U-Boot-Bunker Valentin

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Der U-Boot-Bunker Valentin ist ein an der Weser in Bremen-Nord (Ortsteil Rekum) gelegenes Bauwerk. Der Bunker wurde im Zweiten Weltkrieg von 1943 bis März 1945 errichtet, jedoch infolge des Kriegsendes nicht fertiggestellt.

Technische Daten
Fertigstellungsgrad: etwa 90 %
Länge: 426 Meter
Breite: Osten 67 Meter
Breite: Westen 97 Meter
Außenhöhe: 20-22 Meter
Außenhöhe bei Deckenerhöhung: 30-33 Meter
Innenhöhe 18 Meter
Grundfläche 35.375 m²
gesicherter umbauter Raum 520.000 m³
Verwendeter Beton knapp 500.000 m³
Betondicke (heute genutzter Teil; erste Ausbaustufe) 4,5 m
Betondicke (heute ungenutzter Teil; zweite Ausbaustufe) 7 m
noch heute genutzter Teil rund 40 %

Als die Bombenangriffe auf deutsche Werften zunahmen und die Produktion von U-Booten dadurch stark eingeschränkt war, wurden bombensichere Werften in Bunkern geplant. In Bremen wurde solch ein Werftbunker unter dem Tarnnamen „Valentin“ in Bremen-Rekum gebaut. Er sollte nach Fertigstellung vom Bremer Vulkan zur Montage der U-Boote des Typs XXI genutzt werden. Ein weiterer Bunkerbau namens „Hornisse[1] wurde im Bremer Hafen für die AG Weser begonnen, um dort U-Boot-Sektionen zu fertigen. Andere Sektionen sollten im Bunker „Wespe“ in Wilhelmshaven hergestellt und dann per Schiff zum Bunker Valentin zur Endmontage gebracht werden.

Die Bezeichnung richtete sich nach den Anfangsbuchstaben der Standorte: "Valentin" kam von Vegesack, dem Standort der Vulkan-Werft. Ein U-Bootbunker in Finkenwerder/Hamburg hieß "Fink", der Bunker Wespe stand in Wilhelmshaven, in Kiel gab es den U-Bootbunker Kilian.

Beim U-Boot-Bunker „Valentin“ handelt es sich um den flächenmäßig größten Bunker in Deutschland und um den zweitgrößten in Europa. Er hat eine Grundfläche von 35.375 Quadratmeter. An Material wurden 1 Million Tonnen Kies und Sand, 132.000 Tonnen Zement und 20.000 Tonnen Stahl verbaut. Der größte U-Boot-Bunker wurde während des Zweiten Weltkriegs im von Deutschen besetzten Frankreich bei Brest erbaut.

Planung

Mitte 1943 wurde mit dem Bau mehrerer Werftbunker in Bremen und Hamburg begonnen. In ihnen sollten die neuen U-Boote vom Typ XXI in Sektionsbauweise gebaut werden. Anfang 1945 sollte der Bunker Valentin fertig sein und dann sollte dort später alle 56 Stunden ein U-Boot vom Stapel laufen. Die Boote sollten in dreizehn Sektionen in anderen Fabriken, hauptsächlich Bremer Vulkan und Deschimag/AG Weser, vorgefertigt und dann im Valentin in einer Art Fließbandarbeit zusammengesetzt und ausgerüstet werden.

Planungen von Ende 1944 sahen vor, dass nach Inbetriebnahme des Bunkers im April 1945 zunächst 3 Boote gebaut werden sollten, ab August 1945 dann die vorläufige Endkapazität von 14 Booten monatlich erreicht sein würde.

