Viktors Arājs

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Viktors Arājs (* 13. Januar 1910 in Baldone bei Riga; † 13. Januar 1988 in Kassel) war ein lettischer Kollaborateur und SS-Offizier, der als Führer des Kommando Arājs am Holocaust während der deutschen Besetzung Lettlands und der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik beteiligt war. Das Kommando Arājs ermordete etwa die Hälfte der lettischen Juden.[1] Er wurde 1979 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viktors Arājs (deutsche Schreibung Viktor Bernhard Arajs, auch Victors Arājs) wurde in Baldone im Gouvernement Kurland geboren, einem Teil des zaristischen Russland. Der Name Arājs bedeutet im Deutschen „der Pflüger“. Sein Vater war ein lettischer Schmied, seine Mutter entstammte einer vermögenden baltendeutschen Familie. Arājs besuchte das Gymnasium in Mitau, das er 1930 mit dem Abitur verließ, um als Wehrpflichtiger in der lettischen Armee zu dienen. Arājs studierte ab 1932 Jura an der Universität Lettlands in Riga, beendete sein Studium jedoch nicht. Er war Mitglied der elitären Studentenverbindung Lettonija, was ihm nach dem Abbruch des Studiums möglicherweise dabei half, eine Anstellung bei der lettischen Polizei zu finden, wo er bis zum Polizei-Leutnant befördert wurde.[2] Arājs war in der Regierungszeit von Kārlis Ulmanis (1934–40) noch ein „bescheidener, übereifriger niederer Polizeicharge in der Provinz“, der sich als Beamter vom „Perkonkrusts pflichtgetreu distanzierte“.[3]

Am 22. Juni 1941 begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Nachdem die Rote Armee Riga vor der heranrückenden Wehrmacht verlassen hatte, übernahm Arājs am 1. Juli 1941 eine verlassene Polizeipräfektur in der Waldemarstraße 19. Die bald darauf unter Führung von Walter Stahlecker und Robert Stieglitz eintreffenden Deutschen führten den lettischstämmigen Übersetzer Hans Dressler mit sich, der Arājs noch aus dessen Zeit vom Gymnasium und von der lettischen Armee her kannte. Dressler vermittelte Arājs die besten Empfehlungen gegenüber den deutschen Besatzern und genoss deren Vertrauen.[4] Die Stammmannschaft seiner Truppe rekrutierte Arājs aus seiner Studentenverbindung und aus dem Perkonkrusts (Donnerkreuz).

Aufruf: Rekrutierung zum Kommando Arājs in der Zeitung Tēvija vom 4. Juli 1941

Ab dem 4. Juli 1941 verließ sich die deutsche Führung auf die „Sicherungsgruppe Arājs“ (in der Literatur meist Kommando Arajs oder Sonderkommando Arajs).[5] In der nationalistischen Zeitung Vaterland (lettisch Tēvija) erschien an diesem Tag ein Aufruf „An alle national denkenden Letten, Donnerkreuzler, Studenten, Offiziere, Schutztruppen und Bürger, die bereit sind, aktiv an der Säuberung unseres Landes von schädlichen Elementen teilzunehmen“,[6] sich am Sitz der „Sicherungsgruppe“ in der Waldemarstraße 19 zu melden. Am 4. Juli sperrten Arājs und seine Anhänger 500 Juden, welche die Flucht vor den heranrückenden Deutschen nicht geschafft hatten, in der Rigaer Synagoge in der heutigen Gogolstraße ein. Dort wurden sie lebendigen Leibes verbrannt und zusätzlich mit Handgranaten durch die Fenster beworfen.

Dem Kommando Arājs gehörten bis zu 1.200 Freiwillige an. Die Einheit ermordete insgesamt etwa 45.000 Menschen; zuerst in Lettland und dann in Weißruthenien. Arājs wurde 1942 zum Major der Polizei befördert, 1943 dann zum SS-Sturmbannführer.[1] Der Adjutant von Arājs war der ehemalige lettische Pilot Herberts Cukurs.

