Oxy-Chrom-Dravit

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Oxy-Chrom-Dravit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2011-097[1]

IMA-Symbol

Ocdrv[2]

Chemische Formel NaCr3+3(Cr3+4Mg2)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O[3][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ringsilikate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

VIII/E.19-028[5]
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol 3/mVorlage:Kristallklasse/Unbekannte Kristallklasse
Raumgruppe R3m (Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160[3]
Gitterparameter a = 16,1121(3) Å; c = 7,3701(1) Å[3]
Formeleinheiten Z = 3[3]
Häufige Kristallflächen Prismen {101̅0}, {112̅0}, Pedion {0001} und untergeordnet Pyramide {101̅1}[3]
Zwillingsbildung nicht beobachtet[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7,5[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,3[3]
Spaltbarkeit nicht beobachtet[3]
Bruch; Tenazität muschelig[3]
Farbe smaragdgrün[3]
Strichfarbe grün[3]
Transparenz durchsichtig
Glanz Glasglanz[3]
Radioaktivität -
Magnetismus -
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,765(5)[3]
nε = 1,715(5)[3]
Doppelbrechung δ = 0,050
Optischer Charakter einachsig negativ[3]
Pleochroismus deutlich von dunkelgrün nach gelbgrün[3]

Das Mineral Oxy-Chrom-Dravit ist ein sehr seltenes Ringsilikat aus der Turmalingruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung NaCr3+3(Cr3+4Mg2)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O.[3]

Anhand äußerer Kennzeichen ist Oxy-Chrom-Dravit nicht von anderen Chrom- oder Vanadium-haltigen Turmalinen zu unterscheiden. Er kristallisiert mit trigonaler Symmetrie und bildet grüne, prismatische Kristalle von unter einem Millimeter Größe. Im Dünnschliff erscheinen sie smaragdgrün bis gelbgrün.[3] Wie alle Minerale der Turmalingruppe ist Oxy-Chrom-Dravit pyroelektrisch und piezoelektrisch.

Die Typlokalität sind metamorphe Quarzite im Pereval Marmor-Steinbruch in der Umgebung von Slyudyanka am Südende des Baikalsees in der Oblast Irkutsk, Russland.[3][6]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den ersten Chromturmalin beschrieben Alfonso Cossa und Andreas Arzruni bereits 1883. Die Proben aus dem Ural wurden 1977 erneut untersucht, wobei die hohen Chromgehalte nicht bestätigt werden konnten und der Turmalin als chromhaltiger Dravit charakterisiert wurde.[7]

Ende der 1980er Jahre beschrieben russische Mineralogen sehr chrom- und vanadiumreiche Minerale aus granulithfaziellen Metakarbonatgesteinen und Quarziten des Sludyanka Kristallinkomplexes am Südende des Baikalsees. Chromreiche Turmaline dieses Vorkommens wurden 2004 von Ferdinando Bosi und Mitarbeitern in Rom untersucht. Sie beschrieben einen chromreichen Alkali-Oxy-Turmalin, den sie noch als Chrom-Dravit bezeichneten.[8] Dies korrigierten sie sieben Jahre später und benannten den neuen Turmalin nach seiner Zusammensetzung Oxy-Chrom-Dravit.[1][3]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der strukturellen Klassifikation der IMA gehört Oxy-Chrom-Dravit zusammen mit Bosiit, Chromo-Alumino-Povondrait, Maruyamait, Oxy-Dravit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadium-Dravit, Povondrait, Princivalleit, Vanadio-Oxy-Dravit und Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit zur Alkali-Untergruppe 3 in der Turmalinobergruppe.[9]

Da Oxy-Chrom-Dravit erst 2012 als eigenständige Mineralart anerkannt wurde, ist er weder in der veralteten 8. Auflage noch in der von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierten[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik verzeichnet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana kennt den Oxy-Chrom-Dravit noch nicht.

