St. Gudula (Rhede)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Oktober 2015 um 22:28 Uhr durch Leyo (Diskussion | Beiträge) (fehlendes Leerzeichen nach Einzelnachweis eingefügt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
St. Gudula
Detail des Fußbodens von Philipp Baum

Die katholische Pfarrkirche St. Gudula ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude in Rhede, einer Stadt im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen.

Geschichte und Architektur

Im 12. Jahrhundert gründete die Familie von Rhete eine Eigenkirche. Die gotische Hallenkirche wurde bis in das 19. Jahrhundert immer wieder ausgebaut. Aus Platzgründen wurde das Gebäude abgerissen und von 1898 bis 1901 mach Plänen von Hilger Hertel ein neues errichtet. Die Einweihung erfolgte am 12. Juni 1901. Die neugotische, dreischiffige Backsteinhalle mit drei Chorapsiden hat einen polygonalen Zentralraum. Der Turm ist 77,5 Meter hoch.

Ausstattung

Besonderen Reiz erhält die Kirche durch Ihre komplett erhaltene bauzeitliche, neugotische Ausstattung, zumeist heimischer Künstler (unter anderem Bildhauer Stracke in Bocholt), und es darf als besonderes Verdienst der Gemeinde und ihrer Verantwortlichen nicht zu gering bewertet werden, dass die Ausstattung und Fenster auch in der Zeit nach dem Konzil, wo vielerorts vor allem Ausstattungen des Historismus aus den Kirchen rigoros entfernt wurden, ehalten geblieben ist.

  • Taufbecken, Hochaltar mit Passionsszenen, Marien- und Josefsaltar, Chorgestühl für die Geistlichkeit und die Patronatsfamilie der Fürsten zu Salm-Salm, Kommunionbank, Beichtstühle und Kirchenbänke, künstlerischer Plattenbelag des Chores und Wandsockel, gemalte Kreuzwegstationen von der Hand der Maler Windhausen aus Roermond.
  • Bislang wenig beachtet wurden die sehr qualitätvollen Chorpfeilerfiguren und ein riesiger Hl. Christopherus außen am Turm, die aufgrund ihrer bildhauerischen Qualität und ihrer Nähe zu mittelalterlichen Werken, mit an der Spitze neugotischer Bildnisplastik im nordwestdeutschen Raum stehen, und selbst Bildhauerwerke der Kölner Dombauhütte dieser Zeit übertreffen !! (Bildhauer bislang unbekannt).
  • Siebenarmige Leuchter im Chorraum, Apostelleuchter, Altarleuchter und großer Einbauschrank in der Sakristei ergänzen das umfangreich erhaltene Inventar.
  • Von herausragender Bedeutung ist die komplett erhaltene, qualitätvolle neugotische Verglasung von Kirche, Taufkapelle und Sakristei, geschaffen in den Jahren 1901 bis 1913 in den Werkstätten der Firma Derix in Kevelaer.
  • Unter der heute sichtbaren Wandfarbe hat sich die komplette bauzeitliche Ausmalung der Kirche erhalten (freigelegte Probeachse am Josefsaltar sichtbar).
  • Der Fußbodenbelag des Chorraumes und ein Einzelbild des Hl. Georg zu Pferde von Philipp Baum (Villeroy & Boch).

Von der Ausstattung der 1898 niedergelegten Vorgängerkirche haben sich wichtige Stücke erhalten, und wurden bereits 1901, und bei der jüngsten Innenrenovierung wieder in den Kirchenraum integriert.

