Wilhelm Bittrich

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Wilhelm Bittrich

Wilhelm Bittrich (* 26. Februar 1894 in Wernigerode; † 19. April 1979 in Wolfratshausen) war SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg.

Leben

Erster Weltkrieg und die Nachkriegsjahre

Bittrich meldete sich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst und wurde am 15. September 1915 zum Leutnant der Reserve befördert. 1916 wechselte er in die noch junge Fliegertruppe und erwarb als Flugzeugführer in einer Jagdstaffel beide Klassen des Eisernen Kreuzes.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg schloss er sich dem „Freikorps Hülsen“ an, bis er sich ab 1920 für kurze Zeit als Börsenmakler versuchte. Am 29. Dezember 1922 heiratete er Käte Blume und wurde im Jahr 1923 in das 100.000-Mann-Heer der Reichswehr übernommen. Ab 1925 arbeitete Bittrich als Fluglehrer an dem geheimen Aufbau der deutschen Luftwaffe auf sowjetischem Boden in Lipezk mit.

Karriere im „Dritten Reich“

Nachdem das deutsche Flugzentrum in der Sowjetunion 1933 durch das Reichswehrministerium aufgelöst wurde, trat er 1934 als SS-Untersturmführer in die SS ein. Die Führung der SS arbeitete bereits zu diesem Zeitpunkt an der Aufstellung bewaffneter und kasernierter SS-Einheiten (vgl. SS-Verfügungstruppe) und war daher auf militärische Fachleute angewiesen. Bittrich wirkte zunächst bei der Aufstellung des I. Bataillons der SS-Standarte „Germania“ (I./SS-Germania) mit und machte bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eine steile Karriere. Am 1. Oktober 1936 zum SS-Sturmbannführer und am 30. Januar 1938 zum SS-Obersturmbannführer befördert, übernahm er im gleichen Jahr das I./SS-„Deutschland“. Am 1. Juni 1939 folgte die Beförderung zum SS-Standartenführer.

Truppenführer im Zweiten Weltkrieg

Den Polenfeldzug erlebte Bittrich im Stab der „Leibstandarte Adolf Hitler“, wo er den Regimentskommandeur Sepp Dietrich bei der Führung des Verbandes unterstützen sollte. Anschließend wurde er am 1. Februar 1940 in das SS-Führungshauptamt versetzt, um einheitliche Ausbildungsvorschriften für die nun Waffen-SS genannte SS-Verfügungstruppe zu erarbeiten.

Bereits seit dem 1. September 1940 SS-Oberführer, erhielt er ab dem 1. Dezember als Kommandeur der SS-Standarte „Deutschland“ wieder ein Frontkommando. Diesen Verband führte Bittrich im Feldzug gegen die Sowjetunion bis zum Oktober 1941, als er in Vertretung für den verwundeten Paul Hausser die Führung der SS-Division „Das Reich“ vor Moskau übernahm. Am 19. Oktober 1941 folgte die Beförderung zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS. Für den selbstständigen Entschluss, die Moskauer Schutzstellung zu durchbrechen, erhielt er am 14. Dezember 1941 zudem das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Am 1. Mai 1942 wurde er beauftragt, aus der SS-Kavalleriebrigade die 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“ aufzustellen, mit der er dann bis Anfang 1943 im Mittelabschnitt der Ostfront kämpfte. Ab Februar 1943 stellte er als Kommandeur die 9. SS-Panzer-Division „Hohenstaufen“ auf und wurde am 1. Mai 1943 zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS befördert. Seine Division verblieb zunächst in Belgien und Frankreich, wo sie im Oktober 1943 zu einer Panzerdivision umgerüstet wurde. Ab März 1944 kämpfte sie im Rahmen des II. SS-Panzerkorps im Krieg gegen die Sowjetunion im Raum Tarnopol, wo es gelang, die eingekesselte deutsche 1. Panzerarmee zu entsetzen.

Nach der Invasion der Alliierten am 6. Juni 1944 wurde das II. SS-Panzerkorps mit der 9. SS-Panzer-Division „Hohenstaufen“ und der 10. SS-Panzer-Division „Frundsberg“ nach Frankreich verlegt, wo Bittrich am 29. Juni 1944 zum Kommandierenden General des Korps ernannt wurde. Unter seiner Führung kämpfte es zunächst an der Invasionsfront u. a. im Raum Caen, später, am 20./21. August brach es unter schweren Verlusten den Kessel von Falaise auf und befreite die eingeschlossene 7. Armee und die 5. Panzerarmee. Für seine Führungsleistung bei dieser Operation erhielt er am 28. August 1944 das Eichenlaub zum Ritterkreuz, nachdem er am 1. August 1944 zum SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS befördert worden war.

