Vermögensteuer

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Die Vermögensteuer ist eine Steuer auf das Gesamtvermögen eines Steuerpflichtigen. Ihre Bemessungsgrundlage umfasst meist das nach Abzug der Schulden verbleibende Reinvermögen.

Historische Entwicklung

Vermögensteuern wurden bereits in der Antike erhoben, etwa im Römischen Reich[1] und in Athen[2]; sie dienten allerdings vorübergehenden Zwecken wie der Kriegsfinanzierung. In Deutschland wurden vermögensteuerartige Abgaben bis ins späte Mittelalter hauptsächlich auf Grundbesitz erhoben; diese Abgaben entsprachen eher der heutigen Grundsteuer.[3] Eine das Gesamtvermögen treffende Vermögensteuer wurde in Deutschland erstmals 1893 durch das Preußische Ergänzungssteuergesetz eingeführt. Mittlerweile gilt die Vermögenssteuer jedoch als "Auslaufmodell", von den 36 OECD-Staaten hatten 2017 lediglich 4 eine allgemeine Vermögenssteuer (1990 waren es noch 12 Staaten).[4]

Vermögensteuer in Deutschland

In Deutschland war die Vermögensteuer eine stichtagsbezogene Substanzsteuer, die vom Wert des Nettovermögens (Bruttovermögen abzüglich Schulden) des Steuerpflichtigen berechnet wurde. Zur Bemessungsgrundlage gehörten Immobilien, Sparguthaben, Wertpapiere und Lebensversicherungen, außerdem Sachvermögen wie Kraftfahrzeuge, Hausrat oder Kunstgegenstände. Steuerpflichtig waren sowohl natürliche als auch juristische Personen. Natürliche Personen erhielten gemäß § 6 Abs. 1 VSt einen Freibetrag von 120.000 DM oder umgerechnet rund 60.000 Euro.

Die Vermögensteuer wurde zuletzt 1996 erhoben, in jenem Jahr hatte sie ein Steueraufkommen von etwa 9 Milliarden DM generiert.[5] Die Vermögensteuer stand als Ländersteuer den Bundesländern zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG). 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen mit Vermögensteuer nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar sei.[6] In den Beratungen zum Jahressteuergesetz 1997 stellte die damalige Bundesregierung zwar fest, dass es keinen verfassungsrechtlichen Zwang zur Abschaffung der Vermögensteuer gebe, trotzdem wird seither die Vermögensteuer mit Wirkung ab 1997 nicht mehr erhoben, obwohl das Vermögensteuergesetz weiterhin in Kraft ist.[7]

Für die Vermögensteuer in der DDR siehe Vermögensteuer (DDR).

Vermögenssteuer in Österreich

In Österreich bestand bis 1993 eine Vermögenssteuer auf Nettovermögen.[8] Die Einnahmen aus dieser lagen 1990 bei 511 Mio. €, was 1 % des Gesamtsteueraufkommens ausmachte. Hierbei waren die meisten Zahler der Steuer Unternehmen.[9] Da die Vermögenssteuer primär Unternehmen traf und nicht wohlhabende Privatpersonen – vom Bankgeheimnis geschützt –, wurde sie 1993 auf Initiative des sozialdemokratischen Finanzministers Ferdinand Lacina abgeschafft. Stattdessen plante Lacina eine Reform der Grundbesteuerung und der Erbschaftsbesteuerung, dazu kam es jedoch nicht.[10] Die Erbschaftssteuer in Österreich wurde bis 2008 weiter eingehoben.