Das zuletzt 2018 überarbeitete und aktualisierte Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach der alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage richtet, führt das Mineral unter dem Namen Oxy-Chromdravid mit der System- und Mineral-Nr. VIII/E.19-028 auf. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Ringsilikate“, wo Oxy-Chrom-Dravit zusammen mit Adachiit, Bosiit, Chrom-Dravit, Chromo-Alumino-Povondrait, Darrellhenryit, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Fluor-Dravit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit, Fluor-Schörl, Fluor-Tsilaisit, Fluor-Uvit, Foitit, Lucchesiit, Luinait-(OH) (diskreditiert), Magnesio-Foitit, Maruyamait, Olenit, Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Schörl, Oxy-Vanadium-Dravit, Povondrait, Rossmanit, Schörl, Tsilaisit, Uvit, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit und Vanadio-Oxy-Dravit die „Turmalingruppe“ mit der Systemnummer VIII/E.19 bildet.[5]

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation der 9. Auflage ordnet den Oxy-Chrom-Dravit ebenfalls in die Abteilung der „Ringsilikate“ (Cyclosilicate), genauer in die Unterabteilung „[Si6O18]12−-Sechser-Einfachringe mit inselartigen, komplexen Anionen“ (englisch [Si6O18]12− 6-membered single rings, with insular complex anions), wo er zusammen mit Chrom-Dravit, Chromo-Alumino-Povondrait, Dravit, Elbait, Feruvit, Fluor-Buergerit, Fluor-Dravit, Fluor-Elbait, Fluor-Liddicoatit, Fluor-Rossmanit, Fluor-Tsilaisit, Fluor-Uvit, Foitit, Liddicoatit, Lucchesiit, Luinait-(OH), Magnesio-Foitit, Magnesio-Lucchesiit, Maruyamait, Olenit, Oxy-Dravit, Oxy-Foitit, Oxy-Rossmanit, Oxy-Schörl, Oxy-Uvit, Oxy-Vanadium-Dravit, Povondrait, Rossmanit, Schörl, Tsilaisit, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit, Vanadio-Oxy-Dravit, Uvit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer 9.CK.05 bildet (vergleiche dazu Unterabteilung „[Si6O18]12−-Sechser-Einfachringe mit inselartigen, komplexen Anionen“ in der 9. Auflage der Klassifikation nach Strunz).[11]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oxy-Chrom-Dravit ist das Chrom-Analog von Oxy-Dravit und hat die idealisierte Zusammensetzung [X]Na[Y]Cr3+3[Z](Cr3+4Mg2)([T]Si6O18)(BO3)3[V](OH)3[W]O,[3] wobei [X], [Y], [Z], [T], [V] und [W] die Positionen in der Turmalinstruktur sind.

Für den Oxy-Chrom-Dravit aus der Typlokalität wurde folgende Zusammensetzung bestimmt:

  • [X](Na1,00K0,02)[Y](Cr3+1,95V3+0,87Mg0,14Ti4+0,04)[Z](Cr3+3,37Al0,69Mg1,93)[[T](Si5,90Al0,10)O18](BO3)3[V][(OH)2,67O0,33][W][O0,54F0,46][3]

Zwischen den Vanadium-, Chrom-, Aluminium-Oxy-Turmalinen besteht vollkommene Mischbarkeit entsprechend der Austauschreaktionen:[12]

Die Eisengehalte aller Vanadium-Chrom-Oxy-Turmaline sind vernachlässigbar gering.[12]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oxy-Chrom-Dravit kristallisiert mit trigonaler Symmetrie in der Raumgruppe R3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160 mit 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des natürlichen Mischkristalls aus der Typloklaität sind: a = 16,1121(3) Å, c = 7,3701(1) Å.[3]

Die Kristallstruktur ist die von Turmalin. Natrium (Na+) besetzt die von 9 Sauerstoffen umgebene X-Position, die oktaedrisch koordinierte [Y]-Position ist überwiegend mit Chrom (Cr3+) besetzt und die kleinere, ebenfalls oktaedrisch koordinierte [Z]-Position ist gemischt besetzt mit vier Cr3+ und zwei Magnesium (Mg2+). Die tetraedrisch koordinierte [T]-Position enthält Silizium (Si4+). Die [V]-Anionenposition ist vorwiegend mit (OH)- besetzt und die [W]-Anionenposition mit Sauerstoff (O2-) und Fluor (F-).[3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sljudjanka im Jahr 2008, vom Baikalsee aus gesehen

