St. Ulrici (Braunschweig)


Die Kirche St. Ulrici, auch St. Ulrich, St. Ulricikirche oder St. Ulrichskirche (lateinisch ecclesia sancti Odelrici), war eine mittelalterliche Kirche. Sie befand sich in der Mitte des Braunschweiger Kohlmarktes in der Altstadt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Markgraf Ludolph (oder Luidolf) von Sachsen, der zu dieser Zeit auch Herr von Braunschweig war, ließ um 1030 das Gebäude errichten, das im Jahr 1036 vom Hildesheimer Bischof Godehard dem Heiligen eingeweiht wurde. Sie diente dem Weichbild Sack als Pfarrkirche. Im Lauf der Jahrhunderte verfiel sie zusehends und der Versuch einer Instandsetzung des baufälligen Gebäudes, der im Jahr 1495 begonnen wurde, endete bereits im Folgejahr. 1511 wurde nochmals eine Reparatur vorgenommen, die jedoch 1514 aus Mangel an Geldmitteln eingestellt wurde. Schließlich wurde die Kirche während des Streites mit Herzog Heinrich dem Jüngeren im Jahr 1544 abgebrochen und die ihr erteilten Rechte, trotz des Protestes des Herzogs, des bisherigen Inhabers des Kirchenpatronats, auf die nahe gelegene Brüdernkirche übertragen. Erst im Jahr 1569 erteilte sein Sohn und Nachfolger Herzog Julius seine landesherrliche Genehmigung zu dieser Übertragung.[1][2]
1478 weihte der Vikar des Bischofs Hennig von Hildesheim „eine neue Tafel“ für den Johannisaltar, das versilberte Haupt St. Ulrichs, zwei Statuen der Heiligen Kosmas und Damian und Bildsäulen des Hl. Christophorus und der Hl. Dorothea.
Auf dem Platz, wo die Kirche gestanden hatte, ließ der Rat der Stadt eine Hauptwache (Waachhus = Waage) und ein Provianthaus errichten, die beide im Juli 1791 wieder abgebrochen wurden. Die Steine des Gebäudes wurden für den Bau eines Turmes des St. Magni Tores verwendet. Das Kirchensiegel der Brüdernkirche führte weiterhin die Bezeichnung Ulrici-Kirche,[3] daher wird sie auch St. Ulrici-Brüdern genannt.[4] Markgraf Ludolph und seine Frau Gertrud ließen zudem nahe der Burg Dankwarderode eine Stiftskirche (Thancguarderoth) errichten, die 1067 in einer Stiftung des Propstes Athelold erwähnt wird. Sie wurde von Heinrich dem Löwe durch einen neuen Kirchenbau ersetzt.

Um 1523 war ein Georg Irrenberg, der 1514 auch das Pfarrhaus am Kohlmarkt (Ass.-Nr. 271/272) errichten ließ, Pfarrer von St. Ulrici. Dieses Haus mit der lateinischen Inschrift
befindet sich nun Hinter der Magnikirche 4.[5] Das nahegelegene Ulrichs- oder Löwentor bildete im Mittelalter die östliche Begrenzung zwischen Altstadt und Altewiek. Dort wurde später das Haus Leuenturm errichtet.
Baubeschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kirche wurde aus Rogenstein errichtet, der vom östlichen Ufer der Oker stammte. Hermann Dürre vermutete 1861, dass es sich um einen Bau im byzantinischen Stil mit drei Schiffen gehandelt habe. Das Mittelschiff lag im Osten und wurde durch einen Chor abgeschlossen. Im Westen befand sich ein Turmbau mit zwei Türmen. Trotz mehrmaliger Reparaturmaßnahmen war der Zustand des Gebäudes zuletzt so schlecht, dass täglich mit einem Einsturz gerechnet wurde, weil sich die Statik durch die neu eingefügten Gewölbe derart geändert hatte, dass die alten Mauern diese Lasten nicht abfangen konnten. Ab 1544 wurde mit dem Abbruch von Turm und Kirche begonnen und der bisherige Kirchhof in einen Marktplatz umgewandelt.[6]
Das Degedingebuch der Altstadt verzeichnet einen Meister Ludeloff Klockengheter (Glockengießer), der gemeinsam mit seinem gleichnamigen Sohn 1395 zwei Glocken gegossen hat. Eine 100 Zentner schwere Glocke war für die Kirche St. Katharinen bestimmt, die andere für die St. Ulricikirche auf dem Kohlenmarkt.
Inneneinrichtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut dem Kopialbuch von St. Ulrici bot die Kirche im Innern Platz für 15 Altäre.
- Der Hochaltar befand sich im Chor und war vermutlich dem Heiligen Ulrich geweiht. Dort standen Statuen der heiligen Jungfrau und der 12 Apostel. Vor dem Altar brannte eine ewige Lampe, 1339 vom Bürger Heinrich finanziert, der das Haus zum schwarzen Hahn bewohnte. Zudem befand sich hier ein Heiligenbild oder eine Statue.
- Frühmessenaltar vor dem Chor
- Juvanitiusaltar im Mittelschiff vor dem Taufstein, um 1493 von Johann Buder gestiftet.
- Altar „der Hülfe Gottes“ und des „heiligen Kreuzes“ in der Nähe des Taufsteins, aufgestellt 1505 von Claus Engelsen und seiner Frau Gese (geborene Krüger)
- Trinitatisalter, hinter dem heiligen Stock, 1451 gestiftet durch den Bürger Gerd von Warendorp.
- Johannisaltar vor dem Aufgang zur Prieche im südlichen Seitenschiff, vermutlich am östlichen Ende, 1485 nach dem letzten Willen Hermann Luckens gestiftet. Dieser war mit einem Marienbild geschmückt.
- Nicolaus- oder Schusteraltar am östlichen Ende des nördlichen Seitenschiffs, der durch die Innung der Schuhmacher begründet wurde
- Thomasaltar auf der Prieche über der Sakristei
- Pantaleonsaltar um 1427 (Pantaleon)
Weitere sechs Altäre befanden sich an den Pfeilern, die das Mittelschiff von den beiden Seitenschiffen trennten.
Bei den nördlichen Pfeilern
- Jacobus- oder Jacobialtar 1349 von Johann Pust oder Johannes Půst[7] gestiftet (erster, in Richtung Goldener Stern) seit 1420 mit einer Bildsäule des Evangelisten Lucas.
- Cosmas- und Damianusaltar um 1439 für die Bruderschaft der Bader und Barbire (zweiter)
- Altar des heiligen Kreuzes und St. Annas, 1511 von Mette Wulfeskop gestiftet (dritter)
Bei den südlichen Pfeilern
- Levinus- oder Mettenmessenaltar (erster)
- Lucasaltar 1520 von der Witwe Martin Boilings und ihrem Bruder Dietrich Woltmann gestiftet (zweiter)
- Matthiasaltar 1510 von Martin Wulfeskop gestiftet
Im südlichen Seitenschiff gab es eine Statue der Heiligen Katharina.
Es gab eine Orgel und mehrere Glocken, von denen zwei 1544 in die Brüdernkirche kamen, andere wurden später verkauft.
Lage um 1400
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]| Lage der Ulricikirche | |
|---|---|
|
| |
| Braunschweig um 1400, Weichbilde farbig hervorgehoben. Lage der Ulricikirche mit Ulrichspfarre und Ulrichstoben |
Die Pfarre umfasste bis 1544 das komplette Weichbild des Sacks und einen Teil der Altstadt. Im dem von dem Geometer W. Schadt 1903 für das Urkundenbuch der Stadt Braunschweig entworfenen Plan mit der Bezeichnung Braunschweig um 1400, ist das Kirchengebäude mit der Nummer 32 verzeichnet. Zusätzlich sind unter den Nummern 33 die Ulrichspfarre (Ass.-Nr. 271–274) und 34 der Ulrichstoben (Ass.-Nr. 275–276) gekennzeichnet. Dort am Ufer der Oker lagen die lateinisch Stupa juxta cimiterium sancti Olrici ‚Stoben neben dem Friedhof von Saint Ulrici‘ und das Pfarrhaus.