  • Romanischer Taufstein, Bentheimer Typ, bald vor 1200, beschädigt, heute als Weihwasserbecken unter der Orgel.
  • Ein Eichenholzrelief mit der Darstellung des Todes Mariens westfälische Werkstatt vom Anfang des 16. Jahrhunderts als Mittelrelief des Marienaltares mit neugotischer Fassung.
  • Zwei spätgotische Apostelstatuetten aus Baumberger Sandstein, farbig gefasst, wohl aus einem ehemaligen Altarzusammenhang.
  • Figur der Pfarrpatronin St. Gudula, Brüssel oder Mechelen um 1520.
  • Kleine Pieta, westfälisch, Holz, ungefasst, um 1430/50.
  • Barocke Altargemälde der ehemaligen Seitenaltäre, um 1670/80 von der Hand des Malers Hermann Veltmann, tätig in Coesfeld, Schaffenszeit: 1676–1723. Ein Altarauszug aus St. Gudula Rhede befindet sich im Museum "Alte Kirche" in Reken.
  • Barocke stehende Anna, ungefasst, von einem ehemaligen Altar.
  • Aus dem Coesfelder Jesuitenkloster Porträts von Jesuitengenerälen (Leihgaben im Kirchenmuseum Reken), wohl über das in der Säkularisation aufgelöste Kloster Varlar bei Coesfeld (Patronatskloster) nach Rhede gelangt.
  • Eine als Leihgabe bislang im Gudulakloster bewahrte sitzende Marienfigur mit Kind von beachtlicher Größe, die bereits in Nachrichten des 17. Jh. erwähnt wird, und zu der sich ein silberner Rosenkranz und eine Metallkrone erhalten haben, wird zur Zeit wissenschaftlich auf Ihr Alter untersucht (neugotisch oder mittelalterlich), und geprüft, ob es sich um das bislang als verschollen geltende, über Jahrhunderte "verehrte Marienbild" der Gemeinde handelt, oder um eine spätere Nachschöpfung (Westfälische Nachrichten vom 6. Oktober 2012: Hölzerne Madonna muss in die Röhre).
  • Spitze des spätgotischen Sakramentshauses mit plastischer Christusfigur (Baumberger Sandstein) aufgestellt in einem Bildstock zwischen Rhede und Krechting.

Im kleinen Kirchenschatz:

  • Zwei Kaseln mit spätgotischen Stickereien (Köln um 1450 / 60 und Brabant um 1500), sowie zwei Dalmatiken mit Kölner Borten um 1450 / 60.
  • Gute neugotische Kelche als Leihgaben in der Krankenhauskapelle.
  • Ein wenig beachteter Kelch eines Salm-Salmschen Hauskaplans vom Anholter Künstler Nadorp in der Kirche Vardingholt.
  • Neugotische Turmmonstranz.
  • Eine barocke Sonnenmonstranz, wohl Lucas Böemer Münster, Ende des 17. Jahrhunderts.
  • Ein Rokokociborium aus vergoldetem Silber.

[1]

Orgel

Die Orgel auf der Ostempore

Die Orgel wurde 1998 von der Firma Orgelbau Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer) erbaut.[2] Das Schleifladen-Instrument hat 52 Register (3.576 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch. Ausgestattet ist die Orgel mit einer elektronischen Setzeranlage und einem Registercrescendo.[3][4]

I Hauptwerk C–g3
1. Prinzipal 16′
2. Prinzipal 8′
3. Konzertflöte 8′
4. Gamba 8′
5. Oktave 4′
6. Flauto 4′
7. Superoktave 2′
8. Kornett V (ab c0) 8′
9. Mixtur major IV 2′
10. Mixtur minor III-VI 11/3
11. Trompete 8′
12. Trompete 4′
II Schwellpositiv C–g3
13. Bordun 16′
14. Prinzipal 8′
15. Gedackt 8′
16. Quintade 8′
17. Oktave 4′
18. Rohrflöte 4′
19. Prinzipal 2′
20. Quinte 11/3
21. Sifflet 1′
22. Sesquialter II 22/3
23. Mixtur IV 11/3
24. Zimbel III 1′
25. Cromorne 8′
26. Clarinette 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–g3
27. Salicet 16′
28. Flute harmonique 8′
29. Bordun 8′
30. Gamba 8′
31. Vox coelestis (ab c0) 8′
32. Traversflöte 4′
33. Fugara 4′
34. Quinte 22/3
35. Piccolo 2′
36. Terz 13/5
37. Harmonica III 22/3
38. Fagott 16′
39. Tuba 8′
40. Oboe 8′
41. Vox humana 8′
42. Trompete 4′
Tremblant
Pedal C–g1
43. Subbass 32′
44. Prinzipalbass 16′
45. Subbass 16′
46. Oktavbass 8′
47. Gedacktbass 8′
48. Oktave 4′
49. Bombarde 32′
50. Posaune 16′
51. Trompetenbass 8′
52. Trompete 4′
  • Koppeln
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Suboktavkoppel: I/I
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/II, III/III