Kritik an der Vermögensteuer

Aus steuerwissenschaftlicher Sicht wird die Erhebung einer Vermögensteuer unter anderem mit folgenden Argumenten abgelehnt:[11]

  • Die Vermögensteuer ähnelt der Einkommensteuer. Da Zinsen und ähnliche Vermögenserträge bereits durch die Einkommensteuer belastet werden, erzeugt die Vermögensteuer eine Doppelbelastung.
  • Während die Einkommensteuer aber den tatsächlichen Ertrag trifft, belastet die Vermögensteuer den Sollertrag. Bleibt der tatsächliche Ertrag hinter dem Sollertrag zurück, kommt es zur Überbesteuerung.
  • Unter allen Steuern erzeugt die Vermögensteuer die höchsten Verwaltungskosten, weil Bewertungen schwierig sind. Besteht das politische Ziel darin, Kapitaleinkommen stärker zu belasten, kann der Gesetzgeber die Kapitaleinkommensteuer erhöhen, statt mit der Vermögensteuer eine weitere Steuer einzuführen.
  • Die Vermögensteuer behandelt Individuen ungleich, indem sie die Versorgungsansprüche der Beamten und Arbeitnehmer ausnimmt, die Altersersparnisse der Selbständigen aber einbezieht.
  • Fasst der Gesetzgeber die Bemessungsgrundlage eng, weichen die Steuerpflichtigen aus, indem sie z. B. Bilder und andere Kunstgegenstände kaufen. Eine weit gefasste Bemessungsgrundlage erfordert andererseits tiefes Eindringen in die Privatsphäre, um etwa den „Picasso im Schlafzimmer“ zu entdecken.

Argumente für die Vermögensteuer

Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben berechnet, dass ein Steueraufkommen von zehn bis zwanzig Milliarden Euro im Jahr möglich wäre. Dabei würden sich die Erhebungskosten auf demselben Niveau wie bei der Einkommensteuer bewegen.[12] Da laut Thomas Piketty[13] sowie dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung die Einkommen der Vermögenden tendenziell überdurchschnittlich sind, könnte eine reformierte Vermögensteuer die Vermögenskonzentration zumindest verlangsamen.[14]

Vermögensteuer in Frankreich

In Frankreich besteht seit 1982 eine Vermögensteuer, allerdings nur auf Privatvermögen, nicht auf Betriebsvermögen. Premierminister Jacques Chirac schaffte sie 1986 bis 1988 ab.[15] Sie hat zu Abwanderungen vermögender Steuerzahler insbesondere nach Belgien und in die Schweiz beigetragen.[16] Im Herbst 2012 wurde die Vermögensteuer von der sozialistischen Regierung unter Staatspräsident François Hollande stark erhöht.[17] Die Steuer greift jetzt bei einem Vermögen ab 800.000 Euro, zuvor lag die Schwelle bei 1,3 Millionen Euro. Der Eingangssteuersatz wurde auf 0,55 % erhöht; bei einem Vermögen von z. B. 4 Millionen Euro werden 95.500 € (ca. 2,4 %) Steuern berechnet.[18]

Emmanuel Macron, Staatspräsident seit Mai 2017, hat die Umwandlung der Steuer in eine reine Immobiliensteuer initiiert. Außerdem sollen Luxusgegenstände wie Yachten besteuert werden, was aber eher als symbolische Maßnahme gewertet wird. Die Vermögensbesteuerung soll um mehr als 3 Milliarden Euro sinken.[15]

Weitere Staaten

In den Niederlanden[19], in Spanien[20], in der Schweiz (nur auf kantonaler und kommunaler Ebene), in Norwegen[21], in Indien[22] und in Liechtenstein[23] bestehen Vermögensteuern in unterschiedlichem Umfang. In Japan werden auf der Basis eines Gesetzes aus dem Jahr 1950 Vermögensteuern auf Gemeindeebene erhoben, die sich allerdings nur auf Immobilien und abnutzbares Betriebsvermögen beziehen.

Belgien, Litauen und das Vereinigte Königreich kennen in ihrer Geschichte keine Vermögensteuer. Auch in Bulgarien, Estland, Lettland, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Zypern und Australien existiert keine allgemeine Vermögensteuer. Dies gilt auch für Kanada und die USA, auch wenn dort einzelne Vermögensgegenstände wie Grundstücke in einer der deutschen Grundsteuer ähnelnden Weise besteuert werden.