Die Kirche hatte zudem einige kleinere Ländereien und erhielt 1380 durch den Bürger Peter von Wenden für 6 Jahre die Hälfte der Mühle in Eisenbüttel zugesprochen. 1410 erbte sie von Gese, der Witwe des Ratsherren und Bürgermeisters des Sacks Brand von Rowen, drei Höfe in Groß Elvede mit 46 Morgen Land. Nach einem Güterverzeichnis der Kirche aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts besaß sie zudem einen Hof in Rautheim und einen in Riddagshausen. Zum Kircheneigentum gehörten mehrere Häuser an der Südseite des Ulrichskirchhofs, so unter anderem 7 Häuser vom Pfarrhof bis zu dem der Jacobs Straße gegenüberliegenden Haus. Der Stoben an der südwestlichen Ecke des Kirchhofes brachte jährlich 22 Gulden Zins ein. Das daneben liegende Opfermannshaus brachte nur 6 Gulnen ein. Weitere Besitzungen lagen in der Schuhstraße (11 Häuser), Kannengießerstraße (10 Häuser) und im Weichbild Sack.[6]
Neuere Erkenntnisse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Pfarrkirche St. Ulrici wurde auf dem Fundament eines hölzernen Vorgängerbaus errichtet. Der Grundriss und die Lage des zugehörigem Friedhofs konnten von Hartmut Rötting rekonstruiert werden. Es ließ sich ein kleiner eingezogener Rechteck-Chor nachweisen. Wann dieser Holzbau (lateinisch ecclesia ligneae) errichtet wurde, ist nicht nachweisbar. Rötting ging davon aus, dass die Erbauung in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts erfolgte. Im Aufbau soll sie der Holzkirche von Tostedt geähnelt haben, wobei in St. Ulrici das Mittelschiff nur von drei Pfostenjochen gebildet wurde. Diese Kirchen stellen vermutlich einfache Saalkirchen mit einem Rechteckchor in Stabbauweise aus senkrechten Holzbohlen errichteten Wänden, die in Schwellbalken trugen.[8]
Grabungen auf dem Gebiet der ehemaligen Pfarrkirche ergaben, dass diese mindestens vier Vorgängerbauten hatte. Bei dem letzten Bau soll es sich um eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit Westwerk und zwei Türmen gehandelt haben. Das Patronat hatten anfänglich die brunonischen Herrscher und später die welfischen Stadtherrn. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden sie an das Stift St. Blasii übertragen. Um 1420 kam es wegen der Patronatsrechte zum Streit zwischen dem Stift und dem Rat der Stadt, so dass die Herzöge das Patronat 1425 wieder an sich nahmen. Der teilweiser Einsturz des Gemäuers soll 1544 zum endgültigen Abbruch geführt haben.[9]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Elmar Arnhold: Mittelalterliche Metropole Braunschweig: Architektur und Stadtbaukunst vom 11. bis 15. Jahrhundert. Appelhans, Braunschweig 2018, ISBN 978-3-944939-36-0, S. 164–165.
- Jürgen Diestelmann: St. Ulrici. In: Luitgard Camerer, Manfred Garzmann, Wolf-Dieter Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon. Joh. Heinr. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 3-926701-14-5, S. 232.
- Reinhard Dorn: Mittelalterliche Kirchen in Braunschweig. Niemeyer, Hameln 1978, ISBN 3-87585-043-2, S. 253.
- Hermann Dürre: 11. Die Ulrichskirche. In: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Grüneberg’s Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung, Braunschweig 1861, S. 483–490 (Textarchiv – Internet Archive).
- Michael Geschwinde, Wolfgang Meibeyer: Zur vor- und frühstädtischen Zeit von Braunschweig – aus gemeinsamer Sicht von Archäologie und Historischer Siedlungsgeographie. In: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte (= Jahrbücher für Landesgeschichte des Braunschweigischen Geschichtsvereins). Band 91. Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Braunschweig 2010, Die Beiträge von Archäologie und Historischer Siedlungsgeographie, S. 13–42, hier S. 22–25, doi:10.24355/dbbs.084-202007241343-0 (tu-braunschweig.de [PDF]).
