Textile Handarbeit

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Wassili Andrejewitsch Tropinin: Spitzenklöpplerin (Öl auf Leinwand, 1823)

Unter textilen Handarbeiten versteht man Verfahren aus verschiedenen Zweigen der Textiltechnik, die für die Selbstversorgung mit Textilien, als Heimarbeit, im Kontext häuslichen oder schulischen Unterrichts (textiler Werkunterricht), als Freizeitbeschäftigung oder zu ergotherapeutischen Zwecken angewendet werden. In der Regel können diese mit einfachem Werkzeug oder einfachen Maschinen ausgeführt werden. Arbeitsmaterialien bilden Textilien verschiedener Art, wie Garne und Stoffe.

Textile Handarbeiten bildeten in den bürgerlichen Gesellschaften der Westlichen Welt seit dem 18. Jahrhundert einen festen Bestandteil der Mädchenbildung.[1] In England beispielsweise erlernten Mädchen das Handarbeiten bereits in jungen Jahren, wobei die Anwendung rein dekorativer Techniken Töchtern aus wohlhabenden Familien vorbehalten war.[2]

Im deutschsprachigen Bereich entstand vom 18. Jahrhundert an ein selbstständiges schulisches Unterrichtsfach, in dem Mädchen Textiltechniken gelehrt wurden, sei es als Grundlage einer Berufsausbildung, sei es für den häuslichen Gebrauch. An den fränkischen Schulen etwa wurde obligatorischer weiblicher Handarbeitsunterricht per herzoglichem Dekret in den Jahren 1790 und 1792 eingeführt. Die eigentliche Geschichte des Handarbeitsunterrichts geht bis ins Mittelalter zurück, in dem in Nonnenklöstern auch die Mädchen der umliegenden Siedlungen Textiltechniken erlernen konnten. Im 16. Jahrhundert entstanden darüber hinaus Strickschulen, denen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wiederum Industrieschulen folgten.[3]

Im frühen 20. Jahrhundert wurden unter dem Einfluss der Reformpädagogik im Handarbeitsunterricht verstärkt auch neue erzieherischen Möglichkeiten entdeckt, insbesondere die der Weckung schöpferischer Kräfte.[3]

Im Ersten Weltkrieg und im Nationalsozialismus erhielt das Handarbeiten politische Bedeutung insofern, als Mädchen nun immer wieder dazu angehalten wurden, statt für den eigenen Bedarf in erheblichem Umfang z. B. für die Frontsoldaten oder für karitative Zwecke im Kontext der Volksgemeinschaft zu stricken und zu nähen.[3]

Bayerisches Wappen auf besticktem Osterei, Kreuzstich, Pfaffing, Oberbayern, 2016

Zur Nadelarbeit genannten Gruppe von Handarbeiten gehörten ursprünglich Techniken, die mit Nadeln verschiedener Form ausgeübt wurden.

Nadelarbeit war ein Synonym für Handarbeiten für Mädchen oder Textiles Werken. In diesem Schulfach wurden die Grundlagen dieser Techniken vermittelt. Von der lange Zeit frauentypischen Nadelarbeit ist der Rechtsbegriff des „Nadelgeldes“ abgeleitet.

Sonstige traditionelle Handarbeiten

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  • Klöppeln
  • Makramee, als kunsthandwerkliche Freizeitbeschäftigung erstmals in der viktorianischen Zeit, dann wieder in den 1970er Jahre und erneut in den 2020er Jahren
  • Occhi

Moderne Handarbeiten

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Ab etwa 1970 wurden ursprünglich handwerklich ausgeübte Techniken für den Privathaushalt entdeckt.

  • Margot Grupe: Die neue Nadelarbeit. Lehrbuch für Schule und Haus auf Grund der neuen Lehrpläne für höhere Mädchen- und Mittelschulen. unter Mitwirkung von Hildegard von Gierke, Helene Hasse, Elisabeth Kölling und Gertrud Willms. Dürer-Haus, Berlin 1921.
Spezialthemen
  • Carmen Viktoria Jansen: Textile in Texturen. Lesestrategien und Intertextualität bei Goethe und Bettina Brentano von Arnim. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1740-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – über die kulturelle Konstruktion von Weiblichkeit durch Textilarbeit).

Einzelnachweise

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  1. A discovery of stitches: needlework and 19th century girlhood. Abgerufen am 14. Juli 2024.
  2. Catherine Amoroso Leslie: Needlework through History: An Encyclopedia. Greenwood Press, Westport, Connecticut 2007, ISBN 978-0-313-33548-8, S. 30 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b c rechte Masche – linke Masche. Zur Geschichte des Handarbeitsunterrichts. Abgerufen am 15. Juli 2024.