Oskar Huth. Radio-Feature, gesendet von WDR 3 am 5. November 2011 (nicht mehr online).
  3. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 214.
  4. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: August 2021) (PDF, 2,3 MB), S. 35. Auf: Webseite der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Abgerufen am 27. Juli 2022. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten als Ehrengrabstätten des Landes Berlin. (PDF, 205 kB). Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/3105 vom 13. Juli 2016. S. 1 und Anlage 2, S. 7. Abgerufen am 27. Juli 2022.
  5. Bei dieser Firma mache ich nicht mit!, auf: Community Impulse, Browse Gallery / Mühlenhaupt Museum Berlin.