„Wendelstein 7-X“ – Versionsunterschied

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Ziel der [[Kernfusion|Fusionsforschung]] ist es, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen, ähnlich wie es in der [[Sonne]] geschieht. Um eine Fusion zu erreichen, muss der Brennstoff – ein [[Plasma (Physik)|Wasserstoffplasma]] aus einem Gemisch aus [[Deuterium|schwerem]] und [[Tritium|überschwerem Wasserstoff]] – auf Temperaturen von über 100&nbsp;Millionen Grad Celsius aufgeheizt werden. Die dazu notwendige sehr gute Isolation kann prinzipiell durch einen Einschluss des Plasmas in einem Magnetfeld erreicht werden, wobei die [[Lorentz-Kraft]] genutzt wird.
Ziel der [[Kernfusion|Fusionsforschung]] ist es, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen, ähnlich wie es in der [[Sonne]] geschieht. Um eine Fusion zu erreichen, muss der Brennstoff – ein [[Plasma (Physik)|Wasserstoffplasma]] aus einem Gemisch aus [[Deuterium|schwerem]] und [[Tritium|überschwerem Wasserstoff]] – auf Temperaturen von über 100&nbsp;Millionen Grad Celsius aufgeheizt werden. Die dazu notwendige sehr gute Isolation kann prinzipiell durch einen Einschluss des Plasmas in einem Magnetfeld erreicht werden, wobei die [[Lorentz-Kraft]] genutzt wird.


Beginnend in den 1950er Jahren wurde der magnetische Plasmaeinschluß lange Zeit mit dem [[Tokamak]]-Prinzip erprobt, das ebenfalls einen [[Torus]]-förmigen Aufbau hat, gegenüber dem Stellarator aber technisch einfacher aufgebaut ist. Mit der heute möglichen Genauigkeit in Konstruktion und Fertigung können nun auch die verdrillten Magnetspulen eines Stellarators genügend präzise gefertigt werden.
Beginnend in den 1950er Jahren wurde der magnetische Plasmaeinschluuß lange Zeit mit dem [[Tokamak]]-Prinzip erprobt, das ebenfalls einen [[Torus]]-förmigen Aufbau hat, gegenüber dem Stellarator aber technisch einfacher aufgebaut ist. Mit der heute möglichen Genauigkeit in Konstruktion und Fertigung können nun auch die verdrillten Magnetspulen eines Stellarators genügend präzise gefertigt werden.


Wendelstein 7-X hat die Aufgabe, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen. Mit bis zu 30&nbsp;Minuten langen Entladungen soll sie seine wesentliche Eigenschaft vorführen, die Fähigkeit zum [[Dauerstrich]]-Betrieb.
Wendelstein 7-X hat die Aufgabe, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen. Mit bis zu 30&nbsp;Minuten langen Entladungen soll sie seine wesentliche Eigenschaft vorführen, die Fähigkeit zum [[Dauerstrich]]-Betrieb.

Version vom 24. Mai 2010, 17:04 Uhr

Wendelstein 7-X IPP Gebäudekomplex in Greifswald, links die Versuchshalle

Wendelstein 7-X ist ein experimenteller Fusionsreaktor in der Stellarator-Bauweise, der seit 2005[1] im Teilinstitut Greifswald des Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) aufgebaut wird. Er soll planmäßig 2014 fertiggestellt sein und wird dann der weltweit größte Fusionsreaktor dieser Bauweise sein. Das Experiment untersucht wesentliche Hauptkomponenten und Techniken, die bis zum energieliefernden und großtechnischen Einsatz eines Reaktors auf Stellaratorbasis führen sollen.

Vorgänger war das von 1988 bis 2002 betriebene Experiment Wendelstein 7-AS.

Hintergrund

Deuterium-Tritium Fusion

Ziel der Fusionsforschung ist es, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen, ähnlich wie es in der Sonne geschieht. Um eine Fusion zu erreichen, muss der Brennstoff – ein Wasserstoffplasma aus einem Gemisch aus schwerem und überschwerem Wasserstoff – auf Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius aufgeheizt werden. Die dazu notwendige sehr gute Isolation kann prinzipiell durch einen Einschluss des Plasmas in einem Magnetfeld erreicht werden, wobei die Lorentz-Kraft genutzt wird.