Die Chororgel wurde maßgeblich in Eigenarbeit der Gemeinde aus zwei Instrumenten gebaut, insbesondere unter Verwendung von Pfeifenmaterial der alten Hauptorgel. Die Chororgel hat 28 Register auf drei Manualen und Pedal.[5]

I Hauptwerk C–a3
1. Quintade 16′
2. Prinzipal 8′
3. Gedackt 8′
4. Oktave 4′
5. Koppelflöte 4′
6. Schweizerpfeife 2′
7. Scharff III 1′
8. Sesquialter II 22/3
9. Trompete 8′
10. Krummhorn 16′
Tremulant
II Schwellwerk C–g3
11. Hohlflöte 8′
12. Rohrflöte 8′
13. Prinzipal 4′
14. Nasat 22/3
15. Prinzipal 2′
16. Sifflet 1′
17. Terzian II 13/5
18. Oboe 8′
Tremulant
III. Manual C–g3
19. Holzflöte 8′
20. Gedackt 8′
21. Aeoline 8′
22. Gemshorn 4′
23. Prinzipal 2′
24. Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–g1
25. Subbaß 16′
26. Flöte 8′
27. Oktave 4′
28. Posaune 16′
  • Koppeln: I 4'/I, II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P

Glocken

Der Turm beherbergt sieben Läuteglocken. Glocken 1 bis 6 wurden 1951 bzw. 2006 von der Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock gegossen. Von historischer Bedeutung ist die Johannesglocke (Nr. 7), die 1492 von Gerhard van Wou gegossen wurde.[6]

Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Ø (cm) Gewicht (kg) Nominal Anmerkungen
1 Christusglocke 2006 Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock 155 2.349 c1 +1 Festtagsglocke
2 Marienglocke 1951 132 1.432 es1 Sonntags- und Totenglocke
3 Josefsglocke 1951 115 1.007 f1
4 Gudulaglocke 1951 102 659 g1
5 Schutzengelglocke 1951 81 355 b1 Angelusglocke
6 Liudgerglocke 2006 82 372 c2
7 Johannesglocke 1492 Gerhard van Wou 58 118 e2 +8

Historischer Holzglockenstuhl (1951 aufgesetzter Eisenglockenstuhl bei der letzten Sanierung entfernt), eventuell unter Verwendung historischer Hölzer des Glockenstuhls der Vorgängerkirche.

Literatur

  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen. Band 2, Westfalen, Deutscher Kunstverlag, München 1969
  • Wilhelm Rave: Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band 46, Kreis Borken, 1954.
  • Ursula Ninfa: Bau- und Kunstwerke im Westmünsterland, Borken, 1999.
  • Ursula Ninfa: Geschichte der Stadt Rhede Hrsg. Heimatverein Rhede, 2000.
  • Josef H. Dalhaus, verschiedene Autoren: 100 Jahre Sankt Gudula 1901 - 2001, Rhede 2001, 224 Seiten
  • Heinz-Günther Wessels: Kirchenführer Kath.Pfarrkirche St. Gudula Rhede, 2001
  • Damberg-Muschiol: Das Bistum Münster 805-2005, Münster 2005.

Weblinks

Commons: St. Gudula (Rhede) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georg Dehio; Dorothea Kluge; Wilfried Hansmann; Ernst Gall: Nordrhein-Westfalen. In: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band 2. Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 1969, OCLC 272521926, S. 482.
  2. Zur Chronik der Orgeln in St. Gudula
  3. Informationen zur neuen Orgel
  4. Zur Disposition
  5. Zur Chororgel
  6. Informationen zu den Glocken

Koordinaten: 51° 50′ 26″ N, 6° 41′ 49″ O