Bau

Der Bau wurde von der Organisation Todt geplant und beaufsichtigt. Mit Baubeginn 1943 oblag der Arbeitsgemeinschaft Agatz&Bock die Bauleitung, Bauleitung vor Ort Dr.-Ing. Erich Lackner und die DeSchiMAG/A.G."Weser".[2]

Für den Bau des Bunkers wurden in Farge und Schwanewede Lager errichtet, unter anderem im Marinegemeinschaftslager Schwanewede, und sogar in einem riesigen Treibstofftank, der für die Marineversorgung errichtet worden war, wurden Häftlinge untergebracht. 13.000 Zwangsarbeiter wurden für den Bunkerbau aus den besetzten Gebieten und dem KZ Neuengamme herbeigeschafft. Darunter waren 4000 Zwangsarbeiter, 5000 Kriegsgefangene und 2000 KZ-Häftlinge aus Polen, Russland und Frankreich. Sie wurden im Lager KZ Bremen-Farge gesammelt. Sie mussten in Zehnstundenschichten den Bunker errichten. Vermutlich sind 6.000 davon bei Bauarbeiten ums Leben gekommen. Es sind jedoch nur 1.700 Tote registriert, weil die Namen der polnischen und russischen Toten nicht berücksichtigt wurden. Viele Zwangsarbeiter sind an Unterernährung gestorben oder hingerichtet worden. 3000 Menschen waren in einem unterirdischen Großtank in jeweils vierstöckigen Betten untergebracht.

Bauende

Einschlagsloch einer der zwei britischen Bomben, die Valentin trafen
U-Bootbunker Valentin von der Weser aus gesehen
Innenansicht des U-Bootbunkers

Anfang 1943 begann die Flächenbombadierung Bremens und der Werften Deschimag/AG Weser und Bremer Vulkan. Der Bunker wurde nicht bombardiert, obwohl der Baufortschritt durch Luftaufklärung den Alliierten bekannt war. Es war ihnen vermutlich wichtiger, dass die Baustelle Material und Arbeitskräfte band, beides somit der Herstellung von Rüstungsgütern entzogen wurde. Erst kurz vor Inbetriebnahme, der Bunker war bei Kriegsende zu etwa 90% fertiggestellt, wurden zwei Luftangriffe auf den Bunker geflogen.

Der erste von beiden Angriffen erfolgte am 27. März 1945 durch 18 spezielle ausgerüstete Bomber vom Typ Lancaster B Mk.I (Special) der Royal Air Force, die mit 13 Grand Slams (je 10t), vier Tallboys (je 5,4 t) und zwölf 454-kg-Bomben bewaffnet waren. Zwei Treffer sind zu verzeichnen, zwei Grand Slams drangen etwa 2m tief in die, in der ersten Ausbaustufe befindlichen, 4,5 m starke Decke ein. Eine davon riss ein 7-8 m großes Loch auf, welches in der nebenstehenden Abbildung mit heraushängender Armierung, im Volksmund später „Toter Mann“ genannt, zu sehen ist.

Die Bauarbeiten wurden daraufhin eingestellt. Am 30. März 1945 erfolgte ein Angriff der US Air Force, deren 2,5 t schweren Bomben dem Bunker zwar nichts anhaben konnten, aber die umliegende ungeschützte Infrastruktur zerstörten und das Baggerschiff versenkten, welches den Durchbruch zur Weser freimachen sollte. Der Bau wurde nie wieder aufgenommen und selbst die Aufräumarbeiten nach den Angriffen wurden eine Woche später abgebrochen. Es wurde nie ein U-Boot im Bunker Valentin fertiggestellt.

Vernichtung durch Arbeit im System "Bunkerbau"

Auf der Baustelle zum U-Boot-Bunker "Valentin" waren im Umkreis von einem Kilometer etwa 10.000 Menschen an der Arbeit. Am Bunker arbeiteten 50 Firmen in zwei Arbeitsgemeinschaften.[3] In der Region Bremen-Farge mit den niedersächsischen Ortschaften Schwanewede und Neuenkirchen gab es auf einer Fläche von 6 mal 2 km sieben Lager. Sie wurden beginnend ab 1938 eingerichtet. Namentlich sind über tausend Opfer dieser Vernichtung durch Arbeit bekannt. Schätzungen gehen bis zu 6000 Toten.

Vor dem Bunkerbau hatte der Tankanlagenbau im "WIFO-Gelände" (= Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft, Bremen-Blumenthal) begonnen. Die Tankanlagen werden z. T. heute noch betrieben. Bis 1960 nutzten sie die Amerikaner (u.a. für die Berlin-Blockade). Heute ist es das größte Treibstofflager Europas - 1/3 für die Bundeswehr 2/3 für die Ölwirtschaft.