Beginnend in den 1950er Jahren wurde der magnetische Plasmaeinschluuß lange Zeit mit dem Tokamak-Prinzip erprobt, das ebenfalls einen Torus-förmigen Aufbau hat, gegenüber dem Stellarator aber technisch einfacher aufgebaut ist. Mit der heute möglichen Genauigkeit in Konstruktion und Fertigung können nun auch die verdrillten Magnetspulen eines Stellarators genügend präzise gefertigt werden.

Wendelstein 7-X hat die Aufgabe, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen. Mit bis zu 30 Minuten langen Entladungen soll sie seine wesentliche Eigenschaft vorführen, die Fähigkeit zum Dauerstrich-Betrieb.

Die Bezeichnung Wendelstein für die Stellaratorexperimente des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik ist eine Anspielung auf die frühen Stellaratorexperimente am Princeton-Labor für Plasmaphysik, die unter dem Namen Matterhorn liefen. Da die ersten deutschen Stellaratoren im bayerischen Garching standen, wurde der Name des Berges Wendelstein in den Bayerischen Alpen gewählt.

Aufbau und Hauptkomponenten

Eines der 50 modularen, supraleitenden Spulenelemente vor der Montage.
Montage der Spulen in die Module.

Der Wendelstein 7-X besteht im Wesentlichen aus einem Toroid von 11 Meter Außendurchmesser, in dem das rotierende Plasma durch Magnetfelder so eingeschlossen wird, dass es nicht mit der Gefäßwand in Berührung kommt. Das Magnetfeld wird durch fünfzig den Torus umgebende, 3,5 Meter hohe nicht-planare Magnetspulen erzeugt. Weitere zwanzig planare Magnete dienen zur gezielten Veränderung des Feldes.

Mit flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, verbrauchen die Magnetfeldspulen nach dem Einschalten nur noch die Kühlleistung und können stationär arbeiten.

Weitere Hauptkomponenten umfassen den Kryostaten, das Plasmagefäß, den Divertor, die Systeme zum Aufheizen des Plasmas und die Versorgungseinrichtungen für elektrische Energie sowie Kühlung.

Den gesamten Spulenkranz umschließt eine wärmeisolierende Außenhülle von 16 Metern Durchmesser, der Kryostat. Die darin befindlichen Elektromagnete müssen während der gesamten Bestromungsdauer auf Supraleitungstemperatur gehalten werden. Auch durch die beste thermische Isolation findet jedoch ein Wärmefluß von außen als auch von innen in den Kryostaten statt. Ein Tankvorrat an flüssigem Helium entzieht diesem mittels Verdampfungskühlung ausreichend Thermische Energie, um auch später während der Experimentdauer 5.000 Watt Wärmeleistung abzutransportieren und somit die Magnete und ihre Abstützung, rund 425 Tonnen Material, auf Supraleitungstemperatur zu kühlen und kühl zu halten [2]. Die Wärmeleistung ist durch die endliche Wärmeleitfähigkeit der eingesetzten Isolierwerkstoffe begründet.

Die abzuführende Wärmeleistung erscheint zunächst gering. Wegen der für den Prozess erforderlichen, hohen Magnetfeldstärken sollen die Elektromagnetspulen aber länger als nur während der 30-minütigen Plasmaentladung supraleitend bleiben. 5 kW Wärmeleistung nahe dem absoluten Nullpunkt sicher abzuführen, ist damit eine Aufgabe, die von einer üblichen Kältemaschine nicht geleistet werden kann. Flüssiges Helium dagegen siedet bei 4,22 K (−268,93 °C) und erfüllt diesen Zweck.

Jedoch beträgt die Verdampfungswärme von Helium nur 84,5 J/mol. 1 mol Helium weist eine Masse von etwa 4 Gramm auf, somit müssen je Sekunde 5.000 J / 84,5 J/mol = 59,172 mol Helium oder 0,236 kg gasförmiges Helium mit einem Volumen von 1,32 m³ sicher und möglichst rasch abgeführt und durch flüssiges Helium gleicher Masse ersetzt werden. Dieses hat eine Dichte von 0,167 kg/dm³, somit werden je Sekunde 1,4 Liter flüssiges Helium erforderlich.