Das II. SS-Panzerkorps wurde zur Auffrischung seiner Verbände am Anfang September 1944 in die Niederlande in die Gegend von Arnheim verlegt. Am 17. September 1944 begann dort die alliierte Luftlande-Operation Market Garden mit dem Absprung von britischen Fallschirmjägern genau in die Bereitstellungsräume des II. SS-Panzerkorps, dessen Gegenwart der alliierten Aufklärung entgangen war. Bittrichs Korps gelang es, die britische 1st Airborne Division einzukesseln und ihr schwere Verluste beizubringen. Auf Bitten des Divisionsarztes der 1st Airborne Division verfügte Bittrich am 24. September 1944 eine zweistündige Waffenruhe, um 2.000 verwundete Briten aus dem Kessel abtransportieren und in den Lazaretten seiner Divisionen versorgen zu lassen.

Ab dem 16. Dezember 1944 nahm das II. SS-Panzerkorps im Rahmen der 6. SS-Panzerarmee unter Sepp Dietrich an der Ardennenoffensive teil. Bittrich unterstanden für die Operation neben der 9. SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“ auch die 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ sowie die „Führer-Begleit-Brigade“. Nach geringen Anfangserfolgen liefen sich die Stoßkeile des Korps aber mehr und mehr fest und erlitten durch ständige alliierte Luftangriffe schwere Verluste.

Wegen des endgültigen Scheiterns der Ardennenoffensive und der bevorstehenden sowjetischen Offensive im Süden der Ostfront wurde die 6. SS-Panzerarmee mit Bittrichs Korps im Februar 1945 nach Ungarn verlegt, konnte einen Durchbruch der Roten Armee aber nicht verhindern. Das II. SS-Panzerkorps wurde daraufhin mit der Verteidigung Wiens beauftragt. Nachdem am 2. April 1945 der Angriff auf die Stadt begonnen hatte, erhielt Bittrich am 9. April 1945 vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) den Befehl, Wien „bis zum letzten Atemzug“ zu halten. Noch am gleichen Tag aber zog er seine Verbände aus Wien ab und verlegte sie hinter den Donaukanal, um eine sinnlose Zerstörung der Wiener Altstadt und ein Ausbluten seiner Divisionen zu verhindern. Einem neuerlichen Befehl des OKW, Wien zurückzuerobern, leistete er keine Folge. Hinhaltend kämpfend zog sich Bittrich mit seinem Korps nach Westen zurück und ging am 8. Mai 1945 in amerikanische Gefangenschaft.

Nachkriegszeit

Im Januar 1948 wurde Bittrich an die französischen Militärbehörden ausgeliefert, die ihn wegen Kriegsverbrechen in Frankreich anklagten. Der Prozess begann, nachdem ihm der Kriegsgefangenen-Status aberkannt worden war, am 16. Juni 1953 vor einem französischen Militärgericht in Marseille. Der Anklagevorwurf bezog sich auf die Erschießung von 17 Mitgliedern der Résistance bei Nîmes durch einen Zug der Feldgendarmerie-Kompanie der 9. SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“, deren Kommandeur Bittrich zu dieser Zeit gewesen war. Die Verhandlung ergab, dass Bittrich erst im Nachhinein Kenntnis von den Erschießungen erhalten und daraufhin gegen die beteiligten Soldaten sofort ein Verfahren eingeleitet hatte. Letztlich wurde Bittrich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er, so das Gericht, als Divisionskommandeur die Verantwortung für das Verhalten der ihm unterstellten Soldaten zu übernehmen habe. Die Strafe galt durch die Untersuchungshaft als verbüßt. Der mitangeklagte verantwortliche Zugführer erhielt eine 20-jährige Zuchthausstrafe.

Bittrich ließ sich nach seiner Entlassung am Starnberger See nieder. Einen Beruf übte er nicht mehr aus.

Historische Bewertung

Bittrich gehörte, wie auch Paul Hausser und Felix Steiner zu jener Gruppe von ehemaligen Reichswehroffizieren, die in der SS-Verfügungstruppe ihre neue militärische Heimat fanden und die militärische Ausbildung der noch jungen Truppe prägten. Eine ideologische Heimat, so mehrheitlich die Aussagen in der Nachkriegszeit, sei die SS nie gewesen. Auch Bittrich hat später durchweg die rein militärfachlichen Aspekte seiner Arbeit betont, auch wenn er erklärte, während der 1930er-Jahre sehr unter dem Einfluss des späteren SS-Oberstgruppenführers und Chefs der Ordnungspolizei Kurt Daluege gestanden zu haben, dem er freundschaftlich verbunden war. Zudem hatte Bittrich bereits vor seinem Eintritt in die SS von der Idee eines „nationalen Sozialismus“ geschwärmt und sich später wiederholt als Nationalsozialist bezeichnet. Eine wohl sehr weitgehende Akzeptanz der SS-Ideologie zumindest für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist anzunehmen.