Vermögensteuern abgeschafft haben Irland (Erhebung bis 1977), Österreich (Erhebung bis 1993[24]), Italien (Erhebung auf das Reinvermögen von Unternehmen bis 1995), Dänemark (Erhebung bis 1995), Finnland (Erhebung bis 2005), Island (Erhebung bis 2005[25]) und Schweden (Erhebung bis 2006). In Luxemburg existierte nur bis 2005 eine Vermögensteuer für natürliche Personen, eine Steuer auf das Reinvermögen juristischer Personen wird jedoch weiterhin erhoben.

In den USA ist die Vermögensteuer fast überall abgeschafft worden. Lediglich in einigen Bundesstaaten und Countys (Bezirken) besteht sie noch formal. Das gesamte vermögensbezogene Steueraufkommen der USA speiste sich fast ausschließlich aus der US-amerikanischen Grundsteuer, die dort im Übrigen die zweitwichtigste Einzelsteuer ist.[26]

Griechenland führte 1997 eine Vermögensteuer ein, die allerdings im Wesentlichen nur Grundvermögen betrifft und deshalb eher der deutschen Grundsteuer entspricht. Ungarn führte mit Wirkung ab 2010 eine Vermögensteuer auf Wohnimmobilien und bestimmte Luxusgüter ein. Die Immobilienbesteuerung wurde jedoch aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichts nicht vollzogen.[27]

Vermögensbezogene Steuern

International, etwa bei der OECD, gelten auch die Grundsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Gewerbekapitalsteuer, Zweitwohnungsteuer, Hundesteuer, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer als vermögensbezogene Steuern.[28]

Deutschland

Diese vermögensbezogenen Steuern tragen in Deutschland im OECD-Vergleich stark unterdurchschnittlich zum Steueraufkommen bei. Sie erbringen in Deutschland dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge nur ein Aufkommen von 0,9 % des BIP. Dies ist knapp die Hälfte des Durchschnitts der wichtigsten Industriestaaten.[29]

Nach Ansicht von Stefan Bach, stellvertretender Leiter der Abteilung Staat des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten vermögensbezogene Steuern (insbesondere Erbschaftsteuer und Grundsteuer), die auf besonders Reiche zugeschnitten sind, etwa 15 Milliarden Euro jährlich erbringen, ohne dass größere wirtschaftliche Nachteile für Deutschland (Kapitalflucht oder ähnliches) entstünden. Das sind etwa 9 Milliarden Euro mehr, als ein Anheben des Spitzensteuersatzes auf 49 % (derzeit ca. 45 %) ab einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von 60 000 Euro (derzeit ab 250 401) zusätzlich erbringen würde.[30][31]

Internationaler Vergleich

Im internationalen Vergleich erheben Deutschland und Österreich nach OECD-Zahlen (2008) sehr geringe vermögensbezogene Steuern. In Großbritannien, das eine hohe Grundsteuer erhebt, betragen die vermögensbezogenen Steuern dagegen über 4 % des BIP.[32] Zu beachten ist jedoch, dass in diesem relativ hohen Prozentsatz auch das Aufkommen aus der britischen Stempelsteuer auf Aktiengeschäfte enthalten ist. Vermögen- und Schenkungsteuern existieren in Großbritannien hingegen nicht.[26]

Die vermögensbezogenen Steuern stehen meist den lokalen Gebietskörperschaften (Kommunen, Regionen) zu. Häufig können diese Körperschaften die Steuersätze auch selbst festsetzen.