Im Inneren des Spulenkranzes liegt das in 20 Teilen gefertigte Plasmagefäß, das in seiner Form dem verwundenen Plasmaschlauch angepasst ist. Wärmeisolierte Stutzen, die zwischen den Spulen und durch den Kryostaten hindurchgeführt werden, ermöglichen einen Zugang zum inneren Plasmagefäß. Durch insgesamt 299 Öffnungen kann das Plasma später beobachtet und geheizt werden.

Montage

Vorplanung

Zu den Vorbereitungen gehörte eine sehr umfangreiche Planung der Abläufe. Zunächst mussten Verfahren gefunden werden, mit denen die schweren, komplex geformten Bauteile über enge Zwischenräume hinweg präzise zusammengefügt werden konnten. Dazu gehörte auch die Entwicklung zahlreicher Spezialwerkzeuge wie des steuerbaren Spulengreifers und der Montagestände.

Diese Arbeitsfolgen der Montage mussten anschließend in Einzelschritte zerlegt werden und es entstanden insgesamt 450 einzelne Arbeitspakete.

Vormontage

Aufbau eines der fünf Ring-Module aus den Spulenelementen.
Vorbereitung und Vermessung einer der 20 planaren Spulen.

Die Anlage ist aus fünf nahezu baugleichen Modulen aufgebaut, die zunächst vormontiert und erst in der Experimentierhalle zu einem Torus zusammengesetzt werden. Anfang April 2005 wurde mit dem Zusammenbau der ersten Modulhälfte die Montage begonnen.

In den Vormontagestand 1b wurde das erste Teil des Plasmagefäßes hinein gehoben. Dabei brachte man die erste, sechs Tonnen schwere Magnetspule mittels eines Spezialgreifers vorsichtig durch die nur wenige Millimeter breiten Zwischenräume auf das Gefäßsegment auf. Anschließend kann man den zweiten Sektor des Plasmagefäßes anschweißen. Danach wird die Wärmeisolation an der Nahtstelle vervollständigt.

Mit dieser Superisolation trennt man die tiefkalten Magnetspulen von ihrer wärmeren Umgebung (Kryovakuum bei Flüssigstickstoff-Temperatur). Sie besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoff-Paneelen, in welche zwecks besserer Wärmeleitung Kupfernetze einlaminiert wurden. In diese Paneele sind mehrere Lagen geknitterter, mit Aluminium beschichteter Kunststoff-Folie mit Zwischenlagen aus Glasseide eingelegt.

Ist die Isolation fertiggestellt, werden vier weitere Stellaratorspulen und zwei der Zusatzspulen von vorne und hinten auf das Gefäßstück aufgebaut und auf eigenen Montage-Stützen geometrisch präzise ausgerichtet. Nun wird anschließend ein Segment des Tragrings gegen die Spulen geschoben und verschraubt. Nach den abschließenden Zusatzarbeiten und zahlreichen Kontrollvermessungen ist dann das erste Halbmodul fertig.

Nach seiner Fertigstellung wird das 50 Tonnen schwere Bauteil in einem speziellen Lastgeschirr in den zweiten Montagestand gehoben. Zwischenzeitlich wird im Montagestand 1a das zweite Halbmodul spiegelsymmetrisch aufgebaut. Dieses wird gegenüber platziert und beide werden hydraulisch zusammengefahren. Die beiden Segmente des Tragrings werden zueinander ausgerichtet und verschraubt. Die Plasmagefäß-Teile werden dann miteinander verschweißt. Zugleich wird die thermische Isolation an der Nahtstelle geschlossen. Mit einer Masse von 100 Tonnen ist der Rohbau des ersten von fünf Modulen fertig.

Nun werden die Leiter für die elektrische Verschaltung der Spulen angebaut. Die steifen, bis zu 14 Meter langen Supraleiter, die vom Forschungszentrum Jülich hergestellt werden, sind bereits in Form gebogen. Pro Modul werden 24 Stück der unhandlichen und hochempfindlichen Leiter benötigt. Nach dem elektrischen Verbinden und Verschweißen der Supraleiter bekommen die Verbindungsstellen hochspannungsfeste Isolierungen und ihre Heliumdichtigkeit wird kontrolliert. Es folgt an den Spulen die Verrohrung für die Helium-Kühlung. Danach wird alles auf Leckdichtigkeit geprüft. Sind nun noch Sensoren und Messkabel verlegt, kann das erste Modul den Montagestand verlassen. Geplant ist eine Bauzeit von insgesamt 28 Wochen.