Die granulitfaziellen Metasedimente in der Umgebung von Slyudyanka am Südende des Baikalsees in der Oblast Irkutsk, Russland, besonders die graphithaltigen Quarzite des Pereval Marmor-Steinbruchs, sind die Typlokalität von zahlreichen Vanadium- und Chrom-Mineralen, darunter die Turmaline Oxy-Chrom-Dravit Chromo-Alumino-Povondrait, Vanadio-Oxy-Chrom-Dravit, Vanadio-Oxy-Dravit und Oxy-Vanadium-Dravit. In Chromphyllit-führenden Quarziten tritt Oxy-Chrom-Dravit zusammen mit Quarz, Calcit, Chromphyllit, Eskolait, Chromit, Uwarowit, chromhaltigen Phlogopit, Pyroxenen der Reihe DiopsidKosmochlor, Cr-haltigen Tremolit, Cr-haltigen Titanit und Rutil und Pyrit. In gebänderten Quarz-Diopsid-Fels sind die Begleitminerale Chrom- und Vanadium-haltiger Diopsid, Quarz, Calcit, Magnesiochromit und Eskolait-Karelianit-Mischkristalle.[3][6]

Das einzige weitere dokumentierte Vorkommen (Stand 2022) ist die American #1 Talk-Miene bei Balmat (New York) im St. Lawrence County, New York, USA. Oxy-Chrom-Dravit tritt hier zusammen mit hellgrünem Tremolit, Quarz, Phlogopit und Fluorapatit in Talk-Tremolit-Cummingtonit-Schiefern auf.[13]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Peter A. Williams, Frédéric Hatert, Marco Pasero, Stuart Mills: IMA No. 2011-097. In: IMA CNMNC Newsletter. Band 13, 2012 (englisch, cnmnc.units.it [PDF; 131 kB; abgerufen am 1. April 2024]).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 10. Mai 2023]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y Ferdinando Bosi, Leonid Reznitskii, Henrik Skogby: Oxy-chromium-dravite, NaCr3(Cr4Mg2)(Si6O18)(BO3)3(OH)3O, a new mineral species of the tourmaline supergroup. In: American Mineralogist. Band 97, 2012, S. 2024–2030 (englisch, rruff-2.geo.arizona.edu [PDF; 806 kB; abgerufen am 2. April 2024]).
  4. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: May 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Mai 2023, abgerufen am 10. Mai 2023 (englisch).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b Fundortliste für Oxy-Chrom-Dravit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 2. April 2024.
  7. Pete J. Dunn: Chromium in dravite. In: Mineralogical Magazine. Band 41, 1977, S. 408–410, doi:10.1180/minmag.1977.041.319.21 (englisch).
  8. Ferdinando Bosi, Sergio Lucchesi, Leonid Reznitskii: Crystal chemistry of the dravite–chromdravite series. In: European Journal of Mineralogie. Band 16, 2004, S. 345–352 (englisch, geologyscience.ru [PDF; 659 kB; abgerufen am 3. April 2024]).
  9. Darrell J. Henry, Barbara L. Dutrow: Tourmaline studies through time: contributions to scientific advancements. In: Journal of Geosciences. Band 63, 2018, S. 77–98 (englisch, jgeosci.org [PDF; 2,2 MB; abgerufen am 10. Mai 2023]).
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 10. Mai 2023 (englisch).
  11. Classification of Oxy-chromium-dravite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 2. Mai 2024 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  12. a b Ferdinando Bosi, Alessandra Altieri, Fernando Cámara, Marco E. Ciriotti: Chromium-rich vanadio-oxy-dravite from the Tzarevskoye uranium–vanadium deposit, Karelia, Russia: a second world-occurrence of Al–Cr–V–oxy-tourmaline. In: Mineralogical Magazine. Band 84, 2020, S. 797–804 (englisch, cambridge.org [PDF; 481 kB; abgerufen am 10. Mai 2023]).
  13. sample: FKM-276. In: rockPTX - a resource for mineralogy and petrology. Frank K. Mazdab; (englisch).