In Mrd. € Anteil am gesamten Steueraufkommen Anteil am BIP
Bezogen auf das Vermögen natürlicher Personen:
USA 3,1 %
Schweiz 2,6 2,7 % 1,0 %
Luxemburg 0,2 1,8 % 0,7 %
Österreich 1,5 0,6 %
Norwegen 0,9 1,2 % 0,5 %
Island 0,3 1,1 % 0,4 %
Schweden 0,9 0,7 % 0,4 %
Frankreich 2,4 0,4 % 0,2 %
Finnland 0,2 0,3 % 0,1 %
Bezogen auf das Vermögen juristischer Personen:
Luxemburg 0,5 5,5 % 2,3 %
Island 0,3 1,0 % 0,4 %
Schweiz 1,3 0,9 % 0,3 %
Bei der Interpretation von OECD-Statistiken ist zu beachten, dass die Steuerbelastung häufig in % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) angegeben wird. Da die Vermögen in diesen Ländern im Allgemeinen größer als das BIP sind, in Deutschland z. B. etwa 4-mal so groß, ist die Belastung der Vermögen prozentual im Allgemeinen deutlich geringer.[33]
Wiktionary: Vermögensteuer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. UNRV.com - Taxes in the Roman Empire
  2. Winfried Schmitz: Eisphora. In: Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Hrsg.): Brill’s New Pauly. Antiquity volumes. Brill Online, 2013.
  3. Joachim Wieland: Rechtliche Rahmenbedingungen für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. November 2003, S. 3 ff.
  4. Johannes Ritter, Zürich: Debatte über Vermögensteuer: So funktioniert das Original in der Schweiz. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. September 2019]).
  5. BT-Drs. 13/5975
  6. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995, Az. 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 – Einheitswerte II.
  7. Vermögensteuergesetz
  8. RIS - Vermögensteuergesetz 1954 - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 28.08.1992. Abgerufen am 28. August 2019.
  9. Karl Goldberg: Die Entwicklung vermögensbezogener Steuern in Österreich. In: Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (Hrsg.): Kurswechsel. Nr. 3, 2008.
  10. Oliver Pink: Lacina: "Vermögensteuer wie damals hielte ich für völlig falsch". In: diepresse.com. 14. November 2014, abgerufen am 28. August 2019.
  11. Stefan Homburg Allgemeine Steuerlehre, 7. Auflage Verlag Vahlen 2015, ISBN 978-3-8006-4922-8, S. 131 ff.
  12. Stefan Bach, Andreas Thiemann: Vermögensteuer Hohes Aufkommenspotential bei Wiedererhebung der Vermögensteuer. (PDF) Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2016, abgerufen am 5. Juni 2018.
  13. Das Kapital im 21. Jahrhundert (übersetzt von Ilse Utz und Stefan Lorenzer), Beck, München 2014.
  14. Gustav Horn, Jan Behringer, Sebastian Gechert, Katja Rietzler, Ulrike Stein: Was tun gegen die Ungleichheit? (PDF) Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, 2017, S. 16, abgerufen am 5. Juni 2018.
  15. a b FAZ.net 19. Oktober 2017 / Christian Schubert: Staatsbegräbnis für die französische Vermögensteuer
  16. Eric Pichet: The Economic Consequences of the French Wealth Tax. In: La Revue de Droit Fiscal. Vol. 14, S. 5, April 2007.
  17. Frankreichs Sozialisten kassieren bei Millionären. Zeit Online, 20. Juli 2012
  18. Die Wohlhabenden werden zur Kasse gebeten. auf: faz.net, 18. Juli 2012
  19. Vermogens Rendementheffing
  20. sobre el patrimonio
  21. Manfred Schäfers: Der Steuer-Zombie. auf: faz.net, 20. September 2011.
  22. Claudia Ossola-Haring, Winfried Ruh: Wachstumsmarkt Indien: Das Investitionshandbuch für Unternehmen und deren Berater. Oldenbourg Verlag, 2008, ISBN 978-3-486-58573-5, S. 195.
  23. Statistisches Jahrbuch Liechtensteins 2017, S. 336.
  24. Vermögensteuer. Eintrag im Universal-Lexikon.
  25. Anna Rosinus: Vermögensdekonzentration und Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz. (= Sozialökonomische Schriften. Band 38). Verlag Peter Lang, 2009, ISBN 978-3-631-59351-6, S. 177, Tabelle 33.
  26. a b Matthias Warneke: Zehn Argumente gegen die Vermögensteuer. (PDF; 303 kB), 27. September 2012.
  27. Vermögensbesteuerung – Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten (PDF; 264 kB), Margit Schratzenstaller, Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 34, Fußnote 29.
  28. OECD-Seite
  29. Spiegel-Wirtschaft
  30. diw.de (PDF)
  31. gesetze-im-internet.de
  32. Erbschafts- und Vermögenssteuern (Memento vom 13. November 2012 im Internet Archive) auf der Website der OECD
  33. diw-berlin.de (PDF)