Mit zunehmender Kriegsdauer jedoch mehrten sich die Auseinandersetzungen mit der Reichsführung-SS, insbesondere mit Heinrich Himmler selbst. Nach eigener Aussage sei Bittrich nach dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad von der Unmöglichkeit eines „Endsieges“ überzeugt gewesen. Nachweisbar sind mehrere Versuche Himmlers, Bittrich seines Kommandos zu entbinden, da dieser immer häufiger offen seinen Unmut über die Machthaber in Berlin äußerte. Bittrich aber weigerte sich, den Anweisungen des Reichsführer-SS nachzukommen. Dabei wurde er stets von seinen Vorgesetzten gedeckt. Während der Schlacht um Arnheim 1944 sandte Himmler eigens den Reichsarzt-SS Karl Gebhardt mit dem Auftrag in die Niederlande, Bittrich abzusetzen und nach Berlin zu bringen. Generalfeldmarschall Walter Model, dem das II. SS-Panzerkorps unterstellt war, lehnte es jedoch ab, Bittrich das Kommando zu entziehen und stellte sich auch in der Folgezeit schützend vor ihn.

Bereits in der Nacht vom 15. zum 16. Juli 1944 hatte Bittrich gegenüber Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der die Einstellung der an der Westfront eingesetzten Waffen-SS-Verbände zu einem eventuellen Staatsstreich zu sondieren suchte, erklärt: „Herr Feldmarschall, wenn dieses Wort gilt, dann stehe ich mit dem II. Panzerkorps hinter Ihnen und Ihrer Führung. Meine Kommandeure denken genauso wie ich.“

Wilhelm Bittrich nun als „Mitverschwörer“ oder „Widerstandskämpfer“ bezeichnen zu wollen, geht sicherlich fehl. Seine zunehmende Distanz zu der politischen Führung beruhte wohl mehr auf deren Starrsinn, den Krieg selbst dann nicht zu beenden, als eine Niederlage Deutschlands unausweichlich war und stattdessen immer neue Jahrgänge an den Fronten des Zweiten Weltkrieges in den Tod zu schicken. Bittrich hat sich einen kritischen Geist bewahrt und als Offizier der Waffen-SS das getan, was so viele Wehrmachts-Generäle nicht vermochten: Befehlen, die sinnlos Menschleben geopfert hätten, nicht zu gehorchen. Sein Entschluss, Wien entgegen anders lautenden Weisungen zu räumen, mag dafür ein Beispiel sein.

Dennoch hat auch er dem Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg bis zum bitteren Ende gedient. Ob Bittrich selbst dies auch so gesehen, und wie er seine militärische Karriere vor diesem Hintergrund bewertet hat, ist wegen fehlender Zeugnisse nicht zu klären. Folgende Passage eines Briefes, den er am 19. Mai 1977, zwei Jahre vor seinem Tod, an den Bundesgeschäftsführer des „Bundesverbandes der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e.V.“ geschrieben hat, mag aber einen Hinweis auf seine Sicht der Dinge liefern:

„Ich bitte Sie sehr herzlich, dass bei meiner Beerdigung keine Reden gehalten werden, die irgendwelche Beziehungen zu Verdiensten des Verstorbenen enthalten. Ich würde Ihnen dankbar sein. Der ehemalige General der Waffen-SS Bittrich wird nur eine einzige Liebe in sein Jenseits mitnehmen, die Liebe zu seinem Vaterland Deutschland.[1]

Auszeichnungen

Fortleben

In dem Film Die Brücke von Arnheim wird Bittrich von Maximilian Schell dargestellt.

Literatur

  • Militärgeschichtliches Forschungsamt der Bundeswehr (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. 10 Bände. Stuttgart 1991-2005.
  • Horst Mühleisen: Wilhelm Bittrich. in: Ronald Smelser / Enrico Syring (Hrsg.): Die SS, Elite unter dem Totenkopf. Paderborn 2000. ISBN 3-506-78562-1
  • Peter Stockart: Die Eichenlaubträger 1940–1945. 3. Band. Bad Friedrichshall 1997. ISBN 3-932915-01-1

Einzelnachweise

  1. Vgl. Mühleisen, S. 85.
  2. a b Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.121