Nach der Rückeroberung Lettlands durch die Rote Armee und der Auflösung seines Kommandos absolvierte Arājs 1945 einen militärischen Kurs in Güstrow und war kurzzeitig Bataillonskommandeur in der 15. lettischen SS-Division.[7]

Arājs war bis 1949 in britischen Internierungslagern und arbeitete danach als Militärkraftfahrer für die britische Militärregierung in Delmenhorst. In Deutschland nahm er den Namen Viktor Zeibots an, wobei ihm die lettische Exilregierung in London behilflich war. Er arbeitete in Frankfurt am Main als Hilfsarbeiter in einer Druckerei.[1]

Arājs wurde am 21. Dezember 1979 vom Landgericht Hamburg für schuldig befunden, die im Großen Rigaer Ghetto lebenden Juden am 8. Dezember 1941 im Wald von Rumbula durch Massenerschießung getötet zu haben. Für gemeinschaftlich begangenen Mord an 13.000 Menschen wurde er mit lebenslänglicher Haft bestraft.[8] Arājs verstarb 1988 in Haft in einer Justizvollzugsanstalt in Kassel.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Andrew Ezergailis: The holocaust in Latvia 1941–1944. The missing center. Published in association with The United States Holocaust Memorial Museum, Washington DC. The historical institute of Latvia, Riga 1996, ISBN 9984-9054-3-8.
  • Karl Heinz Gräfe: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz. Die baltischen Staaten zwischen Diktatur und Okkupation. Edition Organon, Berlin 2010, ISBN 978-3-931034-11-5. Kurzbiographie S. 430.
  • Martin Knop: Viktor Arajs – Kollaboration beim Massenmord. In: Barbara Danckwortt, Thorsten Querg, Claudia Schöningh (Hrsg.): Historische Rassismusforschung. Ideologen – Täter – Opfer (= Edition Philosophie und Sozialwissenschaften, Band 30). Argument-Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-88619-630-5, S. 231–245.
  • Richards Plavnieks: Nazi Collaborators on trial during the Cold War. Viktors Arajs and the Latvian Auxiliary Security Police. Palgrave Macmillan, Cham 2018, ISBN 978-3-319-57671-8.
  • Katrin Reichelt: Lettland unter deutscher Besatzung 1941–1944. Der lettische Anteil am Holocaust. Metropol Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-84-8.
  • Aivars Stranga: Ebreji Baltijā. No ienākšanas pirmsākumiem līdz holokaustam. 14. gadsimts – 1945. gads. Nodibinājums LU žurnāla „Latvijas Vēsture“ fonds, Rīgā 2008, ISBN 9984-643-81-6 (Juden im Baltikum. Vom ersten Anfang bis zum Holocaust. 14. Jahrhundert bis 1945).
  • Jochen Kuhlmann: Maywald, Arajs und andere ... 60 Jahre NSG-Justiz in Hamburg. In: Demokratische Geschichte. Jahrbuch für Schleswig-Holstein, ISSN 0932-1632, Jg. 17 (2006), S. 135–171 (online) mit Bild von Arājs.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 18. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
  2. Valdis O. Lumans: Latvia in World War II. Fordham University Press, New York 2006, S. 239. ISBN 0-8232-2627-1.
  3. Marģers Vestermanis (Leiter des Museums „Juden in Lettland“ in Riga): Rezension zu „Der Tod des Henkers von Riga“ (Memento des Originals vom 13. August 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fritz-bauer-institut.de. In: Newsletter des Fritz Bauer Instituts, Nr. 18 vom Frühjahr 2000.
  4. Braune Helden (russisch)
  5. Marģers Vestermanis: Juden in Riga. Auf den Spuren des Lebens und Wirkens einer ermordeten Minderheit. 3. verbesserte und erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 3-86108-263-2, S. 19.
  6. Zeitung „Tēvija“ vom 4. Juli 1941 (Memento des Originals vom 15. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/data.lnb.lv (PDF-Datei; 943 kB)
  7. Igors Vārpa: Latviešu karavīrs zem kāškrusta karoga (Lettische Soldaten unter dem Hakenkreuz), ISBN 9984-751-41-4. Seite 58
  8. https://web.archive.org/web/20160314134224/http://www1.jur.uva.nl/junsv/brd/files/brd856.htm Verfahren Nr. 856, LG Hamburg 791221.
  9. Bernhard Press: The murder of the Jews in Latvia: 1941–1945, aus dem Deutschen übersetzt von Laimdota Mazzarins. Northwestern University Press, Evanston, IL 2000, S. 70. ISBN 0-8101-1729-0. (Deutsche Ausgabe unter dem Titel Judenmord in Lettland 1941–1945, 2. Auflage Metropol, Berlin 1995. ISBN 3-926893-13-3.)