1937 richtete die Firma Gottlieb Tesch aus Berlin ein Aufenthaltslager für Firmenmitarbeiter ein. Ergänzend kamen zunächst 300 „Fremdarbeiter“ hinzu. Ab 1939 kamen zwei „Marinegemeinschaftslager“ dazu. Im Oktober 1940 wurde ein Arbeitserziehungslager eingerichtet für „Arbeitsverweigerer, Arbeitsbummelanten, Regimegegner und später auch Halbjuden“. Die Menschen in diesem Lager waren „keine Gefangenen“. Sie wurden einer „erzieherischen Maßnahme“ unterworfen - auf 56 Tage beschränkt. Die Gestapo konnte weitere 21 Tage Schutzhaft anordnen. Und es sind Fälle bekannt, dass jemand nach kurzer Freiheit erneut ins Lager gebracht wurde. Die Lebensbedingungen waren „bewusst erheblich schlimmer und das Verhalten des Wachpersonals grausamer als in einem KZ, um die ‚erziehende Wirkung' zu erzielen.“ In den Lagern der Organisation Todt Heidkamp I und II (= Ortsteil von Schwanewede) wurden zuletzt 4500 Menschen in 27 Baracken zusammengezwängt. Seit November 1943 wurden anfangs 500 später bis zu 2500 Gefangene in einem Außenlager des KZ Neuengamme (südöstlich von Hamburg) untergebracht. Sie mussten in einem fertig gestellten Ölbunker mit einem Durchmesser von 46 m und einer Höhe von 6,3 m zubringen. Außerdem gab es noch ein Kriegsgefangenenlager.

Nutzung nach dem Krieg

Nach Freigabe durch die Alliierten Ende Mai 1945 begannen Arbeiter der beteiligten Baufirmen, die Anlagen zu demontieren und Schrotthändler schlachteten den Bunker aus. Später, von 1946 bis 1949, wurde der Bunker von der RAF und der USAF zu Tests mit speziellen betonbrechenden Bomben genutzt. Die komplette Sprengung des Bunkers wurde geplant, jedoch nie umgesetzt. Nach Berechnungen wären etwa 500 t Sprengstoff notwendig gewesen, die möglichen Schäden in der Umgebung damit zu groß geworden. Es wurde davon ausgegangen, dass der Ortsteil Rekum größtenteils zerstört und das in der Nähe befindliche Kraftwerk Farge schwer beschädigt worden wäre. Nur kleinere Teile des Bunkers wurden daraufhin von Engländern gesprengt.

In den 1950er Jahren forderten Anwohner, dass der Bunker durch Erdaufschüttungen in einen großen Hügel verwandelt werden sollte.

Nach der Wiederbewaffnung war er als Depot für amerikanische Atomwaffen vorgesehen, was aber ebenfalls nie umgesetzt wurde.

Später wurde ein Teil des Bunkers, etwa 40% der Gesamtanlage, in ein Marinedepot der Bundeswehr umgebaut, das noch bis 2010 bestehen bleiben soll. Über eine weitere Verwendung ist noch nicht entschieden. Über die Finanzierung von Erhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen streiten das Land Bremen und der Bund.

Weil der Bunker auf einem Fugenfundament und nicht auf einer Platte steht, werden heute noch Messungen über die Absenkung des Bauwerkes im Boden vorgenommen, da so einzigartige Erfahrungswerte für die Verbesserung statischer Berechnungen gewonnen werden können.

Erinnerungsstätte

Das Mahnmal vor dem Bunker stellt die Zwangsarbeiter dar, die beim Bau des Bunkers litten und starben.

1983 wurde am Eingang ein Mahnmal für die Opfer des Bunkerbaus errichtet, eine Betonplastik des Künstlers Fritz Stein.

Zwischen 1999 und 2005 wurde im ungenutzten Teil der Ruine das Theaterstück Die letzten Tage der Menschheit unter der Regie von Johann Kresnik aufgeführt.