Parallel zur Errichtung der Basismaschine wird das Mikrowellen-System zum Aufheizen des Plasmas aufgebaut, die Versorgungseinrichtungen für elektrische Energie und Kühlung, die Maschinensteuerung und nicht zuletzt die Messgeräte, die das Verhalten des Plasmas diagnostizieren und auch den stabilen Betrieb sicherstellen sollen.

Experimenthalle

Experimenthalle mit den vorbereiteten Podesten für die fünf Module.

Das Modul wird nun mit einem speziellen Fahrgestell in die Experimentierhalle transportiert und dort in die Unterschale des Außengefäßes eingebaut. Anschließend werden Verbindungen und Stützen angebracht. Das Bauteil, welches nun rund 120 Tonnen wiegt, wird anschließend auf das eigentliche Maschinenfundament gehoben. Dabei wird es mit zusätzlichen Hilfsstützen gehalten. Nun wird die Oberschale des Außengefäßes aufgesetzt und verschweißt. Es folgt der Einbau von 60 Stützen, die Plasma- und Außengefäß durch den gekühlten Spulenbereich hindurch verbinden.

Im Plasmagefäß beginnt nun der Einbau des Divertors. Mit seinen wassergekühlten Prallplatten werden später die Verunreinigungen und ein Teil der Wärmeenergie aus dem Plasma abgeführt. Den Rest der Energie fängt der Wandschutz ab. Er besteht aus Stahlpaneelen bzw. einem mit Graphit-Ziegeln armiertem Hitzeschild. Insgesamt gibt es 2×5 Divertoren, welche wie die gesamte Anlage fünffach symmetrisch angeordnet sind.

Ein Großteil der Komponenten mit Pumpen, Hitzeschild und Divertormodulen entsteht zurzeit in den Zentralen Technischen Einrichtungen des IPP in Garching. Dort erfolgt auch die Abnahmeprüfung.

Wenn alle fünf Module in der Experimentierhalle stehen, werden die Nahtstellen von Plasma- und Außengefäß geschlossen und die Magnete werden an die Strom- und Heliumversorgung angeschlossen. Wenn die Hauptstromverbindungen und Kühlverrohrungen hergestellt sind, ist die Basismaschine fertig. Während dieser Zeit finden immer wieder Kontrollvermessungen und Dichtigkeitsprüfungen statt.

Betrieb

Wegen der fehlenden aktiven Kühlung wird während der ersten beiden Betriebsjahre die Entladungsdauer von Hochleistungsplasmen im Bereich 8-10 MW auf 5 bis 10 Sekunden begrenzt sein. Dieser Anfangsphase folgt eine Betriebspause von 1½ Jahren, um Wendelstein 7-X auf die volle Dauerstrichfähigkeit auszubauen.[3]

Technische Daten

Großer Plasmaradius: 5,5 Meter
Kleiner Plasmaradius: 0,53 Meter
Magnetfeldstärke: 3 Tesla
Entladungsdauer: Bis zu 30 Minuten Dauerbetrieb
Plasmaheizung: 14 Megawatt Mikrowellenheizung
Plasmavolumen: 30 Kubikmeter
Plasmamenge: 5 .. 30 Milligramm
Plasmatemperatur: 60 .. 130 Millionen Kelvin

Finanzierung

Der Investitionsbedarf stieg gegenüber der Planung um 56 %. Finanziert wird Wendelstein 7-X durch die Europäische Union (33 %) zusammen mit dem Bund (60 %) und dem Land Mecklenburg-Vorpommern (7 %), das Budget beträgt rund 423 Millionen Euro.[4]

Kooperationspartner

Mitarbeiter

Es war geplant, die Anlage mit 257 Mitarbeitern zu betreiben, derzeit (07/2008) sind 450 Spezialisten beschäftigt. Durch Fremdfirmen wurde eine Arbeitsleistung von 700.000 Stunden erbracht.[4]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. IPP: Die Montage von Wendelstein 7-X hat begonnen, 18. April 2005
  2. Vorstellung der Kryoanlage durch die Firma Linde
  3. MPI/IPP: Wendelstein 7-X Newsletter No.1 / April 2008. (PDF)
  4. a b DDP-Meldung vom 18. Juli 2008, 13:55 Uhr; Online verfügbar (Abgerufen am 18. Juli 2008.)

Koordinaten: 54° 4′ 22,9″ N, 13° 25′ 24,7″ O