- Heinrich Meier: Kohlmarkt (eigentlich Kohlenmarkt). In: Die Straßennamen der Stadt Braunschweig. Julius Zwissler, Wolfenbüttel 1904, S. 59–61 (Textarchiv – Internet Archive).
- Hartmut Rötting: Die Entwicklung der frühen Stadt am Beispiel der Braunschweiger Altstadt. Archäologisch-Historische und Archäometrische Forschungsergebnisse. In: Heiko Steuer, Gerd Biegel: Stadtarchäologie in Norddeutschland westlich der Elbe (= Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters. Beiheft 14) Habelt, Bonn 2002, S. 114.
- Hartmut Rötting: Stadtarchäologie in Braunschweig. Ein fachübergreifender Arbeitsbericht zu den Grabungen 1976–1984. (= Forschungen zur Denkmalpflege in Niedersachsen. Band 3). Niemeyer, Hameln 1985, ISBN 3-87585-055-6, S. 22–23.
- Gerd Spies (Hrsg.): Braunschweig, das Bild der Stadt in 900 Jahren. Geschichte und Ansichten. Band 1, Städtisches Museum Braunschweig, Braunschweig 1985, S. 3–6.
- Werner Spieß: Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter. Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit 1491–1671. Band 1. Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag, Braunschweig 1966, S. 81–82.
- Stadt Braunschweig, Bauverwaltung (Hrsg.): Untersuchung zur Baugeschichte des Kohlmarktes. (= Stadtgestaltung in Braunschweig.) Oeding, Braunschweig 1980.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kohlmarkt – die Geschichte des Handels braunschweig.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Friedrich Knoll: Braunschweig und Umgebung Historisches Topographisches Handbuch. Benno Goeritz, Braunschweig 1877, S. 112 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ 2. Die Inschriften der Stadt Braunschweig – Ihre Einordnung in die Stadtgeschichte. In: Deutsche Inschriften Online: DI 35 Stadt Braunschweig bis 1528: Einleitung. inschriften.net, abgerufen am 13. September 2025.
- ↑ Ernst Stier: Führer durch die Stadt Braunschweig und deren Umgebung … Limbach, Braunschweig 1908, S. 110 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Friedrich Knoll: Brüdernkirche. In: Braunschweig und Umgebung Historisches Topographisches Handbuch. Benno Goeritz, Braunschweig 1877, S. 92–96, hier S. 93 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Andrea Boockmann: DI 35, Stadt Braunschweig I, Nr. 355. urn:nbn:de:0238-di035g005k0035505 (inschriften.net).
- ↑ a b Hermann Dürre: 11. Die Ulrichskirche. In: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Grüneberg’s Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung, Braunschweig 1861, S. 483–490 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Ludwig Hänselmann, Heinrich Mack: 1349 September 6. Propst Aschwin zu St Blasien bestätigt die Stiftung Gunzekes v. Semmenedt zur Unterhaltung eines eigenen Priesiers für den Jacobialtar zu St Ulrici. In: Urkundenbuch der Stadt Braunschweig. C. A. Schwetschke, Braunschweig 1873, S. 329 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Michael Geschwinde, Wolfgang Meibeyer: Zur vor- und frühstädtischen Zeit von Braunschweig – aus gemeinsamer Sicht von Archäologie und Historischer Siedlungsgeographie. In: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte (= Jahrbücher für Landesgeschichte des Braunschweigischen Geschichtsvereins). Band 91. Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Braunschweig 2010, Die Beiträge von Archäologie und Historischer Siedlungsgeographie, S. 13–42, hier S. 22–25, doi:10.24355/dbbs.084-202007241343-0 (tu-braunschweig.de [PDF]).
- ↑ 2.3 Übersicht über die Kirchen, Stifte, Klöster und Kapellen – St. Ulrici. In: Deutsche Inschriften Online: DI 35 Stadt Braunschweig bis 1528: Einleitung. inschriften.net, abgerufen am 13. September 2025.
Koordinaten: 52° 15′ 44,5″ N, 10° 31′ 12,8″ O