Seit 2005 führt das Schulzentrum Blumenthal jeweils Ende April einen Gedenklauf durch vom Weserdeich am Bunker über die Lagerstraße zum ehemaligen Arbeitserziehungslager.

Angesichts der Pläne, den Bunker zu verkaufen, besuchte der Bremer Senat mit Bürgermeister Jens Böhrnsen und Bürgermeisterin Karoline Linnert am 15. April 2008 den Bunker „Valentin“ zusammen mit dem Brigadegeneral Wolfgang Brüschke. Anlass war die Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums, den bisher noch als Materialdepot genutzten Bunker bis Ende 2010 als Standort aufzugeben. Im Vordergrund der Gespräche stand dabei eine angemessene Nachnutzung des Bauwerks. Der Senat sprach sich dafür aus, im Bunker eine Gedenkstätte für die beim Bau ums Leben gekommenen Zwangsarbeiter zu errichten. „Unser Besuch vor Ort setzt das Zeichen, dass Bremen und der Bund hier gemeinsam ihrer historisch-moralischen Verpflichtung nachkommen müssen. Wir müssen daher gemeinsam mit dem Bund zu einer Lösung kommen“, sagte Bürgermeister Böhrnsen im Anschluss. Ausdrücklich dankte er den Angehörigen der Bundeswehr für ihr Engagement, insbesondere bei Führungen durch den Bunker für die interessierte Öffentlichkeit. Zudem würdigte der Bürgermeister die Aktivitäten des Vereins Dokumentations- und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin e.V.[4]

Der Verein „Geschichtslehrpfad“[5] und die „Friedensschule Bremen“[6] organisieren regelmäßig Führungen durch den Bunker und über das Lagergelände. Besichtigungen des Bunkers sind auch über den Pressesprecher des Marine-Depots[7] möglich und werden u.a. über die Volkshochschule in Osterholz-Scharmbeck[8] angeboten.

Literatur

  • Barbara Johr und Hartmut Roder: Der Bunker: Ein Beispiel nationalsozialistischen Wahns; Bremen-Farge 1943-45. Edition Temmen, Bremen 1989, ISBN 3-926958-24-3
  • Hartmut Roder und Nils Aschenbeck: Fabrik für die Ewigkeit. Der U-Boot-Bunker in Bremen- Farge. Junius Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-88506-238-0
  • Dieter Schmidt und Fabian Becker: Bunker Valentin. Edition Temmen, Bremen und Rostock 2001, ISBN 3-86108-288-8
  • Rainer Christochowitz: Die U-Boot-Bunkerwerft Valentin. Donat Verlag, 2000, ISBN 3-93483-605-4
  • Heiko Kania: Neue Erkenntnisse zu Opferzahl und Lager im Zusammenhang mit dem Bau des U-Boot-Werftbunkers Valentin in Bremen-Farge, in: „Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte“ PDF, 2002
  • Christian Siegel: „Der U-Boot-Bunker ist eine Bestie“ Die Bunker-Werft in Bremen-Farge als Teil totaler Kriegführung. Landeszentrale für politische Bildung Bremen 2004

Filme

  • depot dämon denkort - Der U-Boot-Bunker in Bremen-Farge; Film von Silke Betscher, Katharina Hoffmann und Wolfgang Wortmann mit Unterstützung durch Lerngruppen des Schulzentrums Blumenthal. Verleih: Landeszentrale für politische Bildung Bremen. (Premiere: 25. April 2008)

Einzelnachweis

  1. http://www.relikte.com/brm_hornisse/index.htm
  2. E. Lehmann: 100 Jahre schiffbautechnische Gesellschaft, Springer 1999, ISBN:3540641505, S.214
  3. Rainer Christochowitz (Marinedepot) und Gerhard Scharnhorst (Geschichtslehrpfad Bunker Valentin)
  4. Mitteilung der Senatspressestelle
  5. http://www.geschichtslehrpfad.de/
  6. http://www.friedensschule-bremen.de/
  7. Führung mit dem Pressesprecher des Marine-Depots
  8. Kontakt zur Volkshochschule Osterholz-Scharmbeck

